• Sophie Bernhardi to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Dresden · Place of Destination: Genf · Date: 12. September [1804]
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
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    Metadata Concerning Header
  • Sender: Sophie Bernhardi
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Dresden
  • Place of Destination: Genf
  • Date: 12. September [1804]
  • Notations: Datum (Jahr) erschlossen.
    Printed Text
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: 335976727
  • Bibliography: Krisenjahre der Frühromantik. Briefe aus dem Schlegelkreis. Hg. v. Josef Körner. Bd. 1. Der Texte erste Hälfte. 1791‒1808. Bern u.a. ²1969, S. 151‒156.
  • Incipit: „[1] Dresden den 12ten Septbr [1804]
    Ich will Ihnen mein liebster Freund ob ich gleich heute nicht viel schreiben kann doch lieber [...]“
    Manuscript
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: APP2712-Bd-4
  • Classification Number: Mscr.Dresd.App.2712,B,15,31
  • Number of Pages: 12 S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 22,6 x 18,7 cm
[1] Dresden den 12ten Septbr [1804]
Ich will Ihnen mein liebster Freund ob ich gleich heute nicht viel schreiben kann doch lieber kurz schreiben wie es mir geht als gar nicht. Ich bin ziemlich wohl ob ich gleich so kindisch bin das mich mancherlei, Vorfälle sehr erschüttert haben. Ich bin mit meinem Bruder Schedens Burgsdorf und Marie zu Wasser von Töpliz nach Dresden gereist und muste wie ich an den herlichen Bergen vorüber kam mit inniger Sensucht an meine Reise an unsere Plane denken. Welch ein herzliches Verlangen habe ich Sie mein geliebter Bruder wiederzusehen wie wünsche ich die Zeit dazwischen verflogen.
Ich solte Ihnen lieber Freund vielerlei ganz ernsthaft schreiben aber eben weil es so viel ist weiß ich nicht wie ich es anfangen soll.
So weit war ich nur gekommen als ich gestört wurde, nun will ich heute fortfahren und möchte nichts anders schreiben als mit welcher Treue und Liebe ich an Sie denke und doch muß ich von ganz andern Diengen reden.
B[ernhardi] hat sich so niederträchtig bewiesen das es menschliche Worte nicht ausdrücken können. Sie wissen wie mein Bruder Ludwig ihm damahls im Winter schrieb wie das keinesweges in meinen Angelegenheiten war sondern wie die nur bei einer viel grausameren Begebenheit berührt wurden. B[ernhardi] hat ihm darauf [2] äusserst schändlich geantwortet so als ob die ganze Sache höchst unwarscheinlig wäre und nur eine Erfindung von meinem Bruder, die unglückliche Person selbst behandelt er in seinem Briefe als eine gemeine Hure indem er sagt er wäre fast nie mit ihr allein gewesen sie hätte ihn selbst immer von sich getrieben warscheinlig um ihr ärmliches Mittagsmal vor ihm zu verbergen, ausser einmal sei er bei ihr gewesen wo aber gleich darauf ein Geistlicher zu ihr gekommen sei so das er also zu verstehn giebt das Kind könte eben so wohl von dem sein als von ihm. Endlich sagt er man möchte Malchen fragen wie viel zu einem solchen Wochenbet gehörte und er wolle das äusserste der Gutmühtigkeit thun und diese Summe hergeben aber dan solle mein Bruder sein Wort schriftlig geben von dieser Sache nie wieder zu reden und dies Geld könne er nicht einmal bar geben indem er nicht für 10 Thaler Credit habe dies möchte also mein Bruder von Burgsdorf leihen und er wolle es nach dem Tode seines Vaters bezalen. Und nun steht in dem Briefe eine Beschreibung von allen seinen Schulden die er um meinetwillen gemacht habe, er begriffe nicht wo das Geld hingekommen sei und klagt über meine Verschwendung. Dabei bedauert er den jüngsten Bruder das der so viel für mich thun müste. Ja er geht in seiner Nieder[3]trächtigkeit so weit unter den vielen Ausgaben für mich dem Bruder das Puppenspiel anzurechnen und die Wagen mit denen ich zuweilen gefahren bin. Auf diesen Brief der noch mit solcher schändlichen Künstligkeit eingerichtet war das er immer in der dritten Zeile thut als wolle er den Bruder auf eigne Sünden aufmerksam machen die der andere nöhtig, ihn ängstlich zu verschweigen und besonders vor Malchen zu verbergen, hat der Bruder mit der äussersten Verachtung geantwortet und von Malchen einige Worte darunter schreiben lassen zum Beweise das er über solche kleinliche Scham hinaus ist. Da er nun gesehn das er mit seiner Schamlosen nichtswirdigkeit nichts ausgerichtet hat so ist nun ein anderer Brief an meinen Bruder erfolgt worin er zu einer andern Heuchelei seine Zuflucht