• Friedrich von Schlegel to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Pillnitz · Place of Destination: Braunschweig · Date: 15.06.1796
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
  • XML
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Friedrich von Schlegel
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Pillnitz
  • Place of Destination: Braunschweig
  • Date: 15.06.1796
  • Notations: Empfangsort erschlossen.
    Printed Text
  • Bibliography: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Bd. 23. Dritte Abteilung: Briefe von und an Friedrich und Dorothea Schlegel. Bis zur Begründung der romantischen Schule (15. September 1788 ‒ 15. Juli 1797). Mit Einleitung und Kommentar hg. v. Ernst Behler u.a. Paderborn u.a. 1987, S. 310‒313.
  • Incipit: „[1] Pillnitz. Den 15ten Juni 96.
    Wundre Dich nicht, daß Du auf Deinen vorigen Brief keine Antwort von mir erhalten hast. Wir [...]“
    Manuscript
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: DE-1a-34222
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XIX,Bd.24.b,Nr.84
  • Number of Pages: 12 S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 19 x 11,3 cm
[1] Pillnitz. Den 15ten Juni 96.
Wundre Dich nicht, daß Du auf Deinen vorigen Brief keine Antwort von mir erhalten hast. Wir glaubten unsre Glückwünsche würden Dich in Jena nicht mehr treffen und schrieben also gleich nach Braunschw.[eig] an Kar[oline]. Ich hohle nur die wichtigsten Nachrichten nach. Ich habe sogleich an Reichardt geschrieben, daß die Dich betreffende Stelle ausgestrichen werden soll, und hoffe gewiß daß es noch früh genung ist: denn er hatte mir geantwortet, der Brief sey schon fürʼs 6te Stück in die Druckerey geschickt; zu Ostern ist aber erst das 3te fertig gewesen. Den Cäsar hoffe ich recht sehr bald schicken zu können. Genauer wage ich die Zeit nicht zu bestimmen.
Gestern erhielt ich Deinen Brief vom 9ten Juni, den ich sogleich zu beantworten eile. Der erste Eindruck, den Deine [2] Anfrage auf mich machte, war der Gedanke, daß meine Hoffnung unter Freunden zu leben, dadurch zerstört werden würde. – Da indessen diese Stelle mich von meinem Hauptzweck nicht entfernt, und ich mich nicht mit Dingen abzugeben brauche, für die ich keine Neigung oder keine Anlage habe; und da ich, wenn auch Michaelis seine Versprechungen hält, doch noch so viele Verpflichtungen habe, so halte ich es gewißermaassen für meine Pflicht, diese Gelegenheit nicht zu versäumen, mich ihrer am sichersten zu entledigen. Wenn die Lage der Sachen wirklich so vortheilhaft ist, so könnte ein kurzer Stillstand, und dann eine Nebenbeschäftigung selbst für meine Schriftstellerey vortheilhaft seyn.
Ich nehme also W.ʼs Anerbieten, mich vorzuschlagen, völlig und ganz an, und bitte ihm freundschaftlichst zu [3] danken.
Nur bin ich über zwey Dinge nach Deinem Briefe noch im Dunkeln. Erstlich ob die Bedingungen nur für die erste, oder auch für die zweite Stelle gelten. An dem Titel und Vorrang liegt nichts. Ist der Gehalt bey der zweiten Stelle aber um Vieles geringer, so würde ich sie schwerlich annehmen. Ist der Unterricht bey dieser Stelle derselbe d.h. alte Geschichte 12 Stunden wöchentlich, oder nicht?
Zweytens fürchte ich, könnte es leicht seyn, daß W. sich für Gaspari freundschaftlich interessirte, und Dir nur aus Furcht zu wiedersprechen – aus Halbheit – aus Gedankenlosigkeit die Empfehlung meiner zusagte. Ich möchte ihn zu nichts verleiten, was er ungern thäte. Ist es aber, nach Deinem Urtheil, sein Ernst, so treibe ihn, daß er kräftig und entschieden handelt.
