• Achim von Arnim to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Heidelberg · Place of Destination: Coppet · Date: 26.09.1808
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
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    Metadata Concerning Header
  • Sender: Achim von Arnim
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Heidelberg
  • Place of Destination: Coppet
  • Date: 26.09.1808
  • Notations: Empfangsort erschlossen.
    Printed Text
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: 335976727
  • Bibliography: Krisenjahre der Frühromantik. Briefe aus dem Schlegelkreis. Hg. v. Josef Körner. Bd. 1. Der Texte erste Hälfte. 1791‒1808. Bern u.a. ²1969, S. 619‒621.
  • Incipit: „[1] Heidelberg d. 26 Sept. 1808.
    Der Wunsch Ihnen, Verehrtester, einiges mitzutheilen, das in der trägen Hand des Setzers hinter der flüchtigen [...]“
    Manuscript
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: APP2712-Bd-6
  • Classification Number: Mscr.Dresd.App.2712,B,21,3
  • Number of Pages: 4 S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 23,8 x 19,2 cm
[1] Heidelberg d. 26 Sept. 1808.
Der Wunsch Ihnen, Verehrtester, einiges mitzutheilen, das in der trägen Hand des Setzers hinter der flüchtigen Schreibfeder zurückblieb, hat meine Antwort und meinen Dank für das Mitgetheilte verzögert. Sie erhalten den Schluß der Einsiedlerzeitung, über die Ursach des Aufhörens habe ich mich in der Vorrede erklärt, es freute mich Ihr ermunterndes Gedicht auf Tell und wenigstens eine Stelle aus dem Stück von Flos und Blancheflur der Mad. Bernhardi noch einrücken zu können*). Zur Erklärung einiger Stellen der Beylage gegen Voß müssen Sie wissen, daß hier unter seiner Mitwirkung von seinem Sohn und einigen kleinen Scrieblern ein keckes Büchlein divina comoedia erschien, worin eine Masse Plumpheiten gegen Görres und Ihren Bruder direkt, indirekt gegen mich unter dem Namen Hornwunder [2] welcher Name von Wunderhorn abzuleiten dessen dritten Theil und den Titel des zweyten ich beyzulegen das Vergnügen habe. Ausser den genannten wurde noch Mad. Bernhardi, Schütz, Novalis, L[o]eben u. a. m. ohne allen Witz angegriffen. Da aber das Ding durch die Posaune des Morgenblats als eins der genialsten Produkte ausgerühmt wurde, so muste es seinen Deckel haben, wir hätten hier sonst ewig daran riechen müssen. – Sie haben die Güte mich zu historischen Untersuchungen über die Literatur des sechzehnten Jahrhunderts aufzumuntern, ich gestehe Ihnen aber frey, daß ich eigentlich dazu noch gar nicht gesammelt habe, weil ich zu sehr mit dem Inhalte jener Bücher beschäftigt war, auch war mir das übrige Historische jener Zeit so überwiegend merkwürdig, dessen Ausstrahlung sich freilich auch in der Literatur zeigte, daß [3] ich immer herrlicher in den Begebenheiten selbst wiedererkannte. Ich glaube, es giebt in jeder Literatur gewisse Männer, deren Name sich fortpflanzt, weil sie durch eine ruhige Folge von Arbeiten einmal gewiesen haben, wie viel Herrliches in dem Volke geboren, die Einzelnen die dieses alles erzeugt die verschwinden wie die Namen der tapfersten Soldaten, die früher erschlagen wurden, ehe sie das Kreutz erhielten, was soll man nun diese vergessenen Namen durch Conjecturen herausbringen, wenn man am Ende nichts mehr von ihnen weiß als den Namen. Was hilft es mir zu wissen, welcher Character in Frankfurt oder Düsseldorf Göthe zur Mignon, zum Werther, zum Meister vorgeschwebt, wie die Schauspieldichter geheissen, deren Stücke Schakespeare wiedergeboren hat, ein Stück mehr [4] ist mir lieber als die ganze Literaturgeschichte, doch will ich diese damit nicht verachtet haben, nur wird sie mir jezt oft ein Gegenstand des Aergers, weil ich viel Leute spreche, die darüber die ganze Literatur nicht kennen. Sie werden das Selbst oft genug bemerkt haben und ich sage Ihnen wahrscheinlich etwas sehr bekanntes; Deutschland hat jezt fast nichts Eigenes als die allgemeine Fertigkeit über alles zu schwatzen um nichts zu thun nöthig zu haben, so möchte es auch in diesem Augenblicke, daß ihm Spanien alles wiedererfechte, was es aus Verkehrtheit und Nachlässigkeit verloren. Diese Fertigkeit finde ich auch in Jean Pauls Recension der Corinna in den Heidelberger Jahrbüchern, aber eben alles was das Wesen dieses Buchs bildet und sein Verhältniß zum gegenwärtigen Frankreich ist so rein vergessen, daß einem bey allem Lobe die ganze Recension sehr boshaft vorkommt. Haben Sie nicht Lust eine Recension davon zu machen, ich bin gewiß, Creuzer würde sie mit Vergnügen aufnehmen. Kaum habe ich noch Platz mich Ihnen zu empfehlen.
