• Friedrich von Schlegel to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Leipzig · Place of Destination: Amsterdam · Date: 08.05.1793
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
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    Metadata Concerning Header
  • Sender: Friedrich von Schlegel
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Leipzig
  • Place of Destination: Amsterdam
  • Date: 08.05.1793
    Printed Text
  • Bibliography: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Bd. 23. Dritte Abteilung: Briefe von und an Friedrich und Dorothea Schlegel. Bis zur Begründung der romantischen Schule (15. September 1788 ‒ 15. Juli 1797). Mit Einleitung und Kommentar hg. v. Ernst Behler u.a. Paderborn u.a. 1987, S. 90‒92.
  • Incipit: „[1] Es muß ihr geholfen werden, und ist dieß ganz unmöglich, und ein Nothfall tritt ein, so wird sie sich auch [...]“
    Manuscript
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: DE-1a-34186
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XIX,Bd.24.a,Nr.24
  • Number of Pages: 7S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 19,2 x 11,4 cm
[1] Es muß ihr geholfen werden, und ist dieß ganz unmöglich, und ein Nothfall tritt ein, so wird sie sich auch selbst helfen können. Du hättest mir schreiben sollen, auf welche Art sie gehalten <wird>, und besonders wie man sie befreyen, oder doch nur ihr Schicksal erleichtern kann. Es könnte ja <sehr> wohl seyn, daß ich durch die dritte Hand thätig bey der Sache seyn könnte. Ueber alles hätte ich gewünscht, einen ihrer ietzigen Briefe zu lesen, um ihre Fassung daraus zu sehen. Ich bitte um umständlichere <Nachricht>. Schreib auch wozu Du Geld für sie brauchst, und wie viel. Ferner – wie sie eigentlich bey dem Clubb interessirt gewesen. Gehört habe ich nichts weiter von ihr – ich hätte viel von Huber hören können; der sagte, sie hätte zuerst mit ihm weg, nach Gotha, wo ich nicht irre, reisen wollen. Aber er vermeidet mich (weil er mich für einen Spion [2] von Körners hält) und zwar so, daß ich ihn weiter gar nicht aufsuchen kann. Er gefällt mir <übrigens> gar nicht sonderlich, und ich traue ihm nichts gutes zu. – Gewiß! lieber Bruder, sie wird sich ihrer selbst und Deiner Liebe würdig zeigen, und besser es bleibt Dir ein heiliges unvermischtes Andenken, als wenn sie schwach seyn sollte <und Du behieltest sie>. Sie wird es gewiß nicht seyn, und wer weiß ob es einmal zu solchen Dingen kommt, die sie zwischen Trennung und Schimpf zu wählen zwingen. – Ich bitte nochmals dringend um Nachricht. – Du kennst ja meine Theilnahme für sie.
Gewiß! Lieber. Ich verkannte Dich neulich nicht so sehr, daß ich hätte empfindlich seyn können. – Ich muß <aber doch> auch gestehen, daß das Muß, so vielen Feind zu seyn, und niemand zu trauen, mich ängstlich und reitzbar auf [3] Augenblicke auch gegen Freunde gemacht haben. Doch das alles ist nun vorüber; es hemmt meine Kräfte nichts mehr als nur eines – doch davon gleich. Ich habe mich in Dr.[eßden] sehr zerstreut und vergessen; mit Todesangst kehrte ich zurück, aber ohne Ursache! meine Ehre ist ganz hergestellt, und mein Herz auch. Ich bin ein neuer Mensch, und kann es noch nicht begreifen. Ich fühle itzt, daß ich Kräfte habe, und ich hoffe vielleicht Beweise davon zu geben, Deines Beifalls würdig. Aber ich kann nicht mehr gefesselt seyn – ich muß und will mir selbst leben, sicher und unbesorgt über das, was mir dabey aufstoßen mag, animo fretus. – Meine <Eltern> müssen einen Plan, den sie mir aufgedrungen, und der sehr dürftige Aussichten giebt, aufgeben, und ich hoffe, daß sie es itzt werden; wenn Du nur mir nicht entgegenarbeitest durch wiedrige [4] Vorstellungen des Hofmeisterlebens; denn von diesem habe ich meinen Eltern reden müssen, und unter Bedingungen bin ich auch noch sehr dafür. Ich kann Dir das Ganze heute nicht darlegen – und also auch nicht verlangen, daß Du mir bey meinen Eltern in die Hand arbeitest. Du thätest es gewiß, wenn Du bey mir wärest, sähest wie ich die jurist[ischen] Arbeiten treibe, was für <erbärmliche> Aussichten ich habe, und wie meine Kräfte in dem peinlichen Kampfe meiner Natur und meiner Lage, zu Grunde gehen.
