• Friedrich von Schlegel to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Dresden · Place of Destination: Unknown · Date: 03.04.1793
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
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    Metadata Concerning Header
  • Sender: Friedrich von Schlegel
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Dresden
  • Place of Destination: Unknown
  • Date: 03.04.1793
    Printed Text
  • Bibliography: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Bd. 23. Dritte Abteilung: Briefe von und an Friedrich und Dorothea Schlegel. Bis zur Begründung der romantischen Schule (15. September 1788 ‒ 15. Juli 1797). Mit Einleitung und Kommentar hg. v. Ernst Behler u.a. Paderborn u.a. 1987, S. 88‒89.
  • Incipit: „[1] nro. II
    Dreßden. Den 3ten April 93.
    Den kurzen Brief vom 19ten erhielt ich als ich eben einen an Dich abgeschickt hatte, [...]“
    Manuscript
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: DE-1a-34186
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XIX,Bd.24.a,Nr.23
  • Number of Pages: 4S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 19 x 13,5 cm
[1] nro. II
Dreßden. Den 3ten April 93.
Den kurzen Brief vom 19ten erhielt ich als ich eben einen an Dich abgeschickt hatte, den Du itzt mußt erhalten. Du siehst aus meinen häufigen Briefen wenigstens, daß ich oft an Dich schreiben will. Daß sie seit Neujahr kurz, abgerissen, und unbefriedigend, kann meine Lage und Stimmung, die Du doch etwas daraus mußt haben kennen lernen, erklären und entschuldigen. – Du berufst Dich so oft auf meine überflüssige Zeit, daß ich glauben muß, Du denkst, ich sey nicht sparsam damit umgegangen. Ich habe zwar in diesem Jahre nicht sehr viele Zeit auf die Jurisprudenz verwandt; aber denke, daß ich Moral, Theologie, Physiologie, kantische Philosophie, Politik mit ganzem Ernst vorgenommen. Ich will Dich nicht mit dem Namen der vielen Schriften behelligen, die ich gelesen; der Gewinst meiner Untersuchungen ist gewiß nicht unbedeutend, wenn ich schon nirgends zur Vollendung und zur Fähigkeit der Mittheilung gelangt bin. – Man könnte gegen diese Methode sehr vieles einwenden, und vielleicht kann ich sie itzt nicht ganz durch Gründe, sondern nur künftig durch die That rechtfertigen. [2] Doch das sind ja nur Titel von Arbeit, und Namen von Nutzen für die, die nach Namen fragen. Wenn ich meinen Umgang mit meinen drey jungen Freunden, die Thätigkeit in meinem Innern, und meine Ausbildung für die Gesellschaft bedenke, so muß ich gestehn, daß noch kein Jahr meines Lebens so reich gewesen ist.
Von meiner Leidenschaft habe ich Dir nun Rechenschaft gegeben, so gut ich konnte. Wenn Du meine Lage wirklich kennst, und die fürchterliche Verzweiflung der ich zum Raube war, doch nur kurze Zeit, gleich nach dem bewußten Vorfall, da ich <sehr bald> ganz in die große Ueberlegung versunken war, so könnten Dich einzelne Aeußerungen beleidigen, aber doch hat die Rachsucht mich nie bemeistert, und ich denke itzt noch ganz so, und glaube unter einigen Voraussetzungen würde es meine Pflicht gewesen seyn. Da ich beschlossen hatte, ihr das Leben zu schenken, weiß ich noch sehr gut, daß Hard.[enberg] sich wunderte mich plötzlich so ganz ruhig zu finden, und er weiß ob da unbefriedigte Rachsucht aus mir sprach, und Liebe war es doch auch nicht. Hierüber erwarte ich noch Deine Meynung.
Ueberhaupt thust Du mir [in] Deinem letzten Briefe vielleicht etwas Unrecht, weil Du, wenn [3] das Dir wiederstreitende eine gewisse Höhe erreicht, leidenschaftlich über Deine Freunde urtheilen kannst.
Ich glaubte nicht, daß ich von Deinem Gelde bey Heinsius nichts nehmen dürfte; ich schrieb Dir, meine und meines Freundes Ehre sey im Spiele; und H.[einsius] war im höchsten Grade bereitwillig, und schien es gar nicht sonderbar zu finden. Ich bitte Dich dieses Irrthums halber um Verzeihung. Für die überschickte Vollmacht kann ich Dir nicht genung danken. Du weißt aus meinem letzten, wie sehr nöthig mir Deine Hülfe itzt war. Es ist sehr freundschaftlich, die Früchte einer mühsamen Arbeit mir zu überlassen. – Künftig muß ich das ganz von Deinen freyen eignen Entschließungen abhängen lassen, denn wo ich niemals nehmen darf, will ich nicht fordern oder bitten.
Ich finde hier bis itzt wohl thätige Zerstreuung, noch keine ganze Beschäftigung. Doch werde ich sie bald in Carlowitz finden, den ich in einigen Tagen wiederzusehn hoffe. Seine Bestimmung ist vielleicht keine der größten, aber er wird sie ganz erreichen, und ich hoffe viel dazu beyzutragen. Er ist jünger, und ich weiß daß ich einen größern Verstand habe, aber dennoch hege [4] ich die tiefste Ehrfurcht vor ihm. – Seine Seele ist durchaus wahr, stark und schön. Jeder liebt ihn und niemand kennt ihn; denn er scheint kindisch, unbedeutend, stolz, bizarr und über die Maaßen kalt. – Nur einen kleinen Zug von der Feinheit seines moralischen Sinnes. Das Militär (seine Liebe dafür geht bis zu kleinen Lächerlichkeiten) ist oft ein Gegenstand unsres Gesprächs. Da es einmal sehr lebhaft ward, rief ich aus ‚Es ist groß mit dem Tode zu scherzen, aber es ist schändlich zu dienenʻ. Ich hatte seinen tiefsten Gedanken ausgesprochen, und sah daß er wohl ärmer an Worten ist, aber nicht an großem Gefühl. –
Fr. Schl.

