• Dorothea von Schlegel to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Dresden · Place of Destination: Unknown · Date: 10.10.1808
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
  • XML
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Dorothea von Schlegel
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Dresden
  • Place of Destination: Unknown
  • Date: 10.10.1808
    Printed Text
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: 335976727
  • Bibliography: Krisenjahre der Frühromantik. Briefe aus dem Schlegelkreis. Hg. v. Josef Körner. Bd. 1. Der Texte erste Hälfte. 1791‒1808. Bern u.a. ²1969, S. 630‒632.
  • Incipit: „[1] Dresden den 10ten Oct. [180]8
    Sie sehen liebster Wilhelm ich werde meine Monologe nicht so leicht müde; seit beinah fünf Monaten [...]“
    Manuscript
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: APP2712-Bd-8
  • Classification Number: Mscr.Dresd.App.2712,B,I,9
  • Number of Pages: 4 S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 18,7 x 11,6 cm
[1] Dresden den 10ten Oct. [180]8
Sie sehen liebster Wilhelm ich werde meine Monologe nicht so leicht müde; seit beinah fünf Monaten habe ich Ihnen, ich weiß gar nicht mehr wie oft geschrieben, ohne eine einzige Antwort, ja ohne ein Zeichen zu erhalten ob Sie meine Briefe auch wirklich erhalten, und ob sie Ihnen auch willkommen sind. Diesesmal soll Henriette mir bezeugen daß der Brief wirklich an Ihnen gelangt ist, über das übrige mag das Schicksal walten. Es geht mir gut hier; ich liebe Dresden und liebe die Schwester Charlotte mit inniger Freundschaft, meine beiden Söhne sind hier um mich zu besuchen, und um eine Zeit lang unter meiner Aufsicht die Kunst zu studieren (sie wollen beide Mahler lernen) und ich habe alle Ursache mich ihrer zu freuen, es sind recht brave junge Leute. Sie sind mir mit der größten Zärtlichkeit zugethan und wollen sogar mich nach Wien begleiten um unter Friedrichs Aufsicht zu studieren; aber hier liegt der Knote. Wenn werde ich nach Wien kommen? werde ich überhaupt nach Wien kommen? wissen Sie es nicht mein Bruder? Ich für meine Person habe mich in diese schwankende Ungewissheit der Existenz mit ziemlicher Ruhe finden lernen, aber nun ich meine Söhne mit ziehen soll wird mir etwas schwindlich zu Sinne. Schreiben Sie mir, ich beschwöre Sie, was Sie von Friedrichs Lage in Wien wissen, was Sie [2] hoffen und voraussehen? – Kürzlich wollte die Polizei ihm Schwürigkeiten machen länger dort zu bleiben; er gab dies geheimen Feinden und tragischen Cabalen schuld; daran glaube ich nicht, sondern ich halte es für nichts als die gewöhnliche Maßregel gegen Fremde, wo man zu schwerfällig und gleichgültig war mit ihm eine Ausnahme zu machen. Aber auch das ist ganz und gar nicht gut; ich kann auf keine Weise mich entschließen zu ihm nach Wien zu gehen, wenn ich jeden Morgen befürchten muß daß mich irgend ein Polizei Diener aufweckt. Sagen Sie mir doch ob er bei den vielen hohen Gönnern, nicht sich Eines zu rühmen hat der ihm in dieser Rücksicht in Schutz nehmen kann? Es ist wohl sehr nachtheilig für ihn daß so viele Leute jetzt auf dem Lande sind die ihm nützlich seyn könnten? Die verflossnen drei Monathe wenigstens sind für die äußern Zwecke eben noch nicht sehr benutzt worden, ich fürchte sehr daß ihn der angenehme Umgang einiger Personen dort ihm theils viel Zeit weggenommen, theils eher schädlich als nützlich war – meynen Sie nicht auch daß er dort sehr behutsam seyn müßte, besonders in der Wahl seines Umgangs, da sehr wahrscheinlich man ihn von Seiten der Polizei scharf ins Auge hält? Ich hoffe er wird jetzt die Bekanntschaft einiger bedeutenden Geistlichen gemacht haben; da nun sein Uebertritt einmal divulgirt worden ist, so darf dies schicklicher und nothwendiger Weise gar nicht länger versäumt werden.