Der arme Hardenberg thut mir unendlich leid, weil ein Fleck auf seine Ehre gekommen ist, und – er hat kindisch dabey gehandelt. Nächstens mehr davon.
Die Vorrede kam noch früh genung. Das Buch ist itzt fertig, beträgt zwanzig Bogen, das Hono[5]rarium beträgt also sechzig Thaler, so ich empfangen. Vater und Sohn haben sich separirt, und ich habe itzt mit dem ersten, den ich gar nicht kenne, <zu thun,> und mit dem also nicht gut handeln ist. Er bestand darauf, daß er sich nur zu dem Postgelde verstanden, was hin bezahlt wird, und hat mir also nur 1 Thl. 16 Gr. so ich für das erste Pacquet bezahlt, wieder gegeben. Einen hellen Zank mochte ich nicht darum anfangen. Exemplare werden wir wohl nicht kriegen. Ich habe eins geborgt, um es zu lesen. Bey der Gelegenheit hätte ers doch sagen müssen. Der Druck ist recht gut – lesen habe ich es noch nicht können, weil ich es erst seit gestern Abend habe. –
Der Becker in Dreßden ist derselbe, so bey meiner ersten Abreise von da, Verse auf mich gemacht, ein mittelmäßiger Mensch, doch wohl nicht ganz ohne Geschmack. Er hat mir die anderen Mitarbeiter genannt, und es waren viele be[6]kannte Namen darunter. Willst Du also doch einmal Deinen Geist über die Welt in kleinen Tropfen ausgießen, so brauchst Du dich nicht zu schämen. Er hat Dir glaube ich um das Stück von Ugolino aus dem Dante geschrieben; nachher aber sagte er mir, weil auf dem Titel des Büchelchens zum Vergnügen steht, so möchten dieß die vergnügten Leser etwan zu heroisch und tragisch finden, er wünschte also etwas leichteres. Wie er Dich lobte, kannst Du leicht denken.
Wo die Karte von Griechenland steckt, kann ich in der That nicht sagen, vermuthlich in Hannover. – Von Reichards Musik Nachricht sobald als möglich. Vorläufig habe ich von Schweinitz eins sehr rühmen hören. Ja! ich möchte die Lieder auch wohl von Sophien singen hören.
Fr. Schlegel.

Leipzig, den 8ten May 1793
[7] Der Buchhändler wünscht recht bald den Anfang des zweiten Theils; daraus schließe ich, daß er zufrieden ist.
[8]
[1] Es muß ihr geholfen werden, und ist dieß ganz unmöglich, und ein Nothfall tritt ein, so wird sie sich auch selbst helfen können. Du hättest mir schreiben sollen, auf welche Art sie gehalten <wird>, und besonders wie man sie befreyen, oder doch nur ihr Schicksal erleichtern kann. Es könnte ja <sehr> wohl seyn, daß ich durch die dritte Hand thätig bey der Sache seyn könnte. Ueber alles hätte ich gewünscht, einen ihrer ietzigen Briefe zu lesen, um ihre Fassung daraus zu sehen. Ich bitte um umständlichere <Nachricht>. Schreib auch wozu Du Geld für sie brauchst, und wie viel. Ferner – wie sie eigentlich bey dem Clubb interessirt gewesen. Gehört habe ich nichts weiter von ihr – ich hätte viel von Huber hören können; der sagte, sie hätte zuerst mit ihm weg, nach Gotha, wo ich nicht irre, reisen wollen. Aber er vermeidet mich (weil er mich für einen Spion [2] von Körners hält) und zwar so, daß ich ihn weiter gar nicht aufsuchen kann. Er gefällt mir <übrigens> gar nicht sonderlich, und ich traue ihm nichts gutes zu. – Gewiß! lieber Bruder, sie wird sich ihrer selbst und Deiner Liebe würdig zeigen, und besser es bleibt Dir ein heiliges unvermischtes Andenken, als wenn sie schwach seyn sollte <und Du behieltest sie>. Sie wird es gewiß nicht seyn, und wer weiß ob es einmal zu solchen Dingen kommt, die sie zwischen Trennung und Schimpf zu wählen zwingen. – Ich bitte nochmals dringend um Nachricht. – Du kennst ja meine Theilnahme für sie.