nimt die ich für noch schändlicher halte. Nun schreibt er nemlig wie er von seinem verderbten Leben zurik kommen wolte wie er dazu bewogen sei dadurch das er in der Nacht sich gefragt habe waß er thun solle er habe durch einen Zufal die Bibel hingeworfen und so habe sie sich aufgeschlagen und durch die Sprüche die ihn so angeredet sei er so bewegt das er einsehe wie schlecht er gewesen sei. Nun giebt er sich als den Vater des Kindes an beschuldigt sich selbst und bittet mit Thränen in der äusser[4]sten Demuht um Vergebung. Verlangt von meinem Bruder das er sich nun nicht versündigen solle und bei seiner herzlichen Reue ihm nicht vergeben. So das der Bruder sich gewissermassen mit ihm versöhnen muste. Nun hat er ihn in Berlin beschworen und gebehten den 1ten Brief zurik zu geben welches der Bruder aber durchaus geweigert. Dan hat er ihm sollen einen hohen Eid [schwören] es mir niemals zu entdeken, das hat der Bruder auch nicht versprochen sondern nur es mir jezt nicht zu sagen auf dem Fall aber daß er sich schlecht gegen mich nehmen wirde sollte es mir kein Geheimniß sein. In Berlin nun hat er dem Bruder eine Verschreibung gegeben worin er das Kind anerkent und verlangt das wen[n] er sterben solte es mit meinen Kindern gleiche Rechte an seinen Vermögen haben solte.
Nach allem diesen schreibt er nun dem Bruder nach Ziebingen er mein Bruder möchte doch nun nicht der Einzige sein welcher das Glück und den Frieden störte ich hätte mich in jedem Briefe freiwillig erbohten zurik zu kommen er wolle sich ja zu allem verstehen waß ich nur wolte ja wen[n] ich auch am ende mir auf 14 Tage wiederkommen wolte und dan wieder weggienge ihm auch nur die Kinder oder eins von den Kindern daließe so wolle er zufrieden sein. Wolle man aber seine Güte so auf das äusserste misbrauchen dan [5] müsse er sich freilich aller Mittel selbst der welche ihm die Gesetze erlaubten bedienen. Mein Bruder war irre geworden und glaubte ich hätte mich vieleicht verlocken lassen in irgend einem Briefe so etwaß zu schreiben und hatte also darauf nicht geantwortet bis er mich gesehn hat.
An mich schrieb B[ernhardi] vor kurzen einen Brief voll der abgeschmaktesten Ausrufungen weil ich in 19 Tagen ihm nicht geschrieben hatte und worin es herauß kam das er sich in Weimar Laurer hält die ihm berichten wie ich lebe. Darauf antwortete ich sehr kurz und kalt und sagte ihm ich begriffe nicht warum ich so gewissenhaft alle Woche schreiben solte da er ja Nachrichten auf andern Wegen erhielte. Dan hatte er von mir verlangt ich solte meine Briefe vor meinen Brüdern verbergen darauf antwortete ich das es mir deutlig wäre warum er wünschen müste das wir uns seine Briefe gegenseitig verschwiegen seitdem mir mein Bruder manches aus seinen Briefen mitgetheilt hätte und am Schlusse versicherte ich das ich auf solche Ausrufungen gar nicht mehr antworten wirde und dergleichen Briefe als nicht erhalten betrachten. Dies hat ihn nun bewogen sich recht schändlich zu zeigen er schrieb nemlich mein Bruder thäte weit besser wen[n] er vieles bereute was er ihm und mir gethan habe als das er mir Dienge mittheilte die er ihm im volsten Vertrauen gesagt habe und ich möchte mich erinnern das ich dies alles selbst veranlaßt habe dadurch das ich mei[6]nem Bruder sein Unrecht gegen mich geklagt und es wäre nun das entstanden was er immer gesagt habe und waß ganz unvermeidlich sei wen[n] man Fremde einmische in solche Verhältnisse. Ich muß Sie liebster Freund auf die tausendfache Niederträchtigkeit aufmercksam machen die in diesen Worten liegt. Erstlich das es ganz natürlich sei das sein Betragen immer schlechter werden muß so bald ich seine Eitelkeit beleidige und darüber klage dan das es nur mein Unrecht ist wen[n] ich die ungeheuersten Mishandlungen nicht hinnehme ohne ein Wort zu sagen und das er mir gar nicht so viel thun kann waß den Frevel aufwöge das ich darüber klage dan nent er meine Brüder mein angebornes Blut Fremde und jedes Wort für mich eine unziemliche Einmischung. Endlich waß würklich allen Glauben an Frechheit und Schamlosigkeit übersteigt, was er gebraucht hat um meinem Bruder deutlich zu machen das er durch meine Schuld nicht im Stande sei für sein Kind zu sorgen wo er sogleich gemeint hat das der nun um meinetwillen nicht darauf bestehn dürfe, diese Schandthat braucht er nun wieder gegen mich und will mir glauben machen ich habe meinen Bruder veranlaßt so seinen Vormund zu spielen und er habe antworten müssen nur um sich gegen mich zu vertheidigen.
