• Friedrich von Schlegel to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Halle (Saale) , Leipzig · Place of Destination: Unknown · Date: 19.02.1793 bis 27.02.1793
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
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    Metadata Concerning Header
  • Sender: Friedrich von Schlegel
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Halle (Saale) , Leipzig
  • Place of Destination: Unknown
  • Date: 19.02.1793 bis 27.02.1793
    Printed Text
  • Bibliography: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Bd. 23. Dritte Abteilung: Briefe von und an Friedrich und Dorothea Schlegel. Bis zur Begründung der romantischen Schule (15. September 1788 ‒ 15. Juli 1797). Mit Einleitung und Kommentar hg. v. Ernst Behler u.a. Paderborn u.a. 1987, S. 82‒84.
  • Incipit: „[1] Halle, den 19ten Februar 1793.
    Seit einigen Wochen habe ich umsonst auf eine Stunde gehofft, wo ich Dir alles erzählen konnte, [...]“
    Manuscript
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: DE-1a-34186
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XIX,Bd.24.a,Nr.20
  • Number of Pages: 5S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 18,7 x 11,4 cm
[1] Halle, den 19ten Februar 1793.
Seit einigen Wochen habe ich umsonst auf eine Stunde gehofft, wo ich Dir alles erzählen konnte, was seit dieser Zeit geschehen ist. Vielleicht gelingt es mir heute – aber erwarte nicht mehr, als die wiederliche Schilderung eines zerrütteten Herzens und wiederhohlte Bitte um häufigere Briefe, Rath, Theilnahme und Unterstützung! Zwar wäre es einem edeln Stolze gemäßer, ietzt, statt um Hülfe zu bitten, da ich für itzt nicht erwiedern kann, mich von meinen Freunden zurück zu ziehen, um einsam zu sterben. Aber ich muß wohl leben bleiben, da ich noch nicht mit Ehre sterben kann; und auch dieses letzte bleibt mir versagt. – Meine völlige Unzufriedenheit, die Hoffnungslosigkeit meiner Aussichten, und der Zustand meiner Gesundheit sind [2] genung für meine Standhaftigkeit. Ich fürchte sie wird ermatten, unter den ausgesuchten Leiden, die mich seit einem halben Jahre quälen. –
Schon empfand ich die wohlthätigen Wirkungen einer unermüdeten Arbeitsamkeit, und meiner neuen Verbindung mit Schw.[einitz] als ein Zufall mir eine Menge neuer Aufschlüsse gab, und mich mit neuer Hoffnung betrog. Meine ganze Leidenschaft wurde wieder rege – auch dadurch daß ich sagen mußte, was ich seit so langer Zeit in meiner Brust vergraben hatte – ich mußte <und konnte> Schw.[einitz], Hardenberg und Carlowitz zu Vertrauten machen. Aber nur zu bald sah ich ein, daß sie sich wie ein gemeines Weib an mir gerächt hatte. – Ich erfuhr es würde in der Gesellschaft äusserst schlecht von mir gesprochen, und so schlau es angelegt war, so ließ sich doch leicht die Quelle errathen. Unter den Männern war es [3] mir leicht, <in wenigen Tagen> mir ein solches Ansehn zu geben, daß niemand wagen wird an öffentlichen Orten schlecht von mir zu reden. Aber ich verlangte nach Rache. – Das Paradieß, welches ich noch wenige Tage zuvor geträumt hatte, wäre mir itzt umsonst angeboten, ihr Blut wäre mir viel lieber gewesen. Ich konnte mich nicht rächen als nur auf eine gräßliche Art. – Schw.[einitz] fand selbst diese gerecht. – Carlowitz ein Mensch von feinem Ehrgefühl, und kalter Ueberlegung, sagte sie hätte infam gegen mich gehandelt, doch fand er die Rache zu schrecklich – Hardenberg, der sie kennt und bewundert, fand nur den Gedanken, den Du leicht errathen wirst, entsetzlich, doch gestand er sehr oft sie hätte sehr schlecht gegen mich gehandelt. Wäre ihre Schuld noch größer gewesen, so hätte ich ihr vielleicht so Schönheit und Ehre rauben können, und ihr das Leben lassen, um ihre Niedrigkeit <Zeitlebens> zu bereuen. – Allein mein Leben [4] konnte ich leicht aufopfern, aber gieng meine Ehre nicht auch verloren? Und lieber als grausam zu seyn, sollte sie ungestraft bleiben! Um Richter in meiner Sache zu werden, müßte das Maaß der Beleidigung voll seyn, und die Gewißheit vollkommen, so daß auch kein Zweifel möglich. Es blieb also nichts übrig, als alles zu vergessen und dieß versuche ich seit vierzehn Tagen bey meinem Freunde. –

Leipzig den 27ten Februar 93.
