• Friedrich von Schlegel to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Frankfurt am Main · Place of Destination: Paris · Date: 21.02.1818
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
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    Metadata Concerning Header
  • Sender: Friedrich von Schlegel
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Frankfurt am Main
  • Place of Destination: Paris
  • Date: 21.02.1818
  • Notations: Empfangsort erschlossen.
    Printed Text
  • Bibliography: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Bd. 29. Dritte Abteilung: Briefe von und an Friedrich und Dorothea Schlegel. Vom Wiener Kongress zum Frankfurter Bundestag (10. September 1814 ‒ 31. Oktober 1818). Mit Einleitung und Kommentar hg. v. Jean-Jacques Anstett unter Mitarbeit von Ursula Behler. Paderborn 1980, S. 418‒422.
  • Incipit: „[1] Frankfurt, den 21ten Februar 1818.
    Geliebter Bruder!
    Du kannst Dir gar keine Vorstellung davon machen, welchen lebhaften Antheil ich an Deinen Unterhandlungen [...]“
    Manuscript
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: DE-1a-34288
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XIX,Bd.24.d,Nr.206
  • Number of Pages: 8S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 19,9 x 12,4 cm
[1] Frankfurt, den 21ten Februar 1818.
Geliebter Bruder!
Du kannst Dir gar keine Vorstellung davon machen, welchen lebhaften Antheil ich an Deinen Unterhandlungen mit Pr.[eußen] nehme, denen ich den glücklichsten Fortgang wünsche, und wie groß meine Freude ist über Deine Rückkehr nach Deutschland, die ich nun als gewiß ansehe. – Sehr schön wäre es, wenn Du etwa am gerathensten finden solltest, Deinen Traktat mit dem Fürsten Hardenb.[erg] selbst abzuschließen und desfalls nach Coblenz und Engers, mithin ohne Zweifel auch hieher kämst. Herrlich wäre dieß und würde mich für vieles schadlos halten; willst Du bey mir wohnen, so soll mir dieß herzlich willkommen seyn, falls Du es Dir so gefallen laßen willst, wie es bey uns sehr bürgerlich ist; Platz habe ich genug unter den Dächern dieses alten RumpelPalais, aber freylich keinen so eleganten wie Du ihn gewohnt bist. – Ich habe aber auch noch außer diesem Plane (falls er nicht zu Stande kommen sollte) noch mehrere andre Projekte gefaßt, um Dich wieder zu sehen, wonach ich das größte Verlangen und die lebhafteste Sehnsucht trage. Zu diesem Behufe aber bitte ich Dich, mich auf das genaueste von Deinen nächsten Plänen und Vorhaben in Kenntniß zu setzen. Bringst Du den Sommer in der Schweiz zu und kannst Du mich dort aufnehmen, so ist es sehr wahrscheinlich, daß ich Dich dort auf 4 oder 6 Wochen besuchen kann. Denn selbst wenn die Abbe[2]rufung noch vor dem Sommer erfolgen sollte, zieht es sich bis zur wirklichen Rückkehr noch länger hin und es kann nach Beschaffenheit der Umstände leicht der Fall eintreten, daß ich für noch einige Monathe Urlaub begehre; wenn nähmlich der Fürst M[etternich] selbst hier herauskömmt zum MonarchenCongreß, so ist alsdann mein Aufenthalt in W.