• Friedrich von Schlegel to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Wien · Place of Destination: Unknown · Date: 23.11.1808
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
  • XML
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Friedrich von Schlegel
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Wien
  • Place of Destination: Unknown
  • Date: 23.11.1808
    Printed Text
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: 335976727
  • Bibliography: Krisenjahre der Frühromantik. Briefe aus dem Schlegelkreis. Hg. v. Josef Körner. Bd. 1. Der Texte erste Hälfte. 1791‒1808. Bern u.a. ²1969, S. 648‒651.
  • Incipit: „[1] Wien den 23ten Nov. 1808
    Geliebter Bruder,
    Schon oft hast Du geklagt, daß ich Dir zu selten schreibe. Dießmal aber muß ich [...]“
    Manuscript
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: APP2712-Bd-8
  • Classification Number: Mscr.Dresd.App.2712,B,I,65
  • Number of Pages: 4 S. auf Doppelbl. u. 2 S., hs. m. U
  • Format: 19,2 x 11,9 cm
[1] Wien den 23ten Nov. 1808
Geliebter Bruder,
Schon oft hast Du geklagt, daß ich Dir zu selten schreibe. Dießmal aber muß ich fast in Sorge sein, so gar lange keine Nachricht von Dir zu erhalten. Es ist mir nur lieb, durch Albert wenigstens zu wissen, daß Ihr alle gesund seid, und da der Bildhauer Tieck glücklich bei Euch angekommen, so wird die Freude mit ihm und seinem Umgang wohl die Ursache sein, daß Du mich für dießmal vergessen.
Meine Frau ist nun schon einige Wochen hier und schon spüre ich in manchen Einrichtungen des Lebens die heilsamen Folgen davon. Wenige Tage nach ihrer Ankunft hatte ich schon des Morgens Licht und konnte um 5½ Uhr an meinem Schreibtisch sitzen, wie ich es von Alters her gewohnt bin. Diese Lebensweise ist auch für mich die einzig ersprießliche; eine Stunde des Morgens ist mir wegen der heitern Stimmung mehr werth als ein ganzer Abend erzwungenen Wachbleibens. Unterdessen hat uns die Wohnung anfangs viel Noth gemacht. Da ich bisher nur ein einziges Zimmer, ohne irgend etwas [2] weiteres, einer Kammer auch nur ähnliches inne hatte, so war eine Aenderung nothwendig. Gute Wohnungen von einigen Zimmern fanden sich nun bald genug; sie hatten nur den einzigen Fehler, daß sie zu theuer waren. Endlich ist es uns doch gelungen, eine leidlich gute und wohlfeile Wohnung zu finden, Wollzeile n° 912. Aber es hat nicht wenig Mühe und Herumlaufens gekostet, was denn auch 14 Tage über der Störung wegen sehr verdrießlich war. Meine Frau war schon auf dem Punkt, wieder zurück zu reisen.
Mit den Bekantschaften und Besuchen geht es regelmäßig vorwärts. Graf Rottenhan ist wieder hier und hat mich so wie auch die Gräfin Choteck sehr gütig aufgenommen. Zu der letzten habe ich unter den ersten Damen bis jetzt am meisten Zutrauen. Dem Fürsten Trautmansdorf habe ich endlich dieser Tage persönlich aufwarten können. Es ist gut, wenn einen solche Herren wenigstens einmal von Angesicht gesehn haben. Zeiller ist sehr zuvorkommend gegen mich. Desgleichen Ridler, Lehrer des Kronprinzen. Auch Spendouʼs (Director der theologischen Facultät) Bekantschaft [3] kann mir nützlich sein. In der Hauptsache, wegen der Vorlesung, konnte noch nichts geschehn; denn der Kaiser ist noch nicht zurück.
