• Friedrich von Schlegel to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Wien · Place of Destination: Unknown · Date: 27.04.1825
Edition Status: Single collated printed full text without registry labelling not including a registry
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    Metadata Concerning Header
  • Sender: Friedrich von Schlegel
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Wien
  • Place of Destination: Unknown
  • Date: 27.04.1825
    Printed Text
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: 362613826
  • Bibliography: Friedrich Schlegels Briefe an seinen Bruder August Wilhelm. Hg. v. Oskar Walzel. Berlin 1890, S. 642‒645.
  • Incipit: „Wien, den 27ten April 1825.
    Geliebter Bruder! Als wir Geschwister vorigen Herbst in Dreßden zusammentrafen, was mir von Karl ganz unerwartet war, [...]“
    Manuscript
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: DE-1a-34288
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XIX,Bd.24.d,Nr.233
  • Number of Pages: 4S. auf Doppelbl. u. 2 S., hs. m. U.
  • Format: 20 x 12 cm
Wien, den 27ten April 1825.
Geliebter Bruder! Als wir Geschwister vorigen Herbst in Dreßden zusammentrafen, was mir von Karl ganz unerwartet war, fehlte uns nichts, um unsre Freude vollkommen zu machen, als daß Du auch da gewesen wärest, und ich endlich die Freude gehabt hätte, Dich wieder zu sehen. ‒ Es ist nicht sowohl die weite Entfernung, die zwischen uns liegt, als die lange Zeit, welche uns getrennt hat, da die Uhr der Welt-Entwicklung für das Ganze wie in dem Geiste des Einzelnen nun in immer kürzeren Pulsen schlägt, und wenige Jahre jetzt einen solchen Zwischenraum machen, wie sonst kaum ein halbes Jahrhundert. Dieß ist denn wohl auch die Ursache, daß Du manches von mir ganz falsch ausgelegt und mir Dinge und Ansichten zugeschrieben hast, die mir völlig fremd sind, und ganz außer meinem Kreise liegen, und eigentlich gar keine Berührung haben mit der innern, geistigen Welt, in der ich allein lebe. ‒ Recht dringend fühle ich daher das Bedürfniß, und regt sich die Sehnsucht in mir, Dich einmal auf eine Zeitlang wiederzusehen, und mit Dir wie im Sommer 1818 zusammen zu leben. Indessen dazu ist mir freylich für jetzt alle Aussicht abgeschnitten, oder statt der wirklichen Hoffnung bleiben mir nur die leeren Wünsche. Den herzlichsten Antheil nehme ich aber an dem herrlichen Fortschritt Deiner indischen Arbeiten, welche mich über allen Ausdruck freuen. Laß mich nur ja auch ferner Theil daran nehmen und alles gleich erfahren. Der Baron Schilling, den ich im Winter kennen lernte, hat mir Deinen Brief mitgetheilt und ich habe ihm die Samskritverse, so gut ich konnte übersetzen müßen; Dein Brief und die Verse schienen ihm große Freude zu machen. ‒ Wenn ich mich nur ganz dazu im Stande fühlte, so möchte ich wohl die Anzeige der indischen Bibliothek für die Jahrbücher übernehmen. ‒ Schreibe mir doch, was Du von dem Werke des Müller (in Mainz) hältst; ich meyne nicht sowohl seine eigne Arbeit daran, denn da ergiebt sich das Unvollkommne bey dem Mangel eigentlicher Sprachkentniß wohl von selbst; ich möchte aber gern wißen, ob Du diese Denkmahle und mancherley mystische Abbildungen für ächt hältst. Sind sie es, so würde dieß in Hinsicht auf Philosophie und geheime Naturwissenschaft ihnen viel Interesse geben und manchen Aufschluß oder doch Analogie darbieten. Schreibe mir doch auch Deine Meynung über das Hieroglyphen-System des Champollion; es hat mich sehr angezogen und beschäftigt die Zeit her. Die andre Seite der Sache, ich meyne die eigentlich symbolischen Darstellungen auf den aegyptischen Denkmahlen, scheint er freylich weniger zu verstehen, und keinen rechten Sinn dafür zu haben. Indessen wird auch diese dadurch gewinnen, wenn nur erst, was wirkliche Schrift ist und alle Buchstabenhieroglyphen ganz aufgehellt sind und dieses für sich von den eigentlichen symbolischen Darstellungen rein abgesondert dasteht. ‒ Ich hoffe, Du wirst meinen 10ten Theil auf dem nähmlichen