• Heinrich Joseph von Collin to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Wien · Place of Destination: Wien · Date: [20. Mai 1808]
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
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    Metadata Concerning Header
  • Sender: Heinrich Joseph von Collin
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Wien
  • Place of Destination: Wien
  • Date: [20. Mai 1808]
  • Notations: Datum sowie Absendeort erschlossen.
    Printed Text
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: 335976727
  • Bibliography: Krisenjahre der Frühromantik. Briefe aus dem Schlegelkreis. Hg. v. Josef Körner. Bd. 1. Der Texte erste Hälfte. 1791‒1808. Bern u.a. ²1969, S. 543‒545.
  • Incipit: „[1] [Wien, 20. Mai 1808]
    Die Abschrift liegt gleich oben an. Ich habe die Vorlesungen zwar schnell, aber mit Anstrengung, und ich [...]“
    Manuscript
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: APP2712-Bd-6
  • Classification Number: Mscr.Dresd.App.2712,B,21,11
  • Number of Pages: 4 S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 24,3 x 18,8 cm
[1] [Wien, 20. Mai 1808]
Die Abschrift liegt gleich oben an. Ich habe die Vorlesungen zwar schnell, aber mit Anstrengung, und ich hoffe mit Nutzen durchlesen. Ich danke Ihnen vom Grunde meines Herzens für Ihre gefällige Mittheilung.
Wenn ich mich frage: „Was soll von diesen Vorlesungen gedruckt werden?“ so denke ich – der Theil über griechische Dramatik gibt den 2ten Theil zu Friedrichs Werke, das nur von griechischer Epik und Lyrik handelt, und erschöpft so die ganze griechische Poesie. Der Theil über französische Poesie ist Zeitbedürfniß. Der Theil über englische und spanische dramatische Poesie originelle Anregung. Der Abriß deutscher Poesie ist ein schönes abgeschlossenes so noch nirgends vorhandenes Ganze. Und also will ich alles, alles gedruckt haben. Sie werden freylich sagen: ich werde doch genug zu ändern wissen, aber das sagen Sie wohl auch [2] ein Jahr nach der Drucklegung. Neue Ansichten und Erweiterungen können Sie ja einschalten, wenn Sie sodann über Schackespeare oder Calderon, oder über was immer Verwandten schreiben. Eja age! Fehler, quos incuria fudit, ich habe jedoch keine bemerkt, können Sie ja, wenn das Werk hier gedruckt wird, ihrem Freunde Seckendorf zur Verbesserung überlassen, der mir ein sehr genauer Stilist zu seyn scheint.
Nur die erste Vorlesung, oder vielmehr ihr Anfang will mir nicht gefallen. Der Gegensatz des Antiken und Romantischen greifet die ganzen Vorlesungen durch, und muß also gleich anfangs ganz klar seyn. Wenn die 3 Hauptblätter (Bogen 42–43) eingeschoben würden, so verstünde man hernach besser, was Sie mit Rousseaus und Hemsterhuys Bemerkungen wollen. Auch die Idee, die sich in der gothischen Baukunst als Vereinigung entzweyter ausdrückt müßte benannt werden, wenn Sie Sich doch darauf berufen.
[3] Ich weiß nicht, ob ich irre, aber es will mir nicht ein, daß Sie bey Entwicklung des Dramatischen mit dem Dialog anfangen. Wenn es mir einfiele einen Ugolino zu dichten, tragisch, also von Verzweiflung zur Beruhigung übergehend, weiß ich nicht, ob ich nicht gut daran thun würde, damit anzufangen, wie sein letztes Kind den Athem verhaucht, um den gräßlichen Moment so schnell als möglich vorübergehen zu lassen. Hier wäre also das Drama aus Kunstrücksichten monologisch. Genovefa in der Wüste; Faust in der Hölle, u. s. w. Schwierig wäre die Ausführung, aber immer möglich. – Uiberhaupt wünschte ich, daß in dieser ganzen Entwicklung mehrere Gebundenheit in der Aufeinanderfolge der Begriffe wäre.
Wenn die Uibersetzung und die Anmerkungen der Comparaison ihren Beyfall erhalten, so ist es mehr Glück als Verdienst, denn mir mangelte die Zeit, sie so zu bearbeiten, als es das Werk würdig war. Dem Anhange wenigstens [4] werden Sie Nachläßigkeit ansehen. Ich wollte nicht daran ändern. Es schadet nicht, wenn man mir den Eckel ansieht, den mir dieser leere Recensent gemacht hat, der ein würdiger Confrater des unwissenden und groben HE. Thomas West ist. Nur hämischer boßhafter ist noch der letztere.
