• Caroline von Schelling to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Jena · Place of Destination: Berlin · Date: 15. Mai [1801]
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
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    Metadata Concerning Header
  • Sender: Caroline von Schelling
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Jena
  • Place of Destination: Berlin
  • Date: 15. Mai [1801]
  • Notations: Datum (Jahr) sowie Absende- und Empfangsort erschlossen.
    Printed Text
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: 370516575
  • Bibliography: Schelling, Caroline von: Briefe aus der Frühromantik. Nach Georg Waitz vermehrt hg. v. Erich Schmidt. Bd. 2. Leipzig 1913, S. 137‒139 u. S. 617 (Kommentar).
  • Incipit: „[Jena] d. 15ten May [1801].
    In aller Eile schreibe ich noch diese Zeilen ‒ Morgen hoffe ich von Dir etwas zu erhalten. [...]“
[Jena] d. 15ten May [1801].
In aller Eile schreibe ich noch diese Zeilen ‒ Morgen hoffe ich von Dir etwas zu erhalten. Das Mädchen von Orleans wird gewiß jetzt nicht aufgeführt. Auch Maria morgen nicht, sondern Wallenstein Cotta zu Ehren. Ich gehe zu dem nicht hinüber. Schiller hat Schelling auf Morgen Abend mit Goethe und Cotta bey ihm zu schwärmen eingeladen. Hör, das war ein recht kreuzbraver Brief, nehmlich so ordentlich, ein Urtheil zwey Seiten lang über Fichtens Nicolai, wie er hätte seyn können, noch viel würdiger und representativer, den ganzen Genus darstellend, wie der Fürst des Machiavelli, oder ‒ ich dachte, wie der Kotzebue ‒ nein ‒ wie der Sebaldus Nothanker. Nun sey es doch nur eine verständige polemische Zeitschrift, aus der man ersähe, daß der Bestrittne des Streitenden nicht werth sey etc. (sag Fichte nichts davon). Dann schickte er auch Schelling seine Maria und kleine prosaische Schriften, und der sollte ihm doch sagen, wenn er in einer müßigen Stunde etwa die ästhetischen Briefe ansähe, wie sie sich zu dem jetzigen Moment verhielten. „Antwort. Verhalten sich gar nicht.“ So würde ich sprechen.
Ich habe alles besorgt an Tiek, Martinengo, Marcus. Einen Gefallen erzeige mir, schreib selbst an Friedrich, daß er alle Bücher zurückliefert, ehe Du kommst. Ich kann nicht alle Tage hinschicken, wenn ich gern dies und jenes haben möchte, so wie zum Spaß den Tobias ZE., über den Goethe entsezlich viel Spaß machen soll.
Übrigens hat es sich so zugetragen, wie ich vermuthen muste ‒ die Veit hat nichts von sich hören lassen. Sie hat nicht einmal geschickt, ob mir etwa noch einiges fehle (und immer entdeck ich neue deficits). Das ist unstreitig unverschämt, aber mir eben recht. Ich fahre fort über sie zu schweigen, indeß sie unstreitig redet, aber niemals und unter keinen Umständen kann man mir es nun zumuthen, daß ich sie wiedersehe. Diese ihre Handlungsweise kann nur den Zusammenhang haben, den sie wirklich hat.
Wann wirst Du kommen, mein Freund? Es ist sehr schön hier. Ich gehe auch viel spazieren, wozu mich Philipp sehr angetrieben hat. Verweile nicht zu lange.
Entscheide einmal folgenden Streit zwischen Schelling und mir: darf man so mit dem Hexameter verfahren?

Ach hinfällig ist ja, vergänglich die Blüthe der Pflanze.
Warum rechnetest du denn auf ein dauerndes Glück?

Kurz ist das Verweilen des Frühlings, kurz der Vermählung
Zeit zwischen Himmel und Erdʼ, kurz die Berührung des Lichts.

Ich finde die beyden lezten Zeilen ungelenk, ‒ er besteht aber darauf. Hier hast Du auch einige gelenkere.

Ist denn Krieg von Liebe so unzertrennlich auf Erden?
Giebt es kein ruhiges Glück und keine glückliche Ruh?

Nein, denn siehe die Erde, die gleichen Muthes am Himmel
Zwischen Venus und Mars wandelt die stürmische Bahn.

