• Friedrich von Schlegel to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Wien · Place of Destination: Unknown · Date: 03.06.1826
Edition Status: Single collated printed full text without registry labelling not including a registry
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    Metadata Concerning Header
  • Sender: Friedrich von Schlegel
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Wien
  • Place of Destination: Unknown
  • Date: 03.06.1826
    Printed Text
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: 362613826
  • Bibliography: Friedrich Schlegels Briefe an seinen Bruder August Wilhelm. Hg. v. Oskar Walzel. Berlin 1890, S. 645‒650.
  • Incipit: „Wien, den 3ten Juni, 1826.
    Geliebter Bruder! Ich bin schon lange in Schuld gegen Dich mit Briefschreiben; schließe indessen aus meinem Stillschweigen [...]“
    Manuscript
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: DE-1a-34288
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XIX,Bd.24.d,Nr.234
  • Number of Pages: 8S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 20,9 x 12,9 cm
Wien, den 3ten Juni, 1826.
Geliebter Bruder! Ich bin schon lange in Schuld gegen Dich mit Briefschreiben; schließe indessen aus meinem Stillschweigen nicht, daß meine Gedanken nicht sehr oft bey Dir wären. Ich habe noch niemahls eine so lebhafte Sehnsucht empfunden, Dich einmal wieder zu sehen und mich mit Dir aussprechen zu können, als grade diesen Winter hindurch und es könnte mir nichts glücklicheres und erwünschteres wiederfahren als eine Gelegenheit, Dich in Bonn zu besuchen. Der Verlust unsres frommen Bruders Moritz hat mich aufs innigste gerührt, da es mir nicht zu Theil geworden ist, den guten verständigen Pfleger meiner Knabenjahre, wie ich es so sehnlich gewünscht hätte, noch einmal wieder zu sehen. Jetzt habe ich Dir aber wieder eine traurige Nachricht mitzutheilen. Auguste und Buttlar waren eben im Begriff, nach Florenz abzureisen, als ich einen Brief, in diesem Augenblick doch sehr unerwartet, von dem Hofrath Weigel in Dresden empfing, daß unsre gute Schwester Charlotte, schon längere Zeit kränkelnd, (obwohl die letztern Briefe noch bis zum 11ten May nichts dergleichen ahnden ließen) nach einer Krankheit von wenigen Tagen, Brustfieber ,sanft hinübergegangenʻ sey, nach seinem eignen Ausdruck. Dieß geschah in der Nacht vom 25ten d. Der alte Ernst liege nun auch krank danieder. ‒ Die Anstalten zu der italienischen Reise wurden nun sogleich abbestellt, da dieser traurige Fall Augustens Rückkehr nach Dresden zu ihren Kindern nothwendig macht; diese sind unterdessen bey einer sehr treuen Freundin von ihr untergebracht und gut aufgehoben für die kurze Zwischenzeit. Die Nichte war unglaublich erschüttert durch diesen Verlust, und eben waren wir noch mit der Sorge um sie und mit den Anstalten zu jener Veränderung beschäftigt, als der zweyte Brief ankam, daß Ernst nun auch an demselben Tage, an welchem die Schwester begraben wurde, Nachmittags den 27ten May gestorben sey; in ihrer kleinen Sommerwohnung in Pillnitz, wo sie also auch begraben liegen. ‒ Augustens Gesundheit ist so schwach, daß wir uns noch nicht getraut haben, ihr diese zweyte Nachricht, welche ich vorgestern erhielt, mitzutheilen; ich muß darin dem Artzt folgen, der ihre zarte Körperbeschaffenheit sehr gut kennt, und den freundschaftlichsten Antheil an ihr nimmt. Es ist auch nichts dadurch versäumt, da sie doch jetzt noch gar nicht würde reisen können und sich nothwendig erst mehrere Tage erhohlen muß. ‒ Nähere Umstände enthalten die kurzen Briefe von