• Caroline von Schelling to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Braunschweig · Place of Destination: Berlin · Date: 16. März [1801]
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
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    Metadata Concerning Header
  • Sender: Caroline von Schelling
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Braunschweig
  • Place of Destination: Berlin
  • Date: 16. März [1801]
  • Notations: Datum (Jahr) sowie Absende- und Empfangsort erschlossen.
    Printed Text
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: 370516575
  • Bibliography: Schelling, Caroline von: Briefe aus der Frühromantik. Nach Georg Waitz vermehrt hg. v. Erich Schmidt. Bd. 2. Leipzig 1913, S. 75‒81 u. S. 607 (Kommentar).
  • Incipit: „[Braunschweig] 16 März Montag früh [1801].
    Mein lieber Wilhelm, ich habe wieder einen heftigen Stoß erlitten, das kannst Du Dir denken. Es [...]“
[Braunschweig] 16 März Montag früh [1801].
Mein lieber Wilhelm, ich habe wieder einen heftigen Stoß erlitten, das kannst Du Dir denken. Es ging fast über meine Kräfte so erinnert zu werden und den Schmerz mit anzusehn. Gestern früh sind es 8 Tage, daß ich das schöne liebe Kind der Mutter, die es angekleidet hatte, abnahm und es nicht auf den Armen erhalten konnte, so munter war es. Eine halbe Stunde darauf wurde es schreyend in die Stube gebracht, und erst im Tode entschlummert wieder herausgetragen. Die Form der Krankheit schreckte mich so gewaltsam, daß ich es ruhiger habe sterben sehn, als ich das erste Blut erblickte, denn Wiedemann wird Dir wohl geschrieben haben, daß es sich wie eine Ruhr äußerte. Mir war, als ob die Gefäße des Blutes in meiner Brust alle reißen müsten, da dieses Todeszeichen vor meine Augen kam. Ich ging herauf und war untröstlich und lief wieder hinab um zu trösten. O wie sehr fehltest Du mir ‒ ich hätte mich doch etwas bey Dir beruhiget. Der Tag verging in Hülfleistungen, in der Nacht hörte ich das Schreyen des Kindes. Am Montag gegen Abend faßten wir alle Hoffnung, da der Blutverlust gänzlich nachgelassen hatte. Kaum war ich aber nach Mitternacht eingeschlafen, als Luise mich rufen ließ in ihrer höchsten Angst, damit ich ihr nur bestätigen oder widerlegen sollte, ob es sich so zum Schlimmen verändert habe, wie sie es sah, aber ehe ich nur heruntereilen konnte, zweifelte sie gar nicht mehr, und ich fand sie zum Erbarmen auf der Erde liegend und Gott und Menschen um Hülfe anflehend ‒ ach Wilhelm! Wir mußten sie nur gleich wegbringen ‒ darauf nahm ich das Kind, das mit seinen starren schönen Augen, die dann plötzlich hin und her funkelten, mich anblickte, in die Arme. Wiedemann kam noch mit der Hoffnung herbey, Luisens Ängstlichkeit hätte übertrieben, aber ich sagte ihm gleich: hier ist die äußerste Gefahr. Er war hin, und kaum fähig sich auf Mittel zu besinnen. Wir brachten das Kind in ein Bad mit Wein, dann Umschläge von Wein ‒ der Zustand veränderte sich nicht mehr, aber es war still, nur zuweilen kleine Anwandlungen von Angst, es schluckte alles hinunter, es bewegte den Kopf noch wie mit Bewustseyn. Hoffnung konnte mir nichts mehr geben, ich ließ es bis an den Morgen nicht von mir, denn theils war es nöthig, weil die andern nicht im Stande waren, die Mägde mit Anstalten beschäftigt, theils dacht ich mich durch diese Art von Thätigkeit und naher Gegenwart noch am ersten aufrecht zu erhalten. Um 7 Uhr kam Himly und mit dem hielt ich es noch eine Vierthelstunde lang in einem abermaligen Bade mit Wein, das aber den Puls nicht mehr heben wollte, und doch hielt Himly die Rettung wenigstens nicht für unmöglich. Es kamen viele Freunde und Bekannte, das hielt Luisen hin in einem andern Zimmer, denn seit 4 Uhr Morgens, wo das Kind doch noch an ihrer Brust trank, war