[4] Noch bitte ich Dich, mir bald einige Nachricht von ihm zu verschaffen über die Zeit, wann jene Stelle spätestens angetreten werden muß. Laß Dir auch die Art von Abhängigkeit so damit verbunden, einigermaassen beschreiben. Auch laß Dir ohngefahr von ihm sagen, wie entfernt oder wie nahe die Möglichkeit ist, daß man auf seinen Vorschlag Rücksicht nimmt.
Es könnte angeführt werden, daß eine Geschichte der Gr.[iechischen] P.[oesie], also doch ein historisches Werk von mir eben im Druck sey, und daß ich mich seit geraumer Zeit mit einem Werke über die polit[ische] Geschichte der Gr.[iechen] und R.[ömer] beschäftigt.
Die Möglichkeit Euch so bald verlassen zu müssen, ist ein neuer Grund für mich, meine Abreise so viel als möglich zu beschleunigen, wie schon [5] Charlottens Konvenienz es wünschenswerth macht, daß ich wenigstens etwas früher als sie, d.h. kurz nach der Mitte des Juli reisen kann. Da zuerst Ch.[arlotte] mir immer von der Mitte des August geredet hatte, so glaubte ich Wunder wie vorsichtig zu seyn, daß ich Mich.[aelis] schrieb, ich müßte das Geld (40 Thl.) spätestens zum 15ten Juli haben. Sobald ich Geld habe, so komme ich, gleich wenn Ihr wieder zurück seyd, wenn Du es irgend für wahrscheinlich hältst, daß aus jener Sache etwas wird. Jeder Tag länger von Euch ist dann ein unersetzlicher Verlust für mich. – Frage W. auch, ob es Ferien giebt, in denen man kleine Reisen machen kann.
Reichardt hat mir, wenn ich in der Mitte des Jul[i] reisen kann, seine Pferde und Wagen angeboten, und will mich vielleicht selbst abhohlen. Wenn ich das Geld bekomme, [6] werde ich sein Anerbieten annehmen. Reise ich auch nicht ganz umsonst, so hoffe ich doch die Reise nach Halle frey zu haben. Wolfs Bekanntschaft, kann mir ausser dem unmittelbaren Vergnügen, doch sehr wichtig seyn. Ich bitte Dich, Dir den Aufsatz über den Rep.[ublikanismus] sogleich von Nieth.[ammer] geben zu lassen, und ihn wo möglich mit nächster Post nach Halle an Reichardt zu schicken. (R.[eichardt] zu Giebichenstein unweit Halle.)
Ich bitte Dich recht sehr, gegen die Mutter von der ganzen Sache gar nichts zu erwähnen, bis sie entschieden ist.
Charlotte räth Euch in Br.[aunschweig] nicht ohne Abschied wegzureisen. Sie befindet sich treflich gesund, und grüßt Dich herzlich.
Ich habe mich nicht auf Mich.[aelis] allein verlassen in Rücksicht des Reisegeldes, sondern alles mögliche von allen Seiten versucht, um gedeckt zu seyn. Ich würde in Verzweiflung seyn, wenn er [7] mich im Stich liesse, und ich desfalls Charl.[otte] zur Last fallen, und von Euch länger getrennt seyn müßte.
Nach Körners Reden, hat Sch.[iller] den rechten Eifer für die Horen schon verlohren, hofft aber an Dir einen guten Vicedirektor zu erhalten. Es wäre wirklich verdienstlich, wenn Du seinen Mangel an Ausdauer ersetzen, das in so vieler Rücksicht schöne und trefliche Werk zusammenhalten, aufrichten und wohl gar noch heben könntest. Wenn Sch.[iller] mein Cäsar gefällt, so kann ich Aufsätze liefern, so viel er will und mag. Dann sind meine Entwürfe und Stoff unerschöpflich. Das nächste wäre Tiberius Grakchus.
Böttiger klagt über Dein Nicht nach W.[eimar] kommen, und wagt über G.[oethe] und Sch.[iller] zu witzeln, worauf ich ernsthaft geantwortet. Besuche den Burschen gleich, ich bitte.
