• Friedrich von Schlegel to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Wien · Place of Destination: Unknown · Date: 01.11.1827
Edition Status: Single collated printed full text without registry labelling not including a registry
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    Metadata Concerning Header
  • Sender: Friedrich von Schlegel
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Wien
  • Place of Destination: Unknown
  • Date: 01.11.1827
    Printed Text
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: 362613826
  • Bibliography: Friedrich Schlegels Briefe an seinen Bruder August Wilhelm. Hg. v. Oskar Walzel. Berlin 1890, S. 650‒652.
  • Incipit: „Wien, den 1ten November 1827.
    Zu meiner größten Freude erhielt ich gestern, geliebter Bruder! durch den jungen Helmsdörfer die Hefte der Indischen [...]“
    Manuscript
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: DE-1a-34288
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XIX,Bd.24.d,Nr.235
  • Number of Pages: 4S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 19,7 x 12,3 cm
Wien, den 1ten November 1827.
Zu meiner größten Freude erhielt ich gestern, geliebter Bruder! durch den jungen Helmsdörfer die Hefte der Indischen Bibliothek, welche Du ihm für mich gegeben hast. Es wird mir ein wahres Fest seyn, alles das darin, was mir noch neu ist, zu lesen. ‒ Ich muß vor allen Dingen wegen des späten Antwortens um Entschuldigung bitten und auf Deine Nachsicht rechnen. Deinen ersten Brief erhielt ich, mitten in der Arbeit der Vorlesung und da ich ganz in diese versenkt war. Nachdem sie am letzten May geschlossen war, nöthigte mich die Gesundheit meiner Frau, die damals sehr leidend war, zwey volle Monathe in Baden zuzubringen; diese Zeit war sehr gestört für mich, da ich immer zwischen Baden und Wien abwechseln und hin und herfahren mußte. Gleich nachher bestimmte mich zum Theil selbst der Rath des Artztes wegen meiner Frau, und auch andre Gründe zu einer Reise nach Baiern, von wo ich in der ersten Woche des Oktobers zurückgekehrt, Deinen zweiten Brief hier vorfand, der auch schon von älterem Datum war. Die Nachrichten, welche Du mir darin von der Familie unsres unvergeßlichen Bruders Moritz gibst, haben mich sehr ergriffen und auf das tiefste und schmerzlichste gerührt. Möchte ich doch nur im Stande seyn, etwas dafür thun zu können, wie Du es glaubst und voraussetztest. Du scheinst ganz vergessen zu haben, in welcher gedrückten Lage ich mich seit dem Jahre 18. fortwährend befinde; welche schwer drückende Last durch die Unterbrechung des Verlags meiner sämmtlichen Werke im Jahre 24 noch sehr vermehrt worden ist. Zwar hoffe ich wohl diese Schuldenlast abarbeiten zu können, und eins und das andre ist mir schon in diesem Jahre möglich gewesen. Allein es kann nur allmählig geschehen und nicht auf einmal; daher ich mich auch für jetzt noch in der vollkommensten Unmöglichkeit befinde, Deine Forderung zu erfüllen. Indessen hoffe ich, daß es im nächsten Jahre um vieles anders werden soll. ‒ Die Mit-Sorge für die Wittwe und Kinder des frommen Bruders, den ich stets als einen zweiten Vater verehrt habe, würde ich unter meine heiligsten Pflichten und Schulden rechnen; sobald ich nur von der andern Last etwas mehr frey wäre. Sehr rührend war mir der beygelegte Abschiedszettel von der Mutter, da ich die Züge der Handschrift noch vollkommen wohl erkannte. Die jüngste Tochter, die so viel ich weiß, in Holstein lebt, erwähnst Du nicht; ich hoffe also, daß es der besser geht.