sie nicht fähig den Anblick zu ertragen. Der Vater sah todter und bleicher aus wie sein Kind, es mußte dem Gleichgültigsten ins Herz schneiden. Zwischen 2 und 3 Uhr Nachmittags hörte es auf zu athmen, es erblich ohne Röcheln und ganz still. In dem Blicken der Augen schien noch bis kurz vorher eine Meinung zu seyn, besonders drehten sie sich überwärts nach der Wand über den Sopha, und das Mädchen sagte, es sieht nach dem Bilde; Du erinnerst Dich, daß dort ein kleines Bild von Auguste hängt, das einzige in einem goldnen Rahm, und ein Wiederschein der Sonne hatte die Stelle erleuchtet. Ja, er ist nun, wo sie ist, und in der Nacht drückte ich ihm auch einen Kuß auf die Lippen, daß er ihn ihr bringen sollte. Dortchen, die in Thränen zerfloß, sagte in ihrer Noth auf plattdeutsch, o Du lieber Gott, es wäre Dir ja eine Kleinigkeit, wenn Du ihm helfen wolltest. Ja, eine Kleinigkeit, aber vom Anbeginn unmöglich. Ach wenn er sich erweichen lassen könnte! ‒ Eine Erleichterung ist den Eltern, dem Vater vorzüglich, geworden; er schien wie von der Verzweiflung entbunden, da die Öffnung des kleinen Körpers zeigte, daß keine Hülfe, keine Vorsicht das Kind retten und bewahren konnte, wie er Dir gemeldet haben wird. Er wurde ordentlich heiter, und nun wird die Veränderung des Aufenthalts für ihn und Luise wohlthuend werden können. Ein schönes Trugbild ist uns der herrliche Knabe gewesen, und stumm wie ein Bild ist er mit seinen göttlich sprechenden Augen aus der Welt gegangen.
Ich war aufs äußerste gespannt auf die Wirkung aller Mittel, die keine andern waren, als welche Auguste bekommen hat, Opium war das erste. Dieses ist nun umsonst und Roose sagte auch, der Fall sey gar nicht einmal belehrend. Recht herzlich nahm dieser Theil, die Wangen waren ihm dunkelroth vor Angst angeflogen, daß er keine Hülfe zu ersinnen wüste. ‒ Meiner Mutter Gesundheit hat sich in der lezten Zeit sehr gebessert, was ihr nun zu Gut kommt; ich habe überhaupt gefunden, daß sie nur so weich bey der ersten Gefahr der Kinder ist, wie wir sie gesehn haben. Der Fall selbst ist schon für sie in die Reihe der geschehnen Dinge übergegangen.
Daß ich den Folgen nicht entgehn konnte, war nur zu begreiflich, ob ich mich schon an den Tagen selbst mit besondrer Stärke täuschte, aber am Mittwoch Morgen erwachte ich sehr krank, und um Mittag kam ein Anfall, so heftig wie ich ihn noch nicht gehabt hatte, die Zähne schnatterten mir fürchterlich und er endigte sich mit einer Blutergießung; zwey Tage blieb ich im Bett; im Hause ängstigte es sie schon, ich würde auch nicht wieder aufstehn. Ich lebe indessen noch, nur mit erneutem Gefühl, daß es in der That nicht der Müh werth wäre, mit mir um die Verwendung dieses armen Lebens noch zu handeln, und ich danke Dir, lieber Wilhelm, daß Du es auch nicht thust.
Philipp hatte mich von neuem sehr ermahnt noch zu kommen; von Zelle aus läßt er mich abholen und wollte mich nebst seiner Familie wieder herbringen, um dann die Mutter mitzunehmen, die sich nicht zu der Reise nach Jena entschließen kann und auch sehr gut bey ihm sich befinden wird, der ihr zugleich Arzt seyn kann. Sie hat mir frey gestanden, sie könnte doch den vielen Witz nicht vertragen (wie man Erbsen und Linsen nicht verträgt) und wir hätten lauter witzige Menschen um uns und sie würde sich in so fern in Jena deplacirt finden. Wir wollen ihr das nicht übel nehmen; wenn einer so alt geworden ist ohne Witz, so läßt ihm sich diese Kost nicht mehr zumuthen. Dir ist sie denn doch gewiß nicht abgeneigt, und Deiner Handthierung.
Wiedemann reißt in den Ostertagen ab. Wir innerhalb der folgenden 14 Tage. Vielleicht ist es möglich, daß ich grade um Ostern noch den Weg zu Philipp mit Professor Hellwig mache. Ich will es thun, wenn ich mich einigermaßen stark genug dazu fühle.
