• Friedrich de La Motte-Fouqué to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Nennhausen · Place of Destination: Berlin · Date: 18.01.1804
Edition Status: Newly transcribed and labelled; double collated
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    Metadata Concerning Header
  • Sender: Friedrich de La Motte-Fouqué
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Nennhausen
  • Place of Destination: Berlin
  • Date: 18.01.1804
  • Notations: Empfangsort erschlossen.
    Manuscript
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: DE-611-37104
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XX,Bd.2,Nr.19(12)
  • Number of Pages: 4 S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 23,7 x 18,7 cm
  • Incipit: „[1] Nennhausen am 18t Jannuar 1804
    Wehrtester Freund,
    Unsre Rückreise ist glücklich vollendet, und ich fand bei meiner Ankunft alles, was meinem [...]“
  • Editors: Bamberg, Claudia · Varwig, Olivia
[1] Nennhausen am 18t Jannuar 1804
Wehrtester Freund,
Unsre Rückreise ist glücklich vollendet, und ich fand bei meiner Ankunft alles, was meinem Herzen in dem gewohnten Kreise so lieb ist, gesund und freudig. – Die Erinnerung an die schönen Stunden, die ich in Berlin mit Dir und den andern Freunden verlebte, begleitet mich fortdauernd, und macht noch jetzt den Stoff mancher Gespräche mit meiner Frau aus, die Dich freundlich grüßt, und sich Madam Bernhardiʼs Andenken empfiehlt. Sie sieht mit gleichem Verlangen, als ich, dem Sonnabend entgegen, an welchem sich der würdige Prorektor einmal aus seiner Ruhe erheben wird, um uns allen einen recht erfreulichen Sonntag zu schenken.
In meiner Abwesenheit war durch Schultze eine Revision der Bibliothek meines Schwiegervaters veranstaltet worden, aus welcher sich manches Interessante ergeben hat. Bis jetzt ist mir davon einiges aus dem Deutschen Museum bekannt geworden, welches Dir, wie ich meine, nicht unwichtig sein soll; ein auf den Fall daß es Dir fremd ist, theile ich Dir einige Nachrichten davon mit. Buchstaben zwingen ja nicht zum Lesen wie Worte zum Hören, Du kannst also leicht [2] überschlagen, was Du schon weißt, da ich das Klopfen auf den Tisch nicht hören kann, durch welches Du mich sonst von der Erzählung längstbekannter Dinge abschrecken würdest.
Ein gewißer A. Elwert giebt zuerst Nachricht von einem Roman, der zu Anfange des sechzehnten Jahrhunderts gedruckt worden ist. Die Ueberschrift des Buches lautet: Von eines Küniges Tochter von Frankreich ein hübsches lesen, wie der Künig sie selbs zu der Ee wolt hon, des sie doch got vor ihm behüt, und darum sie viel trübsal und not erleidet. Zuletzt ein Künigin in Engelland ward. – Aus den gegebnen Proben erhellet, daß das Ganze in Capitel mit Ueberschriften abgetheilt, und in 8 und 9 silbigen Jamben verfaßt ist. Die Königstochter entflieht ihrem Vater, der sie heirathen will, und kommt nach England, wo sie unerkannt des Königs Liebe gewinnt, und auf den Thron kommt. Eine böse Schwiegermutter spinnt in ihres Gemahls Abwesenheit durch Vertauschung des Briefs, der dem Könige ihre Entbindung von einem schönen Knaben melden soll, Verrätherei gegen sie an, und sie muß sich mit dem Kinde flüchten. Der König erfährt bei seiner Zurückkunft den Hergang der Sache, und läßt deshalb seine Mutter verbrennen. – Die unschuldige Königinn erreicht nach vielem und langem Elende Rom, wo sie bei einem alten Bürger wohnt. Der Pabst nimmt den herangewachsnen Knaben als Kämmerling zu sich. – Bald darauf [3] kommt der König von Frankreich nach Rom, um die begangne Sünde an seiner Tochter zu büßen, zu gleicher Zeit der von England zur Buße wegen des vollbrachten Mordes an seiner Mutter. So, gleichsam von diametral entgegenstehenden Sünden nach der Hauptstadt der Welt getrieben, entdecken sie dort durch Veranlaßung des Sohnes die schuldlose Königin, und es