[8] Die dissertationes zu bekommen, ist nicht die mindeste Hoffnung. Ich war gestern in der Stadt, und habe allenthalben die Antwort bekommen, daß sie höchst wahrscheinlich nirgends hier zu finden wären. Doch habe ich noch an einigen Orten Auftrag zur Nachfrage gegeben, worauf ich nun Antwort erwarte.
Gestern war ein Götterfest für mich. Ich laß die Idylle. Nur einmal, aber wenn es auch das einzigemal bliebe, so würde sie nie aus meinem Gedächtniß verlöschen. Es hat mich mit Entzücken durchdrungen. Das Ewig gieng mir durch Mark und Bein. Eine wollüstige Thräne fiel auf das Blatt. Wie zart ist nicht die Rede des Mädchens. Es ist mir lieber als alles was Göthe je über Liebe metrisch gedichtet hat. – Eine kleine Unschicklichkeit fühlte ich gleich darin, daß [9] Alexis noch so nahe am Ufer redend eingeführt wird, und doch mit so ruhiger Sorgfalt ausmahlt, wie das Gleichniß vom Räthsel und das bequeme Bette. Die Mischung des Weisen und Sinnlich-Süssen mit der Leidenschaft, deren Brand halte ich dem Gedichte für wesentlich, seine eigenthümliche Schönheit. Nur gegen die Wahrheit scheint mir jenes ein kleiner Verstoß. Ich erkläre es mir daraus was K.[örner] mir sagte: es hat erst sollen eine Heroide werden, dann ist es in diese Form umgegossen. Er hat übrigens sehr recht es eine Idylle zu nennen. Es ist wirklich eine, nur nicht im modern Sch[iller]schen Sinn, sondern im Griechischen. Doch versteht sichs daß sie mehr werth ist, als alle Theokritischen und dergl.
Wer so dichten kann, ist glücklich wie ein Gott! Gehe hin und thue desgleichen.
[10] Die Klagen der Ceres von Sch.[iller] hingegen haben mir weder eine angenehme noch eine unangenehme Empfindung gemacht. Ohne seinen Nahmen hätte ich auf Heidenreich oder wenigstens doch auf Matthison gerathen.
Ueber den Vossischen Homer weiß ich Dir nicht recht viel zu sagen. Was W[ieland] (wahrscheinlich mit Böttigers Hülfe) in dem letzten Stücke des Merk.[ur] vom vor[igen] J.[ahr] oder in dem ersten dieses Jahrs darüber geschrieben hat, ist der Mühe werth, daß Du es liesest. Ich halte seine ganze Art, seine Grundsätze für falsch, und halte für Uebersetzungen aus den klassischen Sprachen, die Bruchstücke von Klopstock in den Gramm.[atischen] Gespr.[ächen] für die vollkommensten Beyspiele, wie man übersetzen soll. – Da er indessen nach seinen gewiß <sehr> durchdachten Grundsätzen [11] mit siebzehnjährigem Fleiß etwas Vollendetes geleistet hat, so müßte ein Recensent wenigstens diese Grundsätze sehr sorgfältig zu entwickeln suchen. Ausser einer Vergleichung grosser Stücke mit dem Originale können Dir dazu einige Winke in seinen neusten Schriften nützlich seyn. Z.B. in der 4ten Ekloge mit Abschied an Heyne seine Grundsätze über die Nachbildung des musikalischen Periodenbaus. – Er hat den Homer nicht so wohl übersetzt als nachgemacht, wenn ich so sagen darf. Er hat ihn nicht als klassischen Dichter sondern als historische Urkunde übersetzt. Wer die Urkunde Homer kennen will, muß sich doch an die Ursprache halten. Alles kommt auf die Grundsätze an, nach denen klassische Dichter übersetzt werden müssen. Klassische Dichter sollen übersetzt werden, aber nur als klassische. Die Grundsätze, [12] die aus diesem obersten Gesichtspunkt hergeleitet werden, sind sehr verschieden von den Grundsätzen, wie moderne Dichter zu übersetzen sind, welche wohl niemand vor Dir so bestimmt und richtig entwickelt hat.
Lebe recht wohl, und schreib mir nicht blos die Zeit Deiner Abreise, sondern auch Eurer gemeinschaftl.[ichen] Zurückkunft.