Die Nichte Sophie aus Hannover hat allerdings einen geistreichen und wohlhabenden jungen Engländer geheirathet, den ich da er hier war, oft gesehen habe. Karl war mit allem einverstanden und so ist nichts darüber zu sagen, obwohl ich nicht so ganz ohne Besorgniß bin, wie es ihr ferner gehen wird. Ist denn Karl nicht von der Lage unterrichtet, in der sich Moritzens Wittwe und Familie befindet und kann er nichts für sie thun? ‒ Die ersten Tage, da ich in München, habe ich auch Schelling gesehen, und auch einen Mittag bey Ringseis mit ihm zugebracht; ich fand ihn aber nicht gesund aussehen, doch scheint er wieder thätig auftreten zu wollen. Späterhin freute ich mich, an unserm guten alten Zelter einen Augenzeugen der bey Deinen Vorlesungen in Berlin selbst gegenwärtig war, von diesen erzählen zu hören, worauf ich sehr begierig war, da mir selbst einige in den Zeitungen ‒ vielleicht aber ohne Deine Erlaubniß ‒ gestandne Auszüge etwas zu mager waren für mein auf das Vollständige von Dir selbst gerichtetes Interesse. ‒ Sehr gut wäre es, wenn ich Dich einmal wieder sehen und sprechen könnte. An Deinen herrlichen Indischen Arbeiten nehme ich den innigsten Antheil; indessen giebt es doch auch noch so manches andre in dieser Zeit und in dem allgemeinen Treiben und unsrem eignen Thun, worüber wohl ein Wort zu reden wäre.
Unsrer guten Nichte, die jetzt hier ist, wünschte ich recht ausgezeichnete Bestellungen, da sie doch eigentlich in weiblichen und Kinder-Porträts viel Glück und etwas sehr Anmuthiges hat. Aber freylich ist dieser letzte Monath eben erst die Zeit, wo alles vom Lande zurück ist. Daher geht es ihr denn für jetzt eben nicht sonderlich gut. Ein alter Bekannter und Freund von mir und auch von Dir und der verstorbenen Staël wird wohl nah an seinem Ende seyn; ich meyne, den Grafen Johann OʼDonell. So verliehrt man einen nach den andern von den Besten. Nun lieber Bruder! muß ich schließen, da der junge Helmsdorfer, der morgen reist, eben gehen will. Alles andre, was noch zu sagen wäre, werde ich mit der Post schreiben, besonders auch eines und das andre Litterarische. Die herzlichsten Grüße an Windischmann, wenn Du ihn siehst. Erhalte mir Deine Freundschaft und schreibe bald wieder. Dein Dich liebender
Bruder Friedrich.
Wien, den 1ten November 1827.
Zu meiner größten Freude erhielt ich gestern, geliebter Bruder! durch den jungen Helmsdörfer die Hefte der Indischen Bibliothek, welche Du ihm für mich gegeben hast. Es wird mir ein wahres Fest seyn, alles das darin, was mir noch neu ist, zu lesen. ‒ Ich muß vor allen Dingen wegen des späten Antwortens um Entschuldigung bitten und auf Deine Nachsicht rechnen. Deinen ersten Brief erhielt ich, mitten in der Arbeit der Vorlesung und da ich ganz in diese versenkt war. Nachdem sie am letzten May geschlossen war, nöthigte mich die Gesundheit meiner Frau, die damals sehr leidend war, zwey volle Monathe in Baden zuzubringen; diese Zeit war sehr gestört für mich, da ich immer zwischen Baden und Wien abwechseln und hin und herfahren mußte. Gleich nachher bestimmte mich zum Theil selbst der Rath des Artztes wegen meiner Frau, und auch andre Gründe zu einer Reise nach Baiern, von wo ich in der ersten Woche des Oktobers zurückgekehrt, Deinen zweiten Brief hier vorfand, der auch schon von älterem Datum war. Die Nachrichten, welche Du mir darin von der Familie unsres unvergeßlichen Bruders Moritz gibst, haben mich sehr ergriffen und auf das tiefste und schmerzlichste gerührt. Möchte ich doch nur im Stande