[3] Ich höre von Friedrich daß Sie ihm Hoffnung gegeben haben mit Frau v. Stael wieder nach Wien zu kommen; das wäre freilich glücklich! Schreiben Sie mir liebster Bruder ob dieser Plan ausgeführt wird, und ob wir die Hoffnung haben Sie auf der Durchreise hier zu sehen? – In den Zeitungen lasen wir daß Frau v. Stael den Festen der Landleute beiwohnte; einige ihrer Begleiter waren genannt, Ihren Namen fanden wir nicht darunter, waren Sie nicht mit dabei? – Friedrich schreibt mir daß Willmanns ihm Anträge macht die Europa fortzusetzen; er wird Ihnen doch auch davon geschrieben haben? Nicht wahr Sie sind auch der Meinung daß er diesen Antrag nicht ausschlagen muß, und Sie unterstützen ihn mit Ihren schönen Eifer? herrlich wäre es wenn zum Neuen Jahre gleich ein Stück erscheinen könnte! welch ein Triumpf da so viele neue Journale eingehen! – So eben erhalte ich einen Brief von Friedrich vom 6ten dieses. „Unterdessen, schreibt er, ist Graf Sickingen zurückgekommen, er hat mich gleich in einem artigen Briefe zu sich geladen; schon von Böhmen aus hatte er alles nöthige gethan; ich kann auf ihn als einen sichern Gönner rechnen. Es wird auch keine Schwierigkeit finden daß ich eine ganz unbestimmte Aufenthalts Erlaubniß erhalte, was hier doch schon ziemlich schwer hält. etc. Gewiß also gehe ich nicht von Wien eher nicht der erste Theil des Karl vollendet ist, über den es nun mit aller Macht hergeht. [4] Alles andre müßen wir freilich noch dem Lauf der Zeiten anheimstellen! Auch über die Vorlesung sprach ich mit Sickingen und sehr ausführlich. Er kennt diese Sache eigentlich genauer als Hormayer. Er war es der es zuletzt mit Wilhelm durchsetzte. Ich werde seinen Rath in allem folgen. Vor künftigen Monat aber kann auch seiner Meinung nach nichts in der Sache geschehen. Erst dann kommt der Kaiser zurück von dem sie unmittelbar abhängt.“ etc.
So weit nun Friedrich; der ganze Brief ist kurz, trocken und übellaunig, so daß ich nicht wenig Lust hätte es gleichfalls zu seyn. Was meynen Sie von der Stelle daß er gewiß nicht aus Wien gehen wird vor Vollendung des 1ten Theils? ich habe immer geglaubt daß die Rede davon sey sich in Wien zu fixiren, und nun wird davon gesprochen es zu verlassen! – Liebster Bruder schreiben Sie mir aufrichtig und ausführlich was Sie über diesen Zusammenhang wissen, und was ich doch auch wissen muß. Friedrichs letzte Briefe sind durchaus nicht genügend, und ich finde sie alle übellaunig. Ich habe noch keinen Brief, keine Antwort von Ihnen, aber demungeachtet wende ich mich zutrauensvoll an Ihre brüderliche Liebe. – Leben Sie wohl erinnern Sie sich Ihrer
Schwester
Dorothea.

Charlotte und Ernst grüßen Sie herzlich; Sie möchten es sich nicht befremden lassen keinen Brief von ihr zu haben. Sie ist mit Ernsts Reise nach Pohlen beschäftigt, und ist verdrießlich deswegen.
[1] Dresden den 10ten Oct. [180]8
Sie sehen liebster Wilhelm ich werde meine Monologe nicht so leicht müde; seit beinah fünf Monaten habe ich Ihnen, ich weiß gar nicht mehr wie oft geschrieben, ohne eine einzige Antwort, ja ohne ein Zeichen zu erhalten ob Sie meine Briefe auch wirklich erhalten, und ob sie Ihnen auch willkommen sind. Diesesmal soll Henriette mir bezeugen daß der Brief wirklich an Ihnen gelangt ist, über das übrige mag das Schicksal walten. Es geht mir gut hier; ich liebe Dresden und liebe die Schwester Charlotte mit inniger Freundschaft, meine beiden Söhne sind hier um mich zu besuchen, und um eine Zeit lang unter meiner Aufsicht die Kunst zu studieren (sie wollen beide Mahler lernen) und ich habe alle Ursache mich ihrer zu freuen, es sind recht brave junge Leute. Sie sind mir mit der größten Zärtlichkeit zugethan und wollen sogar mich nach Wien begleiten um unter Friedrichs Aufsicht zu studieren; aber hier liegt der Knote. Wenn werde ich nach Wien kommen? werde ich überhaupt nach Wien kommen? wissen Sie es nicht mein Bruder? Ich für meine Person habe mich in diese schwankende Ungewissheit der Existenz mit ziemlicher Ruhe finden lernen, aber nun ich meine Söhne mit ziehen soll wird mir etwas schwindlich zu Sinne. Schreiben Sie mir, ich beschwöre Sie, was Sie von Friedrichs Lage in Wien wissen, was Sie [2] hoffen und voraussehen? – Kürzlich wollte die Polizei ihm Schwürigkeiten machen länger dort zu bleiben; er gab dies geheimen Feinden und tragischen Cabalen schuld; daran glaube ich nicht, sondern ich halte es für nichts als die gewöhnliche Maßregel gegen Fremde, wo man zu schwerfällig und gleichgültig war mit ihm eine Ausnahme zu machen. Aber auch das ist ganz und gar nicht gut; ich kann auf keine Weise mich entschließen zu ihm nach Wien zu gehen, wenn ich jeden Morgen befürchten muß daß mich irgend ein Polizei Diener aufweckt. Sagen Sie mir doch ob er bei den vielen hohen Gönnern, nicht sich Eines zu rühmen hat der ihm in dieser Rücksicht in Schutz nehmen kann? Es ist wohl sehr nachtheilig für ihn daß so viele Leute jetzt auf dem Lande sind die ihm nützlich seyn könnten? Die verflossnen drei Monathe wenigstens sind für die äußern Zwecke eben noch nicht sehr benutzt worden, ich fürchte sehr daß ihn der angenehme Umgang einiger Personen dort ihm theils viel Zeit weggenommen, theils eher schädlich als nützlich war – meynen Sie nicht auch daß er dort sehr behutsam seyn müßte, besonders in der Wahl seines Umgangs, da sehr wahrscheinlich man ihn von Seiten der Polizei scharf ins Auge hält? Ich hoffe er wird jetzt die Bekanntschaft einiger bedeutenden Geistlichen gemacht haben; da nun sein Uebertritt einmal divulgirt worden ist, so darf dies schicklicher und nothwendiger Weise gar nicht länger versäumt werden.
