• Friedrich von Schlegel to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Paris · Place of Destination: Berlin · Date: 26.03.1804
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
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    Metadata Concerning Header
  • Sender: Friedrich von Schlegel
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Paris
  • Place of Destination: Berlin
  • Date: 26.03.1804
  • Notations: Empfangsort erschlossen.
    Printed Text
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: 335976727
  • Bibliography: Krisenjahre der Frühromantik. Briefe aus dem Schlegelkreis. Hg. v. Josef Körner. Bd. 1. Der Texte erste Hälfte. 1791‒1808. Bern u.a. ²1969, S. 65‒69.
  • Weitere Drucke: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Bd. 26. Dritte Abteilung: Briefe von und an Friedrich und Dorothea Schlegel. Pariser und Kölner Lebensjahre (1802‒1808). Erster Teil Juni 1802 ‒ Dezember 1805). Mit Einleitung und Kommentar hg. v. Hans Dierkes. Paderborn 2018, S. 171‒176.
  • Incipit: „[1] Paris den 26ten März 1804.
    Herzlich geliebter Bruder, welche Wohlthat Du mir durch Deinen langen Brief erzeigt hast, kann ich Dir [...]“
    Manuscript
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: APP2712-Bd-8
  • Classification Number: Mscr.Dresd.App.2712,B,I,13
  • Number of Pages: 12 S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 18,7 x 11,3 cm
[1] Paris den 26ten März 1804.
Herzlich geliebter Bruder, welche Wohlthat Du mir durch Deinen langen Brief erzeigt hast, kann ich Dir gar nicht sagen, und wie sehr ich Dir dankbar dafür bin. Ich muß mir aber noch für eine Zeitlang das Vergnügen versagen, ihn eben so umständlich zu beantworten, und werde mich heute bloß auf den einen Punkt beschränken der mir der wichtigste von allen ist. Der Schluß Deines Briefs giebt mir Hoffnung, daß wir hier noch zusammen sein könnten; der Graf Platen sagte mir das gleiche, und da ich eben einen Brief von Karl erhalte mit der Nachricht, daß Du nach Hannover kommen werdest, so glaube ich vielleicht thörichterweise auch darin die Bestätigung meines höchsten Wunsches zu sehen, da Dich dann der Weg leicht über P.[aris] führen würde.
Zunächst also von allem, was darauf Bezug hat. Ich bin im Begriff eine Reise an den Rhein zu machen, zunächst nach Kölln, (wohin ich Dich beiläufig Deine Briefe zu addressiren bitte, unter der Addresse; bei HE. Sulpicius Boisserée. Wenn Du mir auf gegenwärtiges mit umgehender Post antwortest, so kann es mich noch hier treffen, sonst bitte ich [2] es gleichfalls dahin zu richten.) Dort werdʼ ich einen Theil des Frühjahrs zubringen; bis jezt ist es mein Entschluß auf den Sommer hieher zurückzukehren, und würde es unabänderlich sein, wenn Du Deine Einrichtungen gemacht hast, diesen Sommer nach P.[aris] zu kommen. Ist dieß aber nicht der Fall, so könnte es, besonders wenn die Gefahr des Krieges zur Gewißheit wird, leicht sein, daß ich den ganzen Sommer dort am Rheine bliebe. – So wenig die öffentlichen Begebenheiten den ruhigen Gelehrten eigentlich angehen, so ist doch nicht zu läugnen, daß jezt eher die Zeit ist von hier weg zu gehen als herzukommen, wenn es nur wegen der Theurung wäre. Doch das trift freilich den Einzelnen weniger; wohl aber, daß man in solcher Zeit als Fremder doch nicht so frei und leicht hier lebt als in Zeiten der Ruhe und des Friedens. – Ich setze voraus, daß Du auf einige Monate (nicht weniger als 3 hoffe ich) hieher kommen willst, und dazu mußt Du durchaus Sommermonate nehmen; es ist jezt nur die Frage, ob Du den Sommer 1804 oder 1805 dazu bestimmt hast; in beiden Fällen lebe ich mit [3] Dir zusammen hier; denn bleibe ich diesen Sommer am Rhein, so muß ich um so mehr den nächsten nothwendig hier sein, da für die indischen Arbeiten der Sommer bei weitem wichtiger und brauchbarer ist als der Winter. Hast Du nun aber einmal Deine Einrichtung auf den bevorstehenden Sommer 1804 gemacht, und bricht der Krieg nicht gar zu schnell und allgemein aus, so gehe ich auch wieder zurück und wir leben hier zusammen, wie ich hoffe mit dem reichsten Nutzen für uns beide und auch zur herzlichen Freude. In litterarischer oder vielmehr gelehrter Rücksicht bin ich jezt vollkommen orientirt hier und hoffe Dir nützlich sein zu können. – Laß mich nur bald bald wissen, was Dein Entschluß ist, und was ich hoffen darf! Mir schlägt das Herz bei der Aussicht Dich wieder zu sehen.