Wege, wie bisher, durch die Buchhandlung richtig erhalten haben. Ich habe übrigens unglaublichen Verdruß und Noth mit meiner Verlagshandlung; die beyden Eigenthümer derselben haben sich schon im vorigen Jahre unwiderbringlich entzweyt und treten aus einander. Der Eine, welcher vorzüglich das Geld besitzt, ist ein Mensch, mit dem wegen seines Mangels an Verstande und beschränkten Charakters und Eigensinn, gar nichts anzufangen ist. Der andre, mit dem ich bisher eigentlich allein zu thun hatte, und der recht verständig ist, hat kein Privilegium, welches er erst nachsuchen muß. Wenn er es aber auch erhält, so frägt sich, welchen Accord sie unter sich über meinen Verlagsartikel treffen werden, und welchem von beyden derselbe zu Theil werden wird. In dem besten Falle aber ist selbst die Unterbrechung für mich äußerst unangenehm und ein wahres Unglück; schon vor einem Jahre habe ich meine Rechnung mit ihnen abgeschlossen, und weiß nun noch gar nicht, wie es ferner damit werden soll. Ich habe wohl an Reimer gedacht, falls es hier nicht weiter geht; Cotta, der das nächste Recht daran hatte, hat es abgelehnt. Ich bin darüber in eine völlige Muthlosigkeit gerathen und habe die Lust an allem verlohren; denn da dieß das einzige Mittel war, um doch meine früheren Schulden zu decken, so ist diese Unterbrechung für mich ein zwiefaches Unglück. ‒ Indessen suche ich mich durch wissenschaftliche Arbeiten zu zerstreuen, und den Geist so viel es unter diesen traurigen Umständen möglich ist, aufrecht zu erhalten. Grüße auch Windischmann herzlich von mir; ich bin jetzt mit seinem Werke beschäftigt und werde ihm nächstens schreiben. ‒ In dem 2ten Band meiner Gedichte wirst Du einige neue gefunden haben, und würde es mich sehr freuen, wenn sie Deinen Beyfall haben, besonders auch das vom Noah, welches mir selbst vorzüglich lieb ist. Die indischen Uebersetzungen habe ich jetzt natürlich hieher genommen; als Text und philologische Arbeiten können sie jetzt nach solchen Fortschritten und Deinen großen Arbeiten nicht so viel Werth mehr haben; als erste Versuche der poetischen Uebersetzungskunst mögen sie da wohl noch ihre Stelle finden. Im Metrum, und auch sonst, habe ich nachgeholfen und verbeßert, so viel als es unter diesen Umständen möglich war, und bitte also auch, mit Nachsicht diese Arbeit anzusehn. ‒ Unsre Nichte ist jetzt sehr fleißig, und dieses ist der Grund, warum sie diese letzte Zeit, so oft sie es sich auch vorgenommen hat, nicht an Dich schreiben konnte. Früher im Winter, wo auch ihre Gesundheit mit unter vieler Schonung bedurfte, hat sie sich auf einige Arbeiten, ein großes Bild von mir, was sehr ähnlich ist, eine Copie nach Schnorr, die bestellt war, und einige kleinere sehr niedliche Sachen beschränkt. Jetzt ist sie aber mit einemmale mehr bekannt geworden, bey der Fürstin Auersberg und durch diese wieder mit vielen andern; es kommen nun Bestellungen in Menge, sie hat alle Hände voll zu thun, und bittet den lieben Onkel für heute um Entschuldigung. Sie wohnen bey uns im Hause und werden wohl den Sommer noch hier bleiben, um alle die angefangnen Arbeiten zu vollenden. Der Frau von Pobecheim, welche nach Bonn geht, und sehr wünschte, Dir empfohlen zu seyn, habe ich einen Brief für Dich geschickt. Da ich aber nicht so genau wißen kann, wann sie reist und wie bald jener Brief in Deine Hände kommen wird; so habe ich jenen ersten Zeilen diesen Brief um so eher gleich nachfolgen laßen. ‒ Wenn ich doch nur endlich einmal eine Reise nach Deutschland machen könnte! Ich sehne mich recht vom Herzen danach. ‒ Tieck ist jetzt beym Theater in Dreßden angestellt; ich habe in seinem Hause recht angenehme Stunden zugebracht, wo auch sehr oft von Dir die Rede war. ‒ Laß mich recht bald von Dir und Deiner Gesundheit und Deinen Arbeiten hören, auf deren Fortgang ich äußerst begierig bin. ‒ Gleich nach Ostern hatte ich ein acht Tage etwas Fieber, wovon ich mich nur ziemlich langsam erhohle. Von ganzem Herzen
Dein Dich liebender Bruder
Friedrich.

