• Sophie Bernhardi to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Heidelberg · Place of Destination: Unknown · Date: 24.02.1822
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
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    Metadata Concerning Header
  • Sender: Sophie Bernhardi
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Heidelberg
  • Place of Destination: Unknown
  • Date: 24.02.1822
    Printed Text
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: 335973167
  • Bibliography: Krisenjahre der Frühromantik. Briefe aus dem Schlegelkreis. Hg. v. Josef Körner. Bd. 2. Der Texte zweite Hälfte. 1809‒1844. Bern u.a. ²1969, S. 394‒396.
  • Incipit: „[1] Heidelberg den 24ten Febr. 1822
    Mein theuerster Freund
    Zuerst muß ich Sie um Verzeihung bitten daß ich Ihren lezten Brief so spät [...]“
    Manuscript
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: DE-1a-33958
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XIX,Bd.13,Nr.31
  • Number of Pages: 4S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 20,6 x 12,5 cm
[1] Heidelberg den 24ten Febr. 1822
Mein theuerster Freund
Zuerst muß ich Sie um Verzeihung bitten daß ich Ihren lezten Brief so spät beantworte, ich bin seit einigen Wochen nicht wohl, und leide vorzüglich an meinem alten Übel, daß nehmlich die Augen beinahe erblinden. Es ist traurig wenn mann sich krank fühlt, und muß den Trost entbehren lesen und schreiben zu können.
Wie danckbahr ich Ihnen theuerster Freund für Ihre freundschaftliche Gesinnung bin, brauche ich Ihnen nicht zu wiederhohlen, ich habe seit unserer ersten Bekantschaft den grossen Werth Ihres Geistes und Ihres Charackters schätzen gelernt, und habe in keinen Augenblick meines Lebens aufgehört den grösten Werth auf Ihre Freundschaft zu legen, aber so oft im Leben habe ich die traurige Erfahrung wiederhohlen müssen, daß Zeit und Entfernung eine unwiederstehliche Gewalt über das Gemüth des Menschen ausüben, und eben dadurch das innigste Gefühl schwächen, und die festesten Bande auflösen. Können Sie mich nun darum tadeln wenn ich furchtsam geworden bin, und Ihre alte Gesinnung nur mit Vorsicht in Anspruch zu nehmen wage? Diese Furchtsamkeit brachte mich dahin [2] erst noch Ihre bestimte Erlaubnis abwarten zu wollen, ehe ich es wagte Ihnen die große Arbeit aufladen zu wollen, das ganze Gedicht Flore und Blanscheflur durchzugehen, und Ihre Verbesserungen anzubringen. Wie viel ich durch diese Furchtsamkeit verliehre fühle ich höchst schmerzlich. Denn ob ich gleich das ganze Gedicht von neuen umgearbeitet, und nach besten Kräften verbessert habe, so bin ich wohl weit von der thörichten Eitelkeit frei zu glauben daß es nun vollendet wäre, oder nicht einzusehen, wie ganz anders es erscheinen würde, wenn Sie der vollkommene Meister der Sprache sich die Mühe gegeben hätten es durchzuarbeiten. Es waren sieben Gesänge des Gedichts in den Händen meines Bruders, als ich Ihnen darüber schrieb, ich wollte er sollte sie Ihnen von Berlin aus zuschicken, und ich wollte die lezten fünf Gesänge von hier aus schiken, da ich aber so lange mit der Entscheidung zögerte, so hatte er indes es an Reimer verhandelt, und dem die sieben Gesänge abgegeben, der sie, wie er sagte, hatte anfangen lassen zu druken, und so war nun jede Abänderung unmöglich, Reimer erbot sich Ihnen sogleich die Aushängebogen zu schiken, und ich mußte mich mit dieser Anordnung zufrieden stellen, in der schmerzlichen Überzeugung [3] daß ich selbst, durch meine thörichte Sorge, mir den grösten Nachteihl zugezogen habe. Wenn Ihnen Reimer die Probebogen zuschickt, so glaube ich theuerster Freund, daß Sie finden werden, daß das Gedicht durch die lezte Umarbeitung gewonnen hat, auch glaube ich daß die Ungeschicklichkeit der Sprache gröstentheils verbessert ist, und ich bitte Sie herzlich Ihren gütigen Versprechen gemäß, es mit einer Vorrede zu begleiten.