Seit ich meinen Aufenthalt in Paris nicht mehr als so ganz unbeschränkt ansehe, bin ich dergestalt theils mit einigen restirenden Arbeiten theils aber auch besonders mit Indischen Copien beschäftigt, daß Du auch um des willen Nachsicht mit mir haben mußt, wenn [4] ich Deinen Brief heute nicht nach Würden beantworten kann, und daß ich auch in Rücksicht des Athenäums noch um einige Frist bitten muß.
Das 4te Stück der Europa hat mich W.[ilmans] dringend gebeten erst zu Ostern erscheinen zu lassen; ich habe mich mit ihm freundschaftlich auseinandergesezt, denn schon der Druckfehler wegen ists mir unmöglich, es länger mit anzusehen. Die Europa muß künftig unter Deinen oder unter meinen Augen gedruckt werden. Ich bitte Dich daher, dem Reimer nun ernste Vorschläge deshalb zu machen, und bestimmte Antwort von ihm zu fodern; ich schreibe ihm auch, und bitte daß Du alles nach Belieben mit ihm abredest und entscheidest. – Wenn Du mir Beiträge von Hülsen und Steffens schafftest, das wäre herrlich, und ich danke Dir von Herzen für Deine Fürsprache. Fortgehen thut die Europa auf jeden Fall auch wenn R.[eimer] nicht will; es hat mir schon ein andrer Vorschläge gethan, dem ich aber aus andern Rücksichten noch das Jawort nicht habe geben wollen.
Mit Deinem Aufsatz hast Du mir ein herrliches Geschenk gemacht. Das muß auch sehr allgemein wirken. Wenn die andern Freunde nur auch etwas thäten! – Der Aufsatz über Theater [5] ist ganz und gar von Arnim; es freut mich sehr daß Du nicht unzufrieden damit warst.
Sehr freundschaftlich von Dir ist es, daß Du mir Deinen Aufsatz in den jetzigen schlimmen Zeitläuften nicht anrechnen willst. – Deine Aufträge wegen spanischer Bücher will ich besorgen so viel es mir nur irgend möglich ist. – Einige der kleinern Sachen die Du wünschest aber sind nicht hier. – HE Manoël hat mir seine sämtlichen Werke für HE Pinheiro gegeben zur Besorgung, die freilich auf Gelegenheit warten muß. Er selbst hat gar keine Portugiesischen Bücher, wohl aber hat er mir eine sehr gute Notiz der besten Dichter gegeben.
Von den Blumensträußen hat mir Platen ein Exemplar mitgebracht, aber ohne die Kupfer; von Tiecks Minnesingern habʼ ich noch kein Exemplar erhalten, habe aber durch einen Freund eines gesehen; (aber leider mich schlecht daran erbaut; ich begreife in der That gar nicht wie er, da er sonst das Altdeutsche so liebte, diese schönen Lieder so ganz schonungslos tot modernisiren und verstümmeln können.) Kömmt etwas von Dir heraus zu Ostern von Calderon, Shakespear oder sonst, so bitte ich flehentlich es gleich nach Kölln [6] zu schicken; desgleichen wenn etwas erschienen ist, von Tieck, vor allen Dingen aber bitte ich dasselbe, wenn wie Du schreibst von Fichte zu Ostern etwas erscheint. Von Hardenbergs Werken bei Unger ist ja ohnehin wohl 1 Exemplar für mich bestimmt. Ich rechne auf Deine gütige Versorgung auch wenn etwas von Steffens herauskömmt. – Was von Goethe erscheint, erhalte ich hier doch; bin aber von der Eugenia nicht sehr erbaut. Sie schillert mehr als ich es je für möglich gehalten, so wie hingegen die Braut von Messina mir so sehr brentanisch zu sein scheint, daß Brentano selber es nicht mehr sein kann. Kennst Du die französischen Memoiren, aus denen Goethe die Eugenia genommen hat? – Die Person lebet noch – wird auch wohl eben so unbefangen fortleben als Don Clavijo immer noch thut.
