• Julie Schlegel to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Hannover · Place of Destination: Unknown · Date: [Ende Januar 1811]
Edition Status: Newly transcribed and labelled; double collated
  • XML
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Julie Schlegel
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Hannover
  • Place of Destination: Unknown
  • Date: [Ende Januar 1811]
  • Notations: Datum erschlossen. – Datierung: Der Brief ist unmittelbar nach dem Tod von Johanna Christiane Erdmuthe Schlegel am 21. Januar 1811 und noch vor ihrer Beerdigung geschrieben.
    Manuscript
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: DE-1a-34097
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XIX,Bd.23,Nr.52
  • Number of Pages: 4S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 19,2 x 11,3 cm
  • Incipit: „[1] Es ist mir ohnmöglich Ihnen mein geliebter Bruder mit Worthen die Empfindungen meines Herzens bey den gemeinschaftlichen Verlust den [...]“
  • Editors: Bamberg, Claudia · Varwig, Olivia
[1] Es ist mir ohnmöglich Ihnen mein geliebter Bruder mit Worthen die Empfindungen meines Herzens bey den gemeinschaftlichen Verlust den wir erlitten haben, an den Tag zu legen. ich kann Ihnen aber mit guten Gewißen sagen, daß ich mein, Ihnen gegebenes Versprechen treu erfüllt habe. aber nicht weil ich es Ihnen Versprochen hatte, nein, weil mir mein Herz auch meine Pflicht lehrte. ich habe unsere gute Mutter von dem Augenblick an, daß ich erfuhr sie sey krannk, Tag und Nacht keinen Augenblick verlaßen. ich habe ihr jede Arznney auf das püncktlichste gereicht, ihr 6 SempfPflaster u 3 Spanischefliegen selbst gelegt u sie auf daß die schonenste Art Verbunden. jede Erquickung die ich nur habe erdennken können, habe ich ihr zu verschaffen gesucht u ihr gereicht. Sie hat mich recht gern um sich gehabt u mir dieses, so lange sie ihre Besinnung hatte oft geäußert. Gott Lob! Daß ich gesund war! ich habe auch jetzt noch so viel Kraft ihr Leichenbegängniß zu besorgen, u da sie mir hierüber oft ihre Gesinnungen geäußert hat: so richte ich alles aufs genauste so ein, wie ich weis daß es ihr Wunsch war. nur im äußersten Fall frage ich meinen guten armen Mann. er leidet unaussprechlich! er ist am längsten von den Geschwistern bey ihr gewesen u hat sie Täglich [2] gesehn! sein Schmerz muß freilich bald Samft werden, da wir ja so viel Ursache haben Gott zu dannken, daß er sie so wenig leiden ließ u sie so bald erlöste. sie äußerte auch nicht ein einziges mahl eine Ahndung von ihren Tode, u auch das war gut, da sie sich im Leben immer dafür fürchtete. ich bin bis in den letzten Augenblick bey ihr gewesen u ein paar Stunden nachher bin ich noch einmahl zu ihr gegangen, da Karl die Furcht bekahm, es könne nur ein Schein Todt seyn. ich hielt ihr einen Spiegel vor u macht mehrere Proben, um ihn jede Besorgniß zu benehmen. ein Freund von uns, der Pastor Münichmeyer zu dem ich ihn geschickt hatte, wie ich merkte es neichte sich mehr zum Ende, begeleitete mich. es war gegen 7 Uhr Abends als sie sehr samft ein schlummerte.