In seinem vortreflichen Briefe an mich steht noch ferner ich möchte nicht listig gegen ihn verfahren [7] sondern zurik kommen und ihm lieber grade herauß sagen waß ich gegen ihn hätte den[n] er könte mich ja mit den Kindern abholen welches Du liebe Sofie ja doch nicht hindern kanst. So schließt diese Anrede. Endlich hat er diesen Brief so eingerichtet das wen[n] ich ihn meinem Bruder zeigte der doch noch immer meinen soll ich habe eine grosse Schuld gegen ihn. Sie wissen wie er sonst wen[n] er recht brutal gewesen war sich in seinen Demühtigungen eben so niederträchtig zeigte und von sich selbst sagte: Er müße ja toll und unsinnig sein wen[n] er jemals vergessen könte wie edel und grosmühtig ich gegen ihn verfahren habe und das nur seine Schlechtigkeit ihn dahin brächte es zuweilen zu vergessen. In diesem Briefe steht nun das wen[n] er sich auch in manchen Diengen schuldig bekennen müsse darauß noch gar nicht folge das ich schuldloß sei.
Ich muß bekennen das mich dies Gewebe von Niederträchtigkeiten so erschüttert hat das ich ganz krank wurde. Vielmehr Dienge sind es noch die ich nur nicht alle aufschreiben kann weil es sonst ein Buch und kein Brief werden wirde.
Auf dies lezte Schreiben habe ich nun gar nicht geantwortet sondern mein Bruder ganz kurz fürs erste nur um ihm zu sagen das die Kinder gesund sind und das mich sein Brief ganz krank gemacht hat und das er dieses wirksame Schreiben nächstens so wie den lezten Brief nach Ziebingen weitläuftig beantworten wird. Dies soll nun [8] mit Schede geschehen der in 3 Tagen von hier ab nach Berlin geht. Und zwar soll dieser einen offenen Brief bekommen damit B[ernhardi] endlich einsieht das es unser Ernst ist der soll ihm deutlig machen das ich sehr wohl unterrichtet bin und weiß wie weit ich gehen kann und in diesem Briefe soll ihm zum leztenmale seine Schändligkeit und mein Entschluß gesagt werden das wen[n] er meinen Frieden ungestört läßt er vor der Welt immer noch eine Liebe zu mir heucheln mag, das er immer thun kann als wirde ich wiederkommen und brächte er mir aus Liebe dies Opfer. Das aber wen[n] er meine Ruhe stört ich dan auch weiß welche Mittel ich habe und das ich sie alle brauchen wirde wen[n] er mich öffentlig verletzen wolte so wirde ich ganz öffentlig gegen ihn verfahren.
Nun bitte ich Sie mein geliebter Freund da B[ernhardi] mich so verläumdet das Sie einen Brief an meinen Bruder Ludwig schreiben so als ob es eine Antwort sei auf die Anfrage ob Sie es wisten ob ich so viel gebraucht und von B[ernhardi] bekommen hätte. Schreiben Sie in diesen Brief wie sie es bezeugen könten in welcher äussersten Noht ich bei ihm gelebt hätte das Sie es wisten wie ich mir alles versagt hätte das er ein gemeiner Schurke wäre (und legen Sie darauf ein Gewicht) wen[n] er behauptete das er mir so lange Sie bei uns gewohnt haben nur soviel gegeben hätte wie er selbst verzehrt hätte viel weniger etwaß für mich und für die Kinder am allerwenigstens aber zu unnützen [9] Verschwendungen. Sagen Sie alles waß Ihnen Ihr Herz für mich eingiebt und so daß er sieht Sie wirden sogleich als ein Zeuge für mich öffentlig auftreten. Diesen Brief lieber Freund bitte ich Sie mir zu senden damit ich ihn vorher lese ehe ihn der Bruder bekömt. Ich bitte Sie aber darin zu vermeiden das Sie etwa die Summe von 98 Thaler nennen wolten welche ich in den beiden lezten Jahren bekommen habe den[n] er ist so niederträchtig wen[n] er mir etwa einmal einige Thaler gegeben hat die ich vergessen habe so beruft er sich auf solche läppische Kleinigkeit und will so beweisen daß Sie überhaupt nicht unterrichtet und behauptet wohl gar daß ich Sie in Ansehung seiner hintergangen hätte, man muß ja bei solchen Menschen [sich] auf alles gefaßt machen. Sagen Sie nur das Sie behaupten können und vor jedem Gericht beschwören das er mir nicht gegeben hat waß er