[ien] während des Sommers, wo er ohnehin nicht erfreulich ist, und seiner Abwesenheit vollends ganz zwecklos. Doch hängt alles das freylich nicht von mir ab. – Bist Du in der Schweiz nicht in Coppet, so könnten wir uns vieleicht in Bern treffen und dort ein Paar Wochen zusammen, mit gemeinschaftlicher, nach meinen Umständen sparsam eingerichteter Oekonomie <leben>. – Geht es auf die Art nicht, so benutze ich den ersten Urlaub, den ich erhalten kann, um Dich von Wien aus in Berlin in Deiner neuen häuslichen Einrichtung zu besuchen und ein sechs Wochen bey Dir zu zubringen. – Ich bin übrigens immerfort mit tausend kleinen zersplittrigen Geschäften und Störungen belastet; (Dieß war auch der Fall, da die letzte Gelegenheit durch einen Reisenden, Dir zu schreiben, sich darbot); die das ganze Gemüth hinnehmende Betrachtung der großen Gegenstände der Zeitentwicklung ungerechnet. Nimm nur das Briefschreiben niemals zum Maaßstabe meiner Freundschaft und meines fortdauernden lebhaftesten Antheils. Ich hoffe, wir wollen noch eine Reihe von [3] Jahren recht groß und herrlich auf Deutschland einwirken. Denn wenn wir nun auch an entfernten Punkten stehen, so werde ich doch an allem was Du wirkst und hervorbringst, wie sonst immer den brüderlichsten Antheil nehmen; ich werde dann mich auch schon mit der Politik so abfinden oder herausarbeiten, daß ich auch wieder für die <Deutsche> Wißenschaft und Kunst kräftig wirken kann, und ich hoffe unser Wirken, wenn auch verschiedenartig, soll noch immer im Wesentlichen nach der alten Art im Großen zusammengehen. – Es ist eine Art von Stillstand, eine scheinbare Stockung in der Deutschen Litteratur gewesen, während das politische Treiben alles verschlungen hatte; aber nur eine scheinbare, im Stillen hat sich manches entwickelt und noch mehr vorbereitet zu einer kraftvollen Epoche der herrlichsten Entfaltung; ich halte den jetzigen Moment für besonders glücklich. Ich habe viel beobachtet und glaube jetzt Deutschland nach allen seinen Verhältnißen so zu kennen, wie Wenige; ich könnte Dir unendlich viel darüber schreiben, von allem dem was ich so klar vor mir liegen sehe. Doch muß <dieß> auf das erste brüderliche Wiedersehen verspart bleiben. – Meine Abberufung ist eigentl[ich] noch unentschieden. Du möchtest den Zusammenhang davon wißen, der aber eigentl[ich] unendlich einfach ist. Mein Chef, unser hiesiger <verehrlicher> Gesandter, ist ein völlig imbeciller und dabey höchst eigensinniger Mensch von dem allerwiderwärtigsten Charakter; in Wahrheit, der süßeste Einfaltspinsel, der leicht gefunden [4] werden kann, so weit der Himmel blau ist. Da hilft mir denn die allgemeine Achtung und Freundschaft der 15 oder 16 übrigen Gesandten nicht viel, nachdem es unser Einem auch nie an heimlichen Feinden und Neidern besonders unter den gewöhnlichen <k. k.> Dienstcanaillen fehlt. Aus allem dem ist denn nun ein übles Verhältniß mit dem alten excellenten Simplex entstanden, freylich ist es bloß negativ übel, indem wir uns einander mit aller Höflichkeit und von meiner Seite allerehrerbietigst durchaus nicht um einander bekümmern, <auch wenn es seyn kann, nicht mit einander sprechen>. Das geht denn nun auf die Länge freylich nicht; auf die Länge ist es freyl[ich] auch unmöglich, daß dieser confuseste aller Sterblichen Graubärte diesen höchst wichtigen Posten behält, <weil er wirklich gar zu dumm ist>; da er aber schon lange wünscht mich los zu seyn, so ist wohl freylich überwiegend wahrscheinlich, daß dieß noch eher geschehen wird, als jenes. – Das muß ich denn nun in Geduld <erwarten>. Indessen bleibt mir in jedem Falle meine allerdings gute Stelle und Versorgung; auch ist mir der F.