Einige Vorkehrungen in Jena denke ich durch Mlle Faber besorgen zu lassen. Wir nehmen nun von hier, da Luise kein besonderes Kindermädchen braucht, das Mädchen mit, welches sie als Köchin gemiethet. Dein Spott über meine arkadischen Projekte hat mich ergötzt, so krank ich war, so wie auch der Tugend Zwickmühle, und was ich mir für Mühe gegeben Dir in Deinen „gewissen Zwecken“, zu denen Du Philippe et Georgette brauchst, behülflich zu seyn, hast Du gesehn. Werden die Arien hinreichen? ‒ Du kannst ja den übrigen Text selbst dazwischen machen. Vor Ostern giebt es hier keine Komödie. Kommt denn Iffland noch nach Weimar? Um die Zeit, im May, bitte ich Dich inständig doch dort zu seyn. Deine Reise über Dresden hatte ich mir schon berechnet. Du kannst sie ja auch sehr leicht mit Tieks machen, oder werden Dich die Geschäfte vor der Messe länger wie sie in Berlin halten? Und ‒ daß ich nochmals ein Fragzeichen daran wende ‒ kann der Shakespear fertig werden? ‒ Wenn Du Fiorillon nur die Lombardische Schule schaffst und nur etwas jetzt geschickt hast, so ist es schon gut ‒ ich muß fast vermuthen, daß ihm vielleicht schon jemand auf das Honorar vorgeschossen hat. Und es ist doch sehr die Frage, ob Du dem Fr. Tiek, wenn er das Monument unternimmt, nicht etwas vorschießen mußt.
Ich seh es wohl, mein lieber Bösewicht, die gewissen Zwecke werden Dir Zeit kosten. Nun, ich will nicht darüber zürnen. Im Gegentheil, ich habe eine wahre Zärtlichkeit für Unzelinette, und vermuthlich hege ich nur gegen Deine großen Liebschaften eine Art von Widerwillen. Vergiß das Tuch nicht, um das ich Dich für Luise gebeten. Unzeline kann es ja aussuchen. Es giebt doch Niemand in Berlin, der mehr Geschmack hätte.
Schiller ist in Jena, um das Wallensteinische Schicksaal dichter zu knoten. Verlaß Dich darauf, daß durch mich nichts auskommt, und hoffe nicht, daß ich Dir für die Mittheilung besonders danken werde, denn Du hast mir das, und den Bernhardi, doch nur aus Bewustseyn geschickt, daß ich am Brief ein wenig verkürzt worden, aber es thut nichts; es machte mir alles zusammen eine freundliche Stunde. ‒ Schelling, der die Osterferien wahrscheinlich wieder bei Goethe zubringt, soll diesen erinnern, auch wegen des Taschenbuchs.
Goethes Krankheit ist benuzt worden um den jüngern Stark zum Ordinarius und Succow zum Professor zu machen, so daß kein Fremder gerufen wird. ‒
Wenn doch Tiek einen Verleger hätte, denn allzusehr darf sich die Schrift nicht verspäten. In Berlin ist das locale Interesse, dächt ich, doch stark genug, um ihn einen finden zu lassen. ‒ Mir ist eingefallen, ob Tieks nicht Cecilen in Dresden zu sich nehmen könnten, aber es würde ihr dort wohl an der ersten Anweisung fehlen? ‒ und ob Tischbein Geduld genug dazu hat? Sie muß mit der Öhlfarbe umgehn lernen; zu der Pinseley aus dem Groben könnte ihr Krause genug seyn bis auf weiteres. Du redest mit Tischbeins mündlich, die Dich sehr erwarten. Sie haben mir endlich geschrieben; das Bild für Dich ist fertig und wird Dir nach Berlin geschickt. Caroline macht noch eine Zeichnung nach dem großen Bild, an das T. noch nicht gerührt hat, und Du solst erst allerley über dieses in Person entscheiden.
An Deine Mutter hab ich gleich nach Deiner Abreise geschrieben und meynte es gegen Dich erwähnt zu haben.
Ich habe den Aristipp angesehn. Madame de Genlis könnte ihn geschrieben haben.
Lebe wohl indessen. Emma sitzt bei mir. Gottlob, daß wir diese noch mitbringen. Sie hat kein Gefühl von dem, was vorging, gehabt, Rose schien fast eben so kindisch unempfindlich, doch möchte ich ihr nicht deswegen unrecht thun, daß sie sich vielleicht nicht äußerte. Adieu, Lieber.