selbst verzehrt so lange Sie bei uns waren und das er mich dem schrecklichsten Mangel preisgegeben hat. Bezeugen [Sie] sein äusserst schlechtes Betragen gegen mich und verwundern Sie sich das der Bruder noch daran zweifelt, endlich sagen Sie es die Warheit das Hufeland gegen Sie behauptet hat das es zu meiner Erhohlung nothwendig ist daß ich mich lange entferne. Schreiben Sie mit aller Liebe und Achtung für mich damit er sieht das meine Freunde mir nicht erkalten jedoch richten [10] Sie den Brief so ein das man ihn vor Gericht brauchen könte. Den[n] mein Bruder wird diesen Brief sogleich an Ber[nhardi] schiken um ihm zu zeigen wie seine Lügen von allen seinen Freunden zuschanden gemacht werden. Dies liebster Freund lege ich Ihnen sehr an das Herz. M.[arie] hat mir selbst vertraut und ich habe nun seine ganze Schuld kennen gelernt. Sie hat mir beschworen das er Gewalt gebraucht hat und das sie keine andere Schuld hätte als nur die das sie Malchen im vorigen Jahre mehr geglaubt hat als mir, die nemlich immer behauptet hat meine Beschwerden wären Einbildungen weil er ihr vorgeweint hat wie sehr er mich liebt.
Ich habe mein Bild für Sie mein lieber Bruder bestelt bei ihr und wen[n] es so fertig wird wie sie es denkt so wird es sehr schön. Mein Bruder Friedrich ist sehr ergrimt auf B[ernhardi] da er immer in allen Briefen geschrieben hat wie sparsam er lebt und nun komt der Docktor Stoll nach Weimar zurik und erzählt wie er alle Abende mit B[ernhardi] im Weinkeller zusammengetroffen und [sie] die ganzen Nächte geschwärmt haben. Ich dancke Gott aus vollem Herzen das ich diesem äusserst niederträchtigen Menschen endlig entronnen bin und habe nun den festen Vorsaz alles was noch darauß folgt mit Standhaftigkeit zu ertragen. Mein geliebter Freund wie wohl muß [11] es Ihnen sein wen[n] Sie denken wie viel Sie gethan haben um mich zu erretten. Sie haben ihn immer für schlecht gehalten aber doch gewiß nicht in dem Grade so aller Menschheit entfremdet wie Sie ihn jezt finden.
Diesen Brief bitte ich Sie dringend entweder so zu verwaren das ihn gewiß keine fremden Hände berühren oder lieber zu verbrennen. Wen[n] Ihr Bruder Sie besucht so bitte ich Sie flehentlich ihm gar nichts zu vertrauen und daran fest zu glauben wie sehr er Sie auch liebt das er doch nicht verschwiegen sein kann und die Frau vollens die alles mit Lügen verbrämt, waß die alles auf mich gelogen hat mag ihr auch Gott verzeihen.
Ich habe mir vorgenommen mein lieber Freund das ich immer gegen Sie recht ohne Rückhalt sein will weil ich doch fühle das ich Ihr edles Herz beleidige wen[n] ich auch nur einen Augenblick glaube das Ihnen irgendwaß das Sie für mich thun sollen zu viel erschien und so will ich aufrichtig sagen das ich mit rechtem Verlangen Ihrer Antwort auf meine Bitte entgegen sehe den[n] wir sind jezt recht in Verlegenheit. Knorrings Wechsel ist noch nicht hier und meinen Bruder mag ich nicht quälen, die Reise hat uns sehr viel gekostet und doch kann ich sie nicht bereuen da ich nun so klar weiß waß ich thun muß und wie ich den Klauen des Satans entlauffen bin. Ich will meinen langen Brief schliessen [12] und Ihnen nur noch sagen das die Kinder gesund das Felix alle Tage schöner wird und die Bewunderung aller Menschen erregt dabei aber ganz rasend eigensinnig ist. Wilhelm bittet das Sie an ihn denken sollen und auch Felix. Oft ist es mir traurig, den 6ten November ist der nun schon zwei Jahr und ich fühle immer noch die Schmerzen der Geburt. Lassen Sie mich doch bald hören daß Sie noch mit derselben Liebe an mich denken, nach dieser Nachricht empfinde ich eine rechte Sehnsucht. Schedens der Bruder und Marie lassen Sie bestens grüßen. Das Knorring an Sie wie an seinen Bruder denckt brauche ich nicht zu sagen. Leben Sie tausendmal wohl lieber bester theuerster Freund, ewig bin ich Ihnen gleich gesint.
