• Friedrich von Schlegel to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Dresden · Place of Destination: Amsterdam · Date: 05.04.1794
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
  • XML
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Friedrich von Schlegel
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Dresden
  • Place of Destination: Amsterdam
  • Date: 05.04.1794
  • Notations: Empfangsort erschlossen.
    Printed Text
  • Bibliography: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Bd. 23. Dritte Abteilung: Briefe von und an Friedrich und Dorothea Schlegel. Bis zur Begründung der romantischen Schule (15. September 1788 ‒ 15. Juli 1797). Mit Einleitung und Kommentar hg. v. Ernst Behler u.a. Paderborn u.a. 1987, S. 187‒189.
  • Incipit: „[1] Dreßden den 5ten April.
    Ich hoffte gewiß, während dieser Zeit, häufige Nachricht und im Falle eines entscheidenden Vorfalles, die schleunige Mittheilung [...]“
    Manuscript
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: DE-1a-34186
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XIX,Bd.24.a,Nr.51
  • Number of Pages: 7S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 19 x 11,7 cm
[1] Dreßden den 5ten April.
Ich hoffte gewiß, während dieser Zeit, häufige Nachricht und im Falle eines entscheidenden Vorfalles, die schleunige Mittheilung deßelben. Es ist nun drey Wochen, seit ich Deinen lezten Brief erhielt. Ich habe alle Möglichkeiten erschöpft, und weiß keine zu ersinnen, die Dein Stillschweigen erklärt – außer eine. Du scheust Dich, mir eine Nachricht zu geben, die ich doch erfahren muß. Auch in diesem Falle, hätte ich gewünscht, daß meine ausdrückliche sehr überlegte Bitte alle andre Gründe bey Dir überwogen hätte. – Was soll ich denken? und wie lange werde ich Deinen Brief noch erwarten können? – Meine Lage magst Du Dir selbst denken. Nur eins muß ich Dir melden; meine Wirthin hat sich wieder an Lottchen gewendet, und Ernst hat also gestern 34 Thl. dafür ausgelegt. Ich muß Dich also an Dein Charlotten gegebenes Versprechen erinnern. Sie läßt Dich bestens grüßen; Ernsts haben Zeither viel Ausgaben gehabt, können das Geld nicht füglich [2] länger als Ostern entbehren, und Charl.[otte] bittet Dich also darum, im Fall nicht etwan das Geld schon an mich abgeschickt ist. – Ich bitte Dich inständig um schleunige Nachricht, falls Du sie mir nicht schon vor Empfang dieses solltest gegeben haben.
Seit einem Monat habe ich keine Nachricht von Car[oline]. Damals litt sie viel. Wenn sie nur gesund ist! – Du hast es sonderbar genommen, mir ist unbegreiflich wie das Eure Verbindung verspäten könnte, daß sie ihr nothwendiges Leiden, mehr als recht ist, fühlt? – Ich würde, was ich beschlossen hätte, auf das Schnellste und Entschiedenste ausführen. Verspäten das heißt langsam vernichten. Ich beschwöre Dich Car.[oline] nicht durch Unbestimtheit zu verderben. – Ich wünsche Nachricht von Deiner Rückkehr, Deinem Vorhaben. –
Deine Theilnahme an meinem [3] Werke, Deine Erinnerungen und Mittheilungen sind mir ein theurer Beweiß Deiner Freundschaft. – Heute bin ich unfähig Deine Diatriben zu beantworten, Dir den Plan meines Werks mitzutheilen: es wird nicht so lange seyn, daß ich Dir das Werk selbst darreichen kann. Zwar habe ich die Hoffnung aufgegeben, vor Ende Juni, ehe ich nach Pillnitz gehe, die lezte Hand dran zu legen: aber das Wenige Uebrige werde ich <künftigen Winter> in vier bis sechs Wochen vollenden können. – Das Meiste, was Du verlangst ist schon geschehen; das Werk ist aber von noch größerm Umfange, als Du angiebst. – Die Geschichte der Griech.[ischen] Poesie ist eine vollständige Naturgeschichte des Schönen und der Kunst daher ist mein Werk – Aesthetik. Diese ist bisher noch nicht erfunden, [4] sie ist das philosophische Resultat der Geschichte der Aesthetik und auch der einzige Schlüßel derselben. – Das philosophische Gespräch, historische Kunst, Beredsamkeit verhalten sich zur Poesie etwan wie Baukunst zur Bildhauerkunst; sie enthalten Poetisches; die Lehre von diesem und deßen Geschichte macht vielleicht ein wesentlich Stück meines Werks. Doch bin ich noch nicht entschieden.
