• Friedrich von Schlegel to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Wien · Place of Destination: Unknown · Date: 21.01.1828
Edition Status: Single collated printed full text without registry labelling not including a registry
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    Metadata Concerning Header
  • Sender: Friedrich von Schlegel
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Wien
  • Place of Destination: Unknown
  • Date: 21.01.1828
    Printed Text
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: 362613826
  • Bibliography: Friedrich Schlegels Briefe an seinen Bruder August Wilhelm. Hg. v. Oskar Walzel. Berlin 1890, S. 654‒656.
  • Incipit: „Wien, den 21ten Januar 1828.
    Geliebter Bruder! Es ist mir sehr leid, daß Du den Brief durch den jungen Helmsdörfer so überaus [...]“
    Manuscript
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: DE-1a-34288
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XIX,Bd.24.d,Nr.237
  • Number of Pages: 4S. auf Doppelbl. u. 2 S., hs.
  • Format: 21,2 x 13 cm; 17,5 x 13 cm
Wien, den 21ten Januar 1828.
Geliebter Bruder! Es ist mir sehr leid, daß Du den Brief durch den jungen Helmsdörfer so überaus spät erhalten hast. Wenn ich das hätte ahnden können, so würde ich wenigstens längst wieder geschrieben haben, was gewiß schon früher geschehen wäre, wenn ich nicht durch den Druck meiner Vorlesungen und andrer Arbeiten sehr beschäftigt gewesen wäre. ‒ Zuerst und vor allen andern ist es mir leid, Dir sagen zu müßen, daß ich für diesen Augenblick durchaus nicht im Stande bin, Deine dringende Foderung zu erfüllen; ich werde aber gewiß Sorge tragen, daß es sobald als nur irgend möglich geschieht. ‒ Du beurtheilst meine finanzielle Lage ganz falsch; ich hoffe aber in jedem Fall, daß sie bald anders seyn wird. ‒
Was das andre betrifft, nämlich Deine Gesinnung und Denkart in Beziehung auf die meinige; so war mir schon in Deinem ersten und früheren Briefe die Erklärung Deiner Nicht-Uebereinstimmung zu den ersten drey Vorlesungen sehr fremd gewesen. In der festen, innern Gewißheit, weit entfernt von allen jetzigen Zeit-Partheyen, und ganz außerhalb ihrer Sphäre, zu stehen und zu leben; hätte ich mir gar nicht träumen laßen, daß irgend ein sterblicher Mensch auf den bizarren Einfall gerathen könnte, mich für einen Partheyschriftsteller zu nehmen, am wenigsten mein eigner Bruder August Wilhelm. Da Du eigentlich eben so wenig als ich, zum politischen und religiösen Partheyschriftsteller gemacht bist, als ich; und es übrigens auch um jede Stunde Schade seyn würde, die Du Deinen köstlichen indischen Arbeiten, die einen so hohen und unschätzbaren Werth haben, entziehen wolltest, um sie dem elenden Partheyenkampf unserer selbst zur Zeitung gewordenen Zeit zuzuwenden. ‒ Es konnte mir dieß um so weniger einfallen, da ich hier eine große Anzahl sehr ausgezeichneter Protestanten zu Zuhörern gehabt habe, unter denen der Prinz von Schweden einer der fleißigsten war; und auch von Berlin sehr angenehme Briefe erhalten habe, wie sehr dort einige sehr ausgezeichnete Personen an meiner Philosophie Interesse fanden.