Weigel nicht; außer daß Ernst noch den letzten Tag ein Testament gemacht hat, dessen Inhalt er jedoch nicht kennt. ‒ Mir ist jetzt doppelt werth, daß ich sie alle noch vor anderthalb Jahren in Dreßden wieder gesehen habe, wo ich damals einige Wochen sehr glücklich verlebte und auch unverhofft mit dem Bruder Karl aus Hannover nach einer Zwischenzeit von mehr als 30 Jahren, auf einige Tage zusammentraf. ‒ Auguste hat Dir, ehe dieses vorgefallen war, geschrieben; ich weiß aber nicht ob der Brief schon abgegangen ist, und ich will sie auch heute lieber gar nicht daran erinnern, da es ihr nur schmerzlich seyn würde und sie doch noch nicht alles weiß. Du mußt ohnehin in jedem Fall noch weitere Nachricht von uns erhalten sobald erst alles wegen der Reise in Richtigkeit ist; das mag also bis dahin aufgeschoben bleiben. Sie hat auch ein sehr anmuthiges kleines Bild für Dich vollendet, was sie Dir zusenden wird. Ihr Talent hat sich hier überhaupt noch viel weiter entwickelt; die kleineren Oelbilder, Porträte in halber Größe, gelingen ihr überaus gut und hat sie schon eine rechte Fertigkeit darin. Vorzüglich glücklich ist sie auch in den kleineren Andachtsbildern und Madonnen, wo besonders die Engel überaus lieblich sind; sie hat einige derselben von ihrer Erfindung hier mehrmals copieren müßen. Sie hat auch ein großes Kirchenbild vom heiligen Wenzeslaus hier vollendet; für ihren Artzt, denn, da dieser ein reicher Mann ist, und ein solches Bild für die Kirche in seinem Geburthsorte wünschte; so hat sie ihm dasselbe statt der Bezahlung, für die anderthalb Jahre hindurch treu geleisteten Dienste, gefertigt. Es ist ihr auch sehr gut gelungen; im Ganzen aber übersteigen solche große Unternehmungen ihre physischen Kräfte, welche der größten Schonung bedürfen. Hier hat sie sich sehr viel Liebe erworben; in der letzten Zeit hat sie der Fürstin Auersberg Stunden im Oelmahlen gegeben, und die Bestellungen, welche früherhin einmal etwas gestockt hatten, kamen zuletzt so zahlreich, daß sie deren mehr als 7 oder 8 hat zurückweisen müßen, da die Eltern in Dresden immer auf die Abreise nach Florenz drangen, wiewohl es nun ein Glück ist, daß diese noch nicht angetreten war. ‒ So hast Du denn hier einen treuen Familienbericht, geliebter Bruder! der freylich von traurigem Inhalte ist, und dem bald ein zweyter nachfolgen soll.
Uebrigens kann ich Dir gar nicht genug sagen noch mit Worten ausdrücken, mit welcher großen Freude ich Deine herrlichen indischen Arbeiten und Werke im Geiste aufnehme und mich daran labe und erquicke, besonders auch den großen Sinn, mit welchen Du diese Offenbarungen der Urwelt und alten Geister aus der ersten Lebensquelle auffaßest und behandelst. ‒ Ich habe mich in den letzten beyden Jahren sehr viel mit den Hieroglyphen beschäftigt; ich fühle mich sehr von dieser symbolischen Räthselwelt angezogen, die mit vielen Geheimnißen der Seele und des Geistes in Berührung steht. Grüße doch auch Windischmann herzlich von mir, und gieb ihm einstweilen, bis ich ihm schreiben kann, was sehr bald geschehen soll, dieses Blatt mit Buchstaben zum Zeichen des Andenkens von mir. Die Absicht wird er wohl verstehen; damit er indessen nicht zu viel herum räth, so sage ihm nur daß es nicht aegyptische, sondern zwey hebräische Worte sind, welche in diesen sieben Zeichen ausgedrückt sind, welche sich eben so gut wie einige indische sehr bedeutend in jener Urschrift aufzeichnen laßen. Das letzte Zeichen unten rechts ist etwas zu dick gerathen im Stil, und dadurch weniger kenntlich; es stellt den heiligen Schreibegriffel vor.
