• Friedrich von Schlegel to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Wien · Place of Destination: Unknown · Date: 04.02.1819
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
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    Metadata Concerning Header
  • Sender: Friedrich von Schlegel
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Wien
  • Place of Destination: Unknown
  • Date: 04.02.1819
    Printed Text
  • Bibliography: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Bd. 30. Dritte Abteilung: Briefe von und an Friedrich und Dorothea Schlegel. Die Epoche der Zeitschrift Concordia (6. November 1818 ‒ Mai 1823). Mit Einleitung und Kommentar hg. v. Eugène Susini. Paderborn 1980, S. 61‒64.
  • Incipit: „[1] Wien, den 4ten Februar 1819.
    Geliebter Bruder! Die unglücklichen Nachrichten welche Du mir mitgetheilt, haben mich aufs innigste erschüttert und wahrhaft [...]“
    Manuscript
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: DE-1a-34288
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XIX,Bd.24.d,Nr.226
  • Number of Pages: 8S. auf Doppelbl. u. 2 S., hs. m. U.
  • Format: 19,7 x 11,5 cm
[1] Wien, den 4ten Februar 1819.
Geliebter Bruder! Die unglücklichen Nachrichten welche Du mir mitgetheilt, haben mich aufs innigste erschüttert und wahrhaft erschreckt; besonders da ich mir das Uebel anfangs doch gar <nicht> in dem Maaße groß, und daß Du es für unheilbar halten könntest, vorgestellt hatte. Dieß und daß ich die Nachrichten so nach und nach und Schlag auf Schlag erhielt, ist auch hauptsächlich die Ursache, daß ich mit der Antwort bis jetzt gezögert habe; die große Ungewißheit meiner eigenen Lage, in Beziehung auf Deinen brüderlichen Wunsch, mit dazu genommen.– Bey Deinem zweyten Brief, der dem ersten unmittelbar folgte, sah ich daß Du noch nicht das Ganze wußtest, weil ich zu gleicher Zeit einen Brief von der Mutter und von Sophieen erhielt, der mir alles Schlimme ahnden ließ. Seitdem ist die Sache <nun> gar in die Hände der Advocaten gerathen; welches zu vermeiden, mein erster und dringendster Rath und Wunsch gewesen seyn würde.– Sophieens Brief an mich ist rührend, enthält aber doch den, wie die Worte lauten und wie es scheint, festen Entschluß der Trennung. Die Mutter schüttet auch gegen mich sehr leidenschaftlich die einander gradezu widersprechenden und [2] sich eben dadurch von selbst widerlegenden Anklagen aus. Ich werde ihr das in der Antwort hinreichend zu fühlen geben.– Nun zur Sache. Wenn bloß davon die Rede wäre, wie es Anfangs den Anschein hatte, daß Deine Lebensmanieren Sophieens Herz den Eindruck der Kälte gemacht und sie etwas von Dir entfremdet hätten; so würde ich Dir fast in allem und so viel als nur irgend möglich, in allem was die äußere Lebenseinrichtung betrifft, nachzugeben gerathen haben; weil ich nun einmal die Ueberzeugung habe, daß man einer Frau, die man wirklich liebt, und die der Liebe werth ist, nicht genug nachgeben und alles zu Willen thun kann. In diesem Falle hätte ich mir auch wohl zugetraut, viel zu einem glücklichen Einverständniß und Wiederherstellung Eures Verhältnißes beytragen zu können, durch meine persönliche Gegenwart, besonders wenn ich längere Zeit mit Euch zusammen und gemeinschaftlich hätte leben können. Jetzt, und so wie jetzt die Sache steht, [3] kann ich diese Hoffnung nicht mehr hegen; es müßten denn die Advocaten erst wieder ganz aus dem Spiele seyn.