Weder jetzt noch in der Zukunft wird es irgend der Fall oder eine Gefahr seyn können, daß ich mit Dir oder Du mit mir verwechselt werden. Grade darum hat unser litterarisches Zusammenwirken einen so entscheidenden Eindruck auf die Zeit gemacht und ist nun historisch geworden; weil wir zwar zusammen auftraten, aber jeder für sich, das war, was er war, und jeder seinen eignen Weg für sich gieng. Wer irgend einige Kentniß und Kennerschaft von deutscher Kunst und Schrift hat, wird gewiß nie auch nur Eine Seite oder eine Strophe von Dir, mit einer von mir verwechseln können, da ich ohnehin bey meiner eignen Art nie Deine künstlerische Virtuosität besessen oder erreicht habe. ‒ Es kömmt noch dazu, um jede mögliche Verwechslung abzuschneiden, daß ich eigentlich nie etwas anonym geschrieben habe; Du früher auch nicht, und wenn Du es nun, gegen Ende Deiner Laufbahn thun wolltest, würde es Deiner ganz unwürdig seyn. ‒ Was unsern verstorbenen Bruder Moritz betrifft, den ich als väterlichen Freund und Lehrer ehre und liebe; so scheint mir, daß Du in dieser Hinsicht wohl im Irrthume seyn wirst. Wie sehr er in einer früheren Epoche durch seine in diesen Verhältniße doppelt zu ehrenden so höchst milden und billigen Urtheile über mich bey den beschränkteren unter seinen Collegen Anstoß gegeben, wirst Du wohl wissen. Hat er sich in der spätern Zeit etwas herber und mehr in dem Sinne einer scharfen Absonderung geäußert; so ist das nicht sehr zu wundern, da es den meisten in dieser letzten Zeit so ergangen ist. Indessen würdest Du mir eine große und wahre Freude machen, wenn Du mir alles, was Du nur irgend gedruckt oder geschrieben von dem Kanonikus Wahrmund, wovon ich schon durch den Bruder Karl wußte, besitzest, mittheilen wolltest. In jedem Falle war es mit ihm ein ganz andrer Fall als mit Dir; für ihn war das Christenthum der Beruf und die Wissenschaft seines innersten Lebens, wie für mich; da hätte also der freundschaftliche Streit einen ganz natürlichen Gegenstand gehabt. Wie sehnlich hätte ich es gewünscht, ihn noch einmal wiederzusehen, ihn über so vieles sprechen und vielleicht auch über eins oder das andre mit ihm streiten zu können; welcher Streit aber gewiß immer sehr liebevoll geblieben seyn würde. ‒
Ich wünschte, ich könnte es möglich machen, Dich diesen Sommer zu besuchen; da würde ich des Gespräches mit Dir mich nun doppelt erfreuen, und hoffe mit Gewißheit, daß Du da Deine jetzige Verstimmung bald vergessen würdest und wir dann unsre gemeinsamen Gedanken bald auf andre und größere Gegenstände richten könnten, wo ich über viele und wichtige Dinge vom indischen und allem Alterthum gern von Dir belehrt seyn möchte. ‒ In jedem Fall aber bitte ich Dich, Dein Vorhaben für jetzt noch aufzuschieben, da doch, was Dir für das Heil der Wahrheit und Deinen mit mir unvermischten Ruhm nöthig scheint, zu gar nichts als zum vorübergehenden Ergötzen des litterarischen Pöbels und elenden Lese-Publikums dienen würde. ‒ Die Vorlesungen über die Philosophie sind jetzt ganz gedruckt und ich werde sie Dir unverzüglich schicken; vielleicht machen Dir alle 15, wenn Du sie zusammen mit Bedacht liesest, einen bessern Eindruck als die ersten drey. ‒
Laß also, wäre mein Wunsch und meine Bitte, die Gebeine unsrer Eltern noch eine Weile mit Frieden im Grabe ruhen, und verschiebe Deine Absicht, bis wir uns wieder gesehen haben, welches mit Gottes Hülfe, in diesem Jahre geschehen soll. Schone Deine Gesundheit, damit Du uns und der Welt noch lange erhalten bleibest. ‒
Ich schreibe Dir nächstens mit dem Exemplar der Philosophie etc. wieder. Ich bitte Dich, mir die gesammelten kritischen Schriften von Dir zusenden zu wollen; so wie auch, was irgend von Dir in dem indischen Fach, neues geschieht und erscheint, mir mitzutheilen und bekannt zu machen; so wie auch, wenn neue Hefte der indischen Zeitschrift kommen, ich um diese bitte ... Sehr betroffen war ich, die traurige Nachricht von dem Ableben des guten August von Staël in der Zeitung zu lesen, der sich auch gegen die arme Nichte in Paris und London noch sehr freundschaftlich erwiesen hat.
Wien, den 21ten Januar 1828.
Geliebter Bruder! Es ist mir sehr leid, daß Du den Brief durch den jungen Helmsdörfer so überaus spät erhalten hast. Wenn ich das hätte ahnden können, so würde ich wenigstens längst wieder geschrieben haben, was gewiß schon früher geschehen wäre, wenn ich nicht durch den Druck meiner Vorlesungen und andrer Arbeiten sehr beschäftigt gewesen wäre. ‒ Zuerst und vor allen andern ist es mir leid, Dir sagen zu müßen, daß ich für diesen Augenblick durchaus nicht im Stande bin, Deine dringende Foderung zu erfüllen; ich werde aber gewiß Sorge tragen, daß es sobald als nur irgend möglich geschieht. ‒ Du beurtheilst meine finanzielle Lage ganz falsch; ich hoffe aber in jedem Fall, daß sie bald anders seyn wird. ‒
Was das andre betrifft, nämlich Deine Gesinnung und Denkart in Beziehung auf die meinige; so war mir schon in Deinem ersten und früheren Briefe die Erklärung Deiner Nicht-Uebereinstimmung zu den ersten drey Vorlesungen sehr fremd gewesen. In der festen, innern Gewißheit, weit entfernt von allen jetzigen Zeit-Partheyen, und ganz außerhalb ihrer Sphäre, zu stehen und zu leben; hätte ich mir gar nicht träumen laßen, daß irgend ein sterblicher Mensch auf den bizarren Einfall gerathen könnte, mich für einen Partheyschriftsteller zu nehmen, am wenigsten mein eigner Bruder August Wilhelm. Da Du eigentlich eben so wenig als ich, zum politischen und religiösen Partheyschriftsteller gemacht bist, als ich; und es übrigens auch um jede Stunde Schade seyn würde, die Du Deinen köstlichen indischen Arbeiten, die einen so hohen und unschätzbaren Werth haben, entziehen wolltest, um sie dem elenden Partheyenkampf unserer selbst zur Zeitung gewordenen Zeit zuzuwenden. ‒ Es konnte mir dieß um so weniger einfallen, da ich hier eine große Anzahl sehr ausgezeichneter Protestanten zu Zuhörern gehabt habe, unter denen der Prinz von Schweden einer der fleißigsten war; und auch von Berlin sehr angenehme Briefe erhalten habe, wie sehr dort einige sehr ausgezeichnete Personen an meiner Philosophie Interesse fanden.
Weder jetzt noch in der Zukunft wird es irgend der Fall oder eine Gefahr seyn können, daß ich mit Dir oder Du mit mir verwechselt werden. Grade darum hat unser litterarisches Zusammenwirken einen so entscheidenden Eindruck auf die Zeit gemacht und ist nun historisch geworden; weil wir zwar zusammen auftraten, aber jeder für sich, das war, was er war, und jeder seinen eignen Weg für sich gieng. Wer irgend einige Kentniß und Kennerschaft von deutscher Kunst und Schrift hat, wird gewiß nie auch nur Eine Seite oder eine Strophe von Dir, mit einer von mir verwechseln können, da ich ohnehin bey meiner eignen Art nie Deine künstlerische Virtuosität besessen oder erreicht habe. ‒ Es kömmt noch dazu, um jede mögliche Verwechslung abzuschneiden, daß ich eigentlich nie etwas anonym geschrieben habe; Du früher auch nicht, und wenn Du es nun, gegen Ende Deiner Laufbahn thun wolltest, würde es Deiner ganz unwürdig seyn. ‒ Was unsern verstorbenen Bruder Moritz betrifft, den ich als väterlichen Freund und Lehrer ehre und liebe; so scheint mir, daß Du in dieser Hinsicht wohl im Irrthume seyn wirst. Wie sehr er in einer früheren Epoche durch seine in diesen Verhältniße doppelt zu ehrenden so höchst milden und billigen Urtheile über mich bey den beschränkteren unter seinen Collegen Anstoß gegeben, wirst Du wohl wissen. Hat er sich in der spätern Zeit etwas herber und mehr in dem Sinne einer scharfen Absonderung geäußert; so ist das nicht sehr zu wundern, da es den meisten in dieser letzten Zeit so ergangen ist. Indessen würdest Du mir eine große und wahre Freude machen, wenn Du mir alles, was Du nur irgend gedruckt oder geschrieben von dem Kanonikus Wahrmund, wovon ich schon durch den Bruder Karl wußte, besitzest, mittheilen wolltest. In jedem Falle war es mit ihm ein ganz andrer Fall als mit Dir; für ihn war das Christenthum der Beruf und die Wissenschaft seines innersten Lebens, wie für mich; da hätte also der freundschaftliche Streit einen ganz natürlichen Gegenstand gehabt. Wie sehnlich hätte ich es gewünscht, ihn noch einmal wiederzusehen, ihn über so vieles sprechen und vielleicht auch über eins oder das andre mit ihm streiten zu können; welcher Streit aber gewiß immer sehr liebevoll geblieben seyn würde. ‒
Ich wünschte, ich könnte es möglich machen, Dich diesen Sommer zu besuchen; da würde ich des Gespräches mit Dir mich nun doppelt erfreuen, und hoffe mit Gewißheit, daß Du da Deine jetzige Verstimmung bald vergessen würdest und wir dann unsre gemeinsamen Gedanken bald auf andre und größere Gegenstände richten könnten, wo ich über viele und wichtige Dinge vom indischen und allem Alterthum gern von Dir belehrt seyn möchte. ‒ In jedem Fall aber bitte ich Dich, Dein Vorhaben für jetzt noch aufzuschieben, da doch, was Dir für das Heil der Wahrheit und Deinen mit mir unvermischten Ruhm nöthig scheint, zu gar nichts als zum vorübergehenden Ergötzen des litterarischen Pöbels und elenden Lese-Publikums dienen würde. ‒ Die Vorlesungen über die Philosophie sind jetzt ganz gedruckt und ich werde sie Dir unverzüglich schicken; vielleicht machen Dir alle 15, wenn Du sie zusammen mit Bedacht liesest, einen bessern Eindruck als die ersten drey. ‒
Laß also, wäre mein Wunsch und meine Bitte, die Gebeine unsrer Eltern noch eine Weile mit Frieden im Grabe ruhen, und verschiebe Deine Absicht, bis wir uns wieder gesehen haben, welches mit Gottes Hülfe, in diesem Jahre geschehen soll. Schone Deine Gesundheit, damit Du uns und der Welt noch lange erhalten bleibest. ‒
Ich schreibe Dir nächstens mit dem Exemplar der Philosophie etc. wieder. Ich bitte Dich, mir die gesammelten kritischen Schriften von Dir zusenden zu wollen; so wie auch, was irgend von Dir in dem indischen Fach, neues geschieht und erscheint, mir mitzutheilen und bekannt zu machen; so wie auch, wenn neue Hefte der indischen Zeitschrift kommen, ich um diese bitte ... Sehr betroffen war ich, die traurige Nachricht von dem Ableben des guten August von Staël in der Zeitung zu lesen, der sich auch gegen die arme Nichte in Paris und London noch sehr freundschaftlich erwiesen hat.
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