Ich habe noch so wenig in meinem Leben thun können, wodurch Knorring eine Freude gehabt hätte, daß ich auch um seinetwillen keine Verzögerung des Drukes mehr habe veranlassen wollen. Er wünscht wie ich glaube, mit zu grosser Lebhaftigkeit Flore und Blanscheflur gedruckt zu sehen, und schmeichelt sich mit der Vorstellung daß es Beifall finden wird. Ich kann Ihnen nicht ausdrüken, wie kränkend es für mich sein würde, wenn er seine Hoffnung getäuscht sähe, und er es sich müßte gefallen lassen, daß deutsche Recensenten, nach ihrer gewohnten kleinlichen Weise darüber herfielen. Ich wiederhohle auch aus diesem Grunde meine inständigste Bitte an Sie theuerster Freund, mich durch die versprochene Vorrede dagegen zu schützen. Sie werden mich selbst kleinlich [4] finden daß ich so viel über diesen Gegenstand spreche, und ich kann nicht läugnen, es liegt mir dies Gedicht mehr am Herzen als billig ist.
Es ist traurig daß es sich so lange verzögert ehe wir uns wiedersehen. Sie versprechen uns diese Freude jezt erst Pfingsten, und ich fürchte, daß Ihre gehäuften Arbeiten Ihnen auch dan neue Hindernisse in den Weg legen werden. Sollte diese traurige Befürchtung gegründet sein, so bitte ich Sie herzlich uns ja bei zeiten davon zu benachrichtigen, damit wir unsere übrigen Einrichtungen so treffen können, daß wir Sie auf jeden Fall diesen Sommer in Bonn besuchen. Das Leben verfliegt so schnel mein theurer Freund, wahre Freunde die wir mit herzlicher Liebe unser ganzes Leben hindurch lieben können, hat jeder so wenig, daß mann mit diesen Wenigen nothwendig von Zeit zu Zeit zusammentreffen muß.
Sie werden es diesem Brief ansehen daß ich noch krank bin, und deshalb will ich schließen und nur noch die herzlichsten Grüße von Knorring und Felix bestellen. Leben Sie wohl und glücklich, arbeiten Sie nicht zuviel damit Sie nicht Ihre Gesundheit zerstöhren. Ewig mit herzlicher Freundschaft
die Ihrige
S.[ophie] Knorring.
[1] Heidelberg den 24ten Febr. 1822
Mein theuerster Freund
Zuerst muß ich Sie um Verzeihung bitten daß ich Ihren lezten Brief so spät beantworte, ich bin seit einigen Wochen nicht wohl, und leide vorzüglich an meinem alten Übel, daß nehmlich die Augen beinahe erblinden. Es ist traurig wenn mann sich krank fühlt, und muß den Trost entbehren lesen und schreiben zu können.
