• Johann Carl Fürchtegott Schlegel to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Hannover · Place of Destination: Amsterdam · Date: 16.08.1791
Edition Status: Newly transcribed and labelled; double collated
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    Metadata Concerning Header
  • Sender: Johann Carl Fürchtegott Schlegel
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Hannover
  • Place of Destination: Amsterdam
  • Date: 16.08.1791
  • Notations: Empfangsort erschlossen.
    Manuscript
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: DE-1a-34097
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XIX,Bd.23,Nr.63
  • Number of Pages: 6S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 19,1 x 11,7 cm
  • Incipit: „[1] nr VIII accepi in Harburg. – nr IX d. 2 Aug. an meine Eltern ist eingegangen
    VII Hannov. d. 16 [...]“
  • Editors: Bamberg, Claudia · Varwig, Olivia
[1] nr VIII accepi in Harburg. – nr IX d. 2 Aug. an meine Eltern ist eingegangen
VII Hannov. d. 16 Aug. 1791
Liebster Wilhelm, nach meiner Zurückkunft (ich bin mit Henrietten am 12 August Abends hier wieder eingetroffen) will ich sogleich unsere durch die Reise unterbrochene Correspondence wieder anknüpfen. Deinen Brief nr VIII erhielt ich in Harburg, ich mußte aber die Beantwortung verschieben, da ich öfters nach Haus schreibe mußte, und meine Reise außerdem mehrere briefe veranlaßte, und noch immer nach sich zieht. – Eine weitläuftige Reisebeschreibung darfst Du nicht erwarten, ob sie gleich, wenn ich sie bey guter Laune und Muße schrieb, vielleicht unterhaltend seyn könnte, wenigstens hat mir die Reise reiche Unterhaltung gegeben. Unterwegens, wo dergleichen bey dem ersten lebhaften Erguß immer am besten geräth, habe ich mich nicht damit beschäftigt, und habe ich meine müßigen Augenblicke (die ich mir in Harburg, wo ich mich am längsten aufhielt, noch dann und wann des Morgens verschaffen konnte) auf zwey kleine Ausarbeitungen verwandt. – Die eine entwarf ich in der Einsamkeit meines Wagens, als ich nach Harburg fuhr, ich darf kaum sagen worüber, da sie in der Lüneburgschen Haide concipirt ist. – über Witz! – Die andere hatte ich schon einige Tage zuvor ent vor der Reise entworfen, und werde ich sie Dir demnächst einmal zur Beurtheilung überschicken, da sie in einem Briefe an [2] Dich gerichtet ist, und eine Anticritick gegen Schiller über Bürgers Gedichte enthält. – Bey diesem Eingange wirst Du vielleicht glauben, daß ich Anstalten mache in die schriftstellerische Carriere zu treten; doch brauchst Du nichts zu besorgen, es ist meine Absicht nicht die Ehre unsers Namens in Gefahr zu setzen, nich die sich noch immer erhalten hat! Wenn ich sie Dir einmal überschicke (ich weiß noch nicht, wann ich sie werde revidiren können) so geschieht es bloß, um Anlaß zur weitern Prüfung zu geben; und war es nur eine Beschäftigung zu meinem eignen Vergnügen. – Ich schreibe Dir dieß, damit Du siehst, warum ich nicht nach altem Brauch eine Reisebeschreibung gemacht. – Es könnte noch immer geschehen, da auch der Nachgenuß für mich viel angenehmes haben würde. Doch habe ich viele Arbeiten vorgefunden, die ich zum Theil aufgespart hatte, und kömmt noch ein anderer Umstand hinzu, welcher meine Einbildungskraft immer gänzlich herabstimmt, und mich so völlig in Ordnung und zur raison bringt, daß mir dergleichen Gedancken gar nicht mehr beykommen können, – das ist, ein neues BeförderungsProject (das alte, wovon ich Dir einmal schrieb, ruht jezt, da der Mann, auf dessen [3] Tode es noch beruht, so unhöflich ist, gar nicht sterben zu wollen). Der Kriegssecretär Wehner ist plötzlich gestorben, und beträgt auch die jüngste Secretarien Stelle bey der Kriegs Canzley gewiß 700 r. – Ob ich nun gleich schon weiß, daß ich mir dießmal keine Hoffnung machen darf, so halte ich es doch für rathsam, mich deshalb in Bewegung zu setzen. – Doch genung von allen diesen Geschichten – meine Reise ist schon günstig ausgefallen, und wird mir noch manche angenehme Erinnerung verschaffen; auch habe ich, so wie mein Geldbeutel an Gewicht abgenommen hat, in eben dem Verhältniße an cörperlicher Masse und Gesundheit zugenommen, wie mir jeder auf dem ersten Anblick sagt. – An allen Orten, wo ich mich aufgehalten, bin ich sehr vergnügt gewesen. In Harburg bin ich recht eingewöhnt, und ganz in die gesellschaftlichen Intriguen initiirt worden. Wir haben viel von Dir gesprochen, da sie sich alle für Dich sehr intressiren. Des Morgens lebte ich da mehrentheils ganz nach meiner Gewöhnlichkeit, des Nachmittags gab es entweder Landpartien oder Gesellschaften. – Die Geselligkeit scheint ist da sehr groß, und ist es nicht ungewöhnlich in Gesellschaften die Fragen zu hören: was machten sie gestern, was werden sie morgen machen. – Auch großen Assembleen nach Hannöverschem Fuße von 80 und mehreren Personen habe ich da beygewohnt.
