• Caroline von Schelling to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Jena · Place of Destination: Berlin · Date: 7. bis 12. Juni [1801]
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
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    Metadata Concerning Header
  • Sender: Caroline von Schelling
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Jena
  • Place of Destination: Berlin
  • Date: 7. bis 12. Juni [1801]
  • Notations: Datum (Jahr) sowie Absende- und Empfangsort erschlossen.
    Printed Text
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: 370516575
  • Bibliography: Schelling, Caroline von: Briefe aus der Frühromantik. Nach Georg Waitz vermehrt hg. v. Erich Schmidt. Bd. 2. Leipzig 1913, S. 161‒171 u. S. 619 (Kommentar).
  • Incipit: „[Jena] d. 7ten[‒12.] Jun. [1801].
    Aus Deinem Schreiben will erhellen, als ob einige Stellen des meinigen Dir nicht allerdings angenehm gewesen ‒ [...]“
[Jena] d. 7ten[‒12.] Jun. [1801].
Aus Deinem Schreiben will erhellen, als ob einige Stellen des meinigen Dir nicht allerdings angenehm gewesen ‒ unterthänigst zu dienen ‒ solches haben mir Dieselben wohl vergolten, denn große Strecken von Dero haben mir eine fast unannehmliche Empfindung verursacht, und wollen solches hiemit kurz abbrechen. Du nimmst meine kleinen Oppositionen gar nicht als wie solche, die in der Gegenwart allein vor sich gehn, sondern addirst stets alle vergangnen hinzu, da wird denn solch ein Ding daraus, aber aus vielen kleinen Unarten wird noch keine große, und ich bin nicht so schlimm, wie Du sagst, besonders nicht so spezifik gegen Dich, es ist eine allgemeine Manier, und sie gereute mich, so wie ich sie gegen Dich geübt hatte, ich ließ sie blos stehn, weil das Ausstreichen verdächtig aussieht, und ich dachte ‒ nun ‒ Du würdest das selbst schon gehörig ausstreichen, welches Du denn auch, nicht sowohl in Gnaden, als vielmehr in Ungnaden gethan hast. Ich kann weiter nichts thun als mir solches mit Anmuth gefallen lassen. Überdieses seh ich die Stärke Deiner Gründe ein, und zweifle auch keineswegs an der Stärke Deiner Mittel überhaupt, denn seit meinem ehemaligen Unglauben haben sich diese, und meine Einsichten zugleich, ins Unendliche vergrößert. Bedenke doch, ich war damals in Sachen der Kunst ja ein ganz unmündig Kind und in der Irre gehendes Lämmlein. Mache, was Du wilst, mein allerholdester Freund, und es wird wohl gemacht seyn. Ich ertheile Dir meine besondre Vergünstigung dazu, und das kann mir ohndas nicht einfallen die Bearbeitung einer griechischen Tragödie fürs Theater für ein verfehltes Unternehmen zu halten, womit Du doch anfangen zu wollen scheinst. Was meine sogenannte spöttische Bemerkung betrift, so schwör ich und betheur es sehr, sie kam mir gar nicht so vor, sondern blos pfiffig, und sie muß sich auf dem Papier anders ausgenommen haben, als wahrscheinlich von meinen Lippen. Was wilst Du nun noch? Aber ich will noch etwas, denn ich bin böse, daß Du mich so gar sehr misverstehst in Absicht Deines Bleibens in Berlin. Wenn ich Dich einlade zu kommen, so ist es wahrhaftig blos ein reines Verlangen nach Deiner Gegenwart, das ich Dir ausdrücke, und nicht gemeynt Dich zu ängstigen. Kannst Du mich denn für so gänzlich verkehrt halten, daß, nachdem Du mir alle äußre Ruhe widergegeben, deren ich noch fähig bin, ich Dich drängen wolle dies und jenes zu thun und Dich an mich zu bannen? Ich bin froh, wenn es Dir irgendwo gefällt, wenn Du irgendwo einen Zweck, der Dir lieb ist, erreichen kannst. Du hast Dir meine Fragen zugezogen, weil Du mir nie gesagt hast, daß Du so spät erst kämest, und ich Dich eigentlich von Woche zu Woche erwartete, indem Du das Kommen selbst nur von Woche zu Woche, und nicht so consequent zu verzögern schienest, wie Du thust. Nun weiß ich es, nun will ich mich auch nicht mehr darum bekümmern. Kommen Sie, wann Sie wollen, Sie werden uns immer zu Hause finden. Bringe nur außer demjenigen, was ich schon bey Dir bestellt habe, den Schleyermacher mit, an dem uns plözlich ein neues Licht und Interesse aufgegangen ist. Schelling wird Dir darüber innerhalb der nächsten sechs Wochen einen Brief schreiben; er sagte zwar, es sollte innerhalb der nächsten 6 Tage geschehn.