erfolgt unter den Augen des Heiligen Vaters Versöhnung und Verzeihung. – Der Referent ist übrigens für das Schöne in der Anlage der Geschichte ganz fühllos geblieben, so auch für die Trefflichkeit der angeführten Proben. Wo er es gefunden habe, sagt er nicht. – Nachher theilt derselbe Nachrichten von einem Buche mit, das den Titel führt: Wahrhaftige Historie, wie einer der da hieß Hug Schapler, und war Metzgergeschlecht, Künig zu Frankreich war. Dieses Werk ist in Prosa und xxxxxx 1508 gedruckt, mit dem vorigen im selben Jahre. Das Ganze ist lustiger und ironischer als das Erste. Hug Schapler ist der Sohn eines Ritters und einer reichen Metzger-Tochter, der durch seine Tapferkeit die Prinzessin von Frankreich gewinnt, obgleich die alte Königin selbst in ihn verliebt ist, und er sxx zehn unehliche Söhne erzeugt hat, die ihn als wackre Helden in Schlachten begleiten. – Der Gegensatz zwischen ritterlichem Muthwillen im jungen Helden, und spieß[4]bürgerlicher Vxxxxxxt Vorsicht in seinem Oheim mütterlicher Seits ist lustig dargestellt, und erinnert an Clemens und Florenz im Octavian; so auch die Bedrängniße der Stadt Paris durch ein großes Heer, welche zweimal in zwei verschiednen Zeiten vorkomm[t.] Das erstemal sind die Feinde Heiden, das zweitemal Christen. Hug Schapler gewinnt im Kampf gegen die letztern den Sieg, und wird König. Es wird gesagt, daß von seiner Zeit an die Erbfolge der Töchter auf dem französischen Thron aufgehört habe. Mir ist dabei Hugo Capet eingefallen, doch habe ich noch keine Zeit gefunden, die Abentheuer dieses Buchs genau mit der wirklichen Geschichte zusammen zu halten indem ich jetzt fast alle meine Zeit auf das Buch der Liebe wende, für deßen Mittheilung ich sowohl Dir als auch Madam Bernhardi sehr verbunden bin, und nicht ermangeln werde es nach den stipulirten 14 Tagen zurück zu schicken. –
Ich hoffe, Du wirst es mir hoch anrechnen, daß ich Dir aus meiner Zurückgezogenheit einen so langen Brief voll literarischer Nachrichten schreibe. Wenn es für Dich nur keine Neuigkeiten aus alten Zeitungen gewesen sind! Buchstäblich ist das wohl gewiß der Fall, indem da[s] Museum schon eine ziemlich alte Zeitung ist. Nimm indeßen mit dem guten Willen vorlieb, un[d] sage mir, ob Du etwa Spuren hast, wo das Gxxxx Original dieser Geschichte wäre? Die Proben haben mich lüstern danach gemacht. –
Indem ich Dir und Bernhardiʼs den herzlichsten Dank für die schönen Abende abstatte, die ich in Euerm Cirkel genoß, nenne ich mich mit Achtung und Liebe
ewig den Deinigen,
Fouqué
[1] Nennhausen am 18t Jannuar 1804
Wehrtester Freund,
Unsre Rückreise ist glücklich vollendet, und ich fand bei meiner Ankunft alles, was meinem Herzen in dem gewohnten Kreise so lieb ist, gesund und freudig. – Die Erinnerung an die schönen Stunden, die ich in Berlin mit Dir und den andern Freunden verlebte, begleitet mich fortdauernd, und macht noch jetzt den Stoff mancher Gespräche mit meiner Frau aus, die Dich freundlich grüßt, und sich Madam Bernhardiʼs Andenken empfiehlt. Sie sieht mit gleichem Verlangen, als ich, dem Sonnabend entgegen, an welchem sich der würdige Prorektor einmal aus seiner Ruhe erheben wird, um uns allen einen recht erfreulichen Sonntag zu schenken.
In meiner Abwesenheit war durch Schultze eine Revision der Bibliothek meines Schwiegervaters veranstaltet worden, aus welcher sich manches Interessante ergeben hat. Bis jetzt ist mir davon einiges aus dem Deutschen Museum bekannt geworden, welches Dir, wie ich meine, nicht unwichtig sein soll; ein auf den Fall daß es Dir fremd ist, theile ich Dir einige Nachrichten davon mit. Buchstaben zwingen ja nicht zum Lesen wie Worte zum Hören, Du kannst also leicht [2] überschlagen, was Du schon weißt, da ich das Klopfen auf den Tisch nicht hören kann, durch welches Du mich sonst von der Erzählung längstbekannter Dinge abschrecken würdest.