[4] Der Ton in den gewöhnlichen Gesellschaften, zumal auch den öffentlichen Häusern auf dem Lande ist auch ungenirt und offen, mitunter wohl etwas medisant; doch eigentlich freundschaftlichen Umgang hat mein Bruder und Schwiegerin gar nicht. – Die Einnahme abgerechnet, gefällt ihnen Harburg sehr. – meine Schwiegerinn ist gewöhnlich munter, und macht zuweilen auch gern eine Landtour von einer halben Meile; nur leidet sie von Zeit zu Zeit an Kopfweh. – Gelesen wird dort wohl wenig, einige wenige ausgenommen. Mein Bruder beschäftigt sich vorzüglich mit der Kantischen Philosophie. Gustchen ist ein niedlicher vergnügter Junge, der stille für sich weg lebt, und Minchen, deren Gesundheit sich jezt zu beßren scheint, ist ein sanftes schmeichelhaftes Mädchen. – Einmal habe ich dort auch eine Landparthie von einem ganzen Tage gemacht in einer größern Gesellschaft, die sehr munter war nach einer Burg, wo man eine sehr schöne Aussicht hat; und einmal eine Wassertour. – Einen sehr angenehmen Tag habe ich in Wilhelmsburg zugebracht bey einem wohlhabenden jungen Bauer, der viele Ländereyen hat, Henning von der Hacht u. s. jungen Frau. – Von da gieng ich nach Hamburg, wo ich nur ein paar Tage größtentheils in der Familie zubrachte, die jetzt und zwar sehr zerstreuet von einem zum andern, da sie weit auseinander mehrentheils auf dem Lande leben. Schröder habe ich nicht wieder gesehen, sondern nur eine Operette. Von Hamburg aus machte ich mit meinem Bruder eine kleine Reise durch die Vierlande theils zu Fuß theils zu Wagen ohngefähr von 8 Meilen, die mir sehr unterhaltend gewesen bey meiner Zurückkunft [5] reißte ich auf der Post nach braunschweig. Die Erzählung meiner Postaventüren mögte mich zu weit führen, und will ich weiter nichts darüber sagen, als daß die sehr gemischte Reisegesellschaft mir viel Beschäftigung gab, zumal ein junges artiges Frauenzimmer, welche mit einem dänischen Officier reißte. – Glaube aber nur nicht, daß ich mich auf den Postwagen verliebt war habe; obsie ihr ganzes Betragen intressirte mich nur für sie, und war ich übrigens ein ruhiger Zuschauer aller Intriguen. – Meine Begebenheiten in Braunschweig mag Dir Henriette schildern, der ich überhaupt den größten Theil unser der Correspondence mit Dir vorerst überlassen will, bis ich hier erst besser wieder in Ordnung bin.