Unangenehm ist nur daß die Leute so gar verschiedne Zeiten haben, wo sie zu sprechen sind. Dieß zerstreut die Zeit oft gar sehr. Indessen geht es doch nun mit dem Arbeiten immer besser, am meisten seit ich wieder des Morgens bei Licht arbeiten kann. Man soll zwar seine Schätze nicht einzeln ausgeben, indessen einige Worte über Coxe und dergleichen werde ich doch in die vaterländischen Blätter geben. Im Stück des 28ten Oktober ist etwas von mir über Alba, warum mich Hormayr bat; er hat nur wenige Zeilen von dem seinigen hinzugesetzt.
Geistinger hat sich wieder Vermuthen zur Zahlung der Beiträge im Prometheus bereitwillig finden lassen. Zwar was die Herausgeber angeboten hatten, kann er nicht zahlen; aber von diesen würdest Du ohnehin gar nichts erhalten haben. Da sich Geistinger nun zu 12 Th. Convent.[ion] pr.[o] Bogen erboten, so glaubte ich dieses annehmen zu müssen, weil ihm sonst dieser ganze ihm so unnatürliche Ge[4]danke leicht wieder vergehn könnte. Dein Antheil beträgt demnach 126 fl in Bankozetteln, weil er den Beitrag zum Anzeiger etwas anders und geringer berechnet. – Ich werde Dir dieses Geld treulich zum Ankauf von Büchern verwenden und berechnen. Fürs erste gebe ich in einer zunächst bevorstehenden Auction Commission auf die Obras de Juan de Mena und den Monserrate von Virues. Schlimm ist nur daß Finkenstein eine große Liebhaberei für dergleichen Bücher hat und überall dahinter her ist. Von Charlotte habe ich, wenigstens, was ihre Gesundheit betrift, gute Nachricht. Ernst ist mit in Pohlen. Dieser Tage lernte ich hier auch die junge Fürstin Gallitzin kennen, die in Münster lebt und viel mit Stolberg ist; heute reist sie ab. – Daß ich von Genz einen sehr freundschaftlichen Brief erhielt, glaube ich schrieb ich Dir schon. Er schilt mich eben auch nach seiner Weise. – Liebster Bruder, denke nur ja ernstlich darauf, mir für die Europa etwas zu geben. Es wäre mir gar zu lieb, gemeinschaftlich mit Dir wieder aufzutreten. Wirst Du nicht den Heidelber[5]gern irgend etwas für ihre Jahrbücher geben? Sie verdienen es doch gewiß recht sehr.
Den Bildhauer Tieck grüße aufs beste von mir. Von Sophie haben wir seit einigen Posttagen keine Nachricht. Alle, die ihre Lage kennen (auch der Nunt.[ius]) rathen daß sie so bald als möglich nach Italien eilt. Friedrich soll also auch seinerseits sich so einrichten, daß er dieß eher beschleunigt, so viel an ihm ist, als hemmt.
Meine Addresse ist am sichersten fortdauernd bei Schinner und Klinger, jetzt am Schulhofe N° 446.
Meine Frau hat bis jetzt hier noch keine Bekantschaften als mit Frau v. Hormayr, die wir beide sehr liebenswürdig finden. Und dann haben wir Umgang mit einer Familie Czerni, die unendlich viel Gefälligkeit für uns haben. Obgleich er, Czerni, und die Frl. Nina unter der Zahl Deiner Zuhörer waren, so wirst Du Dich ihrer wohl kaum entsinnen, da Du ihn nur wenig gesehn. Es sind aber sehr gute verständige und gegen uns außerordentlich freundschaftliche und dienstfertige Menschen. [6] Graf Metternich, der jetzt hier ist, hat mich freundlich empfangen und versprochen mich dem Grafen Stadion vorzustellen, was Hormayr nach seiner etwas ängstlichen Weise noch immer nicht gethan. Den General Froissard habe ich endlich nach mehren vergeblichen Hin und Herbesuchen einmal getroffen. – Albert kommt jetzt sehr regelmäßig zu mir, und ich höre von allen Seiten her Zeugnisse seines Wohlverhaltens. Sein Verstand hat sich in der That hier sehr entwickelt.