d. 10 Jun.
Gewollt hab ich, aber nicht gekonnt am lezten Postag ‒ Mir war nicht wohl schon vorher; nun überfiel es mich so, daß ich die Feder liegen lassen muste, und ich hoffe, Du wirst auch einmal ein wenig betreten nach einen Brief von mir ausgesehn haben.

d. 11 Juni.
Die paar kühleren Tage haben mich wieder aus dem Gleis gebracht. Kilian hat mir übrigens nichts verordnet als ein regelmäßiges dreymaliges Glas Bischoff von frischen Pomeranzen; ich kann nicht anders als dieses als eine mystische geistliche Verordnung ansehn; man kann auf diesem Wege erstlich zum Pabst durch den Bischoff, und durch die Dreyfachheit zum Gotte werden. Ein Bestreben, wohin auch übrigens meine ganze Lebensweise, mein Thun und Nichts thun abzielt. ‒ Luise ist seit einigen Tagen in Weimar bei Ludekus. Mein Zustand hat mich abgehalten gestern hinüber zu fahren, wo Maria Stuart gegeben wurde. Da die Jagemann und Vohs jetzt bittre Feindinnen sind, so müssen sie mit einer ganz treffenden Persönlichkeit, ihre übrige Persönlichkeit dazu gerechnet, diese Rollen spielen. ‒ Goethe ist vorige Woche abgereiset, nachdem er seinen Sohn vorher hat legitimiren lassen, und nur diesen und seinen Geist hat er mitgenommen. Die Weimaraner behaupten, Goethens Finanzen wären in einem sehr schlechten Zustande, und zwar durch die Vulpius, die ihre Unordentlichkeit und ganze Sippschaft mit ihnen nähret. Sie hat am Tage nach G. Abreise ihren Leuten in G. besten Zimmern ein Fest gegeben, dessen Evan Evoe in der ganzen Gegend umher erschollen ist. O das Unkraut, die Weiber! G. ist über Goettingen gegangen und kann auf dem nehmlichen Wege nachher sehr gut Soeder berühren. Ich werde Brabeck einen Wink davon geben lassen. ‒ Noch zeigt sich kein Fr. Tiek. Ist es denn möglich, daß Ludwig den Donquixote noch nicht vollendete, wie es in Buchläden bey der Nachfrage heißt: „Noch nicht fertig“. Warum zieht T. nicht lieber ganz hieher, damit er in einiger Obhut sich befände? In Dresden hat er wieder die herrlichste Gelegenheit zum Müssiggehen.