Deine Blumensträuße haben meinen ganzen Beifall; doch das versteht sich von selbst, ich konnte nur auf die Auswahl begierig sein, da Deine Kunst nicht nur sondern auch die Art derselben so vollendet ist. Schellings neue Sachen habʼ ich gelesen. In den physikalischen ist immer manches Gute und vieles [7] Schlechte, vermuthlich weil das erste selten von ihm ist. Seine Methodenlehre finde ich unverschämt genug, daß er nämlich nicht wenigstens ⅔ des Honorars an uns gesandt hat. Doch hättʼ ich es mir auch lieber verboten; ich liebe das Athenäum mehr in seiner alten Gestalt, als in dieser akademischen Steifheit. Er ist nun einmahl an das Stehlen gewohnt, und bildet sich vielleicht am Ende selbst ein daß dieses seine Gedanken seien. Noch eckelhafter jedoch sind mir die Hegeleien. – Schwerlich werde ich von diesem Menschen je etwas wieder lesen; die Zeit wird mir immer kostbarer.
Von Steffens sind unstreitig die größten Dinge zu erwarten. Treibe ihn nur recht zum Bruno; sehr lieb wärʼ mir das für die Europa. Hast Du nichts von seinem dänischen Werk über Philosophie gehört? –
Schützen grüsse ich herzlich. Sind seine kirchenhistorischen Studien schon zu Gedanken wenn gleich nur fragmentarischen, und diese [8] zur schriftlichen Aufzeichnung gediehen, so soll er mir etwas für die Europa davon geben. Es wird ganz herrlich dahin passen, nach der Richtung die diese im nächsten Bande nehmen soll.
Mit dem Niebelungenliede war es gar nicht so übel gemeint, auch hat es noch nicht solche Eil damit. Eine kritische Ausgabe wie Du sie verlangst, wäre freilich das beste. Nur würde freilich jezt eine Collationirung der Handschriften zu HohenEms und St. Gallen schwerlich zu erlangen sein, selbst mit grossen Kosten. – Was Tieck von Uebersetzung des Gedichts schreibt, so weiß ich gar nicht was er damit meint, und ist das mir nie in den Sinn gekommen. Ich wollte bloß eine leidliche Edition besorgen wie sie ohne jene kritische Collation sein kann, und wodurch diese vielleicht möglich gemacht würde. Ich wünschte diese Arbeit, um mich wieder mit der Poesie zu befreunden; gelesen habʼ ich das Gedicht hier viel. – Kömmt [9] es noch einmal dazu, so rechne ich sehr auf Deinen Rath; lebten wir beisammen, so wärʼ es eine gemeinschaftliche Arbeit. Aber Du bist schon nur allzusehr durch den Calderon und Shakespear von eignen Arbeiten abgehalten. Für den Tristan wär es herrlich, wenn Du einige Zeit hier wärst. – Ich hoffe der alte Roman von Merlin soll Dir merkwürdig sein, von dem meine Frau jezt eine abgekürzte Uebersetzung macht; nach dem was ich davon weiß, halte ichs für eine der schönsten Dichtungen des Mittelalters. Es ist in Rücksicht der Ironie der ältere Don Quixote.
Schreibe mir doch ein kräftiges Wort von der neuen Zeitung. Arbeitest Du daran? und auch Schleiermacher? – Ich möchte mich wohl für Persische und besonders Indische Litteratur, Sprachkunde und Geschichte anbieten, wenn ich wüßte daß es zweckmäßig sein könnte.
Wie ist Müller in Berlin? Hat er noch die alte Schwäche gegen den elenden Woltmann?
