• Friedrich von Schlegel to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Wien · Place of Destination: Unknown · Date: 16.01.1813
Edition Status: Single collated printed full text without registry labelling not including a registry
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    Metadata Concerning Header
  • Sender: Friedrich von Schlegel
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Wien
  • Place of Destination: Unknown
  • Date: 16.01.1813
    Printed Text
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: 362613826
  • Bibliography: Friedrich Schlegels Briefe an seinen Bruder August Wilhelm. Hg. v. Oskar Walzel. Berlin 1890, S. 536‒537.
  • Incipit: „Wien den 16ten Januar 1813.
    Geliebter Freund, Ich habe mir vorgenommen, Dir mit jeder vorkommenden sichern Gelegenheit und auf allen nur ersinnlichen [...]“
    Manuscript
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: DE-1a-34288
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XIX,Bd.24.d,Nr.192
  • Number of Pages: 2S., hs. m. U.
  • Format: 19,7 x 11,1 cm
Wien den 16ten Januar 1813.
Geliebter Freund, Ich habe mir vorgenommen, Dir mit jeder vorkommenden sichern Gelegenheit und auf allen nur ersinnlichen Wegen zu schreiben, mit jedem das was grade auf diesem das passendste ist, und so will ich denn nur auch gleich den Anfang machen; zuvor muß ich aber doch sagen, daß Dein gänzliches Stillschweigen, je länger es dauert, mir um so unbegreiflicher wird, um so mehr da doch andre Leute Briefe von Dir erhalten haben. ‒ Kannst Du lebendig eingreifen, so thu es ja und laß Dich nichts halten; doch dieser Aufforderung bedarf es wohl kaum, da St. nach ihrem letzten Briefe an Genz leidlich gute Gesinnungen zu haben scheint, also vielleicht selbst die Hand bieten wird. Die Zeit ist das kostbarste und der versäumte Augenblick kehrt nie wieder, oder wenn es ja geschieht, ist es eine besondre Gnade. Diese wiederfährt uns jetzt; ob wir sie verdienen benutzen oder auch nur verstehen werden, das weiß ich nicht. Das alte Sprüchwort heißt: das Eine thun und das andre nicht lassen. Hier wird es wohl umgekehrt werden: ,Das Eine nicht thun und das andre doch lassenʻ. ‒ Indessen wer weiß. Ich meines Orts stehe auf der Wache, das kannst Du wohl denken. Unthätig bleibe ich gewiß nicht, sollten auch die Dummköpfe, die grade Verstand genug hatten, um mich so schmachvoll in den Winkel zu schieben, mich selbst bey dieser Gelegenheit hintansetzen wollen. Kommt es zu etwas, so schliesse ich mich ohnehin an das Militär und nur an dieses an. Die Staatskanzley ist eine wahre Kloake von Charakterschwäche, es erregt Übelkeit nur daran zu denken. ‒ Ich beneide Dich eigentlich über allen Ausdruck; ich würde dort sicher nicht müßig seyn. Sehr vortreflich wäre es, wenn Du mir einen recht tüchtigen und glänzenden Ruf nach Rußland schaffen könntest. Es kann Dir dieß eigentlich nicht schwer werden; selbst die Staël die ich grüßen lasse, wird doch dazu hoffe ich gewiß aus allem Eifer mitwirken, denn sie wird einsehen, daß es recht sey. Aber groß und wo möglich sogar glänzend, öffentlich oder geheim, muß der Ruf seyn; ich habe es hier allzusehr in Erfahrung gebracht, daß man vergeblich hofft, die Leute würden doch wohl von selbst Nasen, Augen und Ohren haben. An allen diesen Sinnen fehlt es hier leider. Man muß sich gleich von Anfang gut und fest stellen. Im Grunde wäre mir selbst im Frieden ein solcher Ruf nach Rußland (versteht sich dann von andrer Art) sehr willkommen; denn allzu schmachvoll hat man mir hier begegnet, man leidet hier an derjenigen Art von Dummheit, die ich die bösartige nennen möchte. ‒ Laß Dich auch den Wunsch, England zu sehen, nicht halten, wenn sich wirklich eine Gelegenheit darbieten sollte, zum Wirken. Ein freyes Land sehen ist schon gut, handeln aber ist besser als sehen. ‒ Die Staël wird doch nicht übel nehmen, daß ein paar Bruchstücke über Deutschland im Museum erscheinen? Genz will auch durchaus ein Kapitel übersetzen, was er besonders liebt. ‒ Cura ut valeas, daß Du stark seyst.