Mit Friedrich Bohn hatte ich wirklich schon der Länge nach von Unger gesprochen, wie Dein Brief kam. Er sieht alles ein und zweifelt keinen Augenblick an dem unmittelbarsten Einfluß von Vieweg und der Unger. Doch stellt er sichs nicht anders vor, als daß ihr wieder überein kommt, und es kann auch nicht anders nach allen Spuren seyn, Unger muß sich dahin geäußert haben. Daß es mit dem Shakespear nicht ginge, habe Unger bis dahin nie merken lassen, und der erste Beginn eurer Händel bewiese ja auch eben das Gegentheil. Ich konnte gegen Bohn doch nichts thun als ihn in den rechten Gesichtspunkt stellen. Denn ich habe eine dergleichen Epistel, wie ich sie Dir beschrieb, an die Vieweg ergehn lassen, worinn ich zulezt leichthin sage, wenn Vieweg den vielen chemischen Plunder nicht hätte, so sollte er den Shak. nehmen, denn die Unternehmung wär doch so solid wie die Bibel oder Vossens Homer und nicht so theuer wie der lezte. ‒ Da nun Bohn Vieweg spricht bey der Durchreise, so muste ich es sehr vermeiden Bohn den leisesten Antrag zu machen. ‒ Es ist sehr wahrscheinlich, daß Vieweg und die Unger Ungers Advokaten instruiren, nicht er selber, und diese es nun, einmal unternommen, gern aufs Äußerste trieben. Was Cottas Mittleramt betrift, so thut die Entfernung nicht viel dazu. Mit Einem laconischen Briefe könte die Hauptsache gethan werden. Eile ist nicht vonnöthen, da durch die spätere Erscheinung des 8ten Bandes jede Pause vor dem weiteren Publikum gedeckt ist. Aber leider hängt jetzt allzu viel an der Entscheidung des Processes, und wer kann den Richtern trauen! Man muß in alle Wege ganz unerschütterlich bleiben, sonst behielte die Rahtmama Campe doch Recht, daß einen die Feinde bis zu einem beschwerlichen Mismuth herunter quälen könnten, indem alles solches freylich ihr mittelbares Gewebe ist ‒ und dafür schüzen uns die Götter! Mag es den Hunden immer wohlgehn, ich glaube an ein geistlich ewig Theil.
Und zudem wird es auch äußerlich schon wieder anders werden. Wir wollen nur eine Weile still sitzen und es abwarten. Ich lese derweil Platon vom Gerechten. Ein gewisser Wolf hat ihn neu übersetzt. (Ein gewisser ‒ von dem rechten könnte nur ein Narr so sprechen.) Sage mir, wann wird der Schleyermacher-Friedrichsche Plato erscheinen? Ich sehne mich danach.
Hast Du Dir schon etwas vom Euripides ausgewählt? Die Phädra müste der Meyer sehr glücken können. Ihr thätet wohl, diese Frau noch zu einer lebendigen Plastik und redelosen Mimik auszubilden. Wer könnte es ihr wehren oeffentlich solche Vorstellungen zu geben? Und diese Natur erreichte mit eurer Hülfe noch ihre eigentliche Bestimmung, ehe denn sie zu Grund ginge.
Lieber Freund, ich habe Dir auch eine kleine Dilettantin zuzuführen. Ich bin Cécilen auf die Spur gekommen, daß sie innerlich ziemlich geschäftig ist, und schicke Dir hier einige Sachen, von denen sie noch nicht weiß, daß ich sie habe. Sie hat vermuthlich ganze Vorräthe. Es ist hier allerdings väterliches Talent, das sich, mit mehr Seele vereinigt, vielleicht würde rühmen können besser zu seyn als unsre Väter. Aber ich wäre dafür es noch in der Stille gewähren zu lassen. Man muß strenge mit der hofnungsvollen Jugend verfahren und den facilen Aufmunterungen das Gegengewicht halten. Meyer hat über sie geäußert, daß er ihr rathen würde sich dem Kupferstechen zu widmen ‒ er hat die Idee mit Tischbein besonders gemisbilligt, der gar kein Künstler sey usw. Du kennst das, allein ich will doch ordentlich mit ihm über sie sprechen, wenn wir vielleicht Luise von Weimar abholen. Julchen nimmt sich recht gut; ich wünschte nur, ihr zuweilen eine kleine Zerstreuung verschaffen zu können, an die hier jetzt fast gar nicht zu denken ist. Mädchen von ihrem Alter giebt es gar nicht. Demohngeachtet scheint sie sehr gern hier zu seyn und es blickt oft eine recht hübsche Theilnehmung an unsern weisen Gesprächen bey ihr durch, besonders wenn Schelling auf Spaziergängen in Offenbarungen geräth, ZB. ‒ daß ich des gestrigen erwähne ‒ erklärt, warum die Natur den Vögeln, die in metallischen Farben brennen, die Stimme und den andern die Schönheit versagt hat. Sie verspricht sich auch nicht wenig davon, wenn Du kommen und ihr die Cour machen wirst.