Wir wohnen jetzt Alsergasse Nro. 109. ‒ Es ist das Haus der Frau von Pichler, dessen Du Dich wohl schwerlich mehr erinnern wirst. Zum Glück ist ein kleines Gärtchen dabey, dessen wir sehr bedürfen.
Meine Frau und Buttlars empfehlen sich Dir auf das herzlichste.
Wien, den 27ten April 1825.
Geliebter Bruder! Als wir Geschwister vorigen Herbst in Dreßden zusammentrafen, was mir von Karl ganz unerwartet war, fehlte uns nichts, um unsre Freude vollkommen zu machen, als daß Du auch da gewesen wärest, und ich endlich die Freude gehabt hätte, Dich wieder zu sehen. ‒ Es ist nicht sowohl die weite Entfernung, die zwischen uns liegt, als die lange Zeit, welche uns getrennt hat, da die Uhr der Welt-Entwicklung für das Ganze wie in dem Geiste des Einzelnen nun in immer kürzeren Pulsen schlägt, und wenige Jahre jetzt einen solchen Zwischenraum machen, wie sonst kaum ein halbes Jahrhundert. Dieß ist denn wohl auch die Ursache, daß Du manches von mir ganz falsch ausgelegt und mir Dinge und Ansichten zugeschrieben hast, die mir völlig fremd sind, und ganz außer meinem Kreise liegen, und eigentlich gar keine Berührung haben mit der innern, geistigen Welt, in der ich allein lebe. ‒ Recht dringend fühle ich daher das Bedürfniß, und regt sich die Sehnsucht in mir, Dich einmal auf eine Zeitlang wiederzusehen, und mit Dir wie im Sommer 1818 zusammen zu leben. Indessen dazu ist mir freylich für jetzt alle Aussicht abgeschnitten, oder statt der wirklichen Hoffnung bleiben mir nur die leeren Wünsche. Den herzlichsten Antheil nehme ich aber an dem herrlichen Fortschritt Deiner indischen Arbeiten, welche mich über allen Ausdruck freuen. Laß mich nur ja auch ferner Theil daran nehmen und alles gleich erfahren. Der Baron Schilling, den ich im Winter kennen lernte, hat mir Deinen Brief mitgetheilt und ich habe ihm die Samskritverse, so gut ich konnte übersetzen müßen; Dein Brief und die Verse schienen ihm große Freude zu machen. ‒ Wenn ich mich nur ganz dazu im Stande fühlte, so möchte ich wohl die Anzeige der indischen Bibliothek für die Jahrbücher übernehmen. ‒ Schreibe mir doch, was Du von dem Werke des Müller (in Mainz) hältst; ich meyne nicht sowohl seine eigne Arbeit daran, denn da ergiebt sich das Unvollkommne bey dem Mangel eigentlicher Sprachkentniß wohl von selbst; ich möchte aber gern wißen, ob Du diese Denkmahle und mancherley mystische Abbildungen für ächt hältst. Sind sie es, so würde dieß in Hinsicht auf Philosophie und geheime Naturwissenschaft ihnen viel Interesse geben und manchen Aufschluß oder doch Analogie darbieten. Schreibe mir doch auch Deine Meynung über das Hieroglyphen-System des Champollion; es hat mich sehr angezogen und beschäftigt die Zeit her. Die andre Seite der Sache, ich meyne die eigentlich symbolischen Darstellungen auf den aegyptischen Denkmahlen, scheint er freylich weniger zu verstehen, und keinen rechten Sinn dafür zu haben. Indessen wird auch diese dadurch gewinnen, wenn nur erst, was wirkliche Schrift ist und alle Buchstabenhieroglyphen ganz aufgehellt sind und dieses für sich von den eigentlichen symbolischen Darstellungen rein abgesondert dasteht. ‒ Ich hoffe, Du wirst meinen 10ten Theil auf dem nähmlichen Wege, wie bisher, durch die Buchhandlung richtig erhalten haben. Ich habe übrigens unglaublichen Verdruß und Noth mit meiner Verlagshandlung; die beyden Eigenthümer derselben haben sich schon im vorigen Jahre unwiderbringlich entzweyt und treten aus einander. Der Eine, welcher vorzüglich das Geld besitzt, ist ein Mensch, mit dem wegen seines Mangels an Verstande und beschränkten Charakters und Eigensinn, gar nichts anzufangen ist. Der andre, mit dem ich bisher eigentlich allein zu thun hatte, und der recht verständig ist, hat kein Privilegium, welches er