[ürst] M.[etternich] persönlich fortdauernd wohlgewogen. In Wien würde ich vielleicht einen beßern Wirkungskreis haben <als hier>; indessen sehe ich da manche unangenehme Collisionen voraus. Unter andern treibt Genz dorten jetzt einen politischen Obscurantismus von der allerplattesten Art; werde ich nicht gebraucht, so giebt das auf die Länge eine unangenehme Existenz, und werde ich gebraucht, so entgehe ich auch den Collisionen und mancherley Kämpfen nicht. – Am glücklichsten wäre es, wenn sie dort endlich eine ordentliche und tüchtige Akademie der Wißenschaften stifteten; da wäre [5] ich denn ganz an meinem Platz und mir für immer zu einem durchaus guten Verhältniß geholfen. – Persönlich hat der F.[ürst] M.[etternich] alle nöthigen Eigenschaften dazu, er ist auch sehr empfänglich dafür. Aber kaum darf ich Dir, da Du W.[ien] doch auch kennst, hinzusetzen: Wer weiß wie lange das noch dauern kann! – Sonst war es immer mein Lieblingswunsch auch Dich, falls dieß geschähe, für Oesterreich zu gewinnen; so eine Stelle als GeneralSecretär an einer solchen Akademie (denn an großen <und neuen> Ideen dazu sollen sie, wenn sie mich hören, keinen Mangel leiden) das wäre der rechte eigentliche Platz für Dich. – Indessen bin ich nun so auch zufrieden, wenn wir Dich nur erst wieder in Deutschland haben. Nun noch Einiges von den zahllosen kleinen litterarischen Neuigkeiten und Merkwürdigkeiten, die ich übrigens für das <nächste> Zusammenkommen, was ich nun schon für gewiß ansehe, aufspare; besonders eines, was Dir wenn Du den Sommer nach der Schweiz gehst, nützlich seyn könnte. Wie das junge Volk unterdessen über das Niebelungenlied hergefallen ist, wirst Du wohl im Allgemeinen erfahren haben; Dr. Göttling (der Dich doch übrigens in hohen Ehren citirt) macht aus den Nibelungen Ghibellinen, hie und da fällt er ins „Grimm“ige mit seinen Combinationen und Etymologieen; doch ist einiges allerdings historisch auffallend und sehr zu erwägen. Ein [6] andrer, Lachmann, hat sich zum Wolf und Chorizonten an unsrem deutschen Epos aufgeworfen; doch ist <auch> hier manches über das Verhältniß der Handschriften merkwürdig. Von den Handschriften selbst, folgendes; die von Hundeshagen (Bibliothekar in Wießbaden) habe ich noch nicht gesehen, obwohl ich diesen <letzten> Sommer in Wießbaden war; der Mensch ist mir zuwider, die Handschrift selbst, von der man nicht recht weiß, wie sie an ihn gekommen, ist in üblem Zustande, auf einzelnen, abgerißnen, Pergamentblättern. Hagen, (der bloße alte) kam den Sommer durch Wießbaden wo ich ihn sah; Du erinnerst Dich noch, daß in unserm neu gefundnen Ambraser Niebelungen und HeldenbuchCodex zu Wien ein großes Gedicht im Niebel.