Auf die Anfrage beyliegendes Zettelchens hab ich beygeschriebne Antwort erhalten. Bald drauf schickte Friedrich noch einen Korb voll Bücher, worauf ich bemerkte: mit den Volksmährchen verhielte es sich so, daß Du die Erstattung in natura wünschtest und ich ihn nur habe errinren wollen. Dieses in natura ist sehr buchstäblich genommen worden, denn er hat Philipps Exemplar geschickt, Du kanst denken, in welchem Zustand. Indessen besser das als keines. Die Bücher sollen sie wenigstens alle hergeben, da ich so vieler andren Dinge Nachfrage unterdrücken muß, um mich in keinen niedrigen Streit zu verwickeln. Bücher sind ewig, die kann man wiederfordern, aber Bettücher nicht.
–––––
Gestern begegneten wir auf einem kurzem Spaziergange, den ich mit Schelling und Julchen unternahm, Hufeland und Schütz zusammen. Das hättest Du sehn sollen, wie sich die Literatur an die Seite schob. Ich habe Hufeland noch nicht gesprochen. Sie war doch etwas beklommen bey mir; es ist möglich, daß sie mich aus Beklommenheit nicht eigends einlud sie nun auch zu besuchen, was ich abwarten wollte. Indeß wenn ich im Stande bin, geh ich doch wohl noch hin, ehe sie mit der Niethammer nach Liebenstein reiset, denn die überflüssigen Spannungen hab ich nicht Willens fortzuspinnen.

d. 12 Jun.
Ich habe obbemeldeten Vorsaz gestern gleich noch ausgeführt, da sie Morgen reiset, und ließ es sagen, worauf sie mich denn bestens empfieng, aber ihr Gemahl erschien nicht, als nicht zu Hause seyend. Gries sagt aus, daß Bothe, der sich in Erfurt aufhält, jetzt alle belletristischen Recensionen der ALZ. bestreitet; wenn er es nicht als Facktum von Hufeland gehört hätte, so würde ich daran zweifeln, weil in der Gigantomachie Briareus doch ebenfals paradirt und Bothes Übersetzungen aus dem Griechischen kürzlich billigermaßen getadelt wurden. Das Einschicken Deiner Erklärung, die mir indeß doch mehr eine locale Maasregel für Berlin als eine algemeine zu seyn scheint, hat Schelling besorgt und wenigstens nicht die Antwort erhalten, daß sie sie nicht einrücken wollten.