– Die Forderung der Eltern einer gerichtlichen Trennung, ist gewiß nach allen Rechten der Welt unstatthaft und ungegründet; auf ihre Geldprellerey nun vollends sollst Du Dich gewiß gar nicht einlaßen; die scandalosen Anklagen der Mutter gegen Deinen körperlichen Zustand widerlegen sich eine die andre selbst. Indessen muß doch Sophieens Unerfahrenheit an irgend etwas Anstoß genommen haben, woraus die Leidenschaft der Mutter nachher solche wüste Dinge zusammengesetzt hat. Ich kann nun vollends, außer dem daß die Vorwürfe der Mutter in sich unvernünftig sind, gar nicht darüber urtheilen; und weiß auch nicht einmal, ob Du wirklich Grund hattest, ein Uebel <an Deiner Gesundheit> zu besorgen, oder nur aus übertriebner Aengstlichkeit jene Vorsichtsmaßregel anwendetest, wodurch wahrscheinlich der erste falsche Schreck unter den beyden Weibern entstanden ist; bey Sophieen vorzüglich, denn bey der [4] Mutter mag nachher auch böse Absicht wenigstens leidenschaftlich böse Absicht genug hinzugekommen seyn. Ist ein Artzt, der Dich kennt z.B. unser vortrefflicher W.[indischmann], der Meynung, daß Du wirklich ein ernsthaftes Uebel von dieser Seite, wenn auch erst später, zu besorgen Ursache hast; so wäre es allerdings zu wünschen, Du hättest im voraus darüber mit der Mutter gesprochen und <es wäre> allenfalls insgeheim ein weiser Artzt zu Rathe gezogen <worden>; so wäre ihnen denn auch aller Vorwand abgeschnitten. Selbst nach der Hand wäre es besser gewesen, einen solchen als Schiedsrichter hinzuziehen, als die Sache den rohen Händen der Advocaten Preiß zu geben. Wäre es nicht noch jetzt möglich daß unser W.[indischmann] einen vertraulichen Brief mit seinem medicinischen Gutachten und Beruhigung an Eine der Personen der Familie, am schicklichsten doch wohl an die Mutter abfaßte, und den Weibern wirklich einleuchtend und klar machte, daß sie (oder wenigstens S.[ophie] der die Mutter allerhand Schreckenszeug in den Kopf [5] gesetzt haben mag) sich geirrt haben; und dann auch der Mutter fühlbar machte, daß sie mit diesen Anklagen gewiß nicht durchkommen. Vielleicht könnte Windischmann auch einen solchen Brief an Dich, als von Dir aufs Gewissen um Rath gefragt, entwerfen; den Du nachher mittheiltest. Daß sich Sophie doch irgend etwas Irriges oder eine Angst über diesen Punkt, hat in den Kopf setzen laßen, scheint mir klar zu seyn – ungeachtet sie natürlich in Ihrem Briefe an mich davon nichts berührt, sondern sich nur auf die Mutter bezieht, die mir darüber näher schreiben würde, wie ,Du sie unverantwortlich betrogen habestʻ.– Ich wünschte nun, Du hättest mir der Vollständigkeit wegen, doch auch den Injurienbrief des Vaters geschickt; so wie eine Abschrift von den durch Dich oder durch Deinen Sachwalter gemachten conciliatorischen Vorschlägen. Ich würde an Deiner Stelle, oder auch nach meinem Dafürhalten, folgendes vorschlagen 1) Soll Sophie auf sechs Monathe zu Dir ziehen und mit Dir leben; während welcher Zeit Du [6] gern alles mögliche thun willst, um sie zufrieden zu stellen und glücklich zu machen. 2) Wenn sie sich dann entschließt, bey Dir zu bleiben, so würde ich ihr auch noch versprechen, daß sie alle Jahre 4-6 Wochen zu den Eltern reisen und bey diesen zubringen kann; ist sie nur erst einmal wieder ganz Dein, so findet sich das in der Folge von selbst, und kommt es zu einer vollkommnen Aussöhnung, so wirst Du am Ende wohl auch die Eltern wieder sehen können, so wenig ihr Betragen es auch verdient hat. 3) Wenn Sophie nach Ablauf von 6 Monathen, die sie bey Dir gewesen, noch erklärt, daß sie nicht bey Dir bleiben will, dann würde ich sie frey ziehen lassen, und dieß als Bedingung versprechen. Ich glaube zwar, und bin ich fast gewiß, daß die Preußischen Gesetze für Protestanten in den Rheinlanden in diesem Falle einen <noch> längeren Zeitraum bestimmen, den sie bey Dir bleiben müßte. Allein sechs [7] Monathe sind doch eigentlich als Versuch, um sich zu entscheiden genug. Und wer möchte wohl eine Frau, die Gesetze mögen entscheiden, was sie wollen, bey sich behalten, wenn sie eben ein für allemal nicht will! Leben muß sie freylich eine Zeitlang bey Dir, um dieß ordentlich wißen zu können; denn jetzt ist sie offenbar ‚getäuschtʻ über Dich, und im Hause der Eltern auch nicht völlig frey.