[ungen]-Sylbenmaaße vorhanden ist, unter dem Nahmen Chautrumb; da war nun Hagen gleich fertig, eine Gudruna draus zu machen, mit welchem Grunde das werde ich bald sehen, wenn ich wieder nach Wien komme. – Diejenige Handschrift, welche im Winter 1812–1813 zu Wien (im Besitz eines Hrn. Frikkart) zum Verkauf ausgeboten wurde und die ich so gern für Dich erstanden <hätte>, ist jetzt ganz in Deiner Nähe. Es hat sie ein Baron von Laßberg gekauft, k. k. Kammerherr, Freund und politischer Geschäftsführer der Fürstin von Fürstenberg, mit welcher er zu Wien beym Congreß <war>, wo ich beyde sehr oft gesehn und ihn sehr gut gekannt habe. Er besitzt [7] ein kleines Gut in der Schweiz, wo er sich wohl <den> Sommer mehrentheils aufhält, in der Nähe des Bodensees an der Schwabengränze. <Den Nahmen des Guts weiß ich nicht;> Du kannst aber, wenn Du ihm schreiben wolltest, nur nach Donaueschingen schreiben, bey der <verwittweten> Fürstin v. Fürstenberg; so trifft es ihn gewiß. Das M[anu] scr[i]pt wird er wohl nebst seiner <schönen> Bibliothek auf seinem Schweizer Gütchen haben; vielleicht kannst Du ihn dort besuchen, in jedem Falle wird er sehr bereitwillig seyn. Bezieh Dich nur auf <mich>. – Ich schreibe Dir das alles so weitläuftig, weil ich glaube, es könnte das nützlich und lieb seyn. – Du solltest Deine Rückkehr nach Deutschland nur mit einer ordentlichen Ausgabe der Nibelungen (die wir immer noch nicht haben) eröffnen, nach Deinem ersten Plane der praktischen Brauchbarkeit für das Lesbare; ohne unnütze Pracht für den Anfang; und <dadurch> den kleinen kritischen Feldmäusen der neuesten Zeit <die sich so läufig damit machen> den großen alten Fund wieder aus den Zähnen rükken. Nun Gott befohlen. Danke dem Herrn Raynouard, dessen ich mich sehr wohl erinnere, auf das beste für sein überschicktes Werk; desgleichen danke bestens und empfiehl mich dem trefflichen Chezy. Grüße auch von mir den Hrn A. W. de Schlegel [8] und sage ihm, daß es gar nicht freundlich von ihm sey, daß er mir seine Gemähldebeschreibung, ja sogar die neue Ausgabe seiner dramatischen Vorlesungen nicht geschickt habe, da wir doch sonst in so gutem litterarischen Vernehmen mit einander gestanden. Um das erste Werk zu kaufen, bin ich in der That viel zu arm; mit der SanskritGrammatik vorigen Winter das war ein gewaltiger Exceß; und auch die neue Ausgabe der dramat.[ischen] Vorles.[ungen] werde ich in Ruhe abwarten, bis ich sie erhalte. – Nun bester Bruder, ich hoffe recht bald von Dir über die nächsten Plane und Entscheidungen zu hören. Meine Frau dankt für Dein freundschaftliches Andenken. Es geht uns übrigens so ganz lindleidlich. – Dein Dich liebender Bruder Friedrich

Das M[anu]scr[ipt] hatte Karl noch nicht geschickt.
[1] Frankfurt, den 21ten Februar 1818.
Geliebter Bruder!
Du kannst Dir gar keine Vorstellung davon machen, welchen lebhaften Antheil ich an Deinen Unterhandlungen mit Pr.[eußen] nehme, denen ich den glücklichsten Fortgang wünsche, und wie groß meine Freude ist über Deine Rückkehr nach Deutschland, die ich nun als gewiß ansehe. – Sehr schön wäre es, wenn Du etwa am gerathensten finden solltest, Deinen Traktat mit dem Fürsten Hardenb.[erg] selbst abzuschließen und desfalls nach Coblenz und Engers, mithin ohne Zweifel auch hieher kämst. Herrlich wäre dieß und würde mich für vieles schadlos halten; willst Du bey mir wohnen, so soll mir dieß herzlich willkommen seyn, falls Du es Dir so gefallen laßen willst, wie es bey uns sehr bürgerlich ist; Platz habe ich genug unter den Dächern dieses alten RumpelPalais, aber freylich keinen so eleganten wie Du ihn gewohnt bist. – Ich habe aber auch noch außer diesem Plane (falls er nicht zu Stande kommen sollte) noch mehrere andre Projekte gefaßt, um Dich wieder zu