Du merkst an, daß mir die Kentniß aller Alterthümer nöthig sey, Philosophie, Kunst, Politik der Griechen; ich gebe es zu, wenn ich Dich anders recht verstehe; nur diese Uebersicht des Ganzen führt mich zu meinem Zweck, der bestimmten Kentniß, von dem, was sich jeder anmaaßt, dem Geist der Griechen – die Geschichte des [5] sittlichen Menschen bey ihnen. Und hier wird mir nur die Maße der Fakta geliefert; das übrige bleibt mir übrig, wegen der moralischen Nullität der Alterthumsforscher.
Vielleicht erhältst Du von Pillnitz aus eine Geschichte meiner Arbeit. Dort werde ich <noch andre Sachen> ohne Bücher arbeiten. – Den Winter dachte ich hier Kantische Vorlesungen zu halten. Die Sache hat aber noch Schwierigkeiten; nehmlich auf den nächsten Winter – auf die Zukunft gar nicht. Es ist das nur der Anfang eines großen Entwurfs, über den ich seit einem Jahre nachgedacht habe. –
Eine Deiner Forderungen kann ich nicht leisten – die Samlung aller noch nicht verarbeiteten Fragmente gr.[iechischer] Dichter. Diese große Arbeit wäre fruchtloß, wenn diese Fr[agmente] nicht [6] edirt würden; und das ist ja für mich unmöglich. Auch kann ich das entbehren; was bekannt ist, werde ich mir nicht entgehen laßen. Zum Eustathius habe ich auch keine sonderliche Lust; doch wenn es seyn muß.
Die Uebersetzung des Aeschylus habe ich aufgegeben.
Einige litterarische Neuigkeiten; von Göthe ist auf Ostern angekündigt, Reineke der Fuchs in zwölf Gesängen. Woltmann ist außerordentlicher Professor in Jena. –
Der Urtheile über die von Dir genannten Bücher, und andrer enthalte ich mich, weil ihre Zahl zu groß ist. Den Lennep de anal[ogia] kenne ich nicht und habe ich nicht bekommen können. Ich will ihn [7] noch im Gronov suchen. Auch den Maittaire de dial[ectis] von Reiske habe ich nicht bekommen. – Vortreflich und mir ganz unbekannt bisher, ist Mitford history of Greece noch unvollendet. –
Lebe recht wohl.
Dein Fr. Sch.
[8]
[1] Dreßden den 5ten April.
Ich hoffte gewiß, während dieser Zeit, häufige Nachricht und im Falle eines entscheidenden Vorfalles, die schleunige Mittheilung deßelben. Es ist nun drey Wochen, seit ich Deinen lezten Brief erhielt. Ich habe alle Möglichkeiten erschöpft, und weiß keine zu ersinnen, die Dein Stillschweigen erklärt – außer eine. Du scheust Dich, mir eine Nachricht zu geben, die ich doch erfahren muß. Auch in diesem Falle, hätte ich gewünscht, daß meine ausdrückliche sehr überlegte Bitte alle andre Gründe bey Dir überwogen hätte. – Was soll ich denken? und wie lange werde ich Deinen Brief noch erwarten können? – Meine Lage magst Du Dir selbst denken. Nur eins muß ich Dir melden; meine Wirthin hat sich wieder an Lottchen gewendet, und Ernst hat also gestern 34 Thl. dafür ausgelegt. Ich muß Dich also an Dein Charlotten gegebenes Versprechen erinnern. Sie läßt Dich bestens grüßen; Ernsts haben Zeither viel Ausgaben gehabt, können das Geld nicht füglich [2] länger als Ostern entbehren, und Charl.[otte] bittet Dich also darum, im Fall nicht etwan das Geld schon an mich abgeschickt ist. – Ich bitte Dich inständig um schleunige Nachricht, falls Du sie mir nicht schon vor Empfang dieses solltest gegeben haben.