Knorring ist immer noch hier, doch hofft er nun bald reisen zu können.
Collin hat eine Reihe sehr schöner Lieder für die Landwehr gedichtet; nur dürfen mehre der Rücksichten wegen nicht gedruckt werden. – Auch heute habe ich wieder keinen Brief von Dir erhalten. Es verlangt mich recht herzlich danach. Die besten Grüße von meiner Frau.
Friedrich.
[1] Wien den 23ten Nov. 1808
Geliebter Bruder,
Schon oft hast Du geklagt, daß ich Dir zu selten schreibe. Dießmal aber muß ich fast in Sorge sein, so gar lange keine Nachricht von Dir zu erhalten. Es ist mir nur lieb, durch Albert wenigstens zu wissen, daß Ihr alle gesund seid, und da der Bildhauer Tieck glücklich bei Euch angekommen, so wird die Freude mit ihm und seinem Umgang wohl die Ursache sein, daß Du mich für dießmal vergessen.
Meine Frau ist nun schon einige Wochen hier und schon spüre ich in manchen Einrichtungen des Lebens die heilsamen Folgen davon. Wenige Tage nach ihrer Ankunft hatte ich schon des Morgens Licht und konnte um 5½ Uhr an meinem Schreibtisch sitzen, wie ich es von Alters her gewohnt bin. Diese Lebensweise ist auch für mich die einzig ersprießliche; eine Stunde des Morgens ist mir wegen der heitern Stimmung mehr werth als ein ganzer Abend erzwungenen Wachbleibens. Unterdessen hat uns die Wohnung anfangs viel Noth gemacht. Da ich bisher nur ein einziges Zimmer, ohne irgend etwas [2] weiteres, einer Kammer auch nur ähnliches inne hatte, so war eine Aenderung nothwendig. Gute Wohnungen von einigen Zimmern fanden sich nun bald genug; sie hatten nur den einzigen Fehler, daß sie zu theuer waren. Endlich ist es uns doch gelungen, eine leidlich gute und wohlfeile Wohnung zu finden, Wollzeile n° 912. Aber es hat nicht wenig Mühe und Herumlaufens gekostet, was denn auch 14 Tage über der Störung wegen sehr verdrießlich war. Meine Frau war schon auf dem Punkt, wieder zurück zu reisen.
Mit den Bekantschaften und Besuchen geht es regelmäßig vorwärts. Graf Rottenhan ist wieder hier und hat mich so wie auch die Gräfin Choteck sehr gütig aufgenommen. Zu der letzten habe ich unter den ersten Damen bis jetzt am meisten Zutrauen. Dem Fürsten Trautmansdorf habe ich endlich dieser Tage persönlich aufwarten können. Es ist gut, wenn einen solche Herren wenigstens einmal von Angesicht gesehn haben. Zeiller ist sehr zuvorkommend gegen mich. Desgleichen Ridler, Lehrer des Kronprinzen. Auch Spendouʼs (Director der theologischen Facultät) Bekantschaft [3] kann mir nützlich sein. In der Hauptsache, wegen der Vorlesung, konnte noch nichts geschehn; denn der Kaiser ist noch nicht zurück.
Unangenehm ist nur daß die Leute so gar verschiedne Zeiten haben, wo sie zu sprechen sind. Dieß zerstreut die Zeit oft gar sehr. Indessen geht es doch nun mit dem Arbeiten immer besser, am meisten seit ich wieder des Morgens bei Licht arbeiten kann. Man soll zwar seine Schätze nicht einzeln ausgeben, indessen einige Worte über Coxe und dergleichen werde ich doch in die vaterländischen Blätter geben. Im Stück des 28ten Oktober ist etwas von mir über Alba, warum mich Hormayr bat; er hat nur wenige Zeilen von dem seinigen hinzugesetzt.