S[ophie] Tieck

Die Antwort auf diesen Brief bitte ich Sie nach Weimar zu schiken den[n] wahrscheinlich werde ich schon dort sein. Leben Sie nochmals wohl.
[1] Dresden den 12ten Septbr [1804]
Ich will Ihnen mein liebster Freund ob ich gleich heute nicht viel schreiben kann doch lieber kurz schreiben wie es mir geht als gar nicht. Ich bin ziemlich wohl ob ich gleich so kindisch bin das mich mancherlei, Vorfälle sehr erschüttert haben. Ich bin mit meinem Bruder Schedens Burgsdorf und Marie zu Wasser von Töpliz nach Dresden gereist und muste wie ich an den herlichen Bergen vorüber kam mit inniger Sensucht an meine Reise an unsere Plane denken. Welch ein herzliches Verlangen habe ich Sie mein geliebter Bruder wiederzusehen wie wünsche ich die Zeit dazwischen verflogen.
Ich solte Ihnen lieber Freund vielerlei ganz ernsthaft schreiben aber eben weil es so viel ist weiß ich nicht wie ich es anfangen soll.
So weit war ich nur gekommen als ich gestört wurde, nun will ich heute fortfahren und möchte nichts anders schreiben als mit welcher Treue und Liebe ich an Sie denke und doch muß ich von ganz andern Diengen reden.
B[ernhardi] hat sich so niederträchtig bewiesen das es menschliche Worte nicht ausdrücken können. Sie wissen wie mein Bruder Ludwig ihm damahls im Winter schrieb wie das keinesweges in meinen Angelegenheiten war sondern wie die nur bei einer viel grausameren Begebenheit berührt wurden. B[ernhardi] hat ihm darauf [2] äusserst schändlich geantwortet so als ob die ganze Sache höchst unwarscheinlig wäre und nur eine Erfindung von meinem Bruder, die unglückliche Person selbst behandelt er in seinem Briefe als eine gemeine Hure indem er sagt er wäre fast nie mit ihr allein gewesen sie hätte ihn selbst immer von sich getrieben warscheinlig um ihr ärmliches Mittagsmal vor ihm zu verbergen, ausser einmal sei er bei ihr gewesen wo aber gleich darauf ein Geistlicher zu ihr gekommen sei so das er also zu verstehn giebt das Kind könte eben so wohl von dem sein als von ihm. Endlich sagt er man möchte Malchen fragen wie viel zu einem solchen Wochenbet gehörte und er wolle das äusserste der Gutmühtigkeit thun und diese Summe hergeben aber dan solle mein Bruder sein Wort schriftlig geben von dieser Sache nie wieder zu reden und dies Geld könne er nicht einmal bar geben indem er nicht für 10 Thaler Credit habe dies möchte also mein Bruder von Burgsdorf leihen und er wolle es nach dem Tode seines Vaters bezalen. Und nun steht in dem Briefe eine Beschreibung von allen seinen Schulden die er um meinetwillen gemacht habe, er begriffe nicht wo das Geld hingekommen sei und klagt über meine Verschwendung. Dabei bedauert er den jüngsten Bruder das der so viel für mich thun müste. Ja er geht in seiner Nieder[3]trächtigkeit so weit unter den vielen Ausgaben für mich dem Bruder das Puppenspiel anzurechnen und die Wagen mit denen ich zuweilen gefahren bin. Auf diesen Brief der noch mit solcher schändlichen Künstligkeit eingerichtet war das er immer in der dritten Zeile thut als wolle er den Bruder auf eigne Sünden aufmerksam machen die der andere nöhtig, ihn ängstlich zu verschweigen und besonders vor Malchen zu verbergen, hat der Bruder mit der äussersten Verachtung geantwortet und von Malchen einige Worte darunter schreiben lassen zum Beweise das er über solche kleinliche Scham hinaus ist. Da er nun gesehn das er mit seiner Schamlosen nichtswirdigkeit nichts ausgerichtet hat so ist nun ein anderer Brief an meinen Bruder erfolgt worin er zu einer andern Heuchelei seine Zuflucht nimt die ich für noch schändlicher halte. Nun schreibt er nemlig wie er von seinem verderbten Leben zurik kommen wolte wie er dazu bewogen sei dadurch das er in der Nacht sich gefragt habe waß er thun solle er habe durch einen Zufal die Bibel hingeworfen und so habe sie sich aufgeschlagen und durch die Sprüche die ihn so angeredet sei er so bewegt das er einsehe wie schlecht er gewesen sei. Nun giebt er sich als den Vater des Kindes an beschuldigt sich selbst und bittet mit Thränen in der äusser[4]sten Demuht um Vergebung. Verlangt von meinem Bruder das er sich nun nicht versündigen solle und bei seiner herzlichen Reue ihm nicht vergeben. So das der Bruder sich gewissermassen mit ihm versöhnen muste. Nun hat er ihn in Berlin beschworen und gebehten den 1ten Brief zurik zu geben welches der Bruder aber durchaus geweigert. Dan hat er ihm sollen einen hohen Eid [schwören] es mir niemals zu entdeken, das hat der Bruder auch nicht versprochen sondern nur es mir jezt nicht zu sagen auf dem Fall aber daß er sich schlecht gegen mich nehmen wirde sollte es mir kein Geheimniß sein. In Berlin nun hat er dem Bruder eine Verschreibung gegeben worin er das Kind anerkent und verlangt das wen[n] er sterben solte es mit meinen Kindern gleiche Rechte an seinen Vermögen haben solte.
