• Sophie Bernhardi to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: München · Place of Destination: Coppet · Date: 17.10.1809
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
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    Metadata Concerning Header
  • Sender: Sophie Bernhardi
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: München
  • Place of Destination: Coppet
  • Date: 17.10.1809
  • Notations: Empfangsort erschlossen.
    Printed Text
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: 335973167
  • Bibliography: Krisenjahre der Frühromantik. Briefe aus dem Schlegelkreis. Hg. v. Josef Körner. Bd. 2. Der Texte zweite Hälfte. 1809‒1844. Bern u.a. ²1969, S. 74‒76.
  • Incipit: „[1] München den 17ten Oktbr 1809
    Wir haben gestern mein theurer Freund Ihren Brief vom 6ten erhalten, und ich eile ihn zu [...]“
    Manuscript
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: APP2712-Bd-5
  • Classification Number: Mscr.Dresd.App.2712,B,20,9
  • Number of Pages: 4 S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 22,6 x 18,9 cm
[1] München den 17ten Oktbr 1809
Wir haben gestern mein theurer Freund Ihren Brief vom 6ten erhalten, und ich eile ihn zu beantworten, damit Sie uns nicht einer zu großen Nachlässigkeit beschuldigen, doch hoffe ich Sie werden nun schon einen früheren Brief von mir erhalten haben, der unseren herzlichen Dank enthielt für Ihren Beistand, und auch eine Antwort von Felix welche er mit vieler Mühe geschrieben hat, um Ihnen zu zeigen waß er alles lernt. Da mir mein Bruder Friedrich den Auftrag gegeben hat, so habe ich in seiner Abwesenheit Ihren Brief an ihn geöffnet, und will Ihnen nur kürzlich alles beantworten waß Sie darin fragen, denn ich befinde mich heute so übel daß ich in der That nicht viel schreiben kann.
Wir können München nicht so schnel verlassen als es wohl meiner Gesundheit wegen zu wünschen wäre, weil sich unsere Geschäfte theils sehr verwirt haben, theils meines Bruders Arbeiten sich hier sehr häufen, welche uns alle in der Folge viel Vortheil versprechen, obgleich für den Augenblick geringen, denn er wird wohl alle die Modelle in Marmor zu machen bekommen. Er hat hier Schellings Büste gemacht, die warscheinlich in Gips bleiben wird, und wovon der Bruder keinen Vortheil hat, denn der Prinz hatte sie ehe mein Bruder ankam bei einen andern Bildhauer bestellen wollen, und Schelling hatte [2] ihm gesagt daß mein Bruder sie bei seiner Ankunft ohnehin machen würde. Dies hat der Prinz nun als eine fremde Arbeit des Bruders behandelt, und sich bloß einen Abguß bestelt. Dan hat der Bruder Jakobis Büste gemacht, die ihm für den Augenblick auch nichts einträgt, aber wo nach Hamburg hin mehrere kommen, und die warscheinlich in Marmor gemacht wird. Dan wird er den Minister und seine Frau Portraitieren, und die Büste des Ministers wird warscheinlich einige male in Marmor gemacht werden. Endlich hat ihn der Kronprinz vor einigen Wochen nach Salzburg kommen lassen, wo er auch dessen Büste gemacht hat, die auch in Marmor bestelt ist. Sie sehen also daß es scheint als ob der Himmel sich endlich versöhnen wolte. An dem Bilde für Frau v. Stael hat er schon gearbeitet, und ist nur durch seine Reise nach Salzburg darin unterbrochen worden, ich erwarte ihn jezt jeden Tag zurück, und dan wird er gewiß mit dem grösten Eifer fortfahren.
Bei unserer grossen Unternehmung in Rom mit dem kohlenbrennen hatten sich uns viele Hindernisse in den Weg geworfen, die Sie wohl einsehen werden ohne das ich sie detaillire, doch ist jezt alles glücklich überstanden, und auch das Lezte daß nemlich keine Schiffart an den Küsten möglich war hat sich nun gehoben, und da die ganze Unternehmung für das Land so nüzlich ist, daß die wenigen Waldungen geschüzt werden, wenn aus Torf Kohlen [3] gebrant werden, so wird sie sehr von der Regierung unterstüzt, um so mehr da der Marschal Oudinot Knorring sehr freundschaftlich aufgenommen hat, in Rücksicht auf seinen Bruder, und wir durch diesen sehr gute Empfehlungen bewirckten.