[Auf der Rückseite:]
Gotters nachgelaßne Schauspiele. Die Geisterinsel. Eine gänzliche Umarbeitung seines Trauerspiels Marianne. Der schöne Geist frey nach den poete campagnard.
Für den Band von Esther gab Göschen 300 rh. Die Bedingungen für diesen bleiben Dir gänzlich überlassen. Mehr wie 150‒200 kann die Gotter wohl nicht erwarten.
[Braunschweig] 16 März Montag früh [1801].
Mein lieber Wilhelm, ich habe wieder einen heftigen Stoß erlitten, das kannst Du Dir denken. Es ging fast über meine Kräfte so erinnert zu werden und den Schmerz mit anzusehn. Gestern früh sind es 8 Tage, daß ich das schöne liebe Kind der Mutter, die es angekleidet hatte, abnahm und es nicht auf den Armen erhalten konnte, so munter war es. Eine halbe Stunde darauf wurde es schreyend in die Stube gebracht, und erst im Tode entschlummert wieder herausgetragen. Die Form der Krankheit schreckte mich so gewaltsam, daß ich es ruhiger habe sterben sehn, als ich das erste Blut erblickte, denn Wiedemann wird Dir wohl geschrieben haben, daß es sich wie eine Ruhr äußerte. Mir war, als ob die Gefäße des Blutes in meiner Brust alle reißen müsten, da dieses Todeszeichen vor meine Augen kam. Ich ging herauf und war untröstlich und lief wieder hinab um zu trösten. O wie sehr fehltest Du mir ‒ ich hätte mich doch etwas bey Dir beruhiget. Der Tag verging in Hülfleistungen, in der Nacht hörte ich das Schreyen des Kindes. Am Montag gegen Abend faßten wir alle Hoffnung, da der Blutverlust gänzlich nachgelassen hatte. Kaum war ich aber nach Mitternacht eingeschlafen, als Luise mich rufen ließ in ihrer höchsten Angst, damit ich ihr nur bestätigen oder widerlegen sollte, ob es sich so zum Schlimmen verändert habe, wie sie es sah, aber ehe ich nur heruntereilen konnte, zweifelte sie gar nicht mehr, und ich fand sie zum Erbarmen auf der Erde liegend und Gott und Menschen um Hülfe anflehend ‒ ach Wilhelm! Wir mußten sie nur gleich wegbringen ‒ darauf nahm ich das Kind, das mit seinen starren schönen Augen, die dann plötzlich hin und her funkelten, mich anblickte, in die Arme. Wiedemann kam noch mit der Hoffnung herbey, Luisens Ängstlichkeit hätte übertrieben, aber ich sagte ihm gleich: hier ist die äußerste Gefahr. Er war hin, und kaum fähig sich auf Mittel zu besinnen. Wir brachten das Kind in ein Bad mit Wein, dann Umschläge von Wein ‒ der Zustand veränderte sich nicht mehr, aber es war still, nur zuweilen kleine Anwandlungen von Angst, es schluckte alles hinunter, es bewegte den Kopf noch wie mit Bewustseyn. Hoffnung konnte mir nichts mehr geben, ich ließ es bis an den Morgen nicht von mir, denn theils war es nöthig, weil die andern nicht im Stande waren, die Mägde mit Anstalten beschäftigt, theils dacht ich mich durch diese Art von Thätigkeit und naher Gegenwart noch am ersten aufrecht zu erhalten. Um 7 Uhr kam Himly und mit dem hielt ich es noch eine Vierthelstunde lang in einem abermaligen Bade mit Wein, das aber den Puls nicht mehr heben wollte, und doch hielt Himly die Rettung wenigstens nicht für unmöglich. Es kamen viele Freunde und Bekannte, das hielt Luisen hin in einem andern Zimmer, denn seit 4 Uhr Morgens, wo das Kind doch noch an ihrer Brust trank, war sie nicht fähig den Anblick zu ertragen. Der Vater sah todter und bleicher aus wie sein Kind, es mußte dem Gleichgültigsten ins Herz schneiden. Zwischen 2 und 3 Uhr Nachmittags hörte es auf zu athmen, es erblich ohne Röcheln und ganz still. In dem Blicken der Augen schien noch bis kurz vorher eine Meinung zu seyn, besonders drehten sie sich überwärts nach der Wand über den Sopha, und das Mädchen sagte, es sieht nach dem Bilde; Du erinnerst Dich, daß dort ein kleines Bild von Auguste hängt, das einzige in einem goldnen Rahm, und ein Wiederschein der Sonne hatte die Stelle erleuchtet. Ja, er ist nun, wo sie ist, und in der Nacht drückte ich ihm auch einen Kuß auf die Lippen, daß er ihn ihr bringen sollte. Dortchen, die in Thränen zerfloß, sagte in ihrer Noth auf plattdeutsch, o Du lieber Gott, es wäre Dir ja eine Kleinigkeit, wenn Du ihm helfen wolltest. Ja, eine Kleinigkeit, aber vom Anbeginn unmöglich. Ach wenn er sich erweichen lassen könnte! ‒ Eine Erleichterung ist den Eltern, dem Vater vorzüglich, geworden; er schien wie von der Verzweiflung entbunden, da die Öffnung des kleinen Körpers zeigte, daß keine Hülfe, keine Vorsicht das Kind retten und bewahren konnte, wie er Dir gemeldet haben wird. Er wurde ordentlich heiter, und nun wird die Veränderung des Aufenthalts für ihn und Luise wohlthuend werden können. Ein schönes Trugbild ist uns der herrliche Knabe gewesen, und stumm wie ein Bild ist er mit seinen göttlich sprechenden Augen aus der Welt gegangen.