Außerdem geht es mir eigentlich betrübt; seitdem vor zwey Jahren die Herausgabe meiner Werke durch die unglückliche Auflösung dieser Buchhandlung ins Stocken gerathen, finde ich mich in allem gelähmt, und bin auch äußerlich dadurch eher zurück und wenigstens um keinen Schritt vorwärts. Belastet von Sorgen und von allen Seiten bedrängt, bin ich völlig muthlos geworden; denn was ich allenfalls gekonnt hätte, dazu hatte ich keine Lust und es würde mir auch im Wesentlichen nichts geholfen haben. Was ich aber mit allen Kräften der Seele unternehmen und vollbringen möchte, das konnte ich nicht, in diesem gebundenen Zustande, wenigstens noch nicht. Endlich hat nun Reimer die Fortsetzung übernommen; aber erst für Ostern 1827. Also das giebt für den Augenblick auch noch keine andre Wendung. ‒ Indessen, sobald die Welt wieder bewegter wird, fühle ich mich auch wieder von neuem Lebensmuthe beseelt; denn der Zustand der letzten Jahre hat mich eigentlich angeekelt, und habe ich mich geistig nur davon entfernt zu halten und lieber in den Fernen, unsichtbaren Weltregionen einheimisch zu bleiben gesucht. ‒ Aber nun scheint es doch, daß die neue Welt-Epoche, die gewiß unaussprechlich groß, wenn auch Anfangs äußerst furchtbar seyn wird, endlich mit starken Schritten eilends über unsern Häuptern heranzieht; und man athmet wieder leichter auf, wie bey einem erfrischenden Gewitter.
Windischmann soll mir seine Freundschaft erhalten; Görres ist wieder recht lebendig geworden, das ist auch ein gutes Zeichen. Der König von Baiern greift kräftig ein in jeder Hinsicht; sollten auch Anfangs einige Misgriffe mit unterlaufen, so ist doch die Aufregung für alle Theile gewiß sehr nützlich; aber um einen neuen, großen Mittelpunkt für die Deutsche Wissenschaft zu stiften, gehört freylich nicht bloß ein großer Sinn sondern auch ein großer Verstand dazu, und daneben noch unendlich viel Klugheit unter all den Rücksichten auf dieses und jenes. Wenn es wirklich dazu kommt, daß der Fürst Metternich dieses Jahr nach dem Johannisberg geht (wogegen doch leicht noch Hinderniße eintreten oder Abänderungen darin geschehen könnten); so wäre für mich nichts erwünschter, als wenn ich es dahin bringen könnte, daß er mich mitnähme, wo wir uns dann auf jede Weise wiedersehen müßten. ‒ Vorigen Herbst war ich auf einige Wochen von Steyermark aus in Baiern; erst an einem Badeort an der Gränze von Tyrol und dann in München, wo Du auch überall in gutem Andenken stehst. Wenn Du nur auch einmal mehr nach uns her eine Reise unternehmen könntest z. B. eben nach München, wenn auch nicht ganz bis hieher; so könnte man sich doch dort wiedersehen. ‒ Doch nun genug von allen Wünschen und Planen, die ich den traurigen Nachrichten der Wirklichkeit hinzugefügt habe. Du erhältst in jedem Falle über diese Familienereigniße und über Auguste noch weitere Nachricht. Daß die hannöverische Nichte Minna, welche aber jetzt mit ihrem andern Nahmen lieber Sophie genannt seyn will, seit einigen Wochen hier bey uns ist, wirst Du wohl vom Bruder Karl erfahren haben; ich werde mir alle mögliche Mühe geben, ihr eine recht angemeßne Stelle in einem hiesigen großen Hause zu verschaffen. Unterdessen scheint sie auch recht gern bey uns zu seyn. ‒ Die Gesundheit meiner Frau, welche sich Deinem Andenken herzlichst empfiehlt, ist leidlich; mehr läßt sich eben nicht davon rühmen. Die Schwester Marie ist in Berlin recht zufrieden. ‒ Tieck habe ich in Dreßden viel gesehen; und er war auch seitdem auf einer dramatischen Schnellfuhre eilends dahier, aber das war nur im Vorüberfluge; er ist noch immer der alte Fantasus, doch sind die neuesten Produkte für mich nicht mehr so frisch wie die früheren. ‒
Ich hoffe bald gute Nachricht von Dir zu hören.
Dein Dich herzlich liebender Bruder
Friedrich.

