• Henriette Mendelssohn to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Paris · Place of Destination: Unknown · Date: 18. Oktober [1810]
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
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    Metadata Concerning Header
  • Sender: Henriette Mendelssohn
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Paris
  • Place of Destination: Unknown
  • Date: 18. Oktober [1810]
  • Notations: Datum (Jahr) und Absendeort erschlossen.
    Printed Text
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: 335973167
  • Bibliography: Krisenjahre der Frühromantik. Briefe aus dem Schlegelkreis. Hg. v. Josef Körner. Bd. 2. Der Texte zweite Hälfte. 1809‒1844. Bern u.a. ²1969, S. 166‒167.
  • Incipit: „[1] [Paris] d 18. Oktober [1810]
    Ich bin recht ärgerlich über mich selbst, daß ich wieder meinem peinlichen Mißtrauen nachgegeben, und irgend [...]“
    Manuscript
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: APP2712-Bd-7
  • Classification Number: Mscr.Dresd.App.2712,B,27,14
  • Number of Pages: 4 S. auf Doppelbl. u. 1 S., hs. m. U. Henriette M.
  • Format: 18,3 x 11,4 cm
[1] [Paris] d 18. Oktober [1810]
Ich bin recht ärgerlich über mich selbst, daß ich wieder meinem peinlichen Mißtrauen nachgegeben, und irgend eine Absicht bei Ihrem Schweigen theurer Freund geahndet, sehn Sie diese Albernheit als eine Krankheit, eine Art Alpdrücken an, und verzeihen Sie mir! Die Bücher, und Ihr Brief sind mir übergeben worden, ich habe das Manuskript und einige französische Hefte unter der gegebnen Adresse an Sie abgeschickt, ich hoffe Sie werden Ihnen zukommen. – Ich habe während der ganzen Zeit keinen Menschen gesehn, der mir etwas näheres Ihre Freundinn betreffend hätte sagen können. Das Gerücht spricht von einer neuen Verbannung, aber was hätte sie als dann verhindern können die größere längst beschloßne Reise zu machen? Ich bedaure Frau v. Staël recht von Herzen [2] aber Sie mein Freund noch weit mehr, denn wie Sie unter diesen widrigen Umständen Muth und Lust zum freien Dichten und Denken verlieren, und diese unselige Verfolgung nicht nur aus Anhänglichkeit theilen, sondern sich recht eigentlich darin begriffen fühlen, ist von Ihnen begreiflich, denn es ist zart und edel, aber was wird aus den früheren Planen und Vorsäzen!
Sie werden mir einen recht wesentlichen Dienst leisten, wenn Sie mir Ihre Briefe über jenen Gegenstand der Sie jezt beschäftigt mittheilen! Wenn ich Ihnen doch nur sagen könnte wie ich hierüber denke, ich finde aber nie Worte zu meinen Gedanken, es muß also wohl auch mit diesen nicht recht klar sein! Laßen Sie mir den Stolz, zu glauben daß ich in Ihren Briefen das ausgesprochen finden werde, was ich bald dunkel, bald deutlich fühle. Vom Abbé Duval habe ich viel ge[3]hört, eine Dame die als Gehülfin bei mir lebt, und eben den ReligionsUnterricht der Kinder besorgt, hat mir mit Liebe von ihm gesprochen, und will mich mit ihm bekannt machen, ich will Ihnen aber nur gestehn, daß ich jede fremde Einwirkung in meine religiösen Gesinnungen fürchte, und gerne vermeiden möchte, ich bin bis jezt keinem fremden Lichte gefolgt, ja ich habe die Augen verschloßen, und doch ist in meinem Innern entstanden, was ich als Christenthum und als Christus Wesen betrachte, Ergebung, Muth und Glaube, nicht an jenen äußerlichen Dingen, aber an einer göttlichen Liebe und Gerechtigkeit. – Mit den Ceremonien der Kirche kann ich mich nicht versöhnen, ich mag die Messe nicht, hier in Frankreich wenigstens nicht, ja ich halte sogar die Taufe als sehr unwesentlich zum Übertritt in den Schooß der Kirche. Sagen Sie selbst, lieber Freund, sind Sie nicht tiefer in das [4] Wesen der katholischen Religion eingedrungen, als die meisten von jenen, die durch Erziehung und Äußerlichkeiten dazu gehören, bedarf es noch eines andern Mittlers als den Glauben an jenen der für alle litt? – Ich bin unwissend, und dreist mit Ihnen lieber Freund, ich würde nie den Muth haben darüber mit andern zu sprechen, und so wie ich mich kenne fürchte ich eine wahre Verstockung wenn man mir Dogmen und äußerliche Handlungen aufdringen wollte, ich stehe darinn meiner Schwester weit nach, die mit wirklich erhabner Selbstverleugnung fremde Meinung aufnehmen kann! – Von Ihnen wünschte ich lieber als von irgend einem andern zu hören, ob ich in diesem meinen Sinne Christin bin, oder sein kann! Unterdessen werde ich suchen den Abbé Duval zu hören, er hält jeden Winter geistliche Reden, die vortrefflich sein sollen!
[5] Von unsern Wiener Freunden habe ich seit langer Zeit nichts gehört, und doch habe ich öfter geschrieben, freilich aber durch Reisende, die nicht immer gewissenhaft mit den Briefen verfahren. Der Ihrige ist durch die Gesandtschaft besorgt worden, und hoffentlich soll kein schlimmerer Grund als die gewohnte Nachläßigkeit Ihren Bruder am Antworten verhindert haben. ich schreibe in den nächsten Tagen dorthin.