Schaffend, der Erde gleich, du Erdgebohrner, bewege
Unverdrossen denn auch dich zwischen Liebe und Krieg.

Er hat eine unzählige Menge solcher kleinen Gedichte, worin die Naturphilosophie und sein Gemüth innig verwebt sind ‒ diese hab ich nur eben im Gedächtniß.
Lebe recht wohl!
[Jena] d. 15ten May [1801].
In aller Eile schreibe ich noch diese Zeilen ‒ Morgen hoffe ich von Dir etwas zu erhalten. Das Mädchen von Orleans wird gewiß jetzt nicht aufgeführt. Auch Maria morgen nicht, sondern Wallenstein Cotta zu Ehren. Ich gehe zu dem nicht hinüber. Schiller hat Schelling auf Morgen Abend mit Goethe und Cotta bey ihm zu schwärmen eingeladen. Hör, das war ein recht kreuzbraver Brief, nehmlich so ordentlich, ein Urtheil zwey Seiten lang über Fichtens Nicolai, wie er hätte seyn können, noch viel würdiger und representativer, den ganzen Genus darstellend, wie der Fürst des Machiavelli, oder ‒ ich dachte, wie der Kotzebue ‒ nein ‒ wie der Sebaldus Nothanker. Nun sey es doch nur eine verständige polemische Zeitschrift, aus der man ersähe, daß der Bestrittne des Streitenden nicht werth sey etc. (sag Fichte nichts davon). Dann schickte er auch Schelling seine Maria und kleine prosaische Schriften, und der sollte ihm doch sagen, wenn er in einer müßigen Stunde etwa die ästhetischen Briefe ansähe, wie sie sich zu dem jetzigen Moment verhielten. „Antwort. Verhalten sich gar nicht.“ So würde ich sprechen.
Ich habe alles besorgt an Tiek, Martinengo, Marcus. Einen Gefallen erzeige mir, schreib selbst an Friedrich, daß er alle Bücher zurückliefert, ehe Du kommst. Ich kann nicht alle Tage hinschicken, wenn ich gern dies und jenes haben möchte, so wie zum Spaß den Tobias ZE., über den Goethe entsezlich viel Spaß machen soll.
Übrigens hat es sich so zugetragen, wie ich vermuthen muste ‒ die Veit hat nichts von sich hören lassen. Sie hat nicht einmal geschickt, ob mir etwa noch einiges fehle (und immer entdeck ich neue deficits). Das ist unstreitig unverschämt, aber mir eben recht. Ich fahre fort über sie zu schweigen, indeß sie unstreitig redet, aber niemals und unter keinen Umständen kann man mir es nun zumuthen, daß ich sie wiedersehe. Diese ihre Handlungsweise kann nur den Zusammenhang haben, den sie wirklich hat.
Wann wirst Du kommen, mein Freund? Es ist sehr schön hier. Ich gehe auch viel spazieren, wozu mich Philipp sehr angetrieben hat. Verweile nicht zu lange.
Entscheide einmal folgenden Streit zwischen Schelling und mir: darf man so mit dem Hexameter verfahren?

Ach hinfällig ist ja, vergänglich die Blüthe der Pflanze.
Warum rechnetest du denn auf ein dauerndes Glück?

Kurz ist das Verweilen des Frühlings, kurz der Vermählung
Zeit zwischen Himmel und Erdʼ, kurz die Berührung des Lichts.

Ich finde die beyden lezten Zeilen ungelenk, ‒ er besteht aber darauf. Hier hast Du auch einige gelenkere.

Ist denn Krieg von Liebe so unzertrennlich auf Erden?
Giebt es kein ruhiges Glück und keine glückliche Ruh?

Nein, denn siehe die Erde, die gleichen Muthes am Himmel
Zwischen Venus und Mars wandelt die stürmische Bahn.

Schaffend, der Erde gleich, du Erdgebohrner, bewege
Unverdrossen denn auch dich zwischen Liebe und Krieg.

Er hat eine unzählige Menge solcher kleinen Gedichte, worin die Naturphilosophie und sein Gemüth innig verwebt sind ‒ diese hab ich nur eben im Gedächtniß.
Lebe recht wohl!
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