Geehrter Schwager!
Es wird nun ungefähr ein Jahr seyn, daß ich von Ihnen ein Schreiben erhielt, worin Sie mich aufforderten, Ihren seeligen Bruder dahin zu vermögen, daß er die Ihnen schuldige Summe von 350 Gulden zurückzahlen sollte. Ich suchte in meiner Antwort ihn zu entschuldigen, und bat Sie um einen neuen Aufschub, wohl wissend, daß der gute Friedrich zu der Zeit noch nicht zu zahlen im Stande war, so sehnlichst er auch wohl wünschen mochte, seinen Bruder nicht länger unter der Zahl seiner Gläubiger zu wissen. Auch ich war nicht im Besitz einer solchen Summe, so wie ich es Ihnen damals bekannte, und Sie um Nachsicht ersuchte.
Nach dem schmerzlichen Fall, der mich so ganz unerwartet betroffen, schrieb ich Ihnen nochmals und erwähnte jener Schuld mit dem Erbieten, sie sogleich abzutragen, sobald ich mich dazu im Stande sehen würde. Hierauf machten Sie, werther Herr Bruder, in Ihrer gütigen Antwort mir das Anerbieten, mir die Schuld zu erlassen, welches gütige Geschenk ich, obgleich ich es nicht annehmen zu können glaubte, dennoch dankbar zu erkennen nie aufhören werde.
Jetzt bin ich nun durch den Verkauf der Bibliothek Ihres seeligen Bruders, sowie durch den Druck der zuletzt von ihm in Dresden gehaltenen Vorlesungen im Stande gesetzt worden, viele seiner hie und da in früher Zeit gemachten Schulden zu zahlen, einige Rückstände bey Buchhändlern hoffe ich mit Gottes Hülfe bei einer andern Gelegenheit ebenfalls zu berichtigen. Was nun den Ihnen zukommenden Posten betrifft, so liegt die Summe für Sie in Bereitschaft, und ich bitte Sie, mir entweder hier in Wien, oder auch in Bonn jemand zu nennen, der dieselbe für Sie übernimmt, ohne Banquier-Unkosten zu verursachen. Ich bitte auch mir anzuzeigen, ob die Summe in Conventionsgeld, oder in Rheinische Gulden verstanden ist; d. h. in 20 oder in 24 f. Fuß. Sollten Sie mein Herr Bruder, etwas schriftliches im Betreff dieser Schuld von dem seeligen Friedrich besitzen, so ersuche ich Sie, dieses zugleich einzuschicken, damit es zugleich mit der Uebersendung des Betrags vertilgt werde.
Hoffend, daß diese Zeilen Sie in bester Gesundheit antreffen, schließe ich meine Wünsche zum neuen Jahre für Sie an, daß Sie noch viele Jahre eines vollkommenen Wohlseyns sich zu erfreuen haben mögen.
Dorothea verwittwete
von Schlegel.
Sobald ich Gelegenheit finde, werde ich Sorge tragen, Ihnen ein Exemplar der letzten Vorlesungen zu übersenden.