– Ungefähr in diesem Sinne werde ich an Mutter und Tochter in diesen Tagen schreiben; der ersten fühlbar machen, wie sie das Glück ihrer Tochter so aufs Spiel setzen kann, der andern aber frey erklären, daß ich glaube, daß sie dieß thun solle und müße.– Andern Rath weiß ich mir jetzt nicht zu finden; meine persönliche Gegenwart würde, so lange Ihr noch so ganz weit auseinander und so feindlich gegen einander steht, gewiß nichts fruchten.– So gern ich auch sonst Deiner brüderlichen Aufforderung entsprechen und zu Euch eilen würde; so sehe ich doch gar keine Mittel und Wege vor mir, [8] dieses möglich zu machen. Es ist sehr ernsthaft die Rede davon, daß ich mit dem F.[ürsten] M.[etternich] nach Italien gehen soll; ich muß dieß in Hinsicht meiner ganzen Dienstlage, die sich erst dadurch consolidiren soll und wird, als eine besondere Gunst und Glück achten; es refüsiren hieße mir alles verbauen, auf Jahre hinaus, wo nicht abbrechen für immer. Geschieht es doch nicht, (denn ganz gewiß ist es immer noch nicht, und dieß auch mit ein Grund meiner verzögerten Antwort) so ist sehr die Frage, ob ich einen Urlaub so unmittelbar darauf, der <dann> wie ein Abschied aussehen würde, nur begehren darf, oder wenn ich ihn doch begehren wollte, auch wirklich erhalten würde; der andern großen Schwierigkeiten die ans Unmögliche gränzen, nicht zu gedenken.– Ich bin hier, seit meiner Rückkehr, in ein solches Meer von Verhältnißen, Beschäftigungen, zu nehmenden Rücksichten, – und dann auch tiefen Sorgen und erschütternden Leiden gerathen, daß ich Dir jetzt und in Einem Briefe gar nicht mittheilen kann. Ich wollte nur von Dir reden; nicht von mir, nur zürne mir nicht. Du würdest es gewiß nicht, wenn Du meine trostlose Lage ganz kenntest.– Lebe wohl, so wie ich Gewißheit habe über mich, – mehr –
Friedrich.

[9] Nicht genug kann ich Dir sagen, wie ich mich <so> von ganzem Herzen darüber freue, daß Du Vertrauen zu W.[indischmann] gefaßt hast und eine solche Freundschaft zwischen Euch besteht. Dieß ist doch der einzige Trost, der einem bleibt in so tiefen, erschütternden Seelenleiden. Ich hätte wohl auch Trost nöthig, und gäbe viel darum, wenn ich mich auf ein Paar Tage zu Euch hinzaubern könnte, zu Dir und zu W.[indischmann] der unter vielen meiner Freunde ganz besonders die Gabe hat, mir Trost zu geben und mein Vertrauen auf eine lindernde Weise in sich aufzunehmen. Grüße ihn recht aus ganzer Seele von mir.– Alles was Du mir von Deiner Wirksamkeit schreibst, erfreut mich auf das innigste, und nehme ich den größten Antheil daran; so wie auch an allem, was Du und W.[indischmann] mir über die Gestaltung und Entwicklung der neuen Anstalt meldet. Behaltet beyde nur immer ein Auge auf mich, und denkt bey jeder vorkommenden Gelegenheit daran, mir einen angemeßnen Platz (zunächst in der guten Meynung und Absicht der wohlgesinnten, leitenden und entscheidenden Personen) offen zu erhalten und auf etwaige Fälle der Zukunft vorzubereiten: da noch alles für mich unentschieden und unent[10]wickelt <ist>, und es mir daher zu einer großen Beruhigung gereicht, mehr als Einen Weg vor mir zu sehen.
Nichts würde mich so sehr erfreuen als Euch dort in Eurem, neuen Leben zu sehen.–
Ich bin nicht unthätig gewesen, seit ich hier bin; am meisten habe ich mich mit der Philosophie beschäftigt, von der ich einen Umriß niederzuschreiben angefangen; aber das sind vor der Hand freylich lauter Arbeiten im Souterrain, und wovon noch nichts zum Vorschein kommt.
