Werthester Herr Consistorial-Rath!
Ich hatte gehofft, Sie würden auf Ihrer Rückreise durch Jena kommen; da dieß aber nicht geschehen ist, so ist es mir wenigstens sehr erfreulich gewesen, von unserm Freunde Göschen (der eine Nacht und einen Vormittag mit den seinigen bey uns zugebracht hat) zu erfahren, daß Ihnen Ihr Ausflug gut bekommen ist, und daß sich auch Ihre Frau Gemahlin nach den Umständen ziemlich wohl befindet. Wir statten Ihnen zu der glücklichen Vermehrung Ihrer Familie unsern herzlichsten Glückwunsch ab.
Mein Bruder hat uns geschrieben daß er das Vergnügen gehabt, Sie in Berlin zu sehen. Er wird Sie wegen der ihm geliehenen Bücher an mich gewiesen haben, und ich will hiermit seine alte Schuld gut machen. Ich weiß zwar nicht, ob er den Dio Chrysost. auch von Ihnen hat, vermuthe es aber doch. Nun ist doch nichts mehr rückständig?
Hier schicke ich Ihnen wieder drey Bogen von Fiorillo’s Werk, wovon ich nächstens wieder eine Fortsetzung zu erhalten hoffe. Die Artikel von Batoni und Mengs werden Ihnen vielleicht nicht uninteressant seyn. – Sie würden mich verbinden, wenn Sie mir die Bogen die Sie noch haben, zurückschicken wollten: ich brauche Sie (so!) manchmal bey Fortsetzung der Arbeit zum Nachschlagen.
Mit der reichsten Unterhaltung und Belehrung habe ich das erste Heft Ihrer Vasengemählde gelesen, und auch nicht müde werden können, die wenigen dazu gehörigen Kupfer zu betrachten. – Besonders interessant ist mir eine Idee gewesen, die Sie nur in einer Note hingeworfen haben, nämlich von den drey Hauptperioden der Griechischen Kunst: der Jonischen, Dorischen und Attischen. Wenn man die sogenannten etrurischen Vasen für dorische Produkte hält, so ist auf einmahl ihre charakteristische Verschiedenheit von den Denkmählern der Attischen Kunst in Statuen u. s. w. erklärt, und diese Annahme muß auch sonst ergiebig an den wichtigsten Resultaten seyn.
Wir haben hier während Ihrer Abwesenheit einen angenehmen Besuch vom Rittmeister von Funk gehabt, der wenn er nich so isoliert und von Litterarischen Hülfsmitteln entfernt lebte, gewiß noch weit mehr für die Geschichte leisten könnte, als er bis jetzt gethan hat. Er hat große Lust, nach Italien zu gehen, und zwar gerade in dem jetzigen Zeitpunkte, weil er nicht mit artistischen sondern mit historischen und politischen Gesichtspunkten reist; er wußte aber noch nicht, ob er Urlaub erhalten würde.
Meine Frau ist seit ein paar Tagen unpaß an einem Flußfieber. Sie läßt sich bestens empfehlen. Vielleicht habe ich in einigen Wochen einmal das Vergnügen Sie in Weimar zu sehen.
Vergessen Sie uns indessen nicht.
Ganz der Ihrige
A W Schlegel.