Hochgeehrtester Herr Professor und
akademischer College!
Sie haben mich durch Übersendung Ihrer Nibelungen-Lieder, die mir durch einen hiesigen Buchhändler in Ihrem Namen eingehändigt worden sind, eben so sehr erfreuet, als angenehm überrascht. Ich wünschte nur, dieses schöne und kostbare Geschenk einigermaßen erwiedern zu können: aber ich habe nichts neues fertig. Zwei Arbeiten liegen noch auf dem Amboß, und erwarten eben die letzten Hammerschläge: die eine ist am Ganges zu Haus; die andre sucht in Athen einheimisch zu werden.
In Ermangelung eines besseren habe ich Ihnen vorgestern durch den Güterwagen einige Pergament-Schnitzel wohl eingepackt zugeschickt. Diese hat mir vor langen Jahren Görres geschenkt. Ich bitte, sie nicht zu verschmähen. Das Alter und die Heimat der Handschrift zu bestimmen, überlasse ich Ihnen, und werde mit Vergnügen Ihr Urtheil erfahren.
Wenn Ihnen damit gedient ist, kann ich Ihnen auch das ächte Wappen des Wolfram von Eschenbach sauber blasoniert anbieten. Ich habe es vorlängst aus einem handschriftlichen Wappenbuche der Züricher Stadt-Bibliothek copieren lassen. Die Aussage des Püterich von Reinherzhausen wird dadurch vollkommen bestätigt und erklärt. Das Wappen in dem Pariser Codex ist demnach unächt, was vielleicht von einer Verwechselung mit dem Geschlecht im Zürichgau herrührt.
Einwürfe wären kein angemeßnes Gegengeschenk. Gegen Ihre Anordnung des Textes werden dergleichen, denke ich, nicht ausbleiben; aber schwerlich werden Sie [!] von mir vorgebracht werden. Meine Collationen und bändereichen Excerpte ruhen seit vielen Jahren.
Empfangen Sie nochmals, hochgeehrtester Herr, meinen verbindlichsten Dank, und gedenken sie [!] meiner im besten
Ihr ergebenster
AW vSchlegel