Fr. Schl.

Gieb mir bald Antwort.
Findest Du für nöthig, daß ich an W. schreibe? – Für dießmal wirst Du mich leicht entschuldigen können.
Du erwartest wahrscheinlich das Geld aus Holl.[and] vor Deiner Abreise, oder ist der eine Umstand noch ein andrer? Ich kann Dir nicht sagen wie sehr ich mich über diese Beschleunigung freue. Charlotte ist auch sehr zufrieden damit.
[13]
[14]
[1] Pillnitz. Den 15ten Juni 96.
Wundre Dich nicht, daß Du auf Deinen vorigen Brief keine Antwort von mir erhalten hast. Wir glaubten unsre Glückwünsche würden Dich in Jena nicht mehr treffen und schrieben also gleich nach Braunschw.[eig] an Kar[oline]. Ich hohle nur die wichtigsten Nachrichten nach. Ich habe sogleich an Reichardt geschrieben, daß die Dich betreffende Stelle ausgestrichen werden soll, und hoffe gewiß daß es noch früh genung ist: denn er hatte mir geantwortet, der Brief sey schon fürʼs 6te Stück in die Druckerey geschickt; zu Ostern ist aber erst das 3te fertig gewesen. Den Cäsar hoffe ich recht sehr bald schicken zu können. Genauer wage ich die Zeit nicht zu bestimmen.
Gestern erhielt ich Deinen Brief vom 9ten Juni, den ich sogleich zu beantworten eile. Der erste Eindruck, den Deine [2] Anfrage auf mich machte, war der Gedanke, daß meine Hoffnung unter Freunden zu leben, dadurch zerstört werden würde. – Da indessen diese Stelle mich von meinem Hauptzweck nicht entfernt, und ich mich nicht mit Dingen abzugeben brauche, für die ich keine Neigung oder keine Anlage habe; und da ich, wenn auch Michaelis seine Versprechungen hält, doch noch so viele Verpflichtungen habe, so halte ich es gewißermaassen für meine Pflicht, diese Gelegenheit nicht zu versäumen, mich ihrer am sichersten zu entledigen. Wenn die Lage der Sachen wirklich so vortheilhaft ist, so könnte ein kurzer Stillstand, und dann eine Nebenbeschäftigung selbst für meine Schriftstellerey vortheilhaft seyn.
Ich nehme also W.ʼs Anerbieten, mich vorzuschlagen, völlig und ganz an, und bitte ihm freundschaftlichst zu [3] danken.
Nur bin ich über zwey Dinge nach Deinem Briefe noch im Dunkeln. Erstlich ob die Bedingungen nur für die erste, oder auch für die zweite Stelle gelten. An dem Titel und Vorrang liegt nichts. Ist der Gehalt bey der zweiten Stelle aber um Vieles geringer, so würde ich sie schwerlich annehmen. Ist der Unterricht bey dieser Stelle derselbe d.h. alte Geschichte 12 Stunden wöchentlich, oder nicht?
Zweytens fürchte ich, könnte es leicht seyn, daß W. sich für Gaspari freundschaftlich interessirte, und Dir nur aus Furcht zu wiedersprechen – aus Halbheit – aus Gedankenlosigkeit die Empfehlung meiner zusagte. Ich möchte ihn zu nichts verleiten, was er ungern thäte. Ist es aber, nach Deinem Urtheil, sein Ernst, so treibe ihn, daß er kräftig und entschieden handelt.
[4] Noch bitte ich Dich, mir bald einige Nachricht von ihm zu verschaffen über die Zeit, wann jene Stelle spätestens angetreten werden muß. Laß Dir auch die Art von Abhängigkeit so damit verbunden, einigermaassen beschreiben. Auch laß Dir ohngefahr von ihm sagen, wie entfernt oder wie nahe die Möglichkeit ist, daß man auf seinen Vorschlag Rücksicht nimmt.
Es könnte angeführt werden, daß eine Geschichte der Gr.[iechischen] P.[oesie], also doch ein historisches Werk von mir eben im Druck sey, und daß ich mich seit geraumer Zeit mit einem Werke über die polit[ische] Geschichte der Gr.[iechen] und R.[ömer] beschäftigt.