Hier habe ich jezt den Professor (jezt Hofrath) Moritz kennen lernen, der auch gestern Abend mit Rehbergs Dem. Kaisers u. Bialloblotzky bey uns zum Essen war. Er gefällt mir sehr, die Naivität und das Darstellende in seinen Erzählungen, selbst die Sonderbarkeit in seinem Wesen machen ihn sehr unterhaltend. Er war gestern, so wie auch den Nachmittag, da er zuerst bey uns war, sehr munter und gesprächig, seine Gesundheit sieht jedoch [6] sehr mißlich aus. – Pape ist noch nicht zurück; Dein Andencken ist ihm sehr werth gewesen, da er Dich, wie er mir schreibt, liebt und ehrt. – Die Bücher Commissionen, die Du mir aufgetragen, werde ich so bald als möglich ausrichten. Hiebey kömmt auch ein Brief, den ich hier vorfand. Lebe recht wohl u. vergnügt. Jezt bist Du wahrscheinlich zu Hamsteede. – Meine Eltern befinden sich bey dem brunnentrincken recht wohl. Tante Caroline ist gestern wieder abgereiset
Karl Schlegel
[1] nr VIII accepi in Harburg. – nr IX d. 2 Aug. an meine Eltern ist eingegangen
VII Hannov. d. 16 Aug. 1791
Liebster Wilhelm, nach meiner Zurückkunft (ich bin mit Henrietten am 12 August Abends hier wieder eingetroffen) will ich sogleich unsere durch die Reise unterbrochene Correspondence wieder anknüpfen. Deinen Brief nr VIII erhielt ich in Harburg, ich mußte aber die Beantwortung verschieben, da ich öfters nach Haus schreibe mußte, und meine Reise außerdem mehrere briefe veranlaßte, und noch immer nach sich zieht. – Eine weitläuftige Reisebeschreibung darfst Du nicht erwarten, ob sie gleich, wenn ich sie bey guter Laune und Muße schrieb, vielleicht unterhaltend seyn könnte, wenigstens hat mir die Reise reiche Unterhaltung gegeben. Unterwegens, wo dergleichen bey dem ersten lebhaften Erguß immer am besten geräth, habe ich mich nicht damit beschäftigt, und habe ich meine müßigen Augenblicke (die ich mir in Harburg, wo ich mich am längsten aufhielt, noch dann und wann des Morgens verschaffen konnte) auf zwey kleine Ausarbeitungen verwandt. – Die eine entwarf ich in der Einsamkeit meines Wagens, als ich nach Harburg fuhr, ich darf kaum sagen worüber, da sie in der Lüneburgschen Haide concipirt ist. – über Witz! – Die andere hatte ich schon einige Tage zuvor ent vor der Reise entworfen, und werde ich sie Dir demnächst einmal zur Beurtheilung überschicken, da sie in einem Briefe an [2] Dich gerichtet ist, und eine Anticritick gegen Schiller über Bürgers Gedichte enthält. – Bey diesem Eingange wirst Du vielleicht glauben, daß ich Anstalten mache in die schriftstellerische Carriere zu treten; doch brauchst Du nichts zu besorgen, es ist meine Absicht nicht die Ehre unsers Namens in Gefahr zu setzen, nich die sich noch immer erhalten hat! Wenn ich sie Dir einmal überschicke (ich weiß noch nicht, wann ich sie werde revidiren können) so geschieht es bloß, um Anlaß zur weitern Prüfung zu geben; und war es nur eine Beschäftigung zu meinem eignen Vergnügen. – Ich schreibe Dir dieß, damit Du siehst, warum ich nicht nach altem Brauch eine Reisebeschreibung gemacht. – Es könnte noch immer geschehen, da auch der Nachgenuß für mich viel angenehmes haben würde. Doch habe ich viele Arbeiten vorgefunden, die ich zum Theil aufgespart hatte, und kömmt noch ein anderer Umstand hinzu, welcher meine Einbildungskraft immer gänzlich herabstimmt, und mich so völlig in Ordnung und zur raison bringt, daß mir dergleichen Gedancken gar nicht mehr beykommen können, – das ist, ein neues BeförderungsProject (das alte, wovon ich Dir einmal schrieb, ruht jezt, da der Mann, auf dessen [3] Tode es noch beruht, so unhöflich ist, gar nicht sterben zu wollen). Der Kriegssecretär Wehner ist plötzlich gestorben, und beträgt auch die jüngste Secretarien Stelle bey der Kriegs Canzley gewiß 700 r. – Ob ich nun gleich schon weiß, daß ich mir dießmal keine Hoffnung machen darf, so halte ich es doch für rathsam, mich deshalb in Bewegung zu setzen. – Doch genung von allen diesen Geschichten – meine Reise ist schon günstig ausgefallen, und wird mir noch manche angenehme Erinnerung verschaffen; auch habe ich, so wie mein Geldbeutel an Gewicht abgenommen hat, in eben dem Verhältniße an cörperlicher Masse und Gesundheit zugenommen, wie mir jeder auf dem ersten Anblick sagt. – An allen Orten, wo ich mich aufgehalten, bin ich sehr vergnügt gewesen. In Harburg bin ich recht eingewöhnt, und ganz in die gesellschaftlichen Intriguen initiirt worden. Wir haben viel von Dir gesprochen, da sie sich alle für Dich sehr intressiren. Des Morgens lebte ich da mehrentheils ganz nach meiner Gewöhnlichkeit, des Nachmittags gab es entweder Landpartien oder Gesellschaften. – Die Geselligkeit scheint ist da sehr groß, und ist es nicht ungewöhnlich in Gesellschaften die Fragen zu hören: was machten sie gestern, was werden sie morgen machen. – Auch großen Assembleen nach Hannöverschem Fuße von 80 und mehreren Personen habe ich da beygewohnt.