Nach allem diesen schreibt er nun dem Bruder nach Ziebingen er mein Bruder möchte doch nun nicht der Einzige sein welcher das Glück und den Frieden störte ich hätte mich in jedem Briefe freiwillig erbohten zurik zu kommen er wolle sich ja zu allem verstehen waß ich nur wolte ja wen[n] ich auch am ende mir auf 14 Tage wiederkommen wolte und dan wieder weggienge ihm auch nur die Kinder oder eins von den Kindern daließe so wolle er zufrieden sein. Wolle man aber seine Güte so auf das äusserste misbrauchen dan [5] müsse er sich freilich aller Mittel selbst der welche ihm die Gesetze erlaubten bedienen. Mein Bruder war irre geworden und glaubte ich hätte mich vieleicht verlocken lassen in irgend einem Briefe so etwaß zu schreiben und hatte also darauf nicht geantwortet bis er mich gesehn hat.
An mich schrieb B[ernhardi] vor kurzen einen Brief voll der abgeschmaktesten Ausrufungen weil ich in 19 Tagen ihm nicht geschrieben hatte und worin es herauß kam das er sich in Weimar Laurer hält die ihm berichten wie ich lebe. Darauf antwortete ich sehr kurz und kalt und sagte ihm ich begriffe nicht warum ich so gewissenhaft alle Woche schreiben solte da er ja Nachrichten auf andern Wegen erhielte. Dan hatte er von mir verlangt ich solte meine Briefe vor meinen Brüdern verbergen darauf antwortete ich das es mir deutlig wäre warum er wünschen müste das wir uns seine Briefe gegenseitig verschwiegen seitdem mir mein Bruder manches aus seinen Briefen mitgetheilt hätte und am Schlusse versicherte ich das ich auf solche Ausrufungen gar nicht mehr antworten wirde und dergleichen Briefe als nicht erhalten betrachten. Dies hat ihn nun bewogen sich recht schändlich zu zeigen er schrieb nemlich mein Bruder thäte weit besser wen[n] er vieles bereute was er ihm und mir gethan habe als das er mir Dienge mittheilte die er ihm im volsten Vertrauen gesagt habe und ich möchte mich erinnern das ich dies alles selbst veranlaßt habe dadurch das ich mei[6]nem Bruder sein Unrecht gegen mich geklagt und es wäre nun das entstanden was er immer gesagt habe und waß ganz unvermeidlich sei wen[n] man Fremde einmische in solche Verhältnisse. Ich muß Sie liebster Freund auf die tausendfache Niederträchtigkeit aufmercksam machen die in diesen Worten liegt. Erstlich das es ganz natürlich sei das sein Betragen immer schlechter werden muß so bald ich seine Eitelkeit beleidige und darüber klage dan das es nur mein Unrecht ist wen[n] ich die ungeheuersten Mishandlungen nicht hinnehme ohne ein Wort zu sagen und das er mir gar nicht so viel thun kann waß den Frevel aufwöge das ich darüber klage dan nent er meine Brüder mein angebornes Blut Fremde und jedes Wort für mich eine unziemliche Einmischung. Endlich waß würklich allen Glauben an Frechheit und Schamlosigkeit übersteigt, was er gebraucht hat um meinem Bruder deutlich zu machen das er durch meine Schuld nicht im Stande sei für sein Kind zu sorgen wo er sogleich gemeint hat das der nun um meinetwillen nicht darauf bestehn dürfe, diese Schandthat braucht er nun wieder gegen mich und will mir glauben machen ich habe meinen Bruder veranlaßt so seinen Vormund zu spielen und er habe antworten müssen nur um sich gegen mich zu vertheidigen.