Noch einmal bitte ich um Verzeihung, daß ich Dir nicht eher geantwortet; nur daß ich mich nicht fassen konnte, und zum rechten Entschluß kommen, nebst der drückenden Verworrenheit meiner eignen Lage ist Ursache daran. Du würdest mir nicht zürnen, wenn Du alles wüßtest! –
[1] Wien, den 4ten Februar 1819.
Geliebter Bruder! Die unglücklichen Nachrichten welche Du mir mitgetheilt, haben mich aufs innigste erschüttert und wahrhaft erschreckt; besonders da ich mir das Uebel anfangs doch gar <nicht> in dem Maaße groß, und daß Du es für unheilbar halten könntest, vorgestellt hatte. Dieß und daß ich die Nachrichten so nach und nach und Schlag auf Schlag erhielt, ist auch hauptsächlich die Ursache, daß ich mit der Antwort bis jetzt gezögert habe; die große Ungewißheit meiner eigenen Lage, in Beziehung auf Deinen brüderlichen Wunsch, mit dazu genommen.– Bey Deinem zweyten Brief, der dem ersten unmittelbar folgte, sah ich daß Du noch nicht das Ganze wußtest, weil ich zu gleicher Zeit einen Brief von der Mutter und von Sophieen erhielt, der mir alles Schlimme ahnden ließ. Seitdem ist die Sache <nun> gar in die Hände der Advocaten gerathen; welches zu vermeiden, mein erster und dringendster Rath und Wunsch gewesen seyn würde.– Sophieens Brief an mich ist rührend, enthält aber doch den, wie die Worte lauten und wie es scheint, festen Entschluß der Trennung. Die Mutter schüttet auch gegen mich sehr leidenschaftlich die einander gradezu widersprechenden und [2] sich eben dadurch von selbst widerlegenden Anklagen aus. Ich werde ihr das in der Antwort hinreichend zu fühlen geben.– Nun zur Sache. Wenn bloß davon die Rede wäre, wie es Anfangs den Anschein hatte, daß Deine Lebensmanieren Sophieens Herz den Eindruck der Kälte gemacht und sie etwas von Dir entfremdet hätten; so würde ich Dir fast in allem und so viel als nur irgend möglich, in allem was die äußere Lebenseinrichtung betrifft, nachzugeben gerathen haben; weil ich nun einmal die Ueberzeugung habe, daß man einer Frau, die man wirklich liebt, und die der Liebe werth ist, nicht genug nachgeben und alles zu Willen thun kann. In diesem Falle hätte ich mir auch wohl zugetraut, viel zu einem glücklichen Einverständniß und Wiederherstellung Eures Verhältnißes beytragen zu können, durch meine persönliche Gegenwart, besonders wenn ich längere Zeit mit Euch zusammen und gemeinschaftlich hätte leben können. Jetzt, und so wie jetzt die Sache steht, [3] kann ich diese Hoffnung nicht mehr hegen; es müßten denn die Advocaten erst wieder ganz aus dem Spiele seyn.– Die Forderung der Eltern einer gerichtlichen Trennung, ist gewiß nach allen Rechten der Welt unstatthaft und ungegründet; auf ihre Geldprellerey nun vollends sollst Du Dich gewiß gar nicht einlaßen; die scandalosen Anklagen der Mutter gegen Deinen körperlichen Zustand widerlegen sich eine die andre selbst. Indessen muß doch Sophieens Unerfahrenheit an irgend etwas Anstoß genommen haben, woraus die Leidenschaft der Mutter nachher solche wüste Dinge zusammengesetzt hat. Ich kann nun vollends, außer dem daß die Vorwürfe der Mutter in sich unvernünftig sind, gar nicht darüber urtheilen; und weiß auch nicht einmal, ob Du wirklich Grund hattest, ein Uebel <an Deiner Gesundheit> zu besorgen, oder nur aus übertriebner Aengstlichkeit jene Vorsichtsmaßregel anwendetest, wodurch wahrscheinlich der erste falsche Schreck unter den beyden Weibern entstanden ist; bey Sophieen vorzüglich, denn bey der [4] Mutter mag nachher auch böse Absicht wenigstens leidenschaftlich böse Absicht genug hinzugekommen seyn. Ist ein Artzt, der Dich kennt z.B. unser vortrefflicher W.