sehen, wonach ich das größte Verlangen und die lebhafteste Sehnsucht trage. Zu diesem Behufe aber bitte ich Dich, mich auf das genaueste von Deinen nächsten Plänen und Vorhaben in Kenntniß zu setzen. Bringst Du den Sommer in der Schweiz zu und kannst Du mich dort aufnehmen, so ist es sehr wahrscheinlich, daß ich Dich dort auf 4 oder 6 Wochen besuchen kann. Denn selbst wenn die Abbe[2]rufung noch vor dem Sommer erfolgen sollte, zieht es sich bis zur wirklichen Rückkehr noch länger hin und es kann nach Beschaffenheit der Umstände leicht der Fall eintreten, daß ich für noch einige Monathe Urlaub begehre; wenn nähmlich der Fürst M[etternich] selbst hier herauskömmt zum MonarchenCongreß, so ist alsdann mein Aufenthalt in W.[ien] während des Sommers, wo er ohnehin nicht erfreulich ist, und seiner Abwesenheit vollends ganz zwecklos. Doch hängt alles das freylich nicht von mir ab. – Bist Du in der Schweiz nicht in Coppet, so könnten wir uns vieleicht in Bern treffen und dort ein Paar Wochen zusammen, mit gemeinschaftlicher, nach meinen Umständen sparsam eingerichteter Oekonomie <leben>. – Geht es auf die Art nicht, so benutze ich den ersten Urlaub, den ich erhalten kann, um Dich von Wien aus in Berlin in Deiner neuen häuslichen Einrichtung zu besuchen und ein sechs Wochen bey Dir zu zubringen. – Ich bin übrigens immerfort mit tausend kleinen zersplittrigen Geschäften und Störungen belastet; (Dieß war auch der Fall, da die letzte Gelegenheit durch einen Reisenden, Dir zu schreiben, sich darbot); die das ganze Gemüth hinnehmende Betrachtung der großen Gegenstände der Zeitentwicklung ungerechnet. Nimm nur das Briefschreiben niemals zum Maaßstabe meiner Freundschaft und meines fortdauernden lebhaftesten Antheils. Ich hoffe, wir wollen noch eine Reihe von [3] Jahren recht groß und herrlich auf Deutschland einwirken. Denn wenn wir nun auch an entfernten Punkten stehen, so werde ich doch an allem was Du wirkst und hervorbringst, wie sonst immer den brüderlichsten Antheil nehmen; ich werde dann mich auch schon mit der Politik so abfinden oder herausarbeiten, daß ich auch wieder für die <Deutsche> Wißenschaft und Kunst kräftig wirken kann, und ich hoffe unser Wirken, wenn auch verschiedenartig, soll noch immer im Wesentlichen nach der alten Art im Großen zusammengehen. – Es ist eine Art von Stillstand, eine scheinbare Stockung in der Deutschen Litteratur gewesen, während das politische Treiben alles verschlungen hatte; aber nur eine scheinbare, im Stillen hat sich manches entwickelt und noch mehr vorbereitet zu einer kraftvollen Epoche der herrlichsten Entfaltung; ich halte den jetzigen Moment für besonders glücklich. Ich habe viel beobachtet und glaube jetzt Deutschland nach allen seinen Verhältnißen so zu kennen, wie Wenige; ich könnte Dir unendlich viel darüber schreiben, von allem dem was ich so klar vor mir liegen sehe. Doch muß <dieß> auf das erste brüderliche Wiedersehen verspart bleiben. – Meine Abberufung ist eigentl[ich] noch unentschieden. Du möchtest den Zusammenhang davon wißen, der aber eigentl[ich] unendlich einfach ist. Mein Chef, unser hiesiger <verehrlicher> Gesandter, ist ein völlig imbeciller und dabey höchst eigensinniger Mensch von dem allerwiderwärtigsten Charakter; in Wahrheit, der süßeste Einfaltspinsel, der leicht gefunden [4] werden kann, so weit der Himmel blau ist. Da hilft mir denn die allgemeine Achtung und Freundschaft der 15 oder 16 übrigen Gesandten nicht viel, nachdem es unser Einem auch nie an heimlichen Feinden und Neidern besonders unter den gewöhnlichen <k. k.