Seit einem Monat habe ich keine Nachricht von Car[oline]. Damals litt sie viel. Wenn sie nur gesund ist! – Du hast es sonderbar genommen, mir ist unbegreiflich wie das Eure Verbindung verspäten könnte, daß sie ihr nothwendiges Leiden, mehr als recht ist, fühlt? – Ich würde, was ich beschlossen hätte, auf das Schnellste und Entschiedenste ausführen. Verspäten das heißt langsam vernichten. Ich beschwöre Dich Car.[oline] nicht durch Unbestimtheit zu verderben. – Ich wünsche Nachricht von Deiner Rückkehr, Deinem Vorhaben. –
Deine Theilnahme an meinem [3] Werke, Deine Erinnerungen und Mittheilungen sind mir ein theurer Beweiß Deiner Freundschaft. – Heute bin ich unfähig Deine Diatriben zu beantworten, Dir den Plan meines Werks mitzutheilen: es wird nicht so lange seyn, daß ich Dir das Werk selbst darreichen kann. Zwar habe ich die Hoffnung aufgegeben, vor Ende Juni, ehe ich nach Pillnitz gehe, die lezte Hand dran zu legen: aber das Wenige Uebrige werde ich <künftigen Winter> in vier bis sechs Wochen vollenden können. – Das Meiste, was Du verlangst ist schon geschehen; das Werk ist aber von noch größerm Umfange, als Du angiebst. – Die Geschichte der Griech.[ischen] Poesie ist eine vollständige Naturgeschichte des Schönen und der Kunst daher ist mein Werk – Aesthetik. Diese ist bisher noch nicht erfunden, [4] sie ist das philosophische Resultat der Geschichte der Aesthetik und auch der einzige Schlüßel derselben. – Das philosophische Gespräch, historische Kunst, Beredsamkeit verhalten sich zur Poesie etwan wie Baukunst zur Bildhauerkunst; sie enthalten Poetisches; die Lehre von diesem und deßen Geschichte macht vielleicht ein wesentlich Stück meines Werks. Doch bin ich noch nicht entschieden.
Du merkst an, daß mir die Kentniß aller Alterthümer nöthig sey, Philosophie, Kunst, Politik der Griechen; ich gebe es zu, wenn ich Dich anders recht verstehe; nur diese Uebersicht des Ganzen führt mich zu meinem Zweck, der bestimmten Kentniß, von dem, was sich jeder anmaaßt, dem Geist der Griechen – die Geschichte des [5] sittlichen Menschen bey ihnen. Und hier wird mir nur die Maße der Fakta geliefert; das übrige bleibt mir übrig, wegen der moralischen Nullität der Alterthumsforscher.
Vielleicht erhältst Du von Pillnitz aus eine Geschichte meiner Arbeit. Dort werde ich <noch andre Sachen> ohne Bücher arbeiten. – Den Winter dachte ich hier Kantische Vorlesungen zu halten. Die Sache hat aber noch Schwierigkeiten; nehmlich auf den nächsten Winter – auf die Zukunft gar nicht. Es ist das nur der Anfang eines großen Entwurfs, über den ich seit einem Jahre nachgedacht habe. –
Eine Deiner Forderungen kann ich nicht leisten – die Samlung aller noch nicht verarbeiteten Fragmente gr.[iechischer] Dichter. Diese große Arbeit wäre fruchtloß, wenn diese Fr[agmente] nicht [6] edirt würden; und das ist ja für mich unmöglich. Auch kann ich das entbehren; was bekannt ist, werde ich mir nicht entgehen laßen. Zum Eustathius habe ich auch keine sonderliche Lust; doch wenn es seyn muß.
Die Uebersetzung des Aeschylus habe ich aufgegeben.
Einige litterarische Neuigkeiten; von Göthe ist auf Ostern angekündigt, Reineke der Fuchs in zwölf Gesängen. Woltmann ist außerordentlicher Professor in Jena. –
Der Urtheile über die von Dir genannten Bücher, und andrer enthalte ich mich, weil ihre Zahl zu groß ist. Den Lennep de anal[ogia] kenne ich nicht und habe ich nicht bekommen können. Ich will ihn [7] noch im Gronov suchen. Auch den Maittaire de dial[ectis] von Reiske habe ich nicht bekommen. – Vortreflich und mir ganz unbekannt bisher, ist Mitford history of Greece noch unvollendet. –
Lebe recht wohl.
Dein Fr. Sch.
[8]
×
×