Da Schelling sicher heut wieder nicht zum Schreiben komt, so will ich nur sagen, daß er erst jetzt die Reden über die Religion, die er damals nur flüchtig angesehn hat, ließt, daß sie ihn vielleicht mehr wie Einen von euch festfassen (doch ist er noch nicht an der lezten) und er sie als etwas durch und durch Gebildetes und Vollendetes betrachtet bis zum Entzücken daran, aber ich will ihm weiter nichts vorweg nehmen, da er selbst schreiben will. Siehe doch zu, ob Du noch eines Velin Exemplares für ihn habhaft werden kannst, er will sie sich kaufen. Könnte denn der Schleiermacher nicht wirklich ein bischen mit Dir herkommen? Lade ihn auch von Meinetwegen ein ‒ wenn er nicht hieher komt, so wird aus unsrer Bekantschaft nichts, denn schwerlich wird das Brandenburger Thor mein Antliz schauen. Das Heft mit der Identität gedenk ich Dir eben nicht zu schicken, denn obgleich eine griechische Tragödie mit der Identität sehr identisch ist, so will ich Dich doch an die Tragödie als eine einzelne Totalität verwiesen haben. Besitzt denn Schleiermacher diese Hefte nicht? Wie kann ich auch wissen, wann Dir Friedrich die Charakteristiken schickt! Kurz, daraus wird nichts. Wegen des Fränkischen Lustgärtleins will ich Sorge tragen, es wäre schon geschehn, wenn ich nicht auf eine Antwort von Marcus gewartet hätte, die aber nicht kommt. Sollte sie die Paulus aufgefangen haben? Apropos, wohin reiset denn Friedrich? Etwa auch nach dem Frankenlande, mit dem Schneider? (Das ist unsre Chiffre für Paulus. Frommans heißen die Semmeley, weil die Kinder aussehn wie Semmeln, denen man Nase und Augen und Mund aufgemahlt hat, und alles dort wie mit Semmeln gestopft.) Hiebey wäre ich fast neugierig zu wissen, wie Friedrich es möglich macht zu reisen, aus eigner Machtsvollkommenheit einmal nicht. Denn vor ein paar Tagen ist noch Gabler zu Schelling gekommen zusammt einer Correspondenz, die er mit Friedrich führt, von der sich Schelling indessen die Lektüre verbat. Er will das Geld wiederhaben, das er Friedrich vorgeschossen, weil aus dem Buch nichts wird vor der Hand; 50 rh. hat ihm Friedrich wirklich schon wieder gegeben, wegen des übrigen, noch an 100 rh., wolte ihn Gabler verklagen und Schadloshaltung, nemlich Interressen, haben. Schelling hat ihm das denn wiederrathen um der Philosophie ein Ärgerniß zu ersparen. Das Schlimme ist, daß Friedrich dem Gabler just im voraus hat abgelockt, was er Schelling längst hintennach schuldig ist. ‒ In dieser Weise erschien auch Hr. Zapf und wollte mich wegen Weines anzapfen, den Du nicht getrunken hast; ich schickte ihn mit der vorgefundnen Note zu Friedrich und er ist denn auch nicht wiedergekommen. 10 rh. für Holz von 1800 habe ich bezahlen müssen. 4 Louisdʼor für Succow waren nach unsrer hiesigen Meinung hinreichend, so wie 12 für Hufeland. Es ist mir lieb, daß Philipp Dir noch das Geld assignirt hat. Ich habe noch nichts wieder von dorther vernommen.
Hast Du den Fischer von Hirschfeld nicht in Berlin gesehn. Brinkmann werdet Ihr nun bald wieder besitzen.
–––––
Lieber Schlegel, ich sitze an Deinem Schreibtisch, weil unten rein gemacht wird, es ist aber so kühl, daß mir die Hand steif ist. So war es vor dem Jahr auch. Es ist heute Fronleichnamstag.
Wie viel an der Witterung eines Jahres hängt ‒ bis alles gleichgültig geworden ist.
Fast möchte ich Dir den Brief schicken, der von der Reise dieses Tages erzählt, denn da liegt ja das offne Paket mit meinen und ihren Briefen vor mir. Gestalte es zum Gedicht in Deiner Seele, wie wir auf dem Blumenbestreueten Wege in den Tod gingen. Gedenke des Hügels am Mayn mit den drey Bildern von weißen Stein und den Unterschriften, die höchste Liebe, der höchste Schmerz, das höchste Mitleid ‒ Gedenke der schwerdtdurchbohrten Mutter, dieses ist das Fest vom Tode ihres einzigen Lieblings. Aber auch sie bleibt nicht auf Erden, und ist schon nicht mehr auf Erden, auch sie nimmt der Himmel auf.
Wenn Du einmal gesammelt bist, dann öffne den Brief, den ich wirklich will beylegen, und dichte einmal wieder und trachte nach dem Kinde und für die Mutter.