> Dienstcanaillen fehlt. Aus allem dem ist denn nun ein übles Verhältniß mit dem alten excellenten Simplex entstanden, freylich ist es bloß negativ übel, indem wir uns einander mit aller Höflichkeit und von meiner Seite allerehrerbietigst durchaus nicht um einander bekümmern, <auch wenn es seyn kann, nicht mit einander sprechen>. Das geht denn nun auf die Länge freylich nicht; auf die Länge ist es freyl[ich] auch unmöglich, daß dieser confuseste aller Sterblichen Graubärte diesen höchst wichtigen Posten behält, <weil er wirklich gar zu dumm ist>; da er aber schon lange wünscht mich los zu seyn, so ist wohl freylich überwiegend wahrscheinlich, daß dieß noch eher geschehen wird, als jenes. – Das muß ich denn nun in Geduld <erwarten>. Indessen bleibt mir in jedem Falle meine allerdings gute Stelle und Versorgung; auch ist mir der F.[ürst] M.[etternich] persönlich fortdauernd wohlgewogen. In Wien würde ich vielleicht einen beßern Wirkungskreis haben <als hier>; indessen sehe ich da manche unangenehme Collisionen voraus. Unter andern treibt Genz dorten jetzt einen politischen Obscurantismus von der allerplattesten Art; werde ich nicht gebraucht, so giebt das auf die Länge eine unangenehme Existenz, und werde ich gebraucht, so entgehe ich auch den Collisionen und mancherley Kämpfen nicht. – Am glücklichsten wäre es, wenn sie dort endlich eine ordentliche und tüchtige Akademie der Wißenschaften stifteten; da wäre [5] ich denn ganz an meinem Platz und mir für immer zu einem durchaus guten Verhältniß geholfen. – Persönlich hat der F.[ürst] M.[etternich] alle nöthigen Eigenschaften dazu, er ist auch sehr empfänglich dafür. Aber kaum darf ich Dir, da Du W.[ien] doch auch kennst, hinzusetzen: Wer weiß wie lange das noch dauern kann! – Sonst war es immer mein Lieblingswunsch auch Dich, falls dieß geschähe, für Oesterreich zu gewinnen; so eine Stelle als GeneralSecretär an einer solchen Akademie (denn an großen <und neuen> Ideen dazu sollen sie, wenn sie mich hören, keinen Mangel leiden) das wäre der rechte eigentliche Platz für Dich. – Indessen bin ich nun so auch zufrieden, wenn wir Dich nur erst wieder in Deutschland haben. Nun noch Einiges von den zahllosen kleinen litterarischen Neuigkeiten und Merkwürdigkeiten, die ich übrigens für das <nächste> Zusammenkommen, was ich nun schon für gewiß ansehe, aufspare; besonders eines, was Dir wenn Du den Sommer nach der Schweiz gehst, nützlich seyn könnte. Wie das junge Volk unterdessen über das Niebelungenlied hergefallen ist, wirst Du wohl im Allgemeinen erfahren haben; Dr. Göttling (der Dich doch übrigens in hohen Ehren citirt) macht aus den Nibelungen Ghibellinen, hie und da fällt er ins „Grimm“ige mit seinen Combinationen und Etymologieen; doch ist einiges allerdings historisch auffallend und sehr zu erwägen. Ein [6] andrer, Lachmann, hat sich zum Wolf und Chorizonten an unsrem deutschen Epos aufgeworfen; doch ist <auch> hier manches über das Verhältniß der Handschriften merkwürdig. Von den Handschriften selbst, folgendes; die