• Alexander von Humboldt to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Potsdam · Place of Destination: Unknown · Date: 19.04.1835
Edition Status: Single collated printed full text without registry labelling not including a registry
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    Metadata Concerning Header
  • Sender: Alexander von Humboldt
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Potsdam
  • Place of Destination: Unknown
  • Date: 19.04.1835
    Printed Text
  • Bibliography: Klette, Anton: Verzeichnis der von A. W. v. Schlegel nachgelassenen Briefsammlung. Nebst Mittheilung ausgewählter Proben des Briefwechsels mit den Gebrüdern von Humboldt, F. Schleiermacher, B. G. Niebuhr und J. Grimm. Bonn 1868, S. VI‒VII.
  • Verlag: ‒
  • Incipit: „[1] Als mein Bruder noch, vor wenigen Wochen, mit einem ungemein lehrreichen Brief von Ihnen, mein verehrter Freund, beglückt wurde, ahndeten [...]“
    Manuscript
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: DE-1a-33865
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XIX,Bd.11,Nr.32
  • Number of Pages: 2S., hs. m. U.
  • Format: 23,7 x 22,3 cm
[1] Als mein Bruder noch, vor wenigen Wochen, mit einem ungemein lehrreichen Brief von Ihnen, mein verehrter Freund, beglückt wurde, ahndeten wir nicht das tiefe Unglück, das mich, den Vereinzelten, dem hiesigen Boden gleichsam entfremdeten niederdrückt. Sie, der Sie zu den ältesten Freunden des Verewigten gehören, in innigster Geistesgemeinschaft mit ihm standen, werden gewiss auch schmerzlich bei dieser Trauernachricht erschüttert worden sein. Die Muskelschwäche hatte, seit einem Monathe, furchtbar zugenommen. Zehen Tage und zehen lange Nächte haben wir den Edelen sterben sehen! Er starb mit der Ruhe und Heiterkeit, die seiner grossen Geistesgaben würdig war, freundlich und milde und dankbar gegen jeden, der sich seinem Krankenlager näherte, seinen Zustand mit Scharfsinn erspäend, freudig dass er nun bald die Mutter der ihn umgebenden Kinder wiedersehen, zur klaren Einsicht in eine höhere Weltordnung gelangen würde. Schweiften im Sopor die Gedanken einmal willenlos ab, so recitirte er 30–40 Verse griechisch aus der Iliade und Pindar oder der Geistererscheinung (Thekla) von Schiller. Er verschied sanft um 6 Uhr Abends, am 8ten, in Tegel, von den schönsten Bildwerken des Alterthums umgeben. Noch am Tage wo ihn ein Aderlass vom Schlagfluss rettete, arbeitete er an seinem grossen Sprachwerke. Er hinterlässt zwei Werke die wir aber nicht trennen dürfen, 1) über die Sprachen des Indischen Archipels und die Inseln [2] der Südsee und ihren Zusammenhang mit dem Sanskrit 2) Untersuchungen über den Bau der Sprachen im Allgemeinen und den Einfluss desselben auf die geistige Bildung der Völker. Diese letztere Schrift, die eine Art Einleitung zur ersteren ist, zeichnet sich besonders durch philosophische Tiefe und eine bewundernswürdige Anmuth des Ausdrucks und der ganzen Darstellung aus. Ich hoffe dass beide Werke bald erscheinen sollen. Es ist mir in diesen schmerzlichen und dabei so beschäftigten Augenblikken unmöglich, mehr zu schreiben. Sie kennen, theurer Freund, die freundschaftlichste Anhänglichkeit beider Brüder an Sie. Ihre inhaltreiche und durch classischen Schmuck der Rede ausgezeichnete und zugängliche französische Schrift habe ich, zur rechten Zeit an den Höfen, wo Ihr Andenken oft gefeiert wird, vertheilt. Mit alter Verehrung,
Ihr
Al Humboldt
den 19ten April
1835.

Potsdam
[1] Als mein Bruder noch, vor wenigen Wochen, mit einem ungemein lehrreichen Brief von Ihnen, mein verehrter Freund, beglückt wurde, ahndeten wir nicht das tiefe Unglück, das mich, den Vereinzelten, dem hiesigen Boden gleichsam entfremdeten niederdrückt. Sie, der Sie zu den ältesten Freunden des Verewigten gehören, in innigster Geistesgemeinschaft mit ihm standen, werden gewiss auch schmerzlich bei dieser Trauernachricht erschüttert worden sein. Die Muskelschwäche hatte, seit einem Monathe, furchtbar zugenommen. Zehen Tage und zehen lange Nächte haben wir den Edelen sterben sehen! Er starb mit der Ruhe und Heiterkeit, die seiner grossen Geistesgaben würdig war, freundlich und milde und dankbar gegen jeden, der sich seinem Krankenlager näherte, seinen Zustand mit Scharfsinn erspäend, freudig dass er nun bald die Mutter der ihn umgebenden Kinder wiedersehen, zur klaren Einsicht in eine höhere Weltordnung gelangen würde. Schweiften im Sopor die Gedanken einmal willenlos ab, so recitirte er 30–40 Verse griechisch aus der Iliade und Pindar oder der Geistererscheinung (Thekla) von Schiller. Er verschied sanft um 6 Uhr Abends, am 8ten, in Tegel, von den schönsten Bildwerken des Alterthums umgeben. Noch am Tage wo ihn ein Aderlass vom Schlagfluss rettete, arbeitete er an seinem grossen Sprachwerke. Er hinterlässt zwei Werke die wir aber nicht trennen dürfen, 1) über die Sprachen des Indischen Archipels und die Inseln [2] der Südsee und ihren Zusammenhang mit dem Sanskrit 2) Untersuchungen über den Bau der Sprachen im Allgemeinen und den Einfluss desselben auf die geistige Bildung der Völker. Diese letztere Schrift, die eine Art Einleitung zur ersteren ist, zeichnet sich besonders durch philosophische Tiefe und eine bewundernswürdige Anmuth des Ausdrucks und der ganzen Darstellung aus. Ich hoffe dass beide Werke bald erscheinen sollen. Es ist mir in diesen schmerzlichen und dabei so beschäftigten Augenblikken unmöglich, mehr zu schreiben. Sie kennen, theurer Freund, die freundschaftlichste Anhänglichkeit beider Brüder an Sie. Ihre inhaltreiche und durch classischen Schmuck der Rede ausgezeichnete und zugängliche französische Schrift habe ich, zur rechten Zeit an den Höfen, wo Ihr Andenken oft gefeiert wird, vertheilt. Mit alter Verehrung,
Ihr
Al Humboldt
den 19ten April
1835.

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