Ein gewißer A. Elwert giebt zuerst Nachricht von einem Roman, der zu Anfange des sechzehnten Jahrhunderts gedruckt worden ist. Die Ueberschrift des Buches lautet: Von eines Küniges Tochter von Frankreich ein hübsches lesen, wie der Künig sie selbs zu der Ee wolt hon, des sie doch got vor ihm behüt, und darum sie viel trübsal und not erleidet. Zuletzt ein Künigin in Engelland ward. – Aus den gegebnen Proben erhellet, daß das Ganze in Capitel mit Ueberschriften abgetheilt, und in 8 und 9 silbigen Jamben verfaßt ist. Die Königstochter entflieht ihrem Vater, der sie heirathen will, und kommt nach England, wo sie unerkannt des Königs Liebe gewinnt, und auf den Thron kommt. Eine böse Schwiegermutter spinnt in ihres Gemahls Abwesenheit durch Vertauschung des Briefs, der dem Könige ihre Entbindung von einem schönen Knaben melden soll, Verrätherei gegen sie an, und sie muß sich mit dem Kinde flüchten. Der König erfährt bei seiner Zurückkunft den Hergang der Sache, und läßt deshalb seine Mutter verbrennen. – Die unschuldige Königinn erreicht nach vielem und langem Elende Rom, wo sie bei einem alten Bürger wohnt. Der Pabst nimmt den herangewachsnen Knaben als Kämmerling zu sich. – Bald darauf [3] kommt der König von Frankreich nach Rom, um die begangne Sünde an seiner Tochter zu büßen, zu gleicher Zeit der von England zur Buße wegen des vollbrachten Mordes an seiner Mutter. So, gleichsam von diametral entgegenstehenden Sünden nach der Hauptstadt der Welt getrieben, entdecken sie dort durch Veranlaßung des Sohnes die schuldlose Königin, und es erfolgt unter den Augen des Heiligen Vaters Versöhnung und Verzeihung. – Der Referent ist übrigens für das Schöne in der Anlage der Geschichte ganz fühllos geblieben, so auch für die Trefflichkeit der angeführten Proben. Wo er es gefunden habe, sagt er nicht. – Nachher theilt derselbe Nachrichten von einem Buche mit, das den Titel führt: Wahrhaftige Historie, wie einer der da hieß Hug Schapler, und war Metzgergeschlecht, Künig zu Frankreich war. Dieses Werk ist in Prosa und xxxxxx 1508 gedruckt, mit dem vorigen im selben Jahre. Das Ganze ist lustiger und ironischer als das Erste. Hug Schapler ist der Sohn eines Ritters und einer reichen Metzger-Tochter, der durch seine Tapferkeit die Prinzessin von Frankreich gewinnt, obgleich die alte Königin selbst in ihn verliebt ist, und er sxx zehn unehliche Söhne erzeugt hat, die ihn als wackre Helden in Schlachten begleiten. – Der Gegensatz zwischen ritterlichem Muthwillen im jungen Helden, und spieß[4]bürgerlicher Vxxxxxxt Vorsicht in seinem Oheim mütterlicher Seits ist lustig dargestellt, und erinnert an Clemens und Florenz im Octavian; so auch die Bedrängniße der Stadt Paris durch ein großes Heer, welche zweimal in zwei verschiednen Zeiten vorkomm[t.] Das erstemal sind die Feinde Heiden, das zweitemal Christen. Hug Schapler gewinnt im Kampf gegen die letztern den Sieg, und wird König. Es wird gesagt, daß von seiner Zeit an die Erbfolge der Töchter auf dem französischen Thron aufgehört habe. Mir ist dabei Hugo Capet eingefallen, doch habe ich noch keine Zeit gefunden, die Abentheuer dieses Buchs genau mit der wirklichen Geschichte zusammen zu halten indem ich jetzt fast alle meine Zeit auf das Buch der Liebe wende, für deßen Mittheilung ich sowohl Dir als auch Madam Bernhardi sehr verbunden bin, und nicht ermangeln werde es nach den stipulirten 14 Tagen zurück zu schicken. –
Ich hoffe, Du wirst es mir hoch anrechnen, daß ich Dir aus meiner Zurückgezogenheit einen so langen Brief voll literarischer Nachrichten schreibe. Wenn es für Dich nur keine Neuigkeiten aus alten Zeitungen gewesen sind! Buchstäblich ist das wohl gewiß der Fall, indem da[s] Museum schon eine ziemlich alte Zeitung ist. Nimm indeßen mit dem guten Willen vorlieb, un[d] sage mir, ob Du etwa Spuren hast, wo das Gxxxx Original dieser Geschichte wäre? Die Proben haben mich lüstern danach gemacht. –
Indem ich Dir und Bernhardiʼs den herzlichsten Dank für die schönen Abende abstatte, die ich in Euerm Cirkel genoß, nenne ich mich mit Achtung und Liebe
ewig den Deinigen,
Fouqué
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