Den Verfolg dieses Briefes erhältst Du nächstens. Ich habe Dir so viel zu schreiben, daß ich es aufschieben muß. Heute bin ich sehr angenehm überrascht, da meine Mutter, auf Lottchens Antrieb, ohne daß ich das geringste davon geschrieben, mir 100 Thl. geschickt hat, zur Bezahlung der Schulden, und zwar – ohne auch nur den geringsten Vorwurf hinzuzufügen. Diesen Brief meiner Mutter werde ich <immer> aufheben. [5] So kann mütterliche Liebe allein großmüthig machen! – Von nun an soll die Familie immer mit mir zufrieden seyn. – Ich muß aber nun mit neuen Bitten an Dich kommen. – Meine Oekonomie ist nun besser eingerichtet als bisher, aber mehr nehme ich nun von meinen Eltern nicht an, und doch sitze ich auch nach diesen noch sehr tief drinne, mehr als ich hoffen könnte durch Sparsamkeit und Verdienst (mit dem es überhaupt mißlich ist) zu tilgen. Ich muß also auf einige Zeit, wie bisher, um Deine Unterstützung bitten. – Ich hoffe schon sehr lange auf das Versprochene, und bitte Dich, so viel zu schicken als Du entbehren kannst. –
Der Buchhändler empfiehlt sich Dir, und bittet recht sehr zu fördern. Er war sehr willig, das Porto zu stehen, und Du wirst am Ende den Betrag <mir> melden, wozu ich alsdann den meinigen addiren werde. Dießmal habe ich 1 Thl. 16 GG. gegeben. Du mußt erwägen, daß Pacquete etwa 10–14 Tage unterwegs sind, und daher wenigstens die letzte Sendung mit den ersten Tagen des Aprils abschicken.
Deinen Brief beantworte ich nächstens.
Fr. Schl.
[6]
[1] Halle, den 19ten Februar 1793.
Seit einigen Wochen habe ich umsonst auf eine Stunde gehofft, wo ich Dir alles erzählen konnte, was seit dieser Zeit geschehen ist. Vielleicht gelingt es mir heute – aber erwarte nicht mehr, als die wiederliche Schilderung eines zerrütteten Herzens und wiederhohlte Bitte um häufigere Briefe, Rath, Theilnahme und Unterstützung! Zwar wäre es einem edeln Stolze gemäßer, ietzt, statt um Hülfe zu bitten, da ich für itzt nicht erwiedern kann, mich von meinen Freunden zurück zu ziehen, um einsam zu sterben. Aber ich muß wohl leben bleiben, da ich noch nicht mit Ehre sterben kann; und auch dieses letzte bleibt mir versagt. – Meine völlige Unzufriedenheit, die Hoffnungslosigkeit meiner Aussichten, und der Zustand meiner Gesundheit sind [2] genung für meine Standhaftigkeit. Ich fürchte sie wird ermatten, unter den ausgesuchten Leiden, die mich seit einem halben Jahre quälen. –
Schon empfand ich die wohlthätigen Wirkungen einer unermüdeten Arbeitsamkeit, und meiner neuen Verbindung mit Schw.[einitz] als ein Zufall mir eine Menge neuer Aufschlüsse gab, und mich mit neuer Hoffnung betrog. Meine ganze Leidenschaft wurde wieder rege – auch dadurch daß ich sagen mußte, was ich seit so langer Zeit in meiner Brust vergraben hatte – ich mußte <und konnte> Schw.