Gewiß! Lieber. Ich verkannte Dich neulich nicht so sehr, daß ich hätte empfindlich seyn können. – Ich muß <aber doch> auch gestehen, daß das Muß, so vielen Feind zu seyn, und niemand zu trauen, mich ängstlich und reitzbar auf [3] Augenblicke auch gegen Freunde gemacht haben. Doch das alles ist nun vorüber; es hemmt meine Kräfte nichts mehr als nur eines – doch davon gleich. Ich habe mich in Dr.[eßden] sehr zerstreut und vergessen; mit Todesangst kehrte ich zurück, aber ohne Ursache! meine Ehre ist ganz hergestellt, und mein Herz auch. Ich bin ein neuer Mensch, und kann es noch nicht begreifen. Ich fühle itzt, daß ich Kräfte habe, und ich hoffe vielleicht Beweise davon zu geben, Deines Beifalls würdig. Aber ich kann nicht mehr gefesselt seyn – ich muß und will mir selbst leben, sicher und unbesorgt über das, was mir dabey aufstoßen mag, animo fretus. – Meine <Eltern> müssen einen Plan, den sie mir aufgedrungen, und der sehr dürftige Aussichten giebt, aufgeben, und ich hoffe, daß sie es itzt werden; wenn Du nur mir nicht entgegenarbeitest durch wiedrige [4] Vorstellungen des Hofmeisterlebens; denn von diesem habe ich meinen Eltern reden müssen, und unter Bedingungen bin ich auch noch sehr dafür. Ich kann Dir das Ganze heute nicht darlegen – und also auch nicht verlangen, daß Du mir bey meinen Eltern in die Hand arbeitest. Du thätest es gewiß, wenn Du bey mir wärest, sähest wie ich die jurist[ischen] Arbeiten treibe, was für <erbärmliche> Aussichten ich habe, und wie meine Kräfte in dem peinlichen Kampfe meiner Natur und meiner Lage, zu Grunde gehen.
Der arme Hardenberg thut mir unendlich leid, weil ein Fleck auf seine Ehre gekommen ist, und – er hat kindisch dabey gehandelt. Nächstens mehr davon.
Die Vorrede kam noch früh genung. Das Buch ist itzt fertig, beträgt zwanzig Bogen, das Hono[5]rarium beträgt also sechzig Thaler, so ich empfangen. Vater und Sohn haben sich separirt, und ich habe itzt mit dem ersten, den ich gar nicht kenne, <zu thun,> und mit dem also nicht gut handeln ist. Er bestand darauf, daß er sich nur zu dem Postgelde verstanden, was hin bezahlt wird, und hat mir also nur 1 Thl. 16 Gr. so ich für das erste Pacquet bezahlt, wieder gegeben. Einen hellen Zank mochte ich nicht darum anfangen. Exemplare werden wir wohl nicht kriegen. Ich habe eins geborgt, um es zu lesen. Bey der Gelegenheit hätte ers doch sagen müssen. Der Druck ist recht gut – lesen habe ich es noch nicht können, weil ich es erst seit gestern Abend habe. –
Der Becker in Dreßden ist derselbe, so bey meiner ersten Abreise von da, Verse auf mich gemacht, ein mittelmäßiger Mensch, doch wohl nicht ganz ohne Geschmack. Er hat mir die anderen Mitarbeiter genannt, und es waren viele be[6]kannte Namen darunter. Willst Du also doch einmal Deinen Geist über die Welt in kleinen Tropfen ausgießen, so brauchst Du dich nicht zu schämen. Er hat Dir glaube ich um das Stück von Ugolino aus dem Dante geschrieben; nachher aber sagte er mir, weil auf dem Titel des Büchelchens zum Vergnügen steht, so möchten dieß die vergnügten Leser etwan zu heroisch und tragisch finden, er wünschte also etwas leichteres. Wie er Dich lobte, kannst Du leicht denken.
Wo die Karte von Griechenland steckt, kann ich in der That nicht sagen, vermuthlich in Hannover. – Von Reichards Musik Nachricht sobald als möglich. Vorläufig habe ich von Schweinitz eins sehr rühmen hören. Ja! ich möchte die Lieder auch wohl von Sophien singen hören.
Fr. Schlegel.

Leipzig, den 8ten May 1793
[7] Der Buchhändler wünscht recht bald den Anfang des zweiten Theils; daraus schließe ich, daß er zufrieden ist.
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