• Amalie Wolper to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Harburg, Elbe · Place of Destination: Bonn · Date: 30.03.1843
Edition Status: Newly transcribed and labelled; double collated
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    Metadata Concerning Header
  • Sender: Amalie Wolper
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Harburg, Elbe
  • Place of Destination: Bonn
  • Date: 30.03.1843
  • Notations: Empfangsort erschlossen.
    Manuscript
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: DE-1a-34336
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XIX,Bd.29,Nr.71
  • Number of Pages: 4S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 21,4 x 13,9 cm
  • Incipit: „[1] Harburg d. 30sten März
    1843.
    Verehrtester Oheim!
    Mit aufrichtiger und herzlicher Theilnahme hat mich die Nachricht von dem Ableben der Mamsell Marie [...]“
  • Editors: Bamberg, Claudia · Varwig, Olivia · Zeil, Sophia
[1] Harburg d. 30sten März
1843.
Verehrtester Oheim!
Mit aufrichtiger und herzlicher Theilnahme hat mich die Nachricht von dem Ableben der Mamsell Marie erfüllt, nach einem so langwierigen und wie ich fürchte, schweren und schmerzhaften Krankenlager. Die Zufälle, denen dieselbe vor längerer Zeit unterworfen war, ließen freilich eine Wiederkehr fürchten, doch baute ich noch immer auf ihre früher so vortreffliche Gesundheit und glaubte ihr Ende noch fern und dann plötzlich und schmerzlos. Wie viel Sie dadurch verloren haben, theurer Oheim, kann ich ermessen, so wie auch, daß dieser Todesfall und die vorangegangenen langen Leiden Sie aufrichtig betrübt und tief erschüttert haben. Das Gefühl, daß der Verstorbenen die beste Pflege in Ihrem Hause und jede nur mögliche Erleichterung zu Theil geworden ist, wird [2] Ihnen gewiß wohlthuend und erhebend sein. Für mich liegt eine große Beruhigung in dem Gedanken, daß Ihnen Ihr treuer Heinrich noch geblieben ist, an den Sie seit einer langen Reihe von Jahren gewöhnt sind und auf den Sie sich gewiß so ganz verlassen können.
Schon öfter wollte ich dem Wunsche, Ihnen, geliebter Oheim, ein mal wieder zu schreiben, Genüge leisten, doch hielt mich in Wahrheit immer die Befürchtung davon zurück, ich möchte mit meinen Briefen Ihnen lästig fallen, da ich seit so langer Zeit keine Erwiederung erhielt. Ich vermuthe jedoch, daß überhäufte Geschäfte die Ursache waren und hoffe, daß Sie mir Ihr gütiges Wohlwollen nicht ganz entzogen haben. So erlaube ich mir denn, Ihnen von uns Allen wieder einige Kunde zu geben. Meine gute Mutter leidet sehr an den Schwächen und Beschwerden des hohen Alters, – am letzt verwichenen Sonnabend war ihr 86ster Geburtstag – und seit ungefähr 5 Wochen ist ihr Zustand so traurig, da sie unaufhörlich von Beängstigungen gequält wird, die ihr den Schlaf rauben, der nur durch künstliche Mittel auf kurze Zeit herbei geführt werden kann, daß sie sehnsuchtsvoll das Ziel ihrer Leiden herbei wünscht. So traurig der Gedanke für uns ist, unsre theure Mutter zu verlieren und eine so schmerzliche Lücke in unserm Kreise dadurch entstehen wird, so scheint es mir doch zu [3] selbstsüchtig zu sein, ihr eine solche Existenz noch lange zu wünschen. Das Einzige, was ich vom Himmel erflehe, ist Linderung ihres Zustandes und ein sanftes, ruhiges Ende. An ihrer Mamsell, die fast 10 Jahre bei ihr ist, hat sie eine sorgsame und unermüdete Pflegerinn, bei Tage und bei Nacht, sie ist aber auch so an dieselbe gewöhnt, daß sie sie gar nicht entbehren kann. Ich bin den größten Theil des Tages bei ihr, um sie, so viel möglich, zu unterhalten und zu erheitern und auch Nachts habe ich mich ganz in ihre Nähe gebettet, um gleich gerufen werden zu können und immer zur Hand zu sein.
