• Sophie Bernhardi to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Weimar · Place of Destination: Coppet · Date: 26. Juli [1804]
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
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    Metadata Concerning Header
  • Sender: Sophie Bernhardi
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Weimar
  • Place of Destination: Coppet
  • Date: 26. Juli [1804]
  • Notations: Datum (Jahr) erschlossen.
    Printed Text
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: 335976727
  • Bibliography: Krisenjahre der Frühromantik. Briefe aus dem Schlegelkreis. Hg. v. Josef Körner. Bd. 1. Der Texte erste Hälfte. 1791‒1808. Bern u.a. ²1969, S. 128‒130.
  • Incipit: „[1] Weimar den 26ten Juli [1804]
    Ich will liebster Freund meine Briefe gar nicht mehr mit Entschuldigungen über die Versäumten anfangen ich [...]“
    Manuscript
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: APP2712-Bd-4
  • Classification Number: Mscr.Dresd.App.2712,B,15,28
  • Number of Pages: 8 S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 20,3 x 12,4 cm
[1] Weimar den 26ten Juli [1804]
Ich will liebster Freund meine Briefe gar nicht mehr mit Entschuldigungen über die Versäumten anfangen ich kann mir dies verruchte Laster einmal nicht abgewöhnen so oft ich auch die besten Vorsätze fasse. Ich muß Ihnen auf das innigste danken wie Ihre Liebe und Ihre Sorge für mich durch keine Entfernung geschwächt wird. Sie glauben nicht wie nöhtig mir Ihre Hülfe thut und ich danke von ganzen Herzen. Ich kann es nicht vermeiden jezt viel zu brauchen theils kosten meine eigne Arzneien viel theils brauche ich für die Kinder viel und Sie wissen wie ungern ich fodre.
Meinen Brief worin ich Ihnen unsern Plan geschrieben habe den werden Sie nun schon erhalten haben ich kann nicht sagen wie unbeschreiblich ich mich freue Sie wiederzusehen. Oft ist es mir als wäre es nur ein Traum das die kühnsten Wünsche meiner Kindheit sich erfüllen solten wie so alles wornach ich mich sehnte nun aufblüht wie Blumen die sich dicht um [2] mein Herz schliessen. Mir ist oft als hörte ich wolbekante Töne die mich aus der Ferne rufen und die mir das schönste herlichste versprechen was dem Menschen zu theil werden kann. Umgeben von allem was mein Herz liebt wen[n] ich mich so in Rom denke wo die heiligste Musick die fromsten Worte zu mir spricht so ist mir oft als könte ich diese Seeligkeit nicht erleben als müste ich vorher sterben. Ach mein theurer theurer Freund wie trübe liegt mein Leben hinter mir und wie breitet es sich vor mir im Frühlingssonnenschein aus wie möchte ich es trinken in langsamen Zügen und keinen von den kostbahren Tropfen verschütten. Ich denke oft [daß] ich alles Traurige nun erlebt, mein Herz hat jeden Schmerz überstanden und ich könte mich nun ohne Zagheit in die Wellen der süßen Musik des Lebens tauchen. Ach liebster Freund könten Sie fühlen welche stille Freude [3] mein Herz erfült Sie würden es mit Freuden betrachten da es so grossentheils Ihr Werk ist.
Sie fühlen wohl selbst das ich in solcher Stimmung doch mehr als sonst das Bedürfniß der Einsamkeit habe und mich gänzlich auf meine Kinder und meine Freunde einschränke und so weiß ich gar nichts von der Welt.
Mit meiner Gesundheit wirde es sehr gut gehen wen[n] nicht der arme Wilhelm den Keuchhusten bekommen hätte und ich bei meiner großen Reizbarkeit ihn geerbt hätte, das hat uns beide entsezlig angegriffen doch sind wir jezt beinahe ganz davon hergestelt. Dadurch ist es auch gekommen das ich Ihnen nicht geschrieben habe.
Jezt denke ich etwa in zwölf Tagen von hier nach Dresden zu reisen dort will ich mich einige Tage aufhalten und dan nach Töpliz gehen. Die Antwort auf diesen Brief wirde mich also in Töpliz treffen, [4] richten Sie es zur Sicherheit so ein das der Brief auf der Post bleibt und ich ihn kann holen lassen. Das mich Knorring begleitet versteht sich. Er läßt Sie von ganzen Herzen grüßen und Sie bitten ihn nicht zu vergessen, er wird Ihnen selbst schreiben.
Ich habe mir hier von Voigt einen Paß geben lassen den will ich in Dresden durch Burgsdorf gegen einen vom preusischen Gesandten vertauschen lassen um nachher ungehindert zu sein. Ich kann nicht sagen wie ich mich jezt über jeden Tag meines Lebens freue, wieder neue Berge und Flüsse zu sehen erfült mein Herz mit entzüken, ich lebe in Gedanken mit Ihnen mein lieber Freund an jeder schönen Stelle die Sie mir beschreiben. Nur dies eine ist mir eine Kränkung, ich kann in dieser Trunkenheit der Seele nicht so ängstlich mit dem Gelde rechnen und das macht mir zuweilen Sorgen da ich [5] nichts für mich habe, wäre dies noch so fehlte nichts um mich zu beglücken. Es ist natürlich da mich der Bruder so liebt das ich nun diese 100 Thaler als eine gemeinschaftliche Einnahme angesehen habe. Werden Sie nicht ungeduldig liebster Freund geliebter Bruder wen[n] Ihr verzärteltes Kind das Sie selber gerne recht hegen und pflegen müssen nun auch will das die ganze Welt sie wie ein reiches duftendes Blumenbeet umgeben soll. Und darum nun weil mir noch alle Liebe so im Gedächtniß ist bitte ich Dich mein Liebster Bruder wen[n] es möglich ist an mich zu denken damit nicht Knorring wieder in Dresden und Töpliz alles für mich bezalen muß. Und nun genug hievon. Ich denke ich will Marie um mein Bild bitten um es Ihnen zu schiken da das welches Sie von meinem Bruder wünschen so schnel nicht zu stande kommen kann da seine Arbeiten ihn sehr drängen, nur müste ich natürlich [6] im stande sein es ihr zu bezalen wen[n] ich es verlangen solte. Ich habe gehört das sie im Herbst eine Zeitlang bei Fromman in Jena wohnen wolte, daß wäre mir aus vielen Gründen recht lieb. Bernhardi hat mir einen schönen Vorschlag gethan, er wolte mich nemlich gern hier besuchen und ich solte ihm das Geld dazu schiken. Ich habe ihm sehr kaltblühtig und bestimt geantwortet ich hätte kein Geld auch könte ich es nicht wünschen ihn jezt schon wieder zu sehen da mir alle tausendfachen Kränkungen noch zu sehr im Gedächtniß wären. Darauf hat er nun noch nicht geantwortet. Ich war nun auf den Fall das er dennoch gekommen wäre gerüstet sogleich mit Knorring wegzureisen und er hätte es sich den[n] selbst zuzuschreiben gehabt wen[n] ich so öffentlich gegen ihn verfahren müste. Er färt darin [7] fort womit er schon in Berlin anfieng seine Zärtligkeit für die Kinder geltend zu machen. Ich bin sehr auf alles gefaßt ob ich gleich nicht glaube das er gewaltsame Masregeln nehmen wird. Erstlig weil er zu feigherzig ist und zweitens weil er gar zu tief im Unrechte steckt. Die Kinder tragen mir auf Sie zu grüßen. Felix kann es nur noch nicht aussprechen. Der Bruder ist alle Tage über Felix Schönheit entzükt, Knorring liebt ihn ganz fantastisch und der arme Wilhelm wird wie ich es gleich glaubte ein wenig zurickgesezt waß mich doppelt jammert da er jezt so mager von der Krankheit ist. Er hat mir aber aufgetragen Ihnen zu schreiben wen[n] er gesund wäre so bekäme er von dem Onkel eine seidne Jake mit goldnen Schnüren und Sie möchten sich hüten das Sie nicht auch den Husten bekämen. Von meinen Arbeiten kann ich noch [8] nichts weiter schreiben, die sind durch meinen Husten sehr ins Stoken gerahten. Leben Sie für heute wohl mein lieber Freund und behalten Sie uns alle so lieb wie wir Sie.
S[ophie] Tieck
[1] Weimar den 26ten Juli [1804]
Ich will liebster Freund meine Briefe gar nicht mehr mit Entschuldigungen über die Versäumten anfangen ich kann mir dies verruchte Laster einmal nicht abgewöhnen so oft ich auch die besten Vorsätze fasse. Ich muß Ihnen auf das innigste danken wie Ihre Liebe und Ihre Sorge für mich durch keine Entfernung geschwächt wird. Sie glauben nicht wie nöhtig mir Ihre Hülfe thut und ich danke von ganzen Herzen. Ich kann es nicht vermeiden jezt viel zu brauchen theils kosten meine eigne Arzneien viel theils brauche ich für die Kinder viel und Sie wissen wie ungern ich fodre.
Meinen Brief worin ich Ihnen unsern Plan geschrieben habe den werden Sie nun schon erhalten haben ich kann nicht sagen wie unbeschreiblich ich mich freue Sie wiederzusehen. Oft ist es mir als wäre es nur ein Traum das die kühnsten Wünsche meiner Kindheit sich erfüllen solten wie so alles wornach ich mich sehnte nun aufblüht wie Blumen die sich dicht um [2] mein Herz schliessen. Mir ist oft als hörte ich wolbekante Töne die mich aus der Ferne rufen und die mir das schönste herlichste versprechen was dem Menschen zu theil werden kann. Umgeben von allem was mein Herz liebt wen[n] ich mich so in Rom denke wo die heiligste Musick die fromsten Worte zu mir spricht so ist mir oft als könte ich diese Seeligkeit nicht erleben als müste ich vorher sterben. Ach mein theurer theurer Freund wie trübe liegt mein Leben hinter mir und wie breitet es sich vor mir im Frühlingssonnenschein aus wie möchte ich es trinken in langsamen Zügen und keinen von den kostbahren Tropfen verschütten. Ich denke oft [daß] ich alles Traurige nun erlebt, mein Herz hat jeden Schmerz überstanden und ich könte mich nun ohne Zagheit in die Wellen der süßen Musik des Lebens tauchen. Ach liebster Freund könten Sie fühlen welche stille Freude [3] mein Herz erfült Sie würden es mit Freuden betrachten da es so grossentheils Ihr Werk ist.
Sie fühlen wohl selbst das ich in solcher Stimmung doch mehr als sonst das Bedürfniß der Einsamkeit habe und mich gänzlich auf meine Kinder und meine Freunde einschränke und so weiß ich gar nichts von der Welt.
Mit meiner Gesundheit wirde es sehr gut gehen wen[n] nicht der arme Wilhelm den Keuchhusten bekommen hätte und ich bei meiner großen Reizbarkeit ihn geerbt hätte, das hat uns beide entsezlig angegriffen doch sind wir jezt beinahe ganz davon hergestelt. Dadurch ist es auch gekommen das ich Ihnen nicht geschrieben habe.
Jezt denke ich etwa in zwölf Tagen von hier nach Dresden zu reisen dort will ich mich einige Tage aufhalten und dan nach Töpliz gehen. Die Antwort auf diesen Brief wirde mich also in Töpliz treffen, [4] richten Sie es zur Sicherheit so ein das der Brief auf der Post bleibt und ich ihn kann holen lassen. Das mich Knorring begleitet versteht sich. Er läßt Sie von ganzen Herzen grüßen und Sie bitten ihn nicht zu vergessen, er wird Ihnen selbst schreiben.
Ich habe mir hier von Voigt einen Paß geben lassen den will ich in Dresden durch Burgsdorf gegen einen vom preusischen Gesandten vertauschen lassen um nachher ungehindert zu sein. Ich kann nicht sagen wie ich mich jezt über jeden Tag meines Lebens freue, wieder neue Berge und Flüsse zu sehen erfült mein Herz mit entzüken, ich lebe in Gedanken mit Ihnen mein lieber Freund an jeder schönen Stelle die Sie mir beschreiben. Nur dies eine ist mir eine Kränkung, ich kann in dieser Trunkenheit der Seele nicht so ängstlich mit dem Gelde rechnen und das macht mir zuweilen Sorgen da ich [5] nichts für mich habe, wäre dies noch so fehlte nichts um mich zu beglücken. Es ist natürlich da mich der Bruder so liebt das ich nun diese 100 Thaler als eine gemeinschaftliche Einnahme angesehen habe. Werden Sie nicht ungeduldig liebster Freund geliebter Bruder wen[n] Ihr verzärteltes Kind das Sie selber gerne recht hegen und pflegen müssen nun auch will das die ganze Welt sie wie ein reiches duftendes Blumenbeet umgeben soll. Und darum nun weil mir noch alle Liebe so im Gedächtniß ist bitte ich Dich mein Liebster Bruder wen[n] es möglich ist an mich zu denken damit nicht Knorring wieder in Dresden und Töpliz alles für mich bezalen muß. Und nun genug hievon. Ich denke ich will Marie um mein Bild bitten um es Ihnen zu schiken da das welches Sie von meinem Bruder wünschen so schnel nicht zu stande kommen kann da seine Arbeiten ihn sehr drängen, nur müste ich natürlich [6] im stande sein es ihr zu bezalen wen[n] ich es verlangen solte. Ich habe gehört das sie im Herbst eine Zeitlang bei Fromman in Jena wohnen wolte, daß wäre mir aus vielen Gründen recht lieb. Bernhardi hat mir einen schönen Vorschlag gethan, er wolte mich nemlich gern hier besuchen und ich solte ihm das Geld dazu schiken. Ich habe ihm sehr kaltblühtig und bestimt geantwortet ich hätte kein Geld auch könte ich es nicht wünschen ihn jezt schon wieder zu sehen da mir alle tausendfachen Kränkungen noch zu sehr im Gedächtniß wären. Darauf hat er nun noch nicht geantwortet. Ich war nun auf den Fall das er dennoch gekommen wäre gerüstet sogleich mit Knorring wegzureisen und er hätte es sich den[n] selbst zuzuschreiben gehabt wen[n] ich so öffentlich gegen ihn verfahren müste. Er färt darin [7] fort womit er schon in Berlin anfieng seine Zärtligkeit für die Kinder geltend zu machen. Ich bin sehr auf alles gefaßt ob ich gleich nicht glaube das er gewaltsame Masregeln nehmen wird. Erstlig weil er zu feigherzig ist und zweitens weil er gar zu tief im Unrechte steckt. Die Kinder tragen mir auf Sie zu grüßen. Felix kann es nur noch nicht aussprechen. Der Bruder ist alle Tage über Felix Schönheit entzükt, Knorring liebt ihn ganz fantastisch und der arme Wilhelm wird wie ich es gleich glaubte ein wenig zurickgesezt waß mich doppelt jammert da er jezt so mager von der Krankheit ist. Er hat mir aber aufgetragen Ihnen zu schreiben wen[n] er gesund wäre so bekäme er von dem Onkel eine seidne Jake mit goldnen Schnüren und Sie möchten sich hüten das Sie nicht auch den Husten bekämen. Von meinen Arbeiten kann ich noch [8] nichts weiter schreiben, die sind durch meinen Husten sehr ins Stoken gerahten. Leben Sie für heute wohl mein lieber Freund und behalten Sie uns alle so lieb wie wir Sie.
S[ophie] Tieck
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