Meine Addresse ist Alsergasse; 109. ‒ Wir wohnen in dem Hause der Frau von Pichler, wenn Dir davon noch eine dunkle Erinnerung geblieben ist. Unser Freund Buchholtz hat das Bild von Auguste übernommen, mit der nächsten Courier-Gelegenheit an unsre Bundeskanzley in Frankfurt zu überschicken: den Brief hat sie dazu gelegt. Sobald es nun abgegangen ist, werde ich Dich benachrichtigen, damit Du dort nachfragen und es weiter befördern laßen kannst; weil sonst Packete auf dergl. Kanzleyen manchmal liegen bleiben.
Wien, den 3ten Juni, 1826.
Geliebter Bruder! Ich bin schon lange in Schuld gegen Dich mit Briefschreiben; schließe indessen aus meinem Stillschweigen nicht, daß meine Gedanken nicht sehr oft bey Dir wären. Ich habe noch niemahls eine so lebhafte Sehnsucht empfunden, Dich einmal wieder zu sehen und mich mit Dir aussprechen zu können, als grade diesen Winter hindurch und es könnte mir nichts glücklicheres und erwünschteres wiederfahren als eine Gelegenheit, Dich in Bonn zu besuchen. Der Verlust unsres frommen Bruders Moritz hat mich aufs innigste gerührt, da es mir nicht zu Theil geworden ist, den guten verständigen Pfleger meiner Knabenjahre, wie ich es so sehnlich gewünscht hätte, noch einmal wieder zu sehen. Jetzt habe ich Dir aber wieder eine traurige Nachricht mitzutheilen. Auguste und Buttlar waren eben im Begriff, nach Florenz abzureisen, als ich einen Brief, in diesem Augenblick doch sehr unerwartet, von dem Hofrath Weigel in Dresden empfing, daß unsre gute Schwester Charlotte, schon längere Zeit kränkelnd, (obwohl die letztern Briefe noch bis zum 11ten May nichts dergleichen ahnden ließen) nach einer Krankheit von wenigen Tagen, Brustfieber ,sanft hinübergegangenʻ sey, nach seinem eignen Ausdruck. Dieß geschah in der Nacht vom 25ten d. Der alte Ernst liege nun auch krank danieder. ‒ Die Anstalten zu der italienischen Reise wurden nun sogleich abbestellt, da dieser traurige Fall Augustens Rückkehr nach Dresden zu ihren Kindern nothwendig macht; diese sind unterdessen bey einer sehr treuen Freundin von ihr untergebracht und gut aufgehoben für die kurze Zwischenzeit. Die Nichte war unglaublich erschüttert durch diesen Verlust, und eben waren wir noch mit der Sorge um sie und mit den Anstalten zu jener Veränderung beschäftigt, als der zweyte Brief ankam, daß Ernst nun auch an demselben Tage, an welchem die Schwester begraben wurde, Nachmittags den 27ten May gestorben sey; in ihrer kleinen Sommerwohnung in Pillnitz, wo sie also auch begraben liegen. ‒ Augustens Gesundheit ist so schwach, daß wir uns noch nicht getraut haben, ihr diese zweyte Nachricht, welche ich vorgestern erhielt, mitzutheilen; ich muß darin dem Artzt folgen, der ihre zarte Körperbeschaffenheit sehr gut kennt, und den freundschaftlichsten Antheil an ihr nimmt. Es ist auch nichts dadurch versäumt, da sie doch jetzt noch gar nicht würde reisen können und sich nothwendig erst mehrere Tage erhohlen muß. ‒ Nähere Umstände enthalten die kurzen Briefe von Weigel nicht; außer daß Ernst noch den letzten Tag ein Testament gemacht hat, dessen Inhalt er jedoch nicht kennt. ‒ Mir ist jetzt doppelt werth, daß ich sie alle noch vor anderthalb Jahren in Dreßden wieder gesehen habe, wo ich damals einige Wochen sehr glücklich verlebte und auch unverhofft mit dem Bruder Karl aus Hannover nach einer Zwischenzeit von mehr als 30 Jahren, auf einige Tage zusammentraf. ‒ Auguste hat Dir, ehe dieses vorgefallen war, geschrieben; ich weiß aber nicht ob der Brief schon abgegangen ist, und ich will sie auch heute lieber gar nicht daran erinnern, da es ihr nur schmerzlich seyn würde und sie doch noch nicht alles weiß. Du mußt ohnehin in jedem Fall noch weitere Nachricht von uns erhalten sobald erst alles wegen der Reise in Richtigkeit ist; das mag also bis dahin aufgeschoben bleiben. Sie hat auch ein sehr anmuthiges kleines Bild für Dich vollendet, was sie Dir zusenden wird. Ihr Talent hat sich hier überhaupt noch viel weiter entwickelt; die