• Friedrich von Schlegel to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Köln · Place of Destination: Coppet · Date: 03.08.1804
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
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    Metadata Concerning Header
  • Sender: Friedrich von Schlegel
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Köln
  • Place of Destination: Coppet
  • Date: 03.08.1804
    Printed Text
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: 335976727
  • Bibliography: Krisenjahre der Frühromantik. Briefe aus dem Schlegelkreis. Hg. v. Josef Körner. Bd. 1. Der Texte erste Hälfte. 1791‒1808. Bern u.a. ²1969, S. 138‒140.
  • Weitere Drucke: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Bd. 26. Dritte Abteilung: Briefe von und an Friedrich und Dorothea Schlegel. Pariser und Kölner Lebensjahre (1802‒1808). Erster Teil Juni 1802 ‒ Dezember 1805). Mit Einleitung und Kommentar hg. v. Hans Dierkes. Paderborn 2018, S. 226‒228.
  • Incipit: „[1] Kölln am 3ten August 1804.
    Noch nicht lange war mein lezter Brief vom 21ten Julius abgesandt, den Du hoffentlich richtig erhalten [...]“
    Manuscript
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: APP2712-Bd-8
  • Classification Number: Mscr.Dresd.App.2712,B,I,16
  • Number of Pages: 8 S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 20,5 x 12,7 cm
[1] Kölln am 3ten August 1804.
Noch nicht lange war mein lezter Brief vom 21ten Julius abgesandt, den Du hoffentlich richtig erhalten hast, als ich Deinen lezten empfing. Ich kann so wohl Dir als Deiner Freundin nicht warm genug für diese freundschaftlichen Gesinnungen und Anerbietungen danken. Eine Reise mit Dir nach Italien wäre freilich eine herrliche Sache. Ich habe mehrere Tage nichts andres denken können. Allein ich sehe auch nicht die mindeste Möglichkeit. Meine Frau könnte wohl allein hier bleiben, ob wir gleich hier nur wenige Bekannte haben; das würde ihr grade Recht sein. Allein wenn ich sie sollte verlassen können, so müßte doch auf die ganzen 6–8 Monate im voraus gesorgt sein. Dafür nun noch jetzo im voraus zu arbeiten ist die Zeit viel zu kurz – sechs Wochen oder sieben, bei einer starken Vorlesung, die ich bald werde, um zur rechten Zeit schliessen zu können, ver[2]doppeln müssen; was läßt sich darin thun? – Zudem ist mit den hiesigen Buchhändlern nichts anzufangen; alle andre sind weit. Das einzige was mir etwas bedeutendes eintragen würde, wäre wenn ich mich entschliessen wollte, eine Reise nach Paris zu schreiben; dazu sind mir viel Anträge geschehen. Aber Du kannst leicht denken daß ich 6000 Gründe für einen habe, ein solches Buch, so leicht es mir übrigens sein würde, nicht zu schreiben. – So fleißig auch meine Frau ist, so hilft dieß doch nicht sehr viel; denn grade Mahlmann bezahlt mich im Vertrauen gesagt sehr schlecht. Dazu kommen nun noch meine hiesigen Engagements, die ich eigentlich auch nicht einmal mit Gelde abfinden könnte. [3] Ferner mehre wenn gleich nicht grosse doch sehr dringende Schulden. Meine einzigen Ressourcen aber sind durch die Pariser Reise völlig erschöpft, sonst wäre wohl alles leicht gemacht. Ich muß einige Jahre lang angestrengt arbeiten, das wird in jeder Rücksicht gut sein; und sonst gerathe ich in die grösste Verwirrung, an der ohnehin nicht viel fehlt, da auch Unger nun bezahlt sein will.
Also – diese herrliche Reise muß ich mir wohl aus dem Sinn schlagen, und mag nur nicht viel daran denken um nicht verdrießlich zu werden. Desto mehr aber wünsche ich Dich noch vorher wenn gleich nur auf kurze Zeit zu sehen, und bitte nun dringend darum, daß Du wenn es geht, [4] dazu beiträgst, dieß zu Stande zu bringen.
Wir können dann vielleicht für die Zukunft etwas verabreden; nichts wünschtʼ ich sehnlicher als ein längeres Beisammensein. Behält Deine Freundin dann ihre gütigen Gesinnungen für mich, so suche sie als dann lieber zu bewegen, daß sie mich, da es jezt nach Italien nicht geht, künftig etwa nach England mitnähme; wenn sie nämlich nicht auf sehr lange Zeit hingeht. Sehen möchtʼ ich das sonderbare Land wohl, wozu ich sonst schwerlich Gelegenheit finde, und könnte die Reise auch gewiß für meine Persischen und Indischen Studien nutzen. Wenn ihr nach Deutschland geht, geht ihr dann in den traurigen, wüsten Theil, ich meine nach Preußen, oder [5] in die südlichen Provinzen?