von Hundeshagen (Bibliothekar in Wießbaden) habe ich noch nicht gesehen, obwohl ich diesen <letzten> Sommer in Wießbaden war; der Mensch ist mir zuwider, die Handschrift selbst, von der man nicht recht weiß, wie sie an ihn gekommen, ist in üblem Zustande, auf einzelnen, abgerißnen, Pergamentblättern. Hagen, (der bloße alte) kam den Sommer durch Wießbaden wo ich ihn sah; Du erinnerst Dich noch, daß in unserm neu gefundnen Ambraser Niebelungen und HeldenbuchCodex zu Wien ein großes Gedicht im Niebel.[ungen]-Sylbenmaaße vorhanden ist, unter dem Nahmen Chautrumb; da war nun Hagen gleich fertig, eine Gudruna draus zu machen, mit welchem Grunde das werde ich bald sehen, wenn ich wieder nach Wien komme. – Diejenige Handschrift, welche im Winter 1812–1813 zu Wien (im Besitz eines Hrn. Frikkart) zum Verkauf ausgeboten wurde und die ich so gern für Dich erstanden <hätte>, ist jetzt ganz in Deiner Nähe. Es hat sie ein Baron von Laßberg gekauft, k. k. Kammerherr, Freund und politischer Geschäftsführer der Fürstin von Fürstenberg, mit welcher er zu Wien beym Congreß <war>, wo ich beyde sehr oft gesehn und ihn sehr gut gekannt habe. Er besitzt [7] ein kleines Gut in der Schweiz, wo er sich wohl <den> Sommer mehrentheils aufhält, in der Nähe des Bodensees an der Schwabengränze. <Den Nahmen des Guts weiß ich nicht;> Du kannst aber, wenn Du ihm schreiben wolltest, nur nach Donaueschingen schreiben, bey der <verwittweten> Fürstin v. Fürstenberg; so trifft es ihn gewiß. Das M[anu] scr[i]pt wird er wohl nebst seiner <schönen> Bibliothek auf seinem Schweizer Gütchen haben; vielleicht kannst Du ihn dort besuchen, in jedem Falle wird er sehr bereitwillig seyn. Bezieh Dich nur auf <mich>. – Ich schreibe Dir das alles so weitläuftig, weil ich glaube, es könnte das nützlich und lieb seyn. – Du solltest Deine Rückkehr nach Deutschland nur mit einer ordentlichen Ausgabe der Nibelungen (die wir immer noch nicht haben) eröffnen, nach Deinem ersten Plane der praktischen Brauchbarkeit für das Lesbare; ohne unnütze Pracht für den Anfang; und <dadurch> den kleinen kritischen Feldmäusen der neuesten Zeit <die sich so läufig damit machen> den großen alten Fund wieder aus den Zähnen rükken. Nun Gott befohlen. Danke dem Herrn Raynouard, dessen ich mich sehr wohl erinnere, auf das beste für sein überschicktes Werk; desgleichen danke bestens und empfiehl mich dem trefflichen Chezy. Grüße auch von mir den Hrn A. W. de Schlegel [8] und sage ihm, daß es gar nicht freundlich von ihm sey, daß er mir seine Gemähldebeschreibung, ja sogar die neue Ausgabe seiner dramatischen Vorlesungen nicht geschickt habe, da wir doch sonst in so gutem litterarischen Vernehmen mit einander gestanden. Um das erste Werk zu kaufen, bin ich in der That viel zu arm; mit der SanskritGrammatik vorigen Winter das war ein gewaltiger Exceß; und auch die neue Ausgabe der dramat.[ischen] Vorles.[ungen] werde ich in Ruhe abwarten, bis ich sie erhalte. – Nun bester Bruder, ich hoffe recht bald von Dir über die nächsten Plane und Entscheidungen zu hören. Meine Frau dankt für Dein freundschaftliches Andenken. Es geht uns übrigens so ganz lindleidlich. – Dein Dich liebender Bruder Friedrich

Das M[anu]scr[ipt] hatte Karl noch nicht geschickt.
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