seyn, etwas dafür thun zu können, wie Du es glaubst und voraussetztest. Du scheinst ganz vergessen zu haben, in welcher gedrückten Lage ich mich seit dem Jahre 18. fortwährend befinde; welche schwer drückende Last durch die Unterbrechung des Verlags meiner sämmtlichen Werke im Jahre 24 noch sehr vermehrt worden ist. Zwar hoffe ich wohl diese Schuldenlast abarbeiten zu können, und eins und das andre ist mir schon in diesem Jahre möglich gewesen. Allein es kann nur allmählig geschehen und nicht auf einmal; daher ich mich auch für jetzt noch in der vollkommensten Unmöglichkeit befinde, Deine Forderung zu erfüllen. Indessen hoffe ich, daß es im nächsten Jahre um vieles anders werden soll. ‒ Die Mit-Sorge für die Wittwe und Kinder des frommen Bruders, den ich stets als einen zweiten Vater verehrt habe, würde ich unter meine heiligsten Pflichten und Schulden rechnen; sobald ich nur von der andern Last etwas mehr frey wäre. Sehr rührend war mir der beygelegte Abschiedszettel von der Mutter, da ich die Züge der Handschrift noch vollkommen wohl erkannte. Die jüngste Tochter, die so viel ich weiß, in Holstein lebt, erwähnst Du nicht; ich hoffe also, daß es der besser geht.
Die Nichte Sophie aus Hannover hat allerdings einen geistreichen und wohlhabenden jungen Engländer geheirathet, den ich da er hier war, oft gesehen habe. Karl war mit allem einverstanden und so ist nichts darüber zu sagen, obwohl ich nicht so ganz ohne Besorgniß bin, wie es ihr ferner gehen wird. Ist denn Karl nicht von der Lage unterrichtet, in der sich Moritzens Wittwe und Familie befindet und kann er nichts für sie thun? ‒ Die ersten Tage, da ich in München, habe ich auch Schelling gesehen, und auch einen Mittag bey Ringseis mit ihm zugebracht; ich fand ihn aber nicht gesund aussehen, doch scheint er wieder thätig auftreten zu wollen. Späterhin freute ich mich, an unserm guten alten Zelter einen Augenzeugen der bey Deinen Vorlesungen in Berlin selbst gegenwärtig war, von diesen erzählen zu hören, worauf ich sehr begierig war, da mir selbst einige in den Zeitungen ‒ vielleicht aber ohne Deine Erlaubniß ‒ gestandne Auszüge etwas zu mager waren für mein auf das Vollständige von Dir selbst gerichtetes Interesse. ‒ Sehr gut wäre es, wenn ich Dich einmal wieder sehen und sprechen könnte. An Deinen herrlichen Indischen Arbeiten nehme ich den innigsten Antheil; indessen giebt es doch auch noch so manches andre in dieser Zeit und in dem allgemeinen Treiben und unsrem eignen Thun, worüber wohl ein Wort zu reden wäre.
Unsrer guten Nichte, die jetzt hier ist, wünschte ich recht ausgezeichnete Bestellungen, da sie doch eigentlich in weiblichen und Kinder-Porträts viel Glück und etwas sehr Anmuthiges hat. Aber freylich ist dieser letzte Monath eben erst die Zeit, wo alles vom Lande zurück ist. Daher geht es ihr denn für jetzt eben nicht sonderlich gut. Ein alter Bekannter und Freund von mir und auch von Dir und der verstorbenen Staël wird wohl nah an seinem Ende seyn; ich meyne, den Grafen Johann OʼDonell. So verliehrt man einen nach den andern von den Besten. Nun lieber Bruder! muß ich schließen, da der junge Helmsdorfer, der morgen reist, eben gehen will. Alles andre, was noch zu sagen wäre, werde ich mit der Post schreiben, besonders auch eines und das andre Litterarische. Die herzlichsten Grüße an Windischmann, wenn Du ihn siehst. Erhalte mir Deine Freundschaft und schreibe bald wieder. Dein Dich liebender
Bruder Friedrich.
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