[10] Damit Du nicht denkst, daß ich unnütze Geheimnisse vor Dir habe, melde ich Dir, daß jezt bei Mahlmann von mir eine Auswahl von Lessing in 3 Bänden mit durchgängiger Einleitung und Commentar von mir erscheint. Ich wollte Dich eigentlich damit überraschen; auch habʼ ich so manches angekündigt, was nachher nicht erschienen ist, daß ich es mir zum Gesetz gemacht, künftig ganz den entgegen gesezten Weg einzuschlagen. – Ich habe das Ganze an Fichte dedicirt; ich bitte Dich aber schlechterdings an niemand ein Wort davon zu sagen, bis das Buch selbst in Berlin ist. – Das ganze Manuscript ging schon im September von hier ab, und zwei Bände müssen seit geraumer Zeit gedruckt [sein]; nachgehends aber, habe ich mich auf Mahlmanns Vorstellung wegen einer Nebenrücksicht für den 3ten Theil noch zu einer Zugabe verstanden, die leider während dem unruhigen Winter noch nicht ganz vollendet ist. Vielleicht erhältst Du also das Werk doch erst nach der [11] Messe, da es Mahlmann nur zusammen ausgeben will.
Grüsse herzlich von mir alle Freunde, Schütz, beide Bernhardiʼs, Fichte und wer sich sonst meiner erinnert. Ich umarme Dich von Herzensgrunde.
Friedrich S.[chlegel]

Meine Frau grüßt vielmahls. Ist von Bernhardi oder von Sophie etwas erschienen, so bitte ich meiner eingedenk zu sein. Desgleichen in Rücksicht der Tieckschen Minnelieder, so wenig ich auch davon erbaut; das Exemplar was ich so sah, war leider ohne Vorrede, und so kenne ich wohl nicht, was vermuthlich das beste am ganzen Werke sein mag. Wollte Tieck einmal einen Aufsatz über das Niebelungenlied oder über Altdeutsche und Nordische Poesie überhaupt für die Europa machen, das würde mir sehr lieb sein.
[12] Die Zurücknahme seiner musikalischen Gedichte verstehe ich immer weniger, je mehr Du sie mir erklärst. Was ist denn die Absicht dieser schönen Fräulein? Wollen sie diesen Dichter als ihren gräflichen Privatfinker wirklich ganz und gar für sich allein behalten?

Sollte irgend jemand aus Jena wie Paulus bei Dir nach meiner Addresse fragen, so weise sie nur alle an Mahlmann in Leipzig. – Dieser hat darin sehr gegen mich gefehlt, da er mir zugesagt hatte das zu diesem Zweck bestimmte Geld Michaelis schon an Vermehren zu schicken, daß er mir nach dessen Tode nicht gleich gemeldet, daß es nun noch nicht besorgt sei.
Willst Du mir wohl die Freundschaft erzeigen, den Brief an Schleiermacher aufs schnellste zu befördern? – Ich rechne auf Deine Nachsicht wegen der vielen Einlagen, aber Schleiermachers Addresse weiß ich nicht, und was Reimer betrift so wollte ich gern daß Du bei Uebergebung meines Briefs gleich mit ihm abredest.
Mit großer Freude sehe ich aus der Zeitung daß der Shakespear fortgeht.
[1] Paris den 26ten März 1804.
Herzlich geliebter Bruder, welche Wohlthat Du mir durch Deinen langen Brief erzeigt hast, kann ich Dir gar nicht sagen, und wie sehr ich Dir dankbar dafür bin. Ich muß mir aber noch für eine Zeitlang das Vergnügen versagen, ihn eben so umständlich zu beantworten, und werde mich heute bloß auf den einen Punkt beschränken der mir der wichtigste von allen ist. Der Schluß Deines Briefs giebt mir Hoffnung, daß wir hier noch zusammen sein könnten; der Graf Platen sagte mir das gleiche, und da ich eben einen Brief von Karl erhalte mit der Nachricht, daß Du nach Hannover kommen werdest, so glaube ich vielleicht thörichterweise auch darin die Bestätigung meines höchsten Wunsches zu sehen, da Dich dann der Weg leicht über P.[aris] führen würde.