Friedrich.
Wien den 16ten Januar 1813.
Geliebter Freund, Ich habe mir vorgenommen, Dir mit jeder vorkommenden sichern Gelegenheit und auf allen nur ersinnlichen Wegen zu schreiben, mit jedem das was grade auf diesem das passendste ist, und so will ich denn nur auch gleich den Anfang machen; zuvor muß ich aber doch sagen, daß Dein gänzliches Stillschweigen, je länger es dauert, mir um so unbegreiflicher wird, um so mehr da doch andre Leute Briefe von Dir erhalten haben. ‒ Kannst Du lebendig eingreifen, so thu es ja und laß Dich nichts halten; doch dieser Aufforderung bedarf es wohl kaum, da St. nach ihrem letzten Briefe an Genz leidlich gute Gesinnungen zu haben scheint, also vielleicht selbst die Hand bieten wird. Die Zeit ist das kostbarste und der versäumte Augenblick kehrt nie wieder, oder wenn es ja geschieht, ist es eine besondre Gnade. Diese wiederfährt uns jetzt; ob wir sie verdienen benutzen oder auch nur verstehen werden, das weiß ich nicht. Das alte Sprüchwort heißt: das Eine thun und das andre nicht lassen. Hier wird es wohl umgekehrt werden: ,Das Eine nicht thun und das andre doch lassenʻ. ‒ Indessen wer weiß. Ich meines Orts stehe auf der Wache, das kannst Du wohl denken. Unthätig bleibe ich gewiß nicht, sollten auch die Dummköpfe, die grade Verstand genug hatten, um mich so schmachvoll in den Winkel zu schieben, mich selbst bey dieser Gelegenheit hintansetzen wollen. Kommt es zu etwas, so schliesse ich mich ohnehin an das Militär und nur an dieses an. Die Staatskanzley ist eine wahre Kloake von Charakterschwäche, es erregt Übelkeit nur daran zu denken. ‒ Ich beneide Dich eigentlich über allen Ausdruck; ich würde dort sicher nicht müßig seyn. Sehr vortreflich wäre es, wenn Du mir einen recht tüchtigen und glänzenden Ruf nach Rußland schaffen könntest. Es kann Dir dieß eigentlich nicht schwer werden; selbst die Staël die ich grüßen lasse, wird doch dazu hoffe ich gewiß aus allem Eifer mitwirken, denn sie wird einsehen, daß es recht sey. Aber groß und wo möglich sogar glänzend, öffentlich oder geheim, muß der Ruf seyn; ich habe es hier allzusehr in Erfahrung gebracht, daß man vergeblich hofft, die Leute würden doch wohl von selbst Nasen, Augen und Ohren haben. An allen diesen Sinnen fehlt es hier leider. Man muß sich gleich von Anfang gut und fest stellen. Im Grunde wäre mir selbst im Frieden ein solcher Ruf nach Rußland (versteht sich dann von andrer Art) sehr willkommen; denn allzu schmachvoll hat man mir hier begegnet, man leidet hier an derjenigen Art von Dummheit, die ich die bösartige nennen möchte. ‒ Laß Dich auch den Wunsch, England zu sehen, nicht halten, wenn sich wirklich eine Gelegenheit darbieten sollte, zum Wirken. Ein freyes Land sehen ist schon gut, handeln aber ist besser als sehen. ‒ Die Staël wird doch nicht übel nehmen, daß ein paar Bruchstücke über Deutschland im Museum erscheinen? Genz will auch durchaus ein Kapitel übersetzen, was er besonders liebt. ‒ Cura ut valeas, daß Du stark seyst.
Friedrich.
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