kleineren Oelbilder, Porträte in halber Größe, gelingen ihr überaus gut und hat sie schon eine rechte Fertigkeit darin. Vorzüglich glücklich ist sie auch in den kleineren Andachtsbildern und Madonnen, wo besonders die Engel überaus lieblich sind; sie hat einige derselben von ihrer Erfindung hier mehrmals copieren müßen. Sie hat auch ein großes Kirchenbild vom heiligen Wenzeslaus hier vollendet; für ihren Artzt, denn, da dieser ein reicher Mann ist, und ein solches Bild für die Kirche in seinem Geburthsorte wünschte; so hat sie ihm dasselbe statt der Bezahlung, für die anderthalb Jahre hindurch treu geleisteten Dienste, gefertigt. Es ist ihr auch sehr gut gelungen; im Ganzen aber übersteigen solche große Unternehmungen ihre physischen Kräfte, welche der größten Schonung bedürfen. Hier hat sie sich sehr viel Liebe erworben; in der letzten Zeit hat sie der Fürstin Auersberg Stunden im Oelmahlen gegeben, und die Bestellungen, welche früherhin einmal etwas gestockt hatten, kamen zuletzt so zahlreich, daß sie deren mehr als 7 oder 8 hat zurückweisen müßen, da die Eltern in Dresden immer auf die Abreise nach Florenz drangen, wiewohl es nun ein Glück ist, daß diese noch nicht angetreten war. ‒ So hast Du denn hier einen treuen Familienbericht, geliebter Bruder! der freylich von traurigem Inhalte ist, und dem bald ein zweyter nachfolgen soll.
Uebrigens kann ich Dir gar nicht genug sagen noch mit Worten ausdrücken, mit welcher großen Freude ich Deine herrlichen indischen Arbeiten und Werke im Geiste aufnehme und mich daran labe und erquicke, besonders auch den großen Sinn, mit welchen Du diese Offenbarungen der Urwelt und alten Geister aus der ersten Lebensquelle auffaßest und behandelst. ‒ Ich habe mich in den letzten beyden Jahren sehr viel mit den Hieroglyphen beschäftigt; ich fühle mich sehr von dieser symbolischen Räthselwelt angezogen, die mit vielen Geheimnißen der Seele und des Geistes in Berührung steht. Grüße doch auch Windischmann herzlich von mir, und gieb ihm einstweilen, bis ich ihm schreiben kann, was sehr bald geschehen soll, dieses Blatt mit Buchstaben zum Zeichen des Andenkens von mir. Die Absicht wird er wohl verstehen; damit er indessen nicht zu viel herum räth, so sage ihm nur daß es nicht aegyptische, sondern zwey hebräische Worte sind, welche in diesen sieben Zeichen ausgedrückt sind, welche sich eben so gut wie einige indische sehr bedeutend in jener Urschrift aufzeichnen laßen. Das letzte Zeichen unten rechts ist etwas zu dick gerathen im Stil, und dadurch weniger kenntlich; es stellt den heiligen Schreibegriffel vor.
Außerdem geht es mir eigentlich betrübt; seitdem vor zwey Jahren die Herausgabe meiner Werke durch die unglückliche Auflösung dieser Buchhandlung ins Stocken gerathen, finde ich mich in allem gelähmt, und bin auch äußerlich dadurch eher zurück und wenigstens um keinen Schritt vorwärts. Belastet von Sorgen und von allen Seiten bedrängt, bin ich völlig muthlos geworden; denn was ich allenfalls gekonnt hätte, dazu hatte ich keine Lust und es würde mir auch im Wesentlichen nichts geholfen haben. Was ich aber mit allen Kräften der Seele unternehmen und vollbringen möchte, das konnte ich nicht, in diesem gebundenen Zustande, wenigstens noch nicht. Endlich hat nun Reimer die Fortsetzung übernommen; aber erst für Ostern 1827. Also das giebt für den Augenblick auch noch keine andre Wendung. ‒ Indessen, sobald die Welt wieder bewegter wird, fühle ich mich auch wieder von neuem Lebensmuthe beseelt; denn der Zustand der letzten Jahre hat mich eigentlich angeekelt, und habe ich mich geistig nur davon entfernt zu halten und lieber in den Fernen, unsichtbaren Weltregionen einheimisch zu bleiben gesucht. ‒ Aber nun scheint es doch, daß die neue Welt-Epoche, die gewiß unaussprechlich groß, wenn auch Anfangs äußerst furchtbar seyn wird, endlich mit starken Schritten eilends über unsern Häuptern heranzieht; und man athmet wieder leichter auf, wie bey einem erfrischenden Gewitter.