Mit der Gesundheit meiner Schwester ist es leider! noch immer dasselbe, sie kann nur von Zweien geführt den Weg hierher machen, der gar nicht sehr weit ist und hat außerdem noch manche andre Plagen und Übel. Ihre Tochter Pauline, die früher so viel kränkelte, hat sich jedoch recht erholt und ist in den letzten Jahren ein gesundes und recht niedliches Mädchen geworden. Sie hat die Führung des kleinen Haushalts jetzt ganz übernommen und steht der Mutter in allen Dingen treulich zur Seite. Der Sohn Adolph ist seit Kurzem in Göttingen, um sein Maturitäts-Examen zu machen und wenn dieses gut ausfällt, was wir hoffen und kaum bezweifeln, dann Philologie zu studiren. Meine Schwester hofft sodann ein Stipendium oder einen Freitisch für ihn zu erhalten, da es ihr sehr schwer, fast unmöglich sein wird, alle Kosten zu bestreiten.
[4] Meinem Hermann geht es Gott sei Dank! recht gut. Er ist seit 1 1/4 Jahre in der Wahlstab’schen Buchhandlung zu Lüneburg und dort sehr zufrieden und wie ich fest üb[er]zeugt bin, in jeder Beziehung gut aufgehoben. Die Familie ist gebildet und genießt allgemeine Achtung und er wird als ein Mitglied derselben behandelt. Daß man auch mit seinen Leistungen und Betragen zufrieden ist, davon habe ich nicht nur die schriftliche Versicherung, sondern auch manche andre erfreuliche Beweise. So z. B. ist seit Neujahr durch seine Vermittelung sein genauster Jugendfreund, der zweite Sohn des Superintendenten Jüngst zu Lingen auch in die Buchhandlung aufgenommen, was mir, in mehr als einer Hinsicht Freude macht. Die Kosten sind ziemlich bedeutend, so daß ich sie nicht von meiner kleinen Einnahme bestreiten kann und jährlich etwas von dem Vermögen aufnehmen muß. Nach Ablauf der Lehrjahre kann er sich jedoch hoffentlich selbst unterhalten und gern will ich mich einschränken, wenn es zu seinem Besten dient und ihm wohl geht.
Meine Mutter und Schwester empfehlen sich Ihnen angelegentlich. Recht oft unterhalte ich diese Beiden von Ihnen, theurer Oheim und von der in Ihrem Hause verlebten so glücklichen und sorgenfreien Zeit.
Ich schließe mit den herzlichsten Wünschen für Ihr Wohl und mit der Bitte, mir ein freundliches Andenken zu bewahren.
Ihre
Sie hochschätzende und liebende Nichte
Amalie Wolper.
[1] Harburg d. 30sten März
1843.
Verehrtester Oheim!
Mit aufrichtiger und herzlicher Theilnahme hat mich die Nachricht von dem Ableben der Mamsell Marie erfüllt, nach einem so langwierigen und wie ich fürchte, schweren und schmerzhaften Krankenlager. Die Zufälle, denen dieselbe vor längerer Zeit unterworfen war, ließen freilich eine Wiederkehr fürchten, doch baute ich noch immer auf ihre früher so vortreffliche Gesundheit und glaubte ihr Ende noch fern und dann plötzlich und schmerzlos. Wie viel Sie dadurch verloren haben, theurer Oheim, kann ich ermessen, so wie auch, daß dieser Todesfall und die vorangegangenen langen Leiden Sie aufrichtig betrübt und tief erschüttert haben. Das Gefühl, daß der Verstorbenen die beste Pflege in Ihrem Hause und jede nur mögliche Erleichterung zu Theil geworden ist, wird [2] Ihnen gewiß wohlthuend und erhebend sein. Für mich liegt eine große Beruhigung in dem Gedanken, daß Ihnen Ihr treuer Heinrich noch geblieben ist, an den Sie seit einer langen Reihe von Jahren gewöhnt sind und auf den Sie sich gewiß so ganz verlassen können.