Wie danckbahr ich Ihnen theuerster Freund für Ihre freundschaftliche Gesinnung bin, brauche ich Ihnen nicht zu wiederhohlen, ich habe seit unserer ersten Bekantschaft den grossen Werth Ihres Geistes und Ihres Charackters schätzen gelernt, und habe in keinen Augenblick meines Lebens aufgehört den grösten Werth auf Ihre Freundschaft zu legen, aber so oft im Leben habe ich die traurige Erfahrung wiederhohlen müssen, daß Zeit und Entfernung eine unwiederstehliche Gewalt über das Gemüth des Menschen ausüben, und eben dadurch das innigste Gefühl schwächen, und die festesten Bande auflösen. Können Sie mich nun darum tadeln wenn ich furchtsam geworden bin, und Ihre alte Gesinnung nur mit Vorsicht in Anspruch zu nehmen wage? Diese Furchtsamkeit brachte mich dahin [2] erst noch Ihre bestimte Erlaubnis abwarten zu wollen, ehe ich es wagte Ihnen die große Arbeit aufladen zu wollen, das ganze Gedicht Flore und Blanscheflur durchzugehen, und Ihre Verbesserungen anzubringen. Wie viel ich durch diese Furchtsamkeit verliehre fühle ich höchst schmerzlich. Denn ob ich gleich das ganze Gedicht von neuen umgearbeitet, und nach besten Kräften verbessert habe, so bin ich wohl weit von der thörichten Eitelkeit frei zu glauben daß es nun vollendet wäre, oder nicht einzusehen, wie ganz anders es erscheinen würde, wenn Sie der vollkommene Meister der Sprache sich die Mühe gegeben hätten es durchzuarbeiten. Es waren sieben Gesänge des Gedichts in den Händen meines Bruders, als ich Ihnen darüber schrieb, ich wollte er sollte sie Ihnen von Berlin aus zuschicken, und ich wollte die lezten fünf Gesänge von hier aus schiken, da ich aber so lange mit der Entscheidung zögerte, so hatte er indes es an Reimer verhandelt, und dem die sieben Gesänge abgegeben, der sie, wie er sagte, hatte anfangen lassen zu druken, und so war nun jede Abänderung unmöglich, Reimer erbot sich Ihnen sogleich die Aushängebogen zu schiken, und ich mußte mich mit dieser Anordnung zufrieden stellen, in der schmerzlichen Überzeugung [3] daß ich selbst, durch meine thörichte Sorge, mir den grösten Nachteihl zugezogen habe. Wenn Ihnen Reimer die Probebogen zuschickt, so glaube ich theuerster Freund, daß Sie finden werden, daß das Gedicht durch die lezte Umarbeitung gewonnen hat, auch glaube ich daß die Ungeschicklichkeit der Sprache gröstentheils verbessert ist, und ich bitte Sie herzlich Ihren gütigen Versprechen gemäß, es mit einer Vorrede zu begleiten.
Ich habe noch so wenig in meinem Leben thun können, wodurch Knorring eine Freude gehabt hätte, daß ich auch um seinetwillen keine Verzögerung des Drukes mehr habe veranlassen wollen. Er wünscht wie ich glaube, mit zu grosser Lebhaftigkeit Flore und Blanscheflur gedruckt zu sehen, und schmeichelt sich mit der Vorstellung daß es Beifall finden wird. Ich kann Ihnen nicht ausdrüken, wie kränkend es für mich sein würde, wenn er seine Hoffnung getäuscht sähe, und er es sich müßte gefallen lassen, daß deutsche Recensenten, nach ihrer gewohnten kleinlichen Weise darüber herfielen. Ich wiederhohle auch aus diesem Grunde meine inständigste Bitte an Sie theuerster Freund, mich durch die versprochene Vorrede dagegen zu schützen. Sie werden mich selbst kleinlich [4] finden daß ich so viel über diesen Gegenstand spreche, und ich kann nicht läugnen, es liegt mir dies Gedicht mehr am Herzen als billig ist.
Es ist traurig daß es sich so lange verzögert ehe wir uns wiedersehen. Sie versprechen uns diese Freude jezt erst Pfingsten, und ich fürchte, daß Ihre gehäuften Arbeiten Ihnen auch dan neue Hindernisse in den Weg legen werden. Sollte diese traurige Befürchtung gegründet sein, so bitte ich Sie herzlich uns ja bei zeiten davon zu benachrichtigen, damit wir unsere übrigen Einrichtungen so treffen können, daß wir Sie auf jeden Fall diesen Sommer in Bonn besuchen. Das Leben verfliegt so schnel mein theurer Freund, wahre Freunde die wir mit herzlicher Liebe unser ganzes Leben hindurch lieben können, hat jeder so wenig, daß mann mit diesen Wenigen nothwendig von Zeit zu Zeit zusammentreffen muß.
Sie werden es diesem Brief ansehen daß ich noch krank bin, und deshalb will ich schließen und nur noch die herzlichsten Grüße von Knorring und Felix bestellen. Leben Sie wohl und glücklich, arbeiten Sie nicht zuviel damit Sie nicht Ihre Gesundheit zerstöhren. Ewig mit herzlicher Freundschaft
die Ihrige
S.[ophie] Knorring.
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