Zunächst also von allem, was darauf Bezug hat. Ich bin im Begriff eine Reise an den Rhein zu machen, zunächst nach Kölln, (wohin ich Dich beiläufig Deine Briefe zu addressiren bitte, unter der Addresse; bei HE. Sulpicius Boisserée. Wenn Du mir auf gegenwärtiges mit umgehender Post antwortest, so kann es mich noch hier treffen, sonst bitte ich [2] es gleichfalls dahin zu richten.) Dort werdʼ ich einen Theil des Frühjahrs zubringen; bis jezt ist es mein Entschluß auf den Sommer hieher zurückzukehren, und würde es unabänderlich sein, wenn Du Deine Einrichtungen gemacht hast, diesen Sommer nach P.[aris] zu kommen. Ist dieß aber nicht der Fall, so könnte es, besonders wenn die Gefahr des Krieges zur Gewißheit wird, leicht sein, daß ich den ganzen Sommer dort am Rheine bliebe. – So wenig die öffentlichen Begebenheiten den ruhigen Gelehrten eigentlich angehen, so ist doch nicht zu läugnen, daß jezt eher die Zeit ist von hier weg zu gehen als herzukommen, wenn es nur wegen der Theurung wäre. Doch das trift freilich den Einzelnen weniger; wohl aber, daß man in solcher Zeit als Fremder doch nicht so frei und leicht hier lebt als in Zeiten der Ruhe und des Friedens. – Ich setze voraus, daß Du auf einige Monate (nicht weniger als 3 hoffe ich) hieher kommen willst, und dazu mußt Du durchaus Sommermonate nehmen; es ist jezt nur die Frage, ob Du den Sommer 1804 oder 1805 dazu bestimmt hast; in beiden Fällen lebe ich mit [3] Dir zusammen hier; denn bleibe ich diesen Sommer am Rhein, so muß ich um so mehr den nächsten nothwendig hier sein, da für die indischen Arbeiten der Sommer bei weitem wichtiger und brauchbarer ist als der Winter. Hast Du nun aber einmal Deine Einrichtung auf den bevorstehenden Sommer 1804 gemacht, und bricht der Krieg nicht gar zu schnell und allgemein aus, so gehe ich auch wieder zurück und wir leben hier zusammen, wie ich hoffe mit dem reichsten Nutzen für uns beide und auch zur herzlichen Freude. In litterarischer oder vielmehr gelehrter Rücksicht bin ich jezt vollkommen orientirt hier und hoffe Dir nützlich sein zu können. – Laß mich nur bald bald wissen, was Dein Entschluß ist, und was ich hoffen darf! Mir schlägt das Herz bei der Aussicht Dich wieder zu sehen.
Seit ich meinen Aufenthalt in Paris nicht mehr als so ganz unbeschränkt ansehe, bin ich dergestalt theils mit einigen restirenden Arbeiten theils aber auch besonders mit Indischen Copien beschäftigt, daß Du auch um des willen Nachsicht mit mir haben mußt, wenn [4] ich Deinen Brief heute nicht nach Würden beantworten kann, und daß ich auch in Rücksicht des Athenäums noch um einige Frist bitten muß.
Das 4te Stück der Europa hat mich W.[ilmans] dringend gebeten erst zu Ostern erscheinen zu lassen; ich habe mich mit ihm freundschaftlich auseinandergesezt, denn schon der Druckfehler wegen ists mir unmöglich, es länger mit anzusehen. Die Europa muß künftig unter Deinen oder unter meinen Augen gedruckt werden. Ich bitte Dich daher, dem Reimer nun ernste Vorschläge deshalb zu machen, und bestimmte Antwort von ihm zu fodern; ich schreibe ihm auch, und bitte daß Du alles nach Belieben mit ihm abredest und entscheidest. – Wenn Du mir Beiträge von Hülsen und Steffens schafftest, das wäre herrlich, und ich danke Dir von Herzen für Deine Fürsprache. Fortgehen thut die Europa auf jeden Fall auch wenn R.[eimer] nicht will; es hat mir schon ein andrer Vorschläge gethan, dem ich aber aus andern Rücksichten noch das Jawort nicht habe geben wollen.
Mit Deinem Aufsatz hast Du mir ein herrliches Geschenk gemacht. Das muß auch sehr allgemein wirken. Wenn die andern Freunde nur auch etwas thäten! – Der Aufsatz über Theater [5] ist ganz und gar von Arnim; es freut mich sehr daß Du nicht unzufrieden damit warst.
Sehr freundschaftlich von Dir ist es, daß Du mir Deinen Aufsatz in den jetzigen schlimmen Zeitläuften nicht anrechnen willst. – Deine Aufträge wegen spanischer Bücher will ich besorgen so viel es mir nur irgend möglich ist. – Einige der kleinern Sachen die Du wünschest aber sind nicht hier. – HE Manoël hat mir seine sämtlichen Werke für HE Pinheiro gegeben zur Besorgung, die freilich auf Gelegenheit warten muß. Er selbst hat gar keine Portugiesischen Bücher, wohl aber hat er mir eine sehr gute Notiz der besten Dichter gegeben.