Verzeihen Sie mir wenn ich Ihnen selten schreibe, aus meiner Einsamkeit läßt sich wenig sagen, und ich fürchte immer Sie werden meiner müde. Besser wäre es wir hätten uns gesprochen, und einige frohe Tage miteinander verlebt!
Ich grüße Sie herzlich
Ihre Henriette
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[1] [Paris] d 18. Oktober [1810]
Ich bin recht ärgerlich über mich selbst, daß ich wieder meinem peinlichen Mißtrauen nachgegeben, und irgend eine Absicht bei Ihrem Schweigen theurer Freund geahndet, sehn Sie diese Albernheit als eine Krankheit, eine Art Alpdrücken an, und verzeihen Sie mir! Die Bücher, und Ihr Brief sind mir übergeben worden, ich habe das Manuskript und einige französische Hefte unter der gegebnen Adresse an Sie abgeschickt, ich hoffe Sie werden Ihnen zukommen. – Ich habe während der ganzen Zeit keinen Menschen gesehn, der mir etwas näheres Ihre Freundinn betreffend hätte sagen können. Das Gerücht spricht von einer neuen Verbannung, aber was hätte sie als dann verhindern können die größere längst beschloßne Reise zu machen? Ich bedaure Frau v. Staël recht von Herzen [2] aber Sie mein Freund noch weit mehr, denn wie Sie unter diesen widrigen Umständen Muth und Lust zum freien Dichten und Denken verlieren, und diese unselige Verfolgung nicht nur aus Anhänglichkeit theilen, sondern sich recht eigentlich darin begriffen fühlen, ist von Ihnen begreiflich, denn es ist zart und edel, aber was wird aus den früheren Planen und Vorsäzen!
Sie werden mir einen recht wesentlichen Dienst leisten, wenn Sie mir Ihre Briefe über jenen Gegenstand der Sie jezt beschäftigt mittheilen! Wenn ich Ihnen doch nur sagen könnte wie ich hierüber denke, ich finde aber nie Worte zu meinen Gedanken, es muß also wohl auch mit diesen nicht recht klar sein! Laßen Sie mir den Stolz, zu glauben daß ich in Ihren Briefen das ausgesprochen finden werde, was ich bald dunkel, bald deutlich fühle. Vom Abbé Duval habe ich viel ge[3]hört, eine Dame die als Gehülfin bei mir lebt, und eben den ReligionsUnterricht der Kinder besorgt, hat mir mit Liebe von ihm gesprochen, und will mich mit ihm bekannt machen, ich will Ihnen aber nur gestehn, daß ich jede fremde Einwirkung in meine religiösen Gesinnungen fürchte, und gerne vermeiden möchte, ich bin bis jezt keinem fremden Lichte gefolgt, ja ich habe die Augen verschloßen, und doch ist in meinem Innern entstanden, was ich als Christenthum und als Christus Wesen betrachte, Ergebung, Muth und Glaube, nicht an jenen äußerlichen Dingen, aber an einer göttlichen Liebe und Gerechtigkeit. – Mit den Ceremonien der Kirche kann ich mich nicht versöhnen, ich mag die Messe nicht, hier in Frankreich wenigstens nicht, ja ich halte sogar die Taufe als sehr unwesentlich zum Übertritt in den Schooß der Kirche. Sagen Sie selbst, lieber Freund, sind Sie nicht tiefer in das [4] Wesen der katholischen Religion eingedrungen, als die meisten von jenen, die durch Erziehung und Äußerlichkeiten dazu gehören, bedarf es noch eines andern Mittlers als den Glauben an jenen der für alle litt? – Ich bin unwissend, und dreist mit Ihnen lieber Freund, ich würde nie den Muth haben darüber mit andern zu sprechen, und so wie ich mich kenne fürchte ich eine wahre Verstockung wenn man mir Dogmen und äußerliche Handlungen aufdringen wollte, ich stehe darinn meiner Schwester weit nach, die mit wirklich erhabner Selbstverleugnung fremde Meinung aufnehmen kann! – Von Ihnen wünschte ich lieber als von irgend einem andern zu hören, ob ich in diesem meinen Sinne Christin bin, oder sein kann! Unterdessen werde ich suchen den Abbé Duval zu hören, er hält jeden Winter geistliche Reden, die vortrefflich sein sollen!
[5] Von unsern Wiener Freunden habe ich seit langer Zeit nichts gehört, und doch habe ich öfter geschrieben, freilich aber durch Reisende, die nicht immer gewissenhaft mit den Briefen verfahren. Der Ihrige ist durch die Gesandtschaft besorgt worden, und hoffentlich soll kein schlimmerer Grund als die gewohnte Nachläßigkeit Ihren Bruder am Antworten verhindert haben. ich schreibe in den nächsten Tagen dorthin.
Verzeihen Sie mir wenn ich Ihnen selten schreibe, aus meiner Einsamkeit läßt sich wenig sagen, und ich fürchte immer Sie werden meiner müde. Besser wäre es wir hätten uns gesprochen, und einige frohe Tage miteinander verlebt!
Ich grüße Sie herzlich
Ihre Henriette
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