den ersten Tag hatte ich gleich für eine gute Warts Frau gesorgt, weil das Mädchen und ich sie nicht allein heben konnten. Die ist anständig bezahlt worden. Das Mädchen, welches die nehmliche ist, die Sie liebster Bruder kennen, ist beynah 10 Jahr bey ihr gewesen, u hat Treu u gut bey ihr gedient. in dieser Krannkheit hat sie sich so benommen, daß ich sie Ihnen nicht genuch rühmen kann. auch nicht einmahl ist sie unwillig geworden u hat alle 3 Nächte immer mit gewacht, selbst wenn ich sie batt: sie [3] mögte sich niederlegen, blieb sie auf, u ihr Todt schmerzt sie sehr. Dis Mädchen muß belohnt werden, soll ich da von Ihnen die Erlaubniß haben, ihr nach meinen Gewißen, aus dem Nachlaß der guten Mutter daßgenige zu geben, was ich glaube daß sie verdient hat? Die Mutter hat mir öfterer gesagt: daß wenn Lotte bey ihrem Tode noch bey ihr wehre, so solle sie das Bette ehrben, worauf Lotte bisher geschlafen habe. Dazu müßte sie aber noch etwas haben, so wie auch bis Ostern Kost Geld u Lohn. Sie bester Bruder! frage ich zuerst, da Sie das Glück gehabt haben, recht viel für die Mutter getahn zu haben, so haben Sie auch die erste Stimme dabey. Lottchen werde ich auch fragen, u Moritz muß ich fragen, da dem wohl der ganze Nachlaß nach den Testamente der Seligen Tannte, zufallen wird. was die gute Mutter von einem Andennken für Karl gesagt hat, davon sage ich nichts, weil sich keine Zeihle schriftlich von ihr bisjetzt gefunden hat. Doch habe ich auch noch nichts untersugt, als ein Kästchen was sie mir noch am Neujahrs Tage zeigte, wo etwas drin läge, was nach ihren Tode gelesen werden solte, weil ich glaubte etwas über ihr Begräbniß zu finden. eine [4] alte Freundin von ihr, eine Mamsell Brücke die auch während der Krannkheit viel dagewesen ist u mir auch noch bey steht, ist hiebey gegenwärtig gewesen. auch diese alte Persohn verliehrt viel an der Mutter, so wie noch eine alte Pastorin, denen sie beyden ein kleines Jahr Geld gegeben hatte u die viel bey ihr wahren. erstere müßte auch wohl ein Andennken von der guten Mutter haben. Lotten haben wir ins Haus genommen und ich suche sie nach so angreifenden Tagen zu Stärken, da das arme Mädchen jetzt nirgends hinweis.
Die Bitte die Ihnen Karl wegen des Dahrlehns getahn hat, tuhe auch ich herzlich an Sie. es ist uns so vieles ausgeblieben, u mein guter Ma[nn] hat so große Verluste bey seiner Einnahme, daß wir oft in Sorgen sind, u ich mögte Karln so gern jetzt ohne Nahrungs Sorgen sehn, da er so durch diesen Todesfall leidet. herzlich freuet es uns beyden, daß er noch vor einigen Wochen, was er immer der Mutter gab, ihr brachte, damit die nicht drunter lit[t] ja es nicht einmahl erfuhr, wie sehr wir jetzt verliehren.
rechnen Sie es uns nicht an, wenn unsere Brief[e] Heute abgebrochen geschrieben sind, wir sin[d] beyde noch zu Erschüttert. Ach! auch S[i]e wer[den] sehr leiden! schenken Sie uns bald Nachri[cht] von Ihnen. Ihre theilnehmende Schwester Ju[lie]
[1] Ich habe der Mutter ihre ehrwürdigen weiße Haare ab[g]esc[hnitten], weil ich dachte, d[a]ß [4] dis den Gewistern angenähm sein würde
[1] Es ist mir ohnmöglich Ihnen mein geliebter Bruder mit Worthen die Empfindungen meines Herzens bey den gemeinschaftlichen Verlust den wir erlitten haben, an den Tag zu legen. ich kann Ihnen aber mit guten Gewißen sagen, daß ich mein, Ihnen gegebenes Versprechen treu erfüllt habe. aber nicht weil ich es Ihnen Versprochen hatte, nein, weil mir mein Herz auch meine Pflicht lehrte. ich habe unsere gute Mutter von dem Augenblick an, daß ich erfuhr sie sey krannk, Tag und Nacht keinen Augenblick verlaßen. ich habe ihr jede Arznney auf das püncktlichste gereicht, ihr 6 SempfPflaster u 3 Spanischefliegen selbst gelegt u sie auf daß die schonenste Art Verbunden. jede Erquickung die ich nur habe erdennken können, habe ich ihr zu verschaffen gesucht u ihr gereicht. Sie hat mich recht gern um sich gehabt u mir dieses, so lange sie ihre Besinnung hatte oft geäußert. Gott Lob! Daß ich gesund war! ich habe auch jetzt noch so viel Kraft ihr Leichenbegängniß zu besorgen, u da sie mir hierüber oft ihre Gesinnungen geäußert hat: so richte ich alles aufs genauste so ein, wie ich weis daß es ihr Wunsch war. nur im äußersten Fall frage ich meinen guten armen Mann. er leidet unaussprechlich! er ist am längsten von den Geschwistern bey ihr gewesen u hat sie Täglich [2] gesehn! sein Schmerz muß freilich bald Samft werden, da wir ja so viel Ursache haben Gott zu dannken, daß er sie so wenig leiden ließ u sie so bald erlöste. sie äußerte auch nicht ein einziges mahl eine Ahndung von ihren Tode, u auch das war gut, da sie sich im Leben immer dafür fürchtete. ich bin bis in den letzten Augenblick bey ihr gewesen u ein paar Stunden nachher bin ich noch einmahl zu ihr gegangen, da Karl die Furcht bekahm, es könne nur ein Schein Todt seyn. ich hielt ihr einen Spiegel vor u macht mehrere Proben, um ihn jede Besorgniß zu benehmen. ein Freund von uns, der Pastor Münichmeyer zu dem ich ihn geschickt hatte, wie ich merkte es neichte sich mehr zum Ende, begeleitete mich. es war gegen 7 Uhr Abends als sie sehr samft ein schlummerte.