In seinem vortreflichen Briefe an mich steht noch ferner ich möchte nicht listig gegen ihn verfahren [7] sondern zurik kommen und ihm lieber grade herauß sagen waß ich gegen ihn hätte den[n] er könte mich ja mit den Kindern abholen welches Du liebe Sofie ja doch nicht hindern kanst. So schließt diese Anrede. Endlich hat er diesen Brief so eingerichtet das wen[n] ich ihn meinem Bruder zeigte der doch noch immer meinen soll ich habe eine grosse Schuld gegen ihn. Sie wissen wie er sonst wen[n] er recht brutal gewesen war sich in seinen Demühtigungen eben so niederträchtig zeigte und von sich selbst sagte: Er müße ja toll und unsinnig sein wen[n] er jemals vergessen könte wie edel und grosmühtig ich gegen ihn verfahren habe und das nur seine Schlechtigkeit ihn dahin brächte es zuweilen zu vergessen. In diesem Briefe steht nun das wen[n] er sich auch in manchen Diengen schuldig bekennen müsse darauß noch gar nicht folge das ich schuldloß sei.
Ich muß bekennen das mich dies Gewebe von Niederträchtigkeiten so erschüttert hat das ich ganz krank wurde. Vielmehr Dienge sind es noch die ich nur nicht alle aufschreiben kann weil es sonst ein Buch und kein Brief werden wirde.
Auf dies lezte Schreiben habe ich nun gar nicht geantwortet sondern mein Bruder ganz kurz fürs erste nur um ihm zu sagen das die Kinder gesund sind und das mich sein Brief ganz krank gemacht hat und das er dieses wirksame Schreiben nächstens so wie den lezten Brief nach Ziebingen weitläuftig beantworten wird. Dies soll nun [8] mit Schede geschehen der in 3 Tagen von hier ab nach Berlin geht. Und zwar soll dieser einen offenen Brief bekommen damit B[ernhardi] endlich einsieht das es unser Ernst ist der soll ihm deutlig machen das ich sehr wohl unterrichtet bin und weiß wie weit ich gehen kann und in diesem Briefe soll ihm zum leztenmale seine Schändligkeit und mein Entschluß gesagt werden das wen[n] er meinen Frieden ungestört läßt er vor der Welt immer noch eine Liebe zu mir heucheln mag, das er immer thun kann als wirde ich wiederkommen und brächte er mir aus Liebe dies Opfer. Das aber wen[n] er meine Ruhe stört ich dan auch weiß welche Mittel ich habe und das ich sie alle brauchen wirde wen[n] er mich öffentlig verletzen wolte so wirde ich ganz öffentlig gegen ihn verfahren.
Nun bitte ich Sie mein geliebter Freund da B[ernhardi] mich so verläumdet das Sie einen Brief an meinen Bruder Ludwig schreiben so als ob es eine Antwort sei auf die Anfrage ob Sie es wisten ob ich so viel gebraucht und von B[ernhardi] bekommen hätte. Schreiben Sie in diesen Brief wie sie es bezeugen könten in welcher äussersten Noht ich bei ihm gelebt hätte das Sie es wisten wie ich mir alles versagt hätte das er ein gemeiner Schurke wäre (und legen Sie darauf ein Gewicht) wen[n] er behauptete das er mir so lange Sie bei uns gewohnt haben nur soviel gegeben hätte wie er selbst verzehrt hätte viel weniger etwaß für mich und für die Kinder am allerwenigstens aber zu unnützen [9] Verschwendungen. Sagen Sie alles waß Ihnen Ihr Herz für mich eingiebt und so daß er sieht Sie wirden sogleich als ein Zeuge für mich öffentlig auftreten. Diesen Brief lieber Freund bitte ich Sie mir zu senden damit ich ihn vorher lese ehe ihn der Bruder bekömt. Ich bitte Sie aber darin zu vermeiden das Sie etwa die Summe von 98 Thaler nennen wolten welche ich in den beiden lezten Jahren bekommen habe den[n] er ist so niederträchtig wen[n] er mir etwa einmal einige Thaler gegeben hat die ich vergessen habe so beruft er sich auf solche läppische Kleinigkeit und will so beweisen daß Sie überhaupt nicht unterrichtet und behauptet wohl gar daß ich Sie in Ansehung seiner hintergangen hätte, man muß ja bei solchen Menschen [sich] auf alles gefaßt machen. Sagen Sie nur das Sie behaupten können und vor jedem Gericht beschwören das er mir nicht gegeben hat waß er selbst verzehrt so lange Sie bei uns waren und das er mich dem schrecklichsten Mangel preisgegeben hat. Bezeugen [Sie] sein äusserst schlechtes Betragen gegen mich und verwundern Sie sich das der Bruder noch daran zweifelt, endlich sagen Sie es die Warheit das Hufeland gegen Sie behauptet hat das es zu meiner Erhohlung nothwendig ist daß ich mich lange entferne. Schreiben Sie mit aller Liebe und Achtung für mich damit er sieht das meine Freunde mir nicht erkalten jedoch richten [10] Sie den Brief so ein das man ihn vor Gericht brauchen könte. Den[n] mein Bruder wird diesen Brief sogleich an Ber[nhardi] schiken um ihm zu zeigen wie seine Lügen von allen seinen Freunden zuschanden gemacht werden. Dies liebster Freund lege ich Ihnen sehr an das Herz. M.[arie] hat mir selbst vertraut und ich habe nun seine ganze Schuld kennen gelernt. Sie hat mir beschworen das er Gewalt gebraucht hat und das sie keine andere Schuld hätte als nur die das sie Malchen im vorigen Jahre mehr geglaubt hat als mir, die nemlich immer behauptet hat meine Beschwerden wären Einbildungen weil er ihr vorgeweint hat wie sehr er mich liebt.
