Ich habe, mein hochgeschätzter Herr und Freund, Ihre Briefe vom 10ten und 25sten Oct. richtig empfangen, und sage Ihnen meinen Dank dafür. Ich bitte Sie bestens zu entschuldigen, daß ich so saumselig im Schreiben bin: wirklich war ich diese Zeit her mehr wie je mit Arbeiten überhäuft. Seit dem 18ten Oct. habe ich das Rectorat angetreten, welches besonders zu Anfange des Semesters viele Geschäfte und Störungen verursacht, auch mußte ich eine Lateinische Antrittsrede ausarbeiten. Ferner haben wir dießmal einer neuen Verordnung gemäß die Vorlesungen gleich mit dem gesetzlichen Termin angefangen. Sie können indessen immer mit Zuversicht darauf rechnen, daß ich, so oft es Ihre Angelegenheiten erfodern, unverzüglich schreiben werde, und mein heutiger Brief giebt Ihnen einen Beweis davon. Sie hatten mir gemeldet, Ihre bisherigen Mittel würden bis Ende Novembers ausreichen: ich sende Ihnen demnach eine in zehn Tagen zahlbare Anweisung von funfzehn Pfund Sterling. Die Herren James Cazenove et Co. haben ihr Comptoir Broad Street Union Court; ich fertige zu gleicher Zeit einen Avisbrief an sie aus. Da Sie dieses Geld d. 24. Nov. haben können, so hoffe ich, Sie werden in keine Verlegenheit gerathen seyn. Für die Zukunft wollen wir dann schon weiter sorgen. Die Antwort auf mein Sie betreffendes Gesuch ist im allgemeinen günstig ausgefallen: was den Aufenthalt verursacht, ist nur die Ausmittelung der dazu nöthigen Fonds. Das Ministerium hat deßhalb an Herrn Geh. Rath Rehfues geschrieben, dieser hat berichtet, aber noch keinen Bescheid erhalten. Ob ich mehr als 300 Thaler für Sie erlangen werde, weiß ich noch nicht. ‒ Ich habe Herrn Minister von Altenstein geschrieben, ihn um eine Empfehlung bei unserem Gesandten gebeten, aber noch keine Antwort empfangen; vielleicht hat er doch meine Bitte schon direct in London erfüllt. Wenn Sie sich noch nicht bei unserm Gesandten präsentirt haben, so thun Sie es doch baldigst: als gegenwärtiger Preußischer Unterthan sind Sie auch ohne Einführungsbrief dazu berechtigt, ja gewissermaßen verpflichtet. Die Fortsetzung des deutschen Repertoriums von Bothe habe ich richtig erhalten, und werde, sobald es mir nur irgend möglich ist, eine Vorrede dazu schreiben. Meine Bogen gehen bis pag. 136: ist noch viel zurück? ‒ Ich bin Ihnen sehr verbunden dafür, daß Sie sich bemüht haben, dem Baron Schilling gefällig und behülflich zu seyn; freilich wird Ihnen seine Bekanntschaft auch interessant gewesen seyn. Ich hoffe, er ist noch in London: ich habe ihm vor einiger Zeit geschrieben und ihn an sein Versprechen gemahnt, mir sein Bengalisches Manuscript des Hitôpadêsa auf einige Zeit zu leihen. Prof. Diez hatte sich in Paris erboten, es für mich mitzunehmen, hat dasselbe aber vor seiner Abreise nicht erhalten. Vermögen Sie doch den Baron Schilling dazu, daß er es mir von London aus durch Gesandtschaftsgelegenheit über Berlin senden möge. Es wäre mir äußerst angenehm: ich könnte diese Collation in Nebenstunden verrichten, und für eine künftige Ausgabe des Hit[ôpadêsa] wäre um so viel mehr vorgearbeitet. ‒ Mit dem Ghaṭa-Karparam hatte ich mich geirrt; es ist kein Manuscript davon in Paris. Man wird sich wegen der bewußten Stelle helfen müssen, wie man kann. ‒ Am Ram[ayana] habe ich aus den oben angeführten Gründen diese Zeit her gar nicht arbeiten können, ich gedenke aber, mich bald wieder mit ganzem Eifer hineinzuwerfen. Unterdessen billige ich im Ganzen alles was Sie mir über den Gang Ihrer Arbeiten schreiben, und muß auch freilich in dieser Entfernung das Meiste dabei Ihrem eignen Urtheile überlassen. Seyen Sie nur fernerhin, wie Sie es bisher waren, ökonomisch mit der Zeit und dem Gelde, und überlassen Sie mir die Sorge für das übrige. ‒ Mit Einer Äußerung Ihres letzten Briefes kann ich nicht einstimmen: wenn Sie nämlich meinen, Ihre jetzige Arbeit sei Ihrer eignen gelehrten Ausbildung eher hinderlich als förderlich. Es ist nützlich, mit den Beschäftigungen zu wechseln, bald sich über eine weite Sphäre zu verbreiten, bald sich auf eine ganz spezielle Aufgabe zu machen, und sie mit Beharrlichkeit durchzuführen. Besonders ist die Meisterschaft in der philologischen Kritik auf keine andre Weise zu erlangen. Sie haben bei Ihrer jetzigen Lebensweise Gelegenheit manche Erfahrungen zu machen, mancherlei Kenntnisse einzusammeln, die einem Gelehrten, der sich nicht im Auslande aufgehalten hat, immer unzugänglich bleiben müssen. Die gesellschaftliche Ausbildung, die Übung im Weltton ist auch kein geringer Vortheil. Nun leben Sie recht wohl und melden Sie mir baldigst den Empfang dieses Briefes. Nächstens schreibe ich ausführlicher.
Ihr ergebenster
AWvSchlegel.