Sie sehen dies sind alles gute Aussichten für die Zukunft, und zwar für eine sehr nahe Zukunft, aber leider ist die Gegenwart immer noch sehr traurig für mich. Knorring ist noch immer in Wien, und dies eine sagt Ihnen schon alles.
Mein Bruder Ludwig hat mir aufgetragen Sie sehr von ihm zu grüßen, und Ihnen zu sagen, daß er zwar jezt noch so gelähmt ist daß er noch nicht arbeiten kann, indeß ist doch nun endlich die Hoffnung daß es besser werden wird, und [er] denckt in sehr kurzer Zeit nach Hause zu reisen, und dort dan gleich seine Arbeiten fortzusetzen, von Loveʼs labour lost ist in der That mehr als die Hälfte fertig, und er bittet Sie ihm zu melden welche Vorschläge Sie ihm darüber machen wollen.
Wenn mein Bruder Friedrich zurück komt wird er ohne Frage sogleich die Zeichnungen an Madame Unger schicken, und Ihnen auch gewiß gleich melden, wenn er mit der Zeichnung für Fr[au] v Stael fertig zu sein hofft.
Ich bitte Sie mein theurer Freund mir zu schreiben wie lange Sie gewiß noch in der Schweitz bleiben, ich kann es mir nicht denken, daß Sie eine weite Reise antre[4]ten solten ohne daß ich Sie noch einmal wiedergesehen hätte, den[n] es ist sehr möglich daß wir uns nach Ihrer Reise nicht mehr sehen. Meine Gesundheit ist durch manchen Gram besonders durch den Verlust meines Kindes in der Wurzel zerstöhrt, und wenn mir nicht Italiens milder Himmel hilft kann ich mit Gewißheit sagen, daß ich nicht mehr lange leben werde. Ich werde also dan auf jeden Fall meine Reise so einrichten daß ich Sie noch einmal sehe.
Wie schnel vergänglich das menschliche Leben ist hat sich mir von neuen aufgedrängt. Sie werden es wohl schon wissen daß Caroline gestorben ist wie sie mit Schelling eine Reise zu seinen Eltern machte. Ich darf also nicht befürchten daß ich Ihnen wehe thue mit der Erwähnung. Leben Sie wohl mein theurer Freund, erhalten Sie mir immer die Liebe eines Bruders, und theilen Sie so meine Hoffnungen und Sorgen, sein Sie glücklich wie Ihr edles Gemüth es verdient. Leben Sie wohl.
Ihre
aufrichtige
Freundin
S[ophie] Tieck
[1] München den 17ten Oktbr 1809
Wir haben gestern mein theurer Freund Ihren Brief vom 6ten erhalten, und ich eile ihn zu beantworten, damit Sie uns nicht einer zu großen Nachlässigkeit beschuldigen, doch hoffe ich Sie werden nun schon einen früheren Brief von mir erhalten haben, der unseren herzlichen Dank enthielt für Ihren Beistand, und auch eine Antwort von Felix welche er mit vieler Mühe geschrieben hat, um Ihnen zu zeigen waß er alles lernt. Da mir mein Bruder Friedrich den Auftrag gegeben hat, so habe ich in seiner Abwesenheit Ihren Brief an ihn geöffnet, und will Ihnen nur kürzlich alles beantworten waß Sie darin fragen, denn ich befinde mich heute so übel daß ich in der That nicht viel schreiben kann.
Wir können München nicht so schnel verlassen als es wohl meiner Gesundheit wegen zu wünschen wäre, weil sich unsere Geschäfte theils sehr verwirt haben, theils meines Bruders Arbeiten sich hier sehr häufen, welche uns alle in der Folge viel Vortheil versprechen, obgleich für den Augenblick geringen, denn er wird wohl alle die Modelle in Marmor zu machen bekommen. Er hat hier Schellings Büste gemacht, die warscheinlich in Gips bleiben wird, und wovon der Bruder keinen Vortheil hat, denn der Prinz hatte sie ehe mein Bruder ankam bei einen andern Bildhauer bestellen wollen, und Schelling hatte [2] ihm gesagt daß mein Bruder sie bei seiner Ankunft ohnehin machen würde. Dies hat der Prinz nun als eine fremde Arbeit des Bruders behandelt, und sich bloß einen Abguß bestelt. Dan hat der Bruder Jakobis Büste gemacht, die ihm für den Augenblick auch nichts einträgt, aber wo nach Hamburg hin mehrere kommen, und die warscheinlich in Marmor gemacht wird. Dan wird er den Minister und seine Frau Portraitieren, und die Büste des Ministers wird warscheinlich einige male in Marmor gemacht werden. Endlich hat ihn der Kronprinz vor einigen Wochen nach Salzburg kommen lassen, wo er auch dessen Büste gemacht hat, die auch in Marmor bestelt ist. Sie sehen also daß es scheint als ob der Himmel sich endlich versöhnen wolte. An dem Bilde für Frau v. Stael hat er schon gearbeitet, und ist nur durch seine Reise nach Salzburg darin unterbrochen worden, ich erwarte ihn jezt jeden Tag zurück, und dan wird er gewiß mit dem grösten Eifer fortfahren.
Bei unserer grossen Unternehmung in Rom mit dem kohlenbrennen hatten sich uns viele Hindernisse in den Weg geworfen, die Sie wohl einsehen werden ohne das ich sie detaillire, doch ist jezt alles glücklich überstanden, und auch das Lezte daß nemlich keine Schiffart an den Küsten möglich war hat sich nun gehoben, und da die ganze Unternehmung für das Land so nüzlich ist, daß die wenigen Waldungen geschüzt werden, wenn aus Torf Kohlen [3] gebrant werden, so wird sie sehr von der Regierung unterstüzt, um so mehr da der Marschal Oudinot Knorring sehr freundschaftlich aufgenommen hat, in Rücksicht auf seinen Bruder, und wir durch diesen sehr gute Empfehlungen bewirckten.
Sie sehen dies sind alles gute Aussichten für die Zukunft, und zwar für eine sehr nahe Zukunft, aber leider ist die Gegenwart immer noch sehr traurig für mich. Knorring ist noch immer in Wien, und dies eine sagt Ihnen schon alles.
Mein Bruder Ludwig hat mir aufgetragen Sie sehr von ihm zu grüßen, und Ihnen zu sagen, daß er zwar jezt noch so gelähmt ist daß er noch nicht arbeiten kann, indeß ist doch nun endlich die Hoffnung daß es besser werden wird, und [er] denckt in sehr kurzer Zeit nach Hause zu reisen, und dort dan gleich seine Arbeiten fortzusetzen, von Loveʼs labour lost ist in der That mehr als die Hälfte fertig, und er bittet Sie ihm zu melden welche Vorschläge Sie ihm darüber machen wollen.
Wenn mein Bruder Friedrich zurück komt wird er ohne Frage sogleich die Zeichnungen an Madame Unger schicken, und Ihnen auch gewiß gleich melden, wenn er mit der Zeichnung für Fr[au] v Stael fertig zu sein hofft.
Ich bitte Sie mein theurer Freund mir zu schreiben wie lange Sie gewiß noch in der Schweitz bleiben, ich kann es mir nicht denken, daß Sie eine weite Reise antre[4]ten solten ohne daß ich Sie noch einmal wiedergesehen hätte, den[n] es ist sehr möglich daß wir uns nach Ihrer Reise nicht mehr sehen. Meine Gesundheit ist durch manchen Gram besonders durch den Verlust meines Kindes in der Wurzel zerstöhrt, und wenn mir nicht Italiens milder Himmel hilft kann ich mit Gewißheit sagen, daß ich nicht mehr lange leben werde. Ich werde also dan auf jeden Fall meine Reise so einrichten daß ich Sie noch einmal sehe.
Wie schnel vergänglich das menschliche Leben ist hat sich mir von neuen aufgedrängt. Sie werden es wohl schon wissen daß Caroline gestorben ist wie sie mit Schelling eine Reise zu seinen Eltern machte. Ich darf also nicht befürchten daß ich Ihnen wehe thue mit der Erwähnung. Leben Sie wohl mein theurer Freund, erhalten Sie mir immer die Liebe eines Bruders, und theilen Sie so meine Hoffnungen und Sorgen, sein Sie glücklich wie Ihr edles Gemüth es verdient. Leben Sie wohl.
Ihre
aufrichtige
Freundin
S[ophie] Tieck
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