[4] Der Ton in den gewöhnlichen Gesellschaften, zumal auch den öffentlichen Häusern auf dem Lande ist auch ungenirt und offen, mitunter wohl etwas medisant; doch eigentlich freundschaftlichen Umgang hat mein Bruder und Schwiegerin gar nicht. – Die Einnahme abgerechnet, gefällt ihnen Harburg sehr. – meine Schwiegerinn ist gewöhnlich munter, und macht zuweilen auch gern eine Landtour von einer halben Meile; nur leidet sie von Zeit zu Zeit an Kopfweh. – Gelesen wird dort wohl wenig, einige wenige ausgenommen. Mein Bruder beschäftigt sich vorzüglich mit der Kantischen Philosophie. Gustchen ist ein niedlicher vergnügter Junge, der stille für sich weg lebt, und Minchen, deren Gesundheit sich jezt zu beßren scheint, ist ein sanftes schmeichelhaftes Mädchen. – Einmal habe ich dort auch eine Landparthie von einem ganzen Tage gemacht in einer größern Gesellschaft, die sehr munter war nach einer Burg, wo man eine sehr schöne Aussicht hat; und einmal eine Wassertour. – Einen sehr angenehmen Tag habe ich in Wilhelmsburg zugebracht bey einem wohlhabenden jungen Bauer, der viele Ländereyen hat, Henning von der Hacht u. s. jungen Frau. – Von da gieng ich nach Hamburg, wo ich nur ein paar Tage größtentheils in der Familie zubrachte, die jetzt und zwar sehr zerstreuet von einem zum andern, da sie weit auseinander mehrentheils auf dem Lande leben. Schröder habe ich nicht wieder gesehen, sondern nur eine Operette. Von Hamburg aus machte ich mit meinem Bruder eine kleine Reise durch die Vierlande theils zu Fuß theils zu Wagen ohngefähr von 8 Meilen, die mir sehr unterhaltend gewesen bey meiner Zurückkunft [5] reißte ich auf der Post nach braunschweig. Die Erzählung meiner Postaventüren mögte mich zu weit führen, und will ich weiter nichts darüber sagen, als daß die sehr gemischte Reisegesellschaft mir viel Beschäftigung gab, zumal ein junges artiges Frauenzimmer, welche mit einem dänischen Officier reißte. – Glaube aber nur nicht, daß ich mich auf den Postwagen verliebt war habe; obsie ihr ganzes Betragen intressirte mich nur für sie, und war ich übrigens ein ruhiger Zuschauer aller Intriguen. – Meine Begebenheiten in Braunschweig mag Dir Henriette schildern, der ich überhaupt den größten Theil unser der Correspondence mit Dir vorerst überlassen will, bis ich hier erst besser wieder in Ordnung bin.
Hier habe ich jezt den Professor (jezt Hofrath) Moritz kennen lernen, der auch gestern Abend mit Rehbergs Dem. Kaisers u. Bialloblotzky bey uns zum Essen war. Er gefällt mir sehr, die Naivität und das Darstellende in seinen Erzählungen, selbst die Sonderbarkeit in seinem Wesen machen ihn sehr unterhaltend. Er war gestern, so wie auch den Nachmittag, da er zuerst bey uns war, sehr munter und gesprächig, seine Gesundheit sieht jedoch [6] sehr mißlich aus. – Pape ist noch nicht zurück; Dein Andencken ist ihm sehr werth gewesen, da er Dich, wie er mir schreibt, liebt und ehrt. – Die Bücher Commissionen, die Du mir aufgetragen, werde ich so bald als möglich ausrichten. Hiebey kömmt auch ein Brief, den ich hier vorfand. Lebe recht wohl u. vergnügt. Jezt bist Du wahrscheinlich zu Hamsteede. – Meine Eltern befinden sich bey dem brunnentrincken recht wohl. Tante Caroline ist gestern wieder abgereiset
Karl Schlegel
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