Dein letzter Brief war nicht versiegelt.
Jettchen schreibt an Charlotte ohne Arges; man sage die B. [Caroline Böhmer] sey Custineʼs Maitresse. –
[1] nro. II
Dreßden. Den 3ten April 93.
Den kurzen Brief vom 19ten erhielt ich als ich eben einen an Dich abgeschickt hatte, den Du itzt mußt erhalten. Du siehst aus meinen häufigen Briefen wenigstens, daß ich oft an Dich schreiben will. Daß sie seit Neujahr kurz, abgerissen, und unbefriedigend, kann meine Lage und Stimmung, die Du doch etwas daraus mußt haben kennen lernen, erklären und entschuldigen. – Du berufst Dich so oft auf meine überflüssige Zeit, daß ich glauben muß, Du denkst, ich sey nicht sparsam damit umgegangen. Ich habe zwar in diesem Jahre nicht sehr viele Zeit auf die Jurisprudenz verwandt; aber denke, daß ich Moral, Theologie, Physiologie, kantische Philosophie, Politik mit ganzem Ernst vorgenommen. Ich will Dich nicht mit dem Namen der vielen Schriften behelligen, die ich gelesen; der Gewinst meiner Untersuchungen ist gewiß nicht unbedeutend, wenn ich schon nirgends zur Vollendung und zur Fähigkeit der Mittheilung gelangt bin. – Man könnte gegen diese Methode sehr vieles einwenden, und vielleicht kann ich sie itzt nicht ganz durch Gründe, sondern nur künftig durch die That rechtfertigen. [2] Doch das sind ja nur Titel von Arbeit, und Namen von Nutzen für die, die nach Namen fragen. Wenn ich meinen Umgang mit meinen drey jungen Freunden, die Thätigkeit in meinem Innern, und meine Ausbildung für die Gesellschaft bedenke, so muß ich gestehn, daß noch kein Jahr meines Lebens so reich gewesen ist.
Von meiner Leidenschaft habe ich Dir nun Rechenschaft gegeben, so gut ich konnte. Wenn Du meine Lage wirklich kennst, und die fürchterliche Verzweiflung der ich zum Raube war, doch nur kurze Zeit, gleich nach dem bewußten Vorfall, da ich <sehr bald> ganz in die große Ueberlegung versunken war, so könnten Dich einzelne Aeußerungen beleidigen, aber doch hat die Rachsucht mich nie bemeistert, und ich denke itzt noch ganz so, und glaube unter einigen Voraussetzungen würde es meine Pflicht gewesen seyn. Da ich beschlossen hatte, ihr das Leben zu schenken, weiß ich noch sehr gut, daß Hard.[enberg] sich wunderte mich plötzlich so ganz ruhig zu finden, und er weiß ob da unbefriedigte Rachsucht aus mir sprach, und Liebe war es doch auch nicht. Hierüber erwarte ich noch Deine Meynung.
Ueberhaupt thust Du mir [in] Deinem letzten Briefe vielleicht etwas Unrecht, weil Du, wenn [3] das Dir wiederstreitende eine gewisse Höhe erreicht, leidenschaftlich über Deine Freunde urtheilen kannst.
Ich glaubte nicht, daß ich von Deinem Gelde bey Heinsius nichts nehmen dürfte; ich schrieb Dir, meine und meines Freundes Ehre sey im Spiele; und H.[einsius] war im höchsten Grade bereitwillig, und schien es gar nicht sonderbar zu finden. Ich bitte Dich dieses Irrthums halber um Verzeihung. Für die überschickte Vollmacht kann ich Dir nicht genung danken. Du weißt aus meinem letzten, wie sehr nöthig mir Deine Hülfe itzt war. Es ist sehr freundschaftlich, die Früchte einer mühsamen Arbeit mir zu überlassen. – Künftig muß ich das ganz von Deinen freyen eignen Entschließungen abhängen lassen, denn wo ich niemals nehmen darf, will ich nicht fordern oder bitten.
Ich finde hier bis itzt wohl thätige Zerstreuung, noch keine ganze Beschäftigung. Doch werde ich sie bald in Carlowitz finden, den ich in einigen Tagen wiederzusehn hoffe. Seine Bestimmung ist vielleicht keine der größten, aber er wird sie ganz erreichen, und ich hoffe viel dazu beyzutragen. Er ist jünger, und ich weiß daß ich einen größern Verstand habe, aber dennoch hege [4] ich die tiefste Ehrfurcht vor ihm. – Seine Seele ist durchaus wahr, stark und schön. Jeder liebt ihn und niemand kennt ihn; denn er scheint kindisch, unbedeutend, stolz, bizarr und über die Maaßen kalt. – Nur einen kleinen Zug von der Feinheit seines moralischen Sinnes. Das Militär (seine Liebe dafür geht bis zu kleinen Lächerlichkeiten) ist oft ein Gegenstand unsres Gesprächs. Da es einmal sehr lebhaft ward, rief ich aus ‚Es ist groß mit dem Tode zu scherzen, aber es ist schändlich zu dienenʻ. Ich hatte seinen tiefsten Gedanken ausgesprochen, und sah daß er wohl ärmer an Worten ist, aber nicht an großem Gefühl. –
Fr. Schl.

Dein letzter Brief war nicht versiegelt.
Jettchen schreibt an Charlotte ohne Arges; man sage die B. [Caroline Böhmer] sey Custineʼs Maitresse. –
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