Windischmann soll mir seine Freundschaft erhalten; Görres ist wieder recht lebendig geworden, das ist auch ein gutes Zeichen. Der König von Baiern greift kräftig ein in jeder Hinsicht; sollten auch Anfangs einige Misgriffe mit unterlaufen, so ist doch die Aufregung für alle Theile gewiß sehr nützlich; aber um einen neuen, großen Mittelpunkt für die Deutsche Wissenschaft zu stiften, gehört freylich nicht bloß ein großer Sinn sondern auch ein großer Verstand dazu, und daneben noch unendlich viel Klugheit unter all den Rücksichten auf dieses und jenes. Wenn es wirklich dazu kommt, daß der Fürst Metternich dieses Jahr nach dem Johannisberg geht (wogegen doch leicht noch Hinderniße eintreten oder Abänderungen darin geschehen könnten); so wäre für mich nichts erwünschter, als wenn ich es dahin bringen könnte, daß er mich mitnähme, wo wir uns dann auf jede Weise wiedersehen müßten. ‒ Vorigen Herbst war ich auf einige Wochen von Steyermark aus in Baiern; erst an einem Badeort an der Gränze von Tyrol und dann in München, wo Du auch überall in gutem Andenken stehst. Wenn Du nur auch einmal mehr nach uns her eine Reise unternehmen könntest z. B. eben nach München, wenn auch nicht ganz bis hieher; so könnte man sich doch dort wiedersehen. ‒ Doch nun genug von allen Wünschen und Planen, die ich den traurigen Nachrichten der Wirklichkeit hinzugefügt habe. Du erhältst in jedem Falle über diese Familienereigniße und über Auguste noch weitere Nachricht. Daß die hannöverische Nichte Minna, welche aber jetzt mit ihrem andern Nahmen lieber Sophie genannt seyn will, seit einigen Wochen hier bey uns ist, wirst Du wohl vom Bruder Karl erfahren haben; ich werde mir alle mögliche Mühe geben, ihr eine recht angemeßne Stelle in einem hiesigen großen Hause zu verschaffen. Unterdessen scheint sie auch recht gern bey uns zu seyn. ‒ Die Gesundheit meiner Frau, welche sich Deinem Andenken herzlichst empfiehlt, ist leidlich; mehr läßt sich eben nicht davon rühmen. Die Schwester Marie ist in Berlin recht zufrieden. ‒ Tieck habe ich in Dreßden viel gesehen; und er war auch seitdem auf einer dramatischen Schnellfuhre eilends dahier, aber das war nur im Vorüberfluge; er ist noch immer der alte Fantasus, doch sind die neuesten Produkte für mich nicht mehr so frisch wie die früheren. ‒
Ich hoffe bald gute Nachricht von Dir zu hören.
Dein Dich herzlich liebender Bruder
Friedrich.

Meine Addresse ist Alsergasse; 109. ‒ Wir wohnen in dem Hause der Frau von Pichler, wenn Dir davon noch eine dunkle Erinnerung geblieben ist. Unser Freund Buchholtz hat das Bild von Auguste übernommen, mit der nächsten Courier-Gelegenheit an unsre Bundeskanzley in Frankfurt zu überschicken: den Brief hat sie dazu gelegt. Sobald es nun abgegangen ist, werde ich Dich benachrichtigen, damit Du dort nachfragen und es weiter befördern laßen kannst; weil sonst Packete auf dergl. Kanzleyen manchmal liegen bleiben.
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