Geistinger hat sich wieder Vermuthen zur Zahlung der Beiträge im Prometheus bereitwillig finden lassen. Zwar was die Herausgeber angeboten hatten, kann er nicht zahlen; aber von diesen würdest Du ohnehin gar nichts erhalten haben. Da sich Geistinger nun zu 12 Th. Convent.[ion] pr.[o] Bogen erboten, so glaubte ich dieses annehmen zu müssen, weil ihm sonst dieser ganze ihm so unnatürliche Ge[4]danke leicht wieder vergehn könnte. Dein Antheil beträgt demnach 126 fl in Bankozetteln, weil er den Beitrag zum Anzeiger etwas anders und geringer berechnet. – Ich werde Dir dieses Geld treulich zum Ankauf von Büchern verwenden und berechnen. Fürs erste gebe ich in einer zunächst bevorstehenden Auction Commission auf die Obras de Juan de Mena und den Monserrate von Virues. Schlimm ist nur daß Finkenstein eine große Liebhaberei für dergleichen Bücher hat und überall dahinter her ist. Von Charlotte habe ich, wenigstens, was ihre Gesundheit betrift, gute Nachricht. Ernst ist mit in Pohlen. Dieser Tage lernte ich hier auch die junge Fürstin Gallitzin kennen, die in Münster lebt und viel mit Stolberg ist; heute reist sie ab. – Daß ich von Genz einen sehr freundschaftlichen Brief erhielt, glaube ich schrieb ich Dir schon. Er schilt mich eben auch nach seiner Weise. – Liebster Bruder, denke nur ja ernstlich darauf, mir für die Europa etwas zu geben. Es wäre mir gar zu lieb, gemeinschaftlich mit Dir wieder aufzutreten. Wirst Du nicht den Heidelber[5]gern irgend etwas für ihre Jahrbücher geben? Sie verdienen es doch gewiß recht sehr.
Den Bildhauer Tieck grüße aufs beste von mir. Von Sophie haben wir seit einigen Posttagen keine Nachricht. Alle, die ihre Lage kennen (auch der Nunt.[ius]) rathen daß sie so bald als möglich nach Italien eilt. Friedrich soll also auch seinerseits sich so einrichten, daß er dieß eher beschleunigt, so viel an ihm ist, als hemmt.
Meine Addresse ist am sichersten fortdauernd bei Schinner und Klinger, jetzt am Schulhofe N° 446.
Meine Frau hat bis jetzt hier noch keine Bekantschaften als mit Frau v. Hormayr, die wir beide sehr liebenswürdig finden. Und dann haben wir Umgang mit einer Familie Czerni, die unendlich viel Gefälligkeit für uns haben. Obgleich er, Czerni, und die Frl. Nina unter der Zahl Deiner Zuhörer waren, so wirst Du Dich ihrer wohl kaum entsinnen, da Du ihn nur wenig gesehn. Es sind aber sehr gute verständige und gegen uns außerordentlich freundschaftliche und dienstfertige Menschen. [6] Graf Metternich, der jetzt hier ist, hat mich freundlich empfangen und versprochen mich dem Grafen Stadion vorzustellen, was Hormayr nach seiner etwas ängstlichen Weise noch immer nicht gethan. Den General Froissard habe ich endlich nach mehren vergeblichen Hin und Herbesuchen einmal getroffen. – Albert kommt jetzt sehr regelmäßig zu mir, und ich höre von allen Seiten her Zeugnisse seines Wohlverhaltens. Sein Verstand hat sich in der That hier sehr entwickelt.
Knorring ist immer noch hier, doch hofft er nun bald reisen zu können.
Collin hat eine Reihe sehr schöner Lieder für die Landwehr gedichtet; nur dürfen mehre der Rücksichten wegen nicht gedruckt werden. – Auch heute habe ich wieder keinen Brief von Dir erhalten. Es verlangt mich recht herzlich danach. Die besten Grüße von meiner Frau.
Friedrich.
×
×