Wir thun das Mögliche um uns aufrecht zu erhalten, und Schelling ist gut, er stärkt meine Seele in diesem Kampf und stellt mich auf den höchsten Punkt des Seyns, selbst körperlich bis in die Gruft gebeugt.
–––––
Ich will noch von fremden Dingen mit Dir sprechen um mir einen Übergang zur Ruhe zu bahnen, von einem Eindruck, den ich kürzlich empfangen habe. Unter den zurück erhaltnen Büchern befand sich Vossens Äneis, und zum erstenmal hab ich denn eine Idee von diesem Werk bekommen, über die ich ganz erstaunen mußte. Niemals habe ich es mir so schlecht denken können. Erstlich dünkt es mich ganz und gar nicht episch ‒ es ist nirgends ein heitres Verweilen, sondern eine solche Rastlosigkeit und Leidenschaftlichkeit, daß mir moderner wie modern dabey zu Sinne wird. Und das ist dem Homer nachgebildet? Nun so erkennen wir ihn doch jetzt viel besser. Ich finde Kotzebue darin ‒ ausgenommen den Respekt vor Arbeit und Kunst, der aus dem Machwerk und der Künstlichkeit hervorleuchtet ‒ Was ist das für ein Gewimmel von unnützen Thun und Treiben und von wahren nordischen Gespenstererscheinungen. Die Beziehung auf Roma ist das beste darin, aber wie unepisch. ‒ Wieder ist mir ein Licht aufgegangen, wie bey alle dem der Virgil den Dante veranlaßt hat. Im Klopstock ist die Nachbildung sehr stark. Es freute mich, mich eines Winkes von Goethe zu entsinnen, wo er bey Gelegenheit des Laokoon die Stelle im Dichter so tief herabwürdigt und alle Vergleichung mit jenem Kunstwerk verbittet.
Wunderbar, wie an diesen schlechten Virgilius sich wieder das Höchste der wiedererstehenden Kunst knüpfte und aus dem Unreinen Dante hervorging mit seiner Dramatik und Plastik. Aber ganz rein ist doch keine Gattung wieder zum Vorschein gekommen, besonders die epische nicht, höchstens die lyrische (im Petrarca) als die schwächste. Nimm es nicht übel, daß ich Dir bekannte Dinge hererzähle, mir sind sie neu und selbst gefunden.
Man muß Gott preisen, daß es solche unermüdliche Leute wie Voß in der Welt giebt, die eigends dazu organisirt sind den Homeros und auch den Virgilius zu übersetzen.
Immer jammerts mich, daß Friedrich statt allem fast, was er seitdem gethan, nicht die Geschichte der griechischen und römischen Poesie vollendet hat. Das ist doch seine rechte Bestimmung und ich habe jetzt wieder das Fragment mit Freuden gelesen.
Leb wohl, ich muß schließen, denn mein Kopf ist so schwer, daß er sich hinzulegen sehnet.
[Jena] d. 7ten[‒12.] Jun. [1801].
Aus Deinem Schreiben will erhellen, als ob einige Stellen des meinigen Dir nicht allerdings angenehm gewesen ‒ unterthänigst zu dienen ‒ solches haben mir Dieselben wohl vergolten, denn große Strecken von Dero haben mir eine fast unannehmliche Empfindung verursacht, und wollen solches hiemit kurz abbrechen. Du nimmst meine kleinen Oppositionen gar nicht als wie solche, die in der Gegenwart allein vor sich gehn, sondern addirst stets alle vergangnen hinzu, da wird denn solch ein Ding daraus, aber aus vielen kleinen Unarten wird noch keine große, und ich bin nicht so schlimm, wie Du sagst, besonders nicht so spezifik gegen Dich, es ist eine allgemeine Manier, und sie gereute mich, so wie ich sie gegen Dich geübt hatte, ich ließ sie blos stehn, weil das Ausstreichen verdächtig aussieht, und ich dachte ‒ nun ‒ Du würdest das selbst schