• Friedrich von Schlegel to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Wien · Place of Destination: Coppet · Date: 17.09.1808
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
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    Metadata Concerning Header
  • Sender: Friedrich von Schlegel
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Wien
  • Place of Destination: Coppet
  • Date: 17.09.1808
  • Notations: Empfangsort erschlossen.
    Printed Text
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: 335976727
  • Bibliography: Krisenjahre der Frühromantik. Briefe aus dem Schlegelkreis. Hg. v. Josef Körner. Bd. 1. Der Texte erste Hälfte. 1791‒1808. Bern u.a. ²1969, S. 616‒617.
  • Incipit: „[1] Wien den 17ten Septemb 1808
    Geliebter Freund, seit einigen Tagen wohne ich in meinem Zimmer in der Stadt, aber noch habe [...]“
    Manuscript
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: APP2712-Bd-8
  • Classification Number: Mscr.Dresd.App.2712,B,I,59
  • Number of Pages: 4 S. auf Doppelbl., hs. m. U
  • Format: 19 x 11,8 cm
[1] Wien den 17ten Septemb 1808
Geliebter Freund, seit einigen Tagen wohne ich in meinem Zimmer in der Stadt, aber noch habe ich der größeren Ruhe nicht sehr genossen, und kann auch heute nur sehr eilends schreiben. – Und zwar wieder nur an Dich allein; denn an die Staël wollte ich es nicht gern eher, als bis ich ein ordentliches Gespräch mit Gr.[af] O.[donell] gehabt habe. Bis jetzt habe ich aber dazu noch nicht gelangen können und ihn vielmahl vergeblich gesucht. Er wohnt jetzt bei seinem Vater dem Minister. Er weiß indessen nun, daß ich ihn aufgesucht habe, und so denke ich gewiß daß ich ihn einen dieser Tage sicher sprechen werde. Ich werde auch schon einen andren Vorwand wissen so daß es nicht grade aussieht, als ob ich nur deswegen käme, werde überhaupt mit der Behutsamkeit in dieser Sache verfahren, die sich ohnehin von selbst versteht. Ich glaube schon indessen ziemlich vermuthen zu können, wo eigentlich der Stein des Anstoßes liegt, ohne daß ich ihn noch gesprochen habe. – Es hat überhaupt, seit der Entfernung der Staël die Reaction und Feindschaft gegen sie sich sehr stark erhoben, und [2] dieß hat denn auch allerlei Klatschereien erzeugt, die mir sehr verwickelt, tief und ins Große verworren scheinen. Ich habe nehmlich so viel durch Vermuthung herausgebracht, (da jedermann gegen mich sich vorsichtig äußert) daß ein allgemeines Gerede geht von einer Heirath, die im Werke gewesen sei zwischen [der] Staël und dem Prinzen Louis Lichtenstein, oder welche die Stael in Absicht gehabt, wie die Feinde sagen. Dabei habe sie zu leicht behauptend gesprochen von Heirathsanträgen, die ihr von andern Männern geschehen seien. – – Was jenen Gerüchten eigentlich zum Grunde liegt, kann ich nicht wissen, unstreitig ist alles verdreht und mit Lügen vermengt worden. Am wahrscheinlichsten ist es mir, daß O.[donell] dadurch sich hat verwirren lassen. Bringe der Stael dieß aber ja mit Behutsamkeit bei. – Sie hat freilich viel Feinde hier, aber auch Freunde und wenn sie nur einige Klugheit anwenden wollte, so würde man ihr Verdienst immer mehr erkennen. Das kann gar nicht fehlen. Freunde hat sie ja überall und hier ist des Guten doch so viel! – Ich sage dieß jetzt recht unpartheiisch, denn zunächst hab ich mehr von dem [3] Schlechten erfahren. Denke Dir nur, daß man mir auf der Polizei Schwierigkeiten macht, und will ich soll nicht länger als bis zum 3ten Oktober hierbleiben. Glaube nur nicht, daß ich mich unnütz erboße. Es ist keine zufällige bloße Formalität oder Ungeschlachtheit, sondern tief angelegte Absicht und Cabale. Man hat den Zeitpunkt gewählt da Rottenhan und Sickingen grade abwesend sind. Ich habe an beide eilends und sehr stark geschrieben. Ich handle nach Hormayrs Rath, der der edelste Patriot und ganz mein Freund ist. Ich hoffe, daß diese erste Verfolgung leicht wird niedergeschlagen werden. Aber freilich sehe ich daraus welche ungeheure Masse von Feindschaft mir entgegensteht, und verliehre ganz und gar den Muth sie allein mit Glück bekämpfen zu können. Herzlich wünsche ich daher, Du kämst schnell hieher und wir wirkten gemeinsam. Mit der Vorlesung muß es nun noch warten, das versteht sich von selbst. – Auch in äußrer Rücksicht macht es mich kleinmüthig; denn freilich wenn einem solche ganz unerwartete Fälle drohen, so [4] fände ich es fast unumgänglich nothwendig, noch auf den äußersten Nothfall einen Credit von 20–25 L[ouis]d[o]rs irgendwo hier zu haben und möchte fast die Stael darum bitten, wenn Du nichts dagegen hast; daß ich nur auf den äußersten Nothfall Gebrauch davon machen würde, versteht sich von selbst. – Ob ich bei der entsetzlichen Masse von Feinden auch wenigstens einige wirklich thätige und entschiedene Freunde hier habe, das wird sich in wenigen Tagen zeigen; wo nicht, so muß ich freilich weichen. So grade nach Dreßden zurückzukehren habe ich in diesem Fall doch keine rechte Lust. Es kommt mir gar zu hart an, und ich möchte dann eher den Umweg über München machen, um das Ganze mehr zu verschleiern. Was meinst Du dazu? – Große Unvorsichtigkeiten sind auch vorgegangen. Der Umgang mit der Nuys hat Dir mehr als ich sagen kann, geschadet. Denn sie gilt bei der Polizei als eine durchaus verdächtige und gefährliche Person; ich weiß dieß positiv. Verlaß Dich darauf. Ihr Umgang mit Andreossy ist wahrscheinlich die Hauptursache. – Freimüthigkeit ist Pflicht in diesem Falle. Du verübelst sie mir gewiß nicht. Gedenke unsres großen Berufs. Ewig der Deine.
Friedrich
[1] Wien den 17ten Septemb 1808
Geliebter Freund, seit einigen Tagen wohne ich in meinem Zimmer in der Stadt, aber noch habe ich der größeren Ruhe nicht sehr genossen, und kann auch heute nur sehr eilends schreiben. – Und zwar wieder nur an Dich allein; denn an die Staël wollte ich es nicht gern eher, als bis ich ein ordentliches Gespräch mit Gr.[af] O.[donell] gehabt habe. Bis jetzt habe ich aber dazu noch nicht gelangen können und ihn vielmahl vergeblich gesucht. Er wohnt jetzt bei seinem Vater dem Minister. Er weiß indessen nun, daß ich ihn aufgesucht habe, und so denke ich gewiß daß ich ihn einen dieser Tage sicher sprechen werde. Ich werde auch schon einen andren Vorwand wissen so daß es nicht grade aussieht, als ob ich nur deswegen käme, werde überhaupt mit der Behutsamkeit in dieser Sache verfahren, die sich ohnehin von selbst versteht. Ich glaube schon indessen ziemlich vermuthen zu können, wo eigentlich der Stein des Anstoßes liegt, ohne daß ich ihn noch gesprochen habe. – Es hat überhaupt, seit der Entfernung der Staël die Reaction und Feindschaft gegen sie sich sehr stark erhoben, und [2] dieß hat denn auch allerlei Klatschereien erzeugt, die mir sehr verwickelt, tief und ins Große verworren scheinen. Ich habe nehmlich so viel durch Vermuthung herausgebracht, (da jedermann gegen mich sich vorsichtig äußert) daß ein allgemeines Gerede geht von einer Heirath, die im Werke gewesen sei zwischen [der] Staël und dem Prinzen Louis Lichtenstein, oder welche die Stael in Absicht gehabt, wie die Feinde sagen. Dabei habe sie zu leicht behauptend gesprochen von Heirathsanträgen, die ihr von andern Männern geschehen seien. – – Was jenen Gerüchten eigentlich zum Grunde liegt, kann ich nicht wissen, unstreitig ist alles verdreht und mit Lügen vermengt worden. Am wahrscheinlichsten ist es mir, daß O.[donell] dadurch sich hat verwirren lassen. Bringe der Stael dieß aber ja mit Behutsamkeit bei. – Sie hat freilich viel Feinde hier, aber auch Freunde und wenn sie nur einige Klugheit anwenden wollte, so würde man ihr Verdienst immer mehr erkennen. Das kann gar nicht fehlen. Freunde hat sie ja überall und hier ist des Guten doch so viel! – Ich sage dieß jetzt recht unpartheiisch, denn zunächst hab ich mehr von dem [3] Schlechten erfahren. Denke Dir nur, daß man mir auf der Polizei Schwierigkeiten macht, und will ich soll nicht länger als bis zum 3ten Oktober hierbleiben. Glaube nur nicht, daß ich mich unnütz erboße. Es ist keine zufällige bloße Formalität oder Ungeschlachtheit, sondern tief angelegte Absicht und Cabale. Man hat den Zeitpunkt gewählt da Rottenhan und Sickingen grade abwesend sind. Ich habe an beide eilends und sehr stark geschrieben. Ich handle nach Hormayrs Rath, der der edelste Patriot und ganz mein Freund ist. Ich hoffe, daß diese erste Verfolgung leicht wird niedergeschlagen werden. Aber freilich sehe ich daraus welche ungeheure Masse von Feindschaft mir entgegensteht, und verliehre ganz und gar den Muth sie allein mit Glück bekämpfen zu können. Herzlich wünsche ich daher, Du kämst schnell hieher und wir wirkten gemeinsam. Mit der Vorlesung muß es nun noch warten, das versteht sich von selbst. – Auch in äußrer Rücksicht macht es mich kleinmüthig; denn freilich wenn einem solche ganz unerwartete Fälle drohen, so [4] fände ich es fast unumgänglich nothwendig, noch auf den äußersten Nothfall einen Credit von 20–25 L[ouis]d[o]rs irgendwo hier zu haben und möchte fast die Stael darum bitten, wenn Du nichts dagegen hast; daß ich nur auf den äußersten Nothfall Gebrauch davon machen würde, versteht sich von selbst. – Ob ich bei der entsetzlichen Masse von Feinden auch wenigstens einige wirklich thätige und entschiedene Freunde hier habe, das wird sich in wenigen Tagen zeigen; wo nicht, so muß ich freilich weichen. So grade nach Dreßden zurückzukehren habe ich in diesem Fall doch keine rechte Lust. Es kommt mir gar zu hart an, und ich möchte dann eher den Umweg über München machen, um das Ganze mehr zu verschleiern. Was meinst Du dazu? – Große Unvorsichtigkeiten sind auch vorgegangen. Der Umgang mit der Nuys hat Dir mehr als ich sagen kann, geschadet. Denn sie gilt bei der Polizei als eine durchaus verdächtige und gefährliche Person; ich weiß dieß positiv. Verlaß Dich darauf. Ihr Umgang mit Andreossy ist wahrscheinlich die Hauptursache. – Freimüthigkeit ist Pflicht in diesem Falle. Du verübelst sie mir gewiß nicht. Gedenke unsres großen Berufs. Ewig der Deine.
Friedrich
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