Ich war aufs äußerste gespannt auf die Wirkung aller Mittel, die keine andern waren, als welche Auguste bekommen hat, Opium war das erste. Dieses ist nun umsonst und Roose sagte auch, der Fall sey gar nicht einmal belehrend. Recht herzlich nahm dieser Theil, die Wangen waren ihm dunkelroth vor Angst angeflogen, daß er keine Hülfe zu ersinnen wüste. ‒ Meiner Mutter Gesundheit hat sich in der lezten Zeit sehr gebessert, was ihr nun zu Gut kommt; ich habe überhaupt gefunden, daß sie nur so weich bey der ersten Gefahr der Kinder ist, wie wir sie gesehn haben. Der Fall selbst ist schon für sie in die Reihe der geschehnen Dinge übergegangen.
Daß ich den Folgen nicht entgehn konnte, war nur zu begreiflich, ob ich mich schon an den Tagen selbst mit besondrer Stärke täuschte, aber am Mittwoch Morgen erwachte ich sehr krank, und um Mittag kam ein Anfall, so heftig wie ich ihn noch nicht gehabt hatte, die Zähne schnatterten mir fürchterlich und er endigte sich mit einer Blutergießung; zwey Tage blieb ich im Bett; im Hause ängstigte es sie schon, ich würde auch nicht wieder aufstehn. Ich lebe indessen noch, nur mit erneutem Gefühl, daß es in der That nicht der Müh werth wäre, mit mir um die Verwendung dieses armen Lebens noch zu handeln, und ich danke Dir, lieber Wilhelm, daß Du es auch nicht thust.
Philipp hatte mich von neuem sehr ermahnt noch zu kommen; von Zelle aus läßt er mich abholen und wollte mich nebst seiner Familie wieder herbringen, um dann die Mutter mitzunehmen, die sich nicht zu der Reise nach Jena entschließen kann und auch sehr gut bey ihm sich befinden wird, der ihr zugleich Arzt seyn kann. Sie hat mir frey gestanden, sie könnte doch den vielen Witz nicht vertragen (wie man Erbsen und Linsen nicht verträgt) und wir hätten lauter witzige Menschen um uns und sie würde sich in so fern in Jena deplacirt finden. Wir wollen ihr das nicht übel nehmen; wenn einer so alt geworden ist ohne Witz, so läßt ihm sich diese Kost nicht mehr zumuthen. Dir ist sie denn doch gewiß nicht abgeneigt, und Deiner Handthierung.
Wiedemann reißt in den Ostertagen ab. Wir innerhalb der folgenden 14 Tage. Vielleicht ist es möglich, daß ich grade um Ostern noch den Weg zu Philipp mit Professor Hellwig mache. Ich will es thun, wenn ich mich einigermaßen stark genug dazu fühle.