[3] Ich höre von Friedrich daß Sie ihm Hoffnung gegeben haben mit Frau v. Stael wieder nach Wien zu kommen; das wäre freilich glücklich! Schreiben Sie mir liebster Bruder ob dieser Plan ausgeführt wird, und ob wir die Hoffnung haben Sie auf der Durchreise hier zu sehen? – In den Zeitungen lasen wir daß Frau v. Stael den Festen der Landleute beiwohnte; einige ihrer Begleiter waren genannt, Ihren Namen fanden wir nicht darunter, waren Sie nicht mit dabei? – Friedrich schreibt mir daß Willmanns ihm Anträge macht die Europa fortzusetzen; er wird Ihnen doch auch davon geschrieben haben? Nicht wahr Sie sind auch der Meinung daß er diesen Antrag nicht ausschlagen muß, und Sie unterstützen ihn mit Ihren schönen Eifer? herrlich wäre es wenn zum Neuen Jahre gleich ein Stück erscheinen könnte! welch ein Triumpf da so viele neue Journale eingehen! – So eben erhalte ich einen Brief von Friedrich vom 6ten dieses. „Unterdessen, schreibt er, ist Graf Sickingen zurückgekommen, er hat mich gleich in einem artigen Briefe zu sich geladen; schon von Böhmen aus hatte er alles nöthige gethan; ich kann auf ihn als einen sichern Gönner rechnen. Es wird auch keine Schwierigkeit finden daß ich eine ganz unbestimmte Aufenthalts Erlaubniß erhalte, was hier doch schon ziemlich schwer hält. etc. Gewiß also gehe ich nicht von Wien eher nicht der erste Theil des Karl vollendet ist, über den es nun mit aller Macht hergeht. [4] Alles andre müßen wir freilich noch dem Lauf der Zeiten anheimstellen! Auch über die Vorlesung sprach ich mit Sickingen und sehr ausführlich. Er kennt diese Sache eigentlich genauer als Hormayer. Er war es der es zuletzt mit Wilhelm durchsetzte. Ich werde seinen Rath in allem folgen. Vor künftigen Monat aber kann auch seiner Meinung nach nichts in der Sache geschehen. Erst dann kommt der Kaiser zurück von dem sie unmittelbar abhängt.“ etc.
So weit nun Friedrich; der ganze Brief ist kurz, trocken und übellaunig, so daß ich nicht wenig Lust hätte es gleichfalls zu seyn. Was meynen Sie von der Stelle daß er gewiß nicht aus Wien gehen wird vor Vollendung des 1ten Theils? ich habe immer geglaubt daß die Rede davon sey sich in Wien zu fixiren, und nun wird davon gesprochen es zu verlassen! – Liebster Bruder schreiben Sie mir aufrichtig und ausführlich was Sie über diesen Zusammenhang wissen, und was ich doch auch wissen muß. Friedrichs letzte Briefe sind durchaus nicht genügend, und ich finde sie alle übellaunig. Ich habe noch keinen Brief, keine Antwort von Ihnen, aber demungeachtet wende ich mich zutrauensvoll an Ihre brüderliche Liebe. – Leben Sie wohl erinnern Sie sich Ihrer
Schwester
Dorothea.

Charlotte und Ernst grüßen Sie herzlich; Sie möchten es sich nicht befremden lassen keinen Brief von ihr zu haben. Sie ist mit Ernsts Reise nach Pohlen beschäftigt, und ist verdrießlich deswegen.
×
×