Vielleicht kann ich künftigen Sommer einige Monate bei Euch sein, wenn Ihr von Italien zurückkommt – denn meine Pariser Reise, die ohnehin höchstens nur 3 Monate dauern soll, kann ich nach Belieben in den Anfang oder das Ende des Sommers verlegen. Es versteht sich von selbst daß ich bei jedem längeren Beisammensein mit Freuden alles das mit Dir theilen werde, was Du selbst in Ansehung der Knaben übernommen hast. Du weißt schon ungefähr, in wiefern ich dazu tauge. Einige Sprachstunden des Tags jeder Art sind mir eher eine Zerstreuung als eine Arbeit; weniger aber bin ich zu vielem geselligen Beisammensein mit jungen Leuten und der damit verbundenen halben Aufsicht von Natur eingerichtet.
Gewiß muß Deine Reise nach [6] Italien, auch gleich (wenn auch nur prosaische) Früchte tragen, die entfernteren poetischen nicht gerechnet; und wenn Du, da es doch unter Deiner Würde sein würde, eine eigentliche Reisebeschreibung zu geben, diese in eines unsrer Journale geben willst, so würde ich dazu die Europa vorziehen, damit was der Titel zu verheißen scheint so recht glänzend und unerwartet erfüllt würde, würde Dich dann aber bitten, beim 2ten Jahrgang Dich mit als Herausgeber zu nennen; das Athenäum könnten wir doch noch einmal mit andern Artikeln fortsetzen.
Ich kann dir nicht sagen, geliebtester Bruder, mit welcher Ungeduld ich Deinen nächsten Brief erwarte! Ich werde so früh und so schnell [7] reisen als nur möglich. Wie vieles werden wir uns zu erzählen haben! und wie vieles für die Zukunft zu besprechen! – In der Zeitung steht so eben, daß Fichte nach Landshut berufen sei; das wäre sehr schön, wenn er wieder gezwungen würde, zu arbeiten und zu schreiben.
Meine Frau grüßt Dich von ganzem Herzen.
Der Mutter habʼ ich lange nicht geschrieben, soll ich aber offenherzig sein, so ist es nicht aus Nachläßigkeit geschehen, sondern weil ich immer von einem Monat zum andern hoffte, ihr ein 10 L[ouis]d[o]rs schicken zu können, um ihr wenigstens meinen guten Willen zu beweisen. Diese Sache betrübt mich oft sehr. – [8] Nun lebe herzlich wohl und laß Dirs in dem herrlichen Lande wohl sein; endlich fängt es auch hier an, tüchtig warm oder wie die Leute es nennen sehr heiß zu werden. Das Klima hat nichts gutes als die erfrischende Rheinluft, aber an Denkmahlen altdeutscher Kunst ist eine Fülle hier von der man sich keinen Begriff macht. Einzelne Gedichte habʼ ich nur wenig gemacht in Paris, und erst eines seit ich hier bin. Ich habe hier wohl Stimmung dazu und habe auch mehrere im Sinn aber ich bin so ungeduldig einmal wieder etwas Umfassenderes zu dichten, wozu es doch immer sehr schwer hält zu kommen, daß ich darüber die Lust zu den einzelnen verliehre. Du mußt wohl einen grossen Vorrath haben?
Friedrich.
[1] Kölln am 3ten August 1804.
Noch nicht lange war mein lezter Brief vom 21ten Julius abgesandt, den Du hoffentlich richtig erhalten hast, als ich Deinen lezten empfing. Ich kann so wohl Dir als Deiner Freundin nicht warm genug für diese freundschaftlichen Gesinnungen und Anerbietungen danken. Eine Reise mit Dir nach Italien wäre freilich eine herrliche Sache. Ich habe mehrere Tage nichts andres denken können. Allein ich sehe auch nicht die mindeste Möglichkeit. Meine Frau könnte wohl allein hier bleiben, ob wir gleich hier nur wenige Bekannte haben; das würde ihr grade Recht sein. Allein wenn ich sie sollte verlassen können, so müßte doch auf die ganzen 6–8 Monate im voraus gesorgt sein. Dafür nun noch jetzo im voraus zu arbeiten ist die Zeit viel zu kurz – sechs Wochen oder sieben, bei einer starken Vorlesung, die ich bald werde, um zur rechten Zeit schliessen zu können, ver[2]doppeln müssen; was läßt sich darin thun? – Zudem ist mit den hiesigen Buchhändlern nichts anzufangen; alle andre sind weit. Das einzige was mir etwas bedeutendes eintragen würde, wäre wenn ich mich entschliessen wollte, eine Reise nach Paris zu schreiben; dazu sind mir viel Anträge geschehen. Aber Du kannst leicht denken daß ich 6000 Gründe für einen habe, ein solches Buch, so leicht es mir übrigens sein würde, nicht zu schreiben. – So fleißig auch meine Frau ist, so hilft dieß doch nicht sehr viel; denn grade Mahlmann bezahlt mich im Vertrauen gesagt sehr schlecht. Dazu kommen nun noch meine hiesigen Engagements, die ich eigentlich auch nicht einmal mit Gelde abfinden könnte. [3] Ferner mehre wenn gleich nicht grosse doch sehr dringende Schulden. Meine einzigen Ressourcen aber sind durch die Pariser Reise völlig erschöpft, sonst wäre wohl alles leicht gemacht. Ich muß einige Jahre lang angestrengt arbeiten, das wird in jeder Rücksicht gut sein; und sonst gerathe ich in die grösste Verwirrung, an der ohnehin nicht viel fehlt, da auch Unger nun bezahlt sein will.