[indischmann], der Meynung, daß Du wirklich ein ernsthaftes Uebel von dieser Seite, wenn auch erst später, zu besorgen Ursache hast; so wäre es allerdings zu wünschen, Du hättest im voraus darüber mit der Mutter gesprochen und <es wäre> allenfalls insgeheim ein weiser Artzt zu Rathe gezogen <worden>; so wäre ihnen denn auch aller Vorwand abgeschnitten. Selbst nach der Hand wäre es besser gewesen, einen solchen als Schiedsrichter hinzuziehen, als die Sache den rohen Händen der Advocaten Preiß zu geben. Wäre es nicht noch jetzt möglich daß unser W.[indischmann] einen vertraulichen Brief mit seinem medicinischen Gutachten und Beruhigung an Eine der Personen der Familie, am schicklichsten doch wohl an die Mutter abfaßte, und den Weibern wirklich einleuchtend und klar machte, daß sie (oder wenigstens S.[ophie] der die Mutter allerhand Schreckenszeug in den Kopf [5] gesetzt haben mag) sich geirrt haben; und dann auch der Mutter fühlbar machte, daß sie mit diesen Anklagen gewiß nicht durchkommen. Vielleicht könnte Windischmann auch einen solchen Brief an Dich, als von Dir aufs Gewissen um Rath gefragt, entwerfen; den Du nachher mittheiltest. Daß sich Sophie doch irgend etwas Irriges oder eine Angst über diesen Punkt, hat in den Kopf setzen laßen, scheint mir klar zu seyn – ungeachtet sie natürlich in Ihrem Briefe an mich davon nichts berührt, sondern sich nur auf die Mutter bezieht, die mir darüber näher schreiben würde, wie ,Du sie unverantwortlich betrogen habestʻ.– Ich wünschte nun, Du hättest mir der Vollständigkeit wegen, doch auch den Injurienbrief des Vaters geschickt; so wie eine Abschrift von den durch Dich oder durch Deinen Sachwalter gemachten conciliatorischen Vorschlägen. Ich würde an Deiner Stelle, oder auch nach meinem Dafürhalten, folgendes vorschlagen 1) Soll Sophie auf sechs Monathe zu Dir ziehen und mit Dir leben; während welcher Zeit Du [6] gern alles mögliche thun willst, um sie zufrieden zu stellen und glücklich zu machen. 2) Wenn sie sich dann entschließt, bey Dir zu bleiben, so würde ich ihr auch noch versprechen, daß sie alle Jahre 4-6 Wochen zu den Eltern reisen und bey diesen zubringen kann; ist sie nur erst einmal wieder ganz Dein, so findet sich das in der Folge von selbst, und kommt es zu einer vollkommnen Aussöhnung, so wirst Du am Ende wohl auch die Eltern wieder sehen können, so wenig ihr Betragen es auch verdient hat. 3) Wenn Sophie nach Ablauf von 6 Monathen, die sie bey Dir gewesen, noch erklärt, daß sie nicht bey Dir bleiben will, dann würde ich sie frey ziehen lassen, und dieß als Bedingung versprechen. Ich glaube zwar, und bin ich fast gewiß, daß die Preußischen Gesetze für Protestanten in den Rheinlanden in diesem Falle einen <noch> längeren Zeitraum bestimmen, den sie bey Dir bleiben müßte. Allein sechs [7] Monathe sind doch eigentlich als Versuch, um sich zu entscheiden genug. Und wer möchte wohl eine Frau, die Gesetze mögen entscheiden, was sie wollen, bey sich behalten, wenn sie eben ein für allemal nicht will! Leben muß sie freylich eine Zeitlang bey Dir, um dieß ordentlich wißen zu können; denn jetzt ist sie offenbar ‚getäuschtʻ über Dich, und im Hause der Eltern auch nicht völlig frey.– Ungefähr in diesem Sinne werde ich an Mutter und Tochter in diesen Tagen schreiben; der ersten fühlbar machen, wie sie das Glück ihrer Tochter so aufs Spiel setzen kann, der andern aber frey erklären, daß ich glaube, daß sie dieß thun solle und müße.