Ich habe mein Bild für Sie mein lieber Bruder bestelt bei ihr und wen[n] es so fertig wird wie sie es denkt so wird es sehr schön. Mein Bruder Friedrich ist sehr ergrimt auf B[ernhardi] da er immer in allen Briefen geschrieben hat wie sparsam er lebt und nun komt der Docktor Stoll nach Weimar zurik und erzählt wie er alle Abende mit B[ernhardi] im Weinkeller zusammengetroffen und [sie] die ganzen Nächte geschwärmt haben. Ich dancke Gott aus vollem Herzen das ich diesem äusserst niederträchtigen Menschen endlig entronnen bin und habe nun den festen Vorsaz alles was noch darauß folgt mit Standhaftigkeit zu ertragen. Mein geliebter Freund wie wohl muß [11] es Ihnen sein wen[n] Sie denken wie viel Sie gethan haben um mich zu erretten. Sie haben ihn immer für schlecht gehalten aber doch gewiß nicht in dem Grade so aller Menschheit entfremdet wie Sie ihn jezt finden.
Diesen Brief bitte ich Sie dringend entweder so zu verwaren das ihn gewiß keine fremden Hände berühren oder lieber zu verbrennen. Wen[n] Ihr Bruder Sie besucht so bitte ich Sie flehentlich ihm gar nichts zu vertrauen und daran fest zu glauben wie sehr er Sie auch liebt das er doch nicht verschwiegen sein kann und die Frau vollens die alles mit Lügen verbrämt, waß die alles auf mich gelogen hat mag ihr auch Gott verzeihen.
Ich habe mir vorgenommen mein lieber Freund das ich immer gegen Sie recht ohne Rückhalt sein will weil ich doch fühle das ich Ihr edles Herz beleidige wen[n] ich auch nur einen Augenblick glaube das Ihnen irgendwaß das Sie für mich thun sollen zu viel erschien und so will ich aufrichtig sagen das ich mit rechtem Verlangen Ihrer Antwort auf meine Bitte entgegen sehe den[n] wir sind jezt recht in Verlegenheit. Knorrings Wechsel ist noch nicht hier und meinen Bruder mag ich nicht quälen, die Reise hat uns sehr viel gekostet und doch kann ich sie nicht bereuen da ich nun so klar weiß waß ich thun muß und wie ich den Klauen des Satans entlauffen bin. Ich will meinen langen Brief schliessen [12] und Ihnen nur noch sagen das die Kinder gesund das Felix alle Tage schöner wird und die Bewunderung aller Menschen erregt dabei aber ganz rasend eigensinnig ist. Wilhelm bittet das Sie an ihn denken sollen und auch Felix. Oft ist es mir traurig, den 6ten November ist der nun schon zwei Jahr und ich fühle immer noch die Schmerzen der Geburt. Lassen Sie mich doch bald hören daß Sie noch mit derselben Liebe an mich denken, nach dieser Nachricht empfinde ich eine rechte Sehnsucht. Schedens der Bruder und Marie lassen Sie bestens grüßen. Das Knorring an Sie wie an seinen Bruder denckt brauche ich nicht zu sagen. Leben Sie tausendmal wohl lieber bester theuerster Freund, ewig bin ich Ihnen gleich gesint.
S[ophie] Tieck

Die Antwort auf diesen Brief bitte ich Sie nach Weimar zu schiken den[n] wahrscheinlich werde ich schon dort sein. Leben Sie nochmals wohl.
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