Die Möglichkeit Euch so bald verlassen zu müssen, ist ein neuer Grund für mich, meine Abreise so viel als möglich zu beschleunigen, wie schon [5] Charlottens Konvenienz es wünschenswerth macht, daß ich wenigstens etwas früher als sie, d.h. kurz nach der Mitte des Juli reisen kann. Da zuerst Ch.[arlotte] mir immer von der Mitte des August geredet hatte, so glaubte ich Wunder wie vorsichtig zu seyn, daß ich Mich.[aelis] schrieb, ich müßte das Geld (40 Thl.) spätestens zum 15ten Juli haben. Sobald ich Geld habe, so komme ich, gleich wenn Ihr wieder zurück seyd, wenn Du es irgend für wahrscheinlich hältst, daß aus jener Sache etwas wird. Jeder Tag länger von Euch ist dann ein unersetzlicher Verlust für mich. – Frage W. auch, ob es Ferien giebt, in denen man kleine Reisen machen kann.
Reichardt hat mir, wenn ich in der Mitte des Jul[i] reisen kann, seine Pferde und Wagen angeboten, und will mich vielleicht selbst abhohlen. Wenn ich das Geld bekomme, [6] werde ich sein Anerbieten annehmen. Reise ich auch nicht ganz umsonst, so hoffe ich doch die Reise nach Halle frey zu haben. Wolfs Bekanntschaft, kann mir ausser dem unmittelbaren Vergnügen, doch sehr wichtig seyn. Ich bitte Dich, Dir den Aufsatz über den Rep.[ublikanismus] sogleich von Nieth.[ammer] geben zu lassen, und ihn wo möglich mit nächster Post nach Halle an Reichardt zu schicken. (R.[eichardt] zu Giebichenstein unweit Halle.)
Ich bitte Dich recht sehr, gegen die Mutter von der ganzen Sache gar nichts zu erwähnen, bis sie entschieden ist.
Charlotte räth Euch in Br.[aunschweig] nicht ohne Abschied wegzureisen. Sie befindet sich treflich gesund, und grüßt Dich herzlich.
Ich habe mich nicht auf Mich.[aelis] allein verlassen in Rücksicht des Reisegeldes, sondern alles mögliche von allen Seiten versucht, um gedeckt zu seyn. Ich würde in Verzweiflung seyn, wenn er [7] mich im Stich liesse, und ich desfalls Charl.[otte] zur Last fallen, und von Euch länger getrennt seyn müßte.
Nach Körners Reden, hat Sch.[iller] den rechten Eifer für die Horen schon verlohren, hofft aber an Dir einen guten Vicedirektor zu erhalten. Es wäre wirklich verdienstlich, wenn Du seinen Mangel an Ausdauer ersetzen, das in so vieler Rücksicht schöne und trefliche Werk zusammenhalten, aufrichten und wohl gar noch heben könntest. Wenn Sch.[iller] mein Cäsar gefällt, so kann ich Aufsätze liefern, so viel er will und mag. Dann sind meine Entwürfe und Stoff unerschöpflich. Das nächste wäre Tiberius Grakchus.
Böttiger klagt über Dein Nicht nach W.[eimar] kommen, und wagt über G.[oethe] und Sch.[iller] zu witzeln, worauf ich ernsthaft geantwortet. Besuche den Burschen gleich, ich bitte.
[8] Die dissertationes zu bekommen, ist nicht die mindeste Hoffnung. Ich war gestern in der Stadt, und habe allenthalben die Antwort bekommen, daß sie höchst wahrscheinlich nirgends hier zu finden wären. Doch habe ich noch an einigen Orten Auftrag zur Nachfrage gegeben, worauf ich nun Antwort erwarte.