erst nachsuchen muß. Wenn er es aber auch erhält, so frägt sich, welchen Accord sie unter sich über meinen Verlagsartikel treffen werden, und welchem von beyden derselbe zu Theil werden wird. In dem besten Falle aber ist selbst die Unterbrechung für mich äußerst unangenehm und ein wahres Unglück; schon vor einem Jahre habe ich meine Rechnung mit ihnen abgeschlossen, und weiß nun noch gar nicht, wie es ferner damit werden soll. Ich habe wohl an Reimer gedacht, falls es hier nicht weiter geht; Cotta, der das nächste Recht daran hatte, hat es abgelehnt. Ich bin darüber in eine völlige Muthlosigkeit gerathen und habe die Lust an allem verlohren; denn da dieß das einzige Mittel war, um doch meine früheren Schulden zu decken, so ist diese Unterbrechung für mich ein zwiefaches Unglück. ‒ Indessen suche ich mich durch wissenschaftliche Arbeiten zu zerstreuen, und den Geist so viel es unter diesen traurigen Umständen möglich ist, aufrecht zu erhalten. Grüße auch Windischmann herzlich von mir; ich bin jetzt mit seinem Werke beschäftigt und werde ihm nächstens schreiben. ‒ In dem 2ten Band meiner Gedichte wirst Du einige neue gefunden haben, und würde es mich sehr freuen, wenn sie Deinen Beyfall haben, besonders auch das vom Noah, welches mir selbst vorzüglich lieb ist. Die indischen Uebersetzungen habe ich jetzt natürlich hieher genommen; als Text und philologische Arbeiten können sie jetzt nach solchen Fortschritten und Deinen großen Arbeiten nicht so viel Werth mehr haben; als erste Versuche der poetischen Uebersetzungskunst mögen sie da wohl noch ihre Stelle finden. Im Metrum, und auch sonst, habe ich nachgeholfen und verbeßert, so viel als es unter diesen Umständen möglich war, und bitte also auch, mit Nachsicht diese Arbeit anzusehn. ‒ Unsre Nichte ist jetzt sehr fleißig, und dieses ist der Grund, warum sie diese letzte Zeit, so oft sie es sich auch vorgenommen hat, nicht an Dich schreiben konnte. Früher im Winter, wo auch ihre Gesundheit mit unter vieler Schonung bedurfte, hat sie sich auf einige Arbeiten, ein großes Bild von mir, was sehr ähnlich ist, eine Copie nach Schnorr, die bestellt war, und einige kleinere sehr niedliche Sachen beschränkt. Jetzt ist sie aber mit einemmale mehr bekannt geworden, bey der Fürstin Auersberg und durch diese wieder mit vielen andern; es kommen nun Bestellungen in Menge, sie hat alle Hände voll zu thun, und bittet den lieben Onkel für heute um Entschuldigung. Sie wohnen bey uns im Hause und werden wohl den Sommer noch hier bleiben, um alle die angefangnen Arbeiten zu vollenden. Der Frau von Pobecheim, welche nach Bonn geht, und sehr wünschte, Dir empfohlen zu seyn, habe ich einen Brief für Dich geschickt. Da ich aber nicht so genau wißen kann, wann sie reist und wie bald jener Brief in Deine Hände kommen wird; so habe ich jenen ersten Zeilen diesen Brief um so eher gleich nachfolgen laßen. ‒ Wenn ich doch nur endlich einmal eine Reise nach Deutschland machen könnte! Ich sehne mich recht vom Herzen danach. ‒ Tieck ist jetzt beym Theater in Dreßden angestellt; ich habe in seinem Hause recht angenehme Stunden zugebracht, wo auch sehr oft von Dir die Rede war. ‒ Laß mich recht bald von Dir und Deiner Gesundheit und Deinen Arbeiten hören, auf deren Fortgang ich äußerst begierig bin. ‒ Gleich nach Ostern hatte ich ein acht Tage etwas Fieber, wovon ich mich nur ziemlich langsam erhohle. Von ganzem Herzen
Dein Dich liebender Bruder
Friedrich.

Wir wohnen jetzt Alsergasse Nro. 109. ‒ Es ist das Haus der Frau von Pichler, dessen Du Dich wohl schwerlich mehr erinnern wirst. Zum Glück ist ein kleines Gärtchen dabey, dessen wir sehr bedürfen.
Meine Frau und Buttlars empfehlen sich Dir auf das herzlichste.
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