– Andern Rath weiß ich mir jetzt nicht zu finden; meine persönliche Gegenwart würde, so lange Ihr noch so ganz weit auseinander und so feindlich gegen einander steht, gewiß nichts fruchten.– So gern ich auch sonst Deiner brüderlichen Aufforderung entsprechen und zu Euch eilen würde; so sehe ich doch gar keine Mittel und Wege vor mir, [8] dieses möglich zu machen. Es ist sehr ernsthaft die Rede davon, daß ich mit dem F.[ürsten] M.[etternich] nach Italien gehen soll; ich muß dieß in Hinsicht meiner ganzen Dienstlage, die sich erst dadurch consolidiren soll und wird, als eine besondere Gunst und Glück achten; es refüsiren hieße mir alles verbauen, auf Jahre hinaus, wo nicht abbrechen für immer. Geschieht es doch nicht, (denn ganz gewiß ist es immer noch nicht, und dieß auch mit ein Grund meiner verzögerten Antwort) so ist sehr die Frage, ob ich einen Urlaub so unmittelbar darauf, der <dann> wie ein Abschied aussehen würde, nur begehren darf, oder wenn ich ihn doch begehren wollte, auch wirklich erhalten würde; der andern großen Schwierigkeiten die ans Unmögliche gränzen, nicht zu gedenken.– Ich bin hier, seit meiner Rückkehr, in ein solches Meer von Verhältnißen, Beschäftigungen, zu nehmenden Rücksichten, – und dann auch tiefen Sorgen und erschütternden Leiden gerathen, daß ich Dir jetzt und in Einem Briefe gar nicht mittheilen kann. Ich wollte nur von Dir reden; nicht von mir, nur zürne mir nicht. Du würdest es gewiß nicht, wenn Du meine trostlose Lage ganz kenntest.– Lebe wohl, so wie ich Gewißheit habe über mich, – mehr –
Friedrich.

[9] Nicht genug kann ich Dir sagen, wie ich mich <so> von ganzem Herzen darüber freue, daß Du Vertrauen zu W.[indischmann] gefaßt hast und eine solche Freundschaft zwischen Euch besteht. Dieß ist doch der einzige Trost, der einem bleibt in so tiefen, erschütternden Seelenleiden. Ich hätte wohl auch Trost nöthig, und gäbe viel darum, wenn ich mich auf ein Paar Tage zu Euch hinzaubern könnte, zu Dir und zu W.[indischmann] der unter vielen meiner Freunde ganz besonders die Gabe hat, mir Trost zu geben und mein Vertrauen auf eine lindernde Weise in sich aufzunehmen. Grüße ihn recht aus ganzer Seele von mir.– Alles was Du mir von Deiner Wirksamkeit schreibst, erfreut mich auf das innigste, und nehme ich den größten Antheil daran; so wie auch an allem, was Du und W.[indischmann] mir über die Gestaltung und Entwicklung der neuen Anstalt meldet. Behaltet beyde nur immer ein Auge auf mich, und denkt bey jeder vorkommenden Gelegenheit daran, mir einen angemeßnen Platz (zunächst in der guten Meynung und Absicht der wohlgesinnten, leitenden und entscheidenden Personen) offen zu erhalten und auf etwaige Fälle der Zukunft vorzubereiten: da noch alles für mich unentschieden und unent[10]wickelt <ist>, und es mir daher zu einer großen Beruhigung gereicht, mehr als Einen Weg vor mir zu sehen.
Nichts würde mich so sehr erfreuen als Euch dort in Eurem, neuen Leben zu sehen.–
Ich bin nicht unthätig gewesen, seit ich hier bin; am meisten habe ich mich mit der Philosophie beschäftigt, von der ich einen Umriß niederzuschreiben angefangen; aber das sind vor der Hand freylich lauter Arbeiten im Souterrain, und wovon noch nichts zum Vorschein kommt.
Noch einmal bitte ich um Verzeihung, daß ich Dir nicht eher geantwortet; nur daß ich mich nicht fassen konnte, und zum rechten Entschluß kommen, nebst der drückenden Verworrenheit meiner eignen Lage ist Ursache daran. Du würdest mir nicht zürnen, wenn Du alles wüßtest! –
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