den ersten Tag hatte ich gleich für eine gute Warts Frau gesorgt, weil das Mädchen und ich sie nicht allein heben konnten. Die ist anständig bezahlt worden. Das Mädchen, welches die nehmliche ist, die Sie liebster Bruder kennen, ist beynah 10 Jahr bey ihr gewesen, u hat Treu u gut bey ihr gedient. in dieser Krannkheit hat sie sich so benommen, daß ich sie Ihnen nicht genuch rühmen kann. auch nicht einmahl ist sie unwillig geworden u hat alle 3 Nächte immer mit gewacht, selbst wenn ich sie batt: sie [3] mögte sich niederlegen, blieb sie auf, u ihr Todt schmerzt sie sehr. Dis Mädchen muß belohnt werden, soll ich da von Ihnen die Erlaubniß haben, ihr nach meinen Gewißen, aus dem Nachlaß der guten Mutter daßgenige zu geben, was ich glaube daß sie verdient hat? Die Mutter hat mir öfterer gesagt: daß wenn Lotte bey ihrem Tode noch bey ihr wehre, so solle sie das Bette ehrben, worauf Lotte bisher geschlafen habe. Dazu müßte sie aber noch etwas haben, so wie auch bis Ostern Kost Geld u Lohn. Sie bester Bruder! frage ich zuerst, da Sie das Glück gehabt haben, recht viel für die Mutter getahn zu haben, so haben Sie auch die erste Stimme dabey. Lottchen werde ich auch fragen, u Moritz muß ich fragen, da dem wohl der ganze Nachlaß nach den Testamente der Seligen Tannte, zufallen wird. was die gute Mutter von einem Andennken für Karl gesagt hat, davon sage ich nichts, weil sich keine Zeihle schriftlich von ihr bisjetzt gefunden hat. Doch habe ich auch noch nichts untersugt, als ein Kästchen was sie mir noch am Neujahrs Tage zeigte, wo etwas drin läge, was nach ihren Tode gelesen werden solte, weil ich glaubte etwas über ihr Begräbniß zu finden. eine [4] alte Freundin von ihr, eine Mamsell Brücke die auch während der Krannkheit viel dagewesen ist u mir auch noch bey steht, ist hiebey gegenwärtig gewesen. auch diese alte Persohn verliehrt viel an der Mutter, so wie noch eine alte Pastorin, denen sie beyden ein kleines Jahr Geld gegeben hatte u die viel bey ihr wahren. erstere müßte auch wohl ein Andennken von der guten Mutter haben. Lotten haben wir ins Haus genommen und ich suche sie nach so angreifenden Tagen zu Stärken, da das arme Mädchen jetzt nirgends hinweis.
Die Bitte die Ihnen Karl wegen des Dahrlehns getahn hat, tuhe auch ich herzlich an Sie. es ist uns so vieles ausgeblieben, u mein guter Ma[nn] hat so große Verluste bey seiner Einnahme, daß wir oft in Sorgen sind, u ich mögte Karln so gern jetzt ohne Nahrungs Sorgen sehn, da er so durch diesen Todesfall leidet. herzlich freuet es uns beyden, daß er noch vor einigen Wochen, was er immer der Mutter gab, ihr brachte, damit die nicht drunter lit[t] ja es nicht einmahl erfuhr, wie sehr wir jetzt verliehren.
rechnen Sie es uns nicht an, wenn unsere Brief[e] Heute abgebrochen geschrieben sind, wir sin[d] beyde noch zu Erschüttert. Ach! auch S[i]e wer[den] sehr leiden! schenken Sie uns bald Nachri[cht] von Ihnen. Ihre theilnehmende Schwester Ju[lie]
[1] Ich habe der Mutter ihre ehrwürdigen weiße Haare ab[g]esc[hnitten], weil ich dachte, d[a]ß [4] dis den Gewistern angenähm sein würde
×