Achim Arnim

*) das letzte wurde mir aus Mangel an Raum unmöglich.
[1] Heidelberg d. 26 Sept. 1808.
Der Wunsch Ihnen, Verehrtester, einiges mitzutheilen, das in der trägen Hand des Setzers hinter der flüchtigen Schreibfeder zurückblieb, hat meine Antwort und meinen Dank für das Mitgetheilte verzögert. Sie erhalten den Schluß der Einsiedlerzeitung, über die Ursach des Aufhörens habe ich mich in der Vorrede erklärt, es freute mich Ihr ermunterndes Gedicht auf Tell und wenigstens eine Stelle aus dem Stück von Flos und Blancheflur der Mad. Bernhardi noch einrücken zu können*). Zur Erklärung einiger Stellen der Beylage gegen Voß müssen Sie wissen, daß hier unter seiner Mitwirkung von seinem Sohn und einigen kleinen Scrieblern ein keckes Büchlein divina comoedia erschien, worin eine Masse Plumpheiten gegen Görres und Ihren Bruder direkt, indirekt gegen mich unter dem Namen Hornwunder [2] welcher Name von Wunderhorn abzuleiten dessen dritten Theil und den Titel des zweyten ich beyzulegen das Vergnügen habe. Ausser den genannten wurde noch Mad. Bernhardi, Schütz, Novalis, L[o]eben u. a. m. ohne allen Witz angegriffen. Da aber das Ding durch die Posaune des Morgenblats als eins der genialsten Produkte ausgerühmt wurde, so muste es seinen Deckel haben, wir hätten hier sonst ewig daran riechen müssen. – Sie haben die Güte mich zu historischen Untersuchungen über die Literatur des sechzehnten Jahrhunderts aufzumuntern, ich gestehe Ihnen aber frey, daß ich eigentlich dazu noch gar nicht gesammelt habe, weil ich zu sehr mit dem Inhalte jener Bücher beschäftigt war, auch war mir das übrige Historische jener Zeit so überwiegend merkwürdig, dessen Ausstrahlung sich freilich auch in der Literatur zeigte, daß [3] ich immer herrlicher in den Begebenheiten selbst wiedererkannte. Ich glaube, es giebt in jeder Literatur gewisse Männer, deren Name sich fortpflanzt, weil sie durch eine ruhige Folge von Arbeiten einmal gewiesen haben, wie viel Herrliches in dem Volke geboren, die Einzelnen die dieses alles erzeugt die verschwinden wie die Namen der tapfersten Soldaten, die früher erschlagen wurden, ehe sie das Kreutz erhielten, was soll man nun diese vergessenen Namen durch Conjecturen herausbringen, wenn man am Ende nichts mehr von ihnen weiß als den Namen. Was hilft es mir zu wissen, welcher Character in Frankfurt oder Düsseldorf Göthe zur Mignon, zum Werther, zum Meister vorgeschwebt, wie die Schauspieldichter geheissen, deren Stücke Schakespeare wiedergeboren hat, ein Stück mehr [4] ist mir lieber als die ganze Literaturgeschichte, doch will ich diese damit nicht verachtet haben, nur wird sie mir jezt oft ein Gegenstand des Aergers, weil ich viel Leute spreche, die darüber die ganze Literatur nicht kennen. Sie werden das Selbst oft genug bemerkt haben und ich sage Ihnen wahrscheinlich etwas sehr bekanntes; Deutschland hat jezt fast nichts Eigenes als die allgemeine Fertigkeit über alles zu schwatzen um nichts zu thun nöthig zu haben, so möchte es auch in diesem Augenblicke, daß ihm Spanien alles wiedererfechte, was es aus Verkehrtheit und Nachlässigkeit verloren. Diese Fertigkeit finde ich auch in Jean Pauls Recension der Corinna in den Heidelberger Jahrbüchern, aber eben alles was das Wesen dieses Buchs bildet und sein Verhältniß zum gegenwärtigen Frankreich ist so rein vergessen, daß einem bey allem Lobe die ganze Recension sehr boshaft vorkommt. Haben Sie nicht Lust eine Recension davon zu machen, ich bin gewiß, Creuzer würde sie mit Vergnügen aufnehmen. Kaum habe ich noch Platz mich Ihnen zu empfehlen.
Achim Arnim

*) das letzte wurde mir aus Mangel an Raum unmöglich.
· Abschrift , 26. September [1808]
· Freies Deutsches Hochstift, Frankfurt am Main
· Hs-13463,7
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