Einige Vorkehrungen in Jena denke ich durch Mlle Faber besorgen zu lassen. Wir nehmen nun von hier, da Luise kein besonderes Kindermädchen braucht, das Mädchen mit, welches sie als Köchin gemiethet. Dein Spott über meine arkadischen Projekte hat mich ergötzt, so krank ich war, so wie auch der Tugend Zwickmühle, und was ich mir für Mühe gegeben Dir in Deinen „gewissen Zwecken“, zu denen Du Philippe et Georgette brauchst, behülflich zu seyn, hast Du gesehn. Werden die Arien hinreichen? ‒ Du kannst ja den übrigen Text selbst dazwischen machen. Vor Ostern giebt es hier keine Komödie. Kommt denn Iffland noch nach Weimar? Um die Zeit, im May, bitte ich Dich inständig doch dort zu seyn. Deine Reise über Dresden hatte ich mir schon berechnet. Du kannst sie ja auch sehr leicht mit Tieks machen, oder werden Dich die Geschäfte vor der Messe länger wie sie in Berlin halten? Und ‒ daß ich nochmals ein Fragzeichen daran wende ‒ kann der Shakespear fertig werden? ‒ Wenn Du Fiorillon nur die Lombardische Schule schaffst und nur etwas jetzt geschickt hast, so ist es schon gut ‒ ich muß fast vermuthen, daß ihm vielleicht schon jemand auf das Honorar vorgeschossen hat. Und es ist doch sehr die Frage, ob Du dem Fr. Tiek, wenn er das Monument unternimmt, nicht etwas vorschießen mußt.
Ich seh es wohl, mein lieber Bösewicht, die gewissen Zwecke werden Dir Zeit kosten. Nun, ich will nicht darüber zürnen. Im Gegentheil, ich habe eine wahre Zärtlichkeit für Unzelinette, und vermuthlich hege ich nur gegen Deine großen Liebschaften eine Art von Widerwillen. Vergiß das Tuch nicht, um das ich Dich für Luise gebeten. Unzeline kann es ja aussuchen. Es giebt doch Niemand in Berlin, der mehr Geschmack hätte.
Schiller ist in Jena, um das Wallensteinische Schicksaal dichter zu knoten. Verlaß Dich darauf, daß durch mich nichts auskommt, und hoffe nicht, daß ich Dir für die Mittheilung besonders danken werde, denn Du hast mir das, und den Bernhardi, doch nur aus Bewustseyn geschickt, daß ich am Brief ein wenig verkürzt worden, aber es thut nichts; es machte mir alles zusammen eine freundliche Stunde. ‒ Schelling, der die Osterferien wahrscheinlich wieder bei Goethe zubringt, soll diesen erinnern, auch wegen des Taschenbuchs.
Goethes Krankheit ist benuzt worden um den jüngern Stark zum Ordinarius und Succow zum Professor zu machen, so daß kein Fremder gerufen wird. ‒
Wenn doch Tiek einen Verleger hätte, denn allzusehr darf sich die Schrift nicht verspäten. In Berlin ist das locale Interesse, dächt ich, doch stark genug, um ihn einen finden zu lassen. ‒ Mir ist eingefallen, ob Tieks nicht Cecilen in Dresden zu sich nehmen könnten, aber es würde ihr dort wohl an der ersten Anweisung fehlen? ‒ und ob Tischbein Geduld genug dazu hat? Sie muß mit der Öhlfarbe umgehn lernen; zu der Pinseley aus dem Groben könnte ihr Krause genug seyn bis auf weiteres. Du redest mit Tischbeins mündlich, die Dich sehr erwarten. Sie haben mir endlich geschrieben; das Bild für Dich ist fertig und wird Dir nach Berlin geschickt. Caroline macht noch eine Zeichnung nach dem großen Bild, an das T. noch nicht gerührt hat, und Du solst erst allerley über dieses in Person entscheiden.
An Deine Mutter hab ich gleich nach Deiner Abreise geschrieben und meynte es gegen Dich erwähnt zu haben.
Ich habe den Aristipp angesehn. Madame de Genlis könnte ihn geschrieben haben.
Lebe wohl indessen. Emma sitzt bei mir. Gottlob, daß wir diese noch mitbringen. Sie hat kein Gefühl von dem, was vorging, gehabt, Rose schien fast eben so kindisch unempfindlich, doch möchte ich ihr nicht deswegen unrecht thun, daß sie sich vielleicht nicht äußerte. Adieu, Lieber.

[Auf der Rückseite:]
Gotters nachgelaßne Schauspiele. Die Geisterinsel. Eine gänzliche Umarbeitung seines Trauerspiels Marianne. Der schöne Geist frey nach den poete campagnard.
Für den Band von Esther gab Göschen 300 rh. Die Bedingungen für diesen bleiben Dir gänzlich überlassen. Mehr wie 150‒200 kann die Gotter wohl nicht erwarten.
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