Gestern war ein Götterfest für mich. Ich laß die Idylle. Nur einmal, aber wenn es auch das einzigemal bliebe, so würde sie nie aus meinem Gedächtniß verlöschen. Es hat mich mit Entzücken durchdrungen. Das Ewig gieng mir durch Mark und Bein. Eine wollüstige Thräne fiel auf das Blatt. Wie zart ist nicht die Rede des Mädchens. Es ist mir lieber als alles was Göthe je über Liebe metrisch gedichtet hat. – Eine kleine Unschicklichkeit fühlte ich gleich darin, daß [9] Alexis noch so nahe am Ufer redend eingeführt wird, und doch mit so ruhiger Sorgfalt ausmahlt, wie das Gleichniß vom Räthsel und das bequeme Bette. Die Mischung des Weisen und Sinnlich-Süssen mit der Leidenschaft, deren Brand halte ich dem Gedichte für wesentlich, seine eigenthümliche Schönheit. Nur gegen die Wahrheit scheint mir jenes ein kleiner Verstoß. Ich erkläre es mir daraus was K.[örner] mir sagte: es hat erst sollen eine Heroide werden, dann ist es in diese Form umgegossen. Er hat übrigens sehr recht es eine Idylle zu nennen. Es ist wirklich eine, nur nicht im modern Sch[iller]schen Sinn, sondern im Griechischen. Doch versteht sichs daß sie mehr werth ist, als alle Theokritischen und dergl.
Wer so dichten kann, ist glücklich wie ein Gott! Gehe hin und thue desgleichen.
[10] Die Klagen der Ceres von Sch.[iller] hingegen haben mir weder eine angenehme noch eine unangenehme Empfindung gemacht. Ohne seinen Nahmen hätte ich auf Heidenreich oder wenigstens doch auf Matthison gerathen.
Ueber den Vossischen Homer weiß ich Dir nicht recht viel zu sagen. Was W[ieland] (wahrscheinlich mit Böttigers Hülfe) in dem letzten Stücke des Merk.[ur] vom vor[igen] J.[ahr] oder in dem ersten dieses Jahrs darüber geschrieben hat, ist der Mühe werth, daß Du es liesest. Ich halte seine ganze Art, seine Grundsätze für falsch, und halte für Uebersetzungen aus den klassischen Sprachen, die Bruchstücke von Klopstock in den Gramm.[atischen] Gespr.[ächen] für die vollkommensten Beyspiele, wie man übersetzen soll. – Da er indessen nach seinen gewiß <sehr> durchdachten Grundsätzen [11] mit siebzehnjährigem Fleiß etwas Vollendetes geleistet hat, so müßte ein Recensent wenigstens diese Grundsätze sehr sorgfältig zu entwickeln suchen. Ausser einer Vergleichung grosser Stücke mit dem Originale können Dir dazu einige Winke in seinen neusten Schriften nützlich seyn. Z.B. in der 4ten Ekloge mit Abschied an Heyne seine Grundsätze über die Nachbildung des musikalischen Periodenbaus. – Er hat den Homer nicht so wohl übersetzt als nachgemacht, wenn ich so sagen darf. Er hat ihn nicht als klassischen Dichter sondern als historische Urkunde übersetzt. Wer die Urkunde Homer kennen will, muß sich doch an die Ursprache halten. Alles kommt auf die Grundsätze an, nach denen klassische Dichter übersetzt werden müssen. Klassische Dichter sollen übersetzt werden, aber nur als klassische. Die Grundsätze, [12] die aus diesem obersten Gesichtspunkt hergeleitet werden, sind sehr verschieden von den Grundsätzen, wie moderne Dichter zu übersetzen sind, welche wohl niemand vor Dir so bestimmt und richtig entwickelt hat.
Lebe recht wohl, und schreib mir nicht blos die Zeit Deiner Abreise, sondern auch Eurer gemeinschaftl.[ichen] Zurückkunft.
Fr. Schl.

Gieb mir bald Antwort.
Findest Du für nöthig, daß ich an W. schreibe? – Für dießmal wirst Du mich leicht entschuldigen können.
Du erwartest wahrscheinlich das Geld aus Holl.[and] vor Deiner Abreise, oder ist der eine Umstand noch ein andrer? Ich kann Dir nicht sagen wie sehr ich mich über diese Beschleunigung freue. Charlotte ist auch sehr zufrieden damit.
[13]
[14]
×
×