Schon öfter wollte ich dem Wunsche, Ihnen, geliebter Oheim, ein mal wieder zu schreiben, Genüge leisten, doch hielt mich in Wahrheit immer die Befürchtung davon zurück, ich möchte mit meinen Briefen Ihnen lästig fallen, da ich seit so langer Zeit keine Erwiederung erhielt. Ich vermuthe jedoch, daß überhäufte Geschäfte die Ursache waren und hoffe, daß Sie mir Ihr gütiges Wohlwollen nicht ganz entzogen haben. So erlaube ich mir denn, Ihnen von uns Allen wieder einige Kunde zu geben. Meine gute Mutter leidet sehr an den Schwächen und Beschwerden des hohen Alters, – am letzt verwichenen Sonnabend war ihr 86ster Geburtstag – und seit ungefähr 5 Wochen ist ihr Zustand so traurig, da sie unaufhörlich von Beängstigungen gequält wird, die ihr den Schlaf rauben, der nur durch künstliche Mittel auf kurze Zeit herbei geführt werden kann, daß sie sehnsuchtsvoll das Ziel ihrer Leiden herbei wünscht. So traurig der Gedanke für uns ist, unsre theure Mutter zu verlieren und eine so schmerzliche Lücke in unserm Kreise dadurch entstehen wird, so scheint es mir doch zu [3] selbstsüchtig zu sein, ihr eine solche Existenz noch lange zu wünschen. Das Einzige, was ich vom Himmel erflehe, ist Linderung ihres Zustandes und ein sanftes, ruhiges Ende. An ihrer Mamsell, die fast 10 Jahre bei ihr ist, hat sie eine sorgsame und unermüdete Pflegerinn, bei Tage und bei Nacht, sie ist aber auch so an dieselbe gewöhnt, daß sie sie gar nicht entbehren kann. Ich bin den größten Theil des Tages bei ihr, um sie, so viel möglich, zu unterhalten und zu erheitern und auch Nachts habe ich mich ganz in ihre Nähe gebettet, um gleich gerufen werden zu können und immer zur Hand zu sein.
Mit der Gesundheit meiner Schwester ist es leider! noch immer dasselbe, sie kann nur von Zweien geführt den Weg hierher machen, der gar nicht sehr weit ist und hat außerdem noch manche andre Plagen und Übel. Ihre Tochter Pauline, die früher so viel kränkelte, hat sich jedoch recht erholt und ist in den letzten Jahren ein gesundes und recht niedliches Mädchen geworden. Sie hat die Führung des kleinen Haushalts jetzt ganz übernommen und steht der Mutter in allen Dingen treulich zur Seite. Der Sohn Adolph ist seit Kurzem in Göttingen, um sein Maturitäts-Examen zu machen und wenn dieses gut ausfällt, was wir hoffen und kaum bezweifeln, dann Philologie zu studiren. Meine Schwester hofft sodann ein Stipendium oder einen Freitisch für ihn zu erhalten, da es ihr sehr schwer, fast unmöglich sein wird, alle Kosten zu bestreiten.
[4] Meinem Hermann geht es Gott sei Dank! recht gut. Er ist seit 1 1/4 Jahre in der Wahlstab’schen Buchhandlung zu Lüneburg und dort sehr zufrieden und wie ich fest üb[er]zeugt bin, in jeder Beziehung gut aufgehoben. Die Familie ist gebildet und genießt allgemeine Achtung und er wird als ein Mitglied derselben behandelt. Daß man auch mit seinen Leistungen und Betragen zufrieden ist, davon habe ich nicht nur die schriftliche Versicherung, sondern auch manche andre erfreuliche Beweise. So z. B. ist seit Neujahr durch seine Vermittelung sein genauster Jugendfreund, der zweite Sohn des Superintendenten Jüngst zu Lingen auch in die Buchhandlung aufgenommen, was mir, in mehr als einer Hinsicht Freude macht. Die Kosten sind ziemlich bedeutend, so daß ich sie nicht von meiner kleinen Einnahme bestreiten kann und jährlich etwas von dem Vermögen aufnehmen muß. Nach Ablauf der Lehrjahre kann er sich jedoch hoffentlich selbst unterhalten und gern will ich mich einschränken, wenn es zu seinem Besten dient und ihm wohl geht.
Meine Mutter und Schwester empfehlen sich Ihnen angelegentlich. Recht oft unterhalte ich diese Beiden von Ihnen, theurer Oheim und von der in Ihrem Hause verlebten so glücklichen und sorgenfreien Zeit.
Ich schließe mit den herzlichsten Wünschen für Ihr Wohl und mit der Bitte, mir ein freundliches Andenken zu bewahren.
Ihre
Sie hochschätzende und liebende Nichte
Amalie Wolper.
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