Heute oder morgen komme ich zur Abschieds-Visite. Treffe ich Sie nicht mein werthester Freund, so behalten Sie mich auch in der Ferne lieb. Ihr Andenken wird mir immer unvergeßlich seyn. Eines wird uns ewig vereinigen, das gleiche Streben nach dem Schönen Guten und Großen, mögen wir auch noch so entfernt seyn. Und hiermit Vive! Vale!
Collin

Das Druckfehler-Verzeichniß ist nun noch nachzutragen.
[1] [Wien, 20. Mai 1808]
Die Abschrift liegt gleich oben an. Ich habe die Vorlesungen zwar schnell, aber mit Anstrengung, und ich hoffe mit Nutzen durchlesen. Ich danke Ihnen vom Grunde meines Herzens für Ihre gefällige Mittheilung.
Wenn ich mich frage: „Was soll von diesen Vorlesungen gedruckt werden?“ so denke ich – der Theil über griechische Dramatik gibt den 2ten Theil zu Friedrichs Werke, das nur von griechischer Epik und Lyrik handelt, und erschöpft so die ganze griechische Poesie. Der Theil über französische Poesie ist Zeitbedürfniß. Der Theil über englische und spanische dramatische Poesie originelle Anregung. Der Abriß deutscher Poesie ist ein schönes abgeschlossenes so noch nirgends vorhandenes Ganze. Und also will ich alles, alles gedruckt haben. Sie werden freylich sagen: ich werde doch genug zu ändern wissen, aber das sagen Sie wohl auch [2] ein Jahr nach der Drucklegung. Neue Ansichten und Erweiterungen können Sie ja einschalten, wenn Sie sodann über Schackespeare oder Calderon, oder über was immer Verwandten schreiben. Eja age! Fehler, quos incuria fudit, ich habe jedoch keine bemerkt, können Sie ja, wenn das Werk hier gedruckt wird, ihrem Freunde Seckendorf zur Verbesserung überlassen, der mir ein sehr genauer Stilist zu seyn scheint.
Nur die erste Vorlesung, oder vielmehr ihr Anfang will mir nicht gefallen. Der Gegensatz des Antiken und Romantischen greifet die ganzen Vorlesungen durch, und muß also gleich anfangs ganz klar seyn. Wenn die 3 Hauptblätter (Bogen 42–43) eingeschoben würden, so verstünde man hernach besser, was Sie mit Rousseaus und Hemsterhuys Bemerkungen wollen. Auch die Idee, die sich in der gothischen Baukunst als Vereinigung entzweyter ausdrückt müßte benannt werden, wenn Sie Sich doch darauf berufen.
[3] Ich weiß nicht, ob ich irre, aber es will mir nicht ein, daß Sie bey Entwicklung des Dramatischen mit dem Dialog anfangen. Wenn es mir einfiele einen Ugolino zu dichten, tragisch, also von Verzweiflung zur Beruhigung übergehend, weiß ich nicht, ob ich nicht gut daran thun würde, damit anzufangen, wie sein letztes Kind den Athem verhaucht, um den gräßlichen Moment so schnell als möglich vorübergehen zu lassen. Hier wäre also das Drama aus Kunstrücksichten monologisch. Genovefa in der Wüste; Faust in der Hölle, u. s. w. Schwierig wäre die Ausführung, aber immer möglich. – Uiberhaupt wünschte ich, daß in dieser ganzen Entwicklung mehrere Gebundenheit in der Aufeinanderfolge der Begriffe wäre.
Wenn die Uibersetzung und die Anmerkungen der Comparaison ihren Beyfall erhalten, so ist es mehr Glück als Verdienst, denn mir mangelte die Zeit, sie so zu bearbeiten, als es das Werk würdig war. Dem Anhange wenigstens [4] werden Sie Nachläßigkeit ansehen. Ich wollte nicht daran ändern. Es schadet nicht, wenn man mir den Eckel ansieht, den mir dieser leere Recensent gemacht hat, der ein würdiger Confrater des unwissenden und groben HE. Thomas West ist. Nur hämischer boßhafter ist noch der letztere.
Heute oder morgen komme ich zur Abschieds-Visite. Treffe ich Sie nicht mein werthester Freund, so behalten Sie mich auch in der Ferne lieb. Ihr Andenken wird mir immer unvergeßlich seyn. Eines wird uns ewig vereinigen, das gleiche Streben nach dem Schönen Guten und Großen, mögen wir auch noch so entfernt seyn. Und hiermit Vive! Vale!
Collin

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