Von den Blumensträußen hat mir Platen ein Exemplar mitgebracht, aber ohne die Kupfer; von Tiecks Minnesingern habʼ ich noch kein Exemplar erhalten, habe aber durch einen Freund eines gesehen; (aber leider mich schlecht daran erbaut; ich begreife in der That gar nicht wie er, da er sonst das Altdeutsche so liebte, diese schönen Lieder so ganz schonungslos tot modernisiren und verstümmeln können.) Kömmt etwas von Dir heraus zu Ostern von Calderon, Shakespear oder sonst, so bitte ich flehentlich es gleich nach Kölln [6] zu schicken; desgleichen wenn etwas erschienen ist, von Tieck, vor allen Dingen aber bitte ich dasselbe, wenn wie Du schreibst von Fichte zu Ostern etwas erscheint. Von Hardenbergs Werken bei Unger ist ja ohnehin wohl 1 Exemplar für mich bestimmt. Ich rechne auf Deine gütige Versorgung auch wenn etwas von Steffens herauskömmt. – Was von Goethe erscheint, erhalte ich hier doch; bin aber von der Eugenia nicht sehr erbaut. Sie schillert mehr als ich es je für möglich gehalten, so wie hingegen die Braut von Messina mir so sehr brentanisch zu sein scheint, daß Brentano selber es nicht mehr sein kann. Kennst Du die französischen Memoiren, aus denen Goethe die Eugenia genommen hat? – Die Person lebet noch – wird auch wohl eben so unbefangen fortleben als Don Clavijo immer noch thut.
Deine Blumensträuße haben meinen ganzen Beifall; doch das versteht sich von selbst, ich konnte nur auf die Auswahl begierig sein, da Deine Kunst nicht nur sondern auch die Art derselben so vollendet ist. Schellings neue Sachen habʼ ich gelesen. In den physikalischen ist immer manches Gute und vieles [7] Schlechte, vermuthlich weil das erste selten von ihm ist. Seine Methodenlehre finde ich unverschämt genug, daß er nämlich nicht wenigstens ⅔ des Honorars an uns gesandt hat. Doch hättʼ ich es mir auch lieber verboten; ich liebe das Athenäum mehr in seiner alten Gestalt, als in dieser akademischen Steifheit. Er ist nun einmahl an das Stehlen gewohnt, und bildet sich vielleicht am Ende selbst ein daß dieses seine Gedanken seien. Noch eckelhafter jedoch sind mir die Hegeleien. – Schwerlich werde ich von diesem Menschen je etwas wieder lesen; die Zeit wird mir immer kostbarer.
Von Steffens sind unstreitig die größten Dinge zu erwarten. Treibe ihn nur recht zum Bruno; sehr lieb wärʼ mir das für die Europa. Hast Du nichts von seinem dänischen Werk über Philosophie gehört? –
Schützen grüsse ich herzlich. Sind seine kirchenhistorischen Studien schon zu Gedanken wenn gleich nur fragmentarischen, und diese [8] zur schriftlichen Aufzeichnung gediehen, so soll er mir etwas für die Europa davon geben. Es wird ganz herrlich dahin passen, nach der Richtung die diese im nächsten Bande nehmen soll.
Mit dem Niebelungenliede war es gar nicht so übel gemeint, auch hat es noch nicht solche Eil damit. Eine kritische Ausgabe wie Du sie verlangst, wäre freilich das beste. Nur würde freilich jezt eine Collationirung der Handschriften zu HohenEms und St. Gallen schwerlich zu erlangen sein, selbst mit grossen Kosten. – Was Tieck von Uebersetzung des Gedichts schreibt, so weiß ich gar nicht was er damit meint, und ist das mir nie in den Sinn gekommen. Ich wollte bloß eine leidliche Edition besorgen wie sie ohne jene kritische Collation sein kann, und wodurch diese vielleicht möglich gemacht würde. Ich wünschte diese Arbeit, um mich wieder mit der Poesie zu befreunden; gelesen habʼ ich das Gedicht hier viel. – Kömmt [9] es noch einmal dazu, so rechne ich sehr auf Deinen Rath; lebten wir beisammen, so wärʼ es eine gemeinschaftliche Arbeit. Aber Du bist schon nur allzusehr durch den Calderon und Shakespear von eignen Arbeiten abgehalten. Für den Tristan wär es herrlich, wenn Du einige Zeit hier wärst. – Ich hoffe der alte Roman von Merlin soll Dir merkwürdig sein, von dem meine Frau jezt eine abgekürzte Uebersetzung macht; nach dem was ich davon weiß, halte ichs für eine der schönsten Dichtungen des Mittelalters. Es ist in Rücksicht der Ironie der ältere Don Quixote.