[einitz], Hardenberg und Carlowitz zu Vertrauten machen. Aber nur zu bald sah ich ein, daß sie sich wie ein gemeines Weib an mir gerächt hatte. – Ich erfuhr es würde in der Gesellschaft äusserst schlecht von mir gesprochen, und so schlau es angelegt war, so ließ sich doch leicht die Quelle errathen. Unter den Männern war es [3] mir leicht, <in wenigen Tagen> mir ein solches Ansehn zu geben, daß niemand wagen wird an öffentlichen Orten schlecht von mir zu reden. Aber ich verlangte nach Rache. – Das Paradieß, welches ich noch wenige Tage zuvor geträumt hatte, wäre mir itzt umsonst angeboten, ihr Blut wäre mir viel lieber gewesen. Ich konnte mich nicht rächen als nur auf eine gräßliche Art. – Schw.[einitz] fand selbst diese gerecht. – Carlowitz ein Mensch von feinem Ehrgefühl, und kalter Ueberlegung, sagte sie hätte infam gegen mich gehandelt, doch fand er die Rache zu schrecklich – Hardenberg, der sie kennt und bewundert, fand nur den Gedanken, den Du leicht errathen wirst, entsetzlich, doch gestand er sehr oft sie hätte sehr schlecht gegen mich gehandelt. Wäre ihre Schuld noch größer gewesen, so hätte ich ihr vielleicht so Schönheit und Ehre rauben können, und ihr das Leben lassen, um ihre Niedrigkeit <Zeitlebens> zu bereuen. – Allein mein Leben [4] konnte ich leicht aufopfern, aber gieng meine Ehre nicht auch verloren? Und lieber als grausam zu seyn, sollte sie ungestraft bleiben! Um Richter in meiner Sache zu werden, müßte das Maaß der Beleidigung voll seyn, und die Gewißheit vollkommen, so daß auch kein Zweifel möglich. Es blieb also nichts übrig, als alles zu vergessen und dieß versuche ich seit vierzehn Tagen bey meinem Freunde. –

Leipzig den 27ten Februar 93.
Den Verfolg dieses Briefes erhältst Du nächstens. Ich habe Dir so viel zu schreiben, daß ich es aufschieben muß. Heute bin ich sehr angenehm überrascht, da meine Mutter, auf Lottchens Antrieb, ohne daß ich das geringste davon geschrieben, mir 100 Thl. geschickt hat, zur Bezahlung der Schulden, und zwar – ohne auch nur den geringsten Vorwurf hinzuzufügen. Diesen Brief meiner Mutter werde ich <immer> aufheben. [5] So kann mütterliche Liebe allein großmüthig machen! – Von nun an soll die Familie immer mit mir zufrieden seyn. – Ich muß aber nun mit neuen Bitten an Dich kommen. – Meine Oekonomie ist nun besser eingerichtet als bisher, aber mehr nehme ich nun von meinen Eltern nicht an, und doch sitze ich auch nach diesen noch sehr tief drinne, mehr als ich hoffen könnte durch Sparsamkeit und Verdienst (mit dem es überhaupt mißlich ist) zu tilgen. Ich muß also auf einige Zeit, wie bisher, um Deine Unterstützung bitten. – Ich hoffe schon sehr lange auf das Versprochene, und bitte Dich, so viel zu schicken als Du entbehren kannst. –
Der Buchhändler empfiehlt sich Dir, und bittet recht sehr zu fördern. Er war sehr willig, das Porto zu stehen, und Du wirst am Ende den Betrag <mir> melden, wozu ich alsdann den meinigen addiren werde. Dießmal habe ich 1 Thl. 16 GG. gegeben. Du mußt erwägen, daß Pacquete etwa 10–14 Tage unterwegs sind, und daher wenigstens die letzte Sendung mit den ersten Tagen des Aprils abschicken.
Deinen Brief beantworte ich nächstens.
Fr. Schl.
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