Also – diese herrliche Reise muß ich mir wohl aus dem Sinn schlagen, und mag nur nicht viel daran denken um nicht verdrießlich zu werden. Desto mehr aber wünsche ich Dich noch vorher wenn gleich nur auf kurze Zeit zu sehen, und bitte nun dringend darum, daß Du wenn es geht, [4] dazu beiträgst, dieß zu Stande zu bringen.
Wir können dann vielleicht für die Zukunft etwas verabreden; nichts wünschtʼ ich sehnlicher als ein längeres Beisammensein. Behält Deine Freundin dann ihre gütigen Gesinnungen für mich, so suche sie als dann lieber zu bewegen, daß sie mich, da es jezt nach Italien nicht geht, künftig etwa nach England mitnähme; wenn sie nämlich nicht auf sehr lange Zeit hingeht. Sehen möchtʼ ich das sonderbare Land wohl, wozu ich sonst schwerlich Gelegenheit finde, und könnte die Reise auch gewiß für meine Persischen und Indischen Studien nutzen. Wenn ihr nach Deutschland geht, geht ihr dann in den traurigen, wüsten Theil, ich meine nach Preußen, oder [5] in die südlichen Provinzen?
Vielleicht kann ich künftigen Sommer einige Monate bei Euch sein, wenn Ihr von Italien zurückkommt – denn meine Pariser Reise, die ohnehin höchstens nur 3 Monate dauern soll, kann ich nach Belieben in den Anfang oder das Ende des Sommers verlegen. Es versteht sich von selbst daß ich bei jedem längeren Beisammensein mit Freuden alles das mit Dir theilen werde, was Du selbst in Ansehung der Knaben übernommen hast. Du weißt schon ungefähr, in wiefern ich dazu tauge. Einige Sprachstunden des Tags jeder Art sind mir eher eine Zerstreuung als eine Arbeit; weniger aber bin ich zu vielem geselligen Beisammensein mit jungen Leuten und der damit verbundenen halben Aufsicht von Natur eingerichtet.
Gewiß muß Deine Reise nach [6] Italien, auch gleich (wenn auch nur prosaische) Früchte tragen, die entfernteren poetischen nicht gerechnet; und wenn Du, da es doch unter Deiner Würde sein würde, eine eigentliche Reisebeschreibung zu geben, diese in eines unsrer Journale geben willst, so würde ich dazu die Europa vorziehen, damit was der Titel zu verheißen scheint so recht glänzend und unerwartet erfüllt würde, würde Dich dann aber bitten, beim 2ten Jahrgang Dich mit als Herausgeber zu nennen; das Athenäum könnten wir doch noch einmal mit andern Artikeln fortsetzen.
Ich kann dir nicht sagen, geliebtester Bruder, mit welcher Ungeduld ich Deinen nächsten Brief erwarte! Ich werde so früh und so schnell [7] reisen als nur möglich. Wie vieles werden wir uns zu erzählen haben! und wie vieles für die Zukunft zu besprechen! – In der Zeitung steht so eben, daß Fichte nach Landshut berufen sei; das wäre sehr schön, wenn er wieder gezwungen würde, zu arbeiten und zu schreiben.
Meine Frau grüßt Dich von ganzem Herzen.
Der Mutter habʼ ich lange nicht geschrieben, soll ich aber offenherzig sein, so ist es nicht aus Nachläßigkeit geschehen, sondern weil ich immer von einem Monat zum andern hoffte, ihr ein 10 L[ouis]d[o]rs schicken zu können, um ihr wenigstens meinen guten Willen zu beweisen. Diese Sache betrübt mich oft sehr. – [8] Nun lebe herzlich wohl und laß Dirs in dem herrlichen Lande wohl sein; endlich fängt es auch hier an, tüchtig warm oder wie die Leute es nennen sehr heiß zu werden. Das Klima hat nichts gutes als die erfrischende Rheinluft, aber an Denkmahlen altdeutscher Kunst ist eine Fülle hier von der man sich keinen Begriff macht. Einzelne Gedichte habʼ ich nur wenig gemacht in Paris, und erst eines seit ich hier bin. Ich habe hier wohl Stimmung dazu und habe auch mehrere im Sinn aber ich bin so ungeduldig einmal wieder etwas Umfassenderes zu dichten, wozu es doch immer sehr schwer hält zu kommen, daß ich darüber die Lust zu den einzelnen verliehre. Du mußt wohl einen grossen Vorrath haben?
Friedrich.
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