Schreibe mir doch ein kräftiges Wort von der neuen Zeitung. Arbeitest Du daran? und auch Schleiermacher? – Ich möchte mich wohl für Persische und besonders Indische Litteratur, Sprachkunde und Geschichte anbieten, wenn ich wüßte daß es zweckmäßig sein könnte.
Wie ist Müller in Berlin? Hat er noch die alte Schwäche gegen den elenden Woltmann?
[10] Damit Du nicht denkst, daß ich unnütze Geheimnisse vor Dir habe, melde ich Dir, daß jezt bei Mahlmann von mir eine Auswahl von Lessing in 3 Bänden mit durchgängiger Einleitung und Commentar von mir erscheint. Ich wollte Dich eigentlich damit überraschen; auch habʼ ich so manches angekündigt, was nachher nicht erschienen ist, daß ich es mir zum Gesetz gemacht, künftig ganz den entgegen gesezten Weg einzuschlagen. – Ich habe das Ganze an Fichte dedicirt; ich bitte Dich aber schlechterdings an niemand ein Wort davon zu sagen, bis das Buch selbst in Berlin ist. – Das ganze Manuscript ging schon im September von hier ab, und zwei Bände müssen seit geraumer Zeit gedruckt [sein]; nachgehends aber, habe ich mich auf Mahlmanns Vorstellung wegen einer Nebenrücksicht für den 3ten Theil noch zu einer Zugabe verstanden, die leider während dem unruhigen Winter noch nicht ganz vollendet ist. Vielleicht erhältst Du also das Werk doch erst nach der [11] Messe, da es Mahlmann nur zusammen ausgeben will.
Grüsse herzlich von mir alle Freunde, Schütz, beide Bernhardiʼs, Fichte und wer sich sonst meiner erinnert. Ich umarme Dich von Herzensgrunde.
Friedrich S.[chlegel]

Meine Frau grüßt vielmahls. Ist von Bernhardi oder von Sophie etwas erschienen, so bitte ich meiner eingedenk zu sein. Desgleichen in Rücksicht der Tieckschen Minnelieder, so wenig ich auch davon erbaut; das Exemplar was ich so sah, war leider ohne Vorrede, und so kenne ich wohl nicht, was vermuthlich das beste am ganzen Werke sein mag. Wollte Tieck einmal einen Aufsatz über das Niebelungenlied oder über Altdeutsche und Nordische Poesie überhaupt für die Europa machen, das würde mir sehr lieb sein.
[12] Die Zurücknahme seiner musikalischen Gedichte verstehe ich immer weniger, je mehr Du sie mir erklärst. Was ist denn die Absicht dieser schönen Fräulein? Wollen sie diesen Dichter als ihren gräflichen Privatfinker wirklich ganz und gar für sich allein behalten?

Sollte irgend jemand aus Jena wie Paulus bei Dir nach meiner Addresse fragen, so weise sie nur alle an Mahlmann in Leipzig. – Dieser hat darin sehr gegen mich gefehlt, da er mir zugesagt hatte das zu diesem Zweck bestimmte Geld Michaelis schon an Vermehren zu schicken, daß er mir nach dessen Tode nicht gleich gemeldet, daß es nun noch nicht besorgt sei.
Willst Du mir wohl die Freundschaft erzeigen, den Brief an Schleiermacher aufs schnellste zu befördern? – Ich rechne auf Deine Nachsicht wegen der vielen Einlagen, aber Schleiermachers Addresse weiß ich nicht, und was Reimer betrift so wollte ich gern daß Du bei Uebergebung meines Briefs gleich mit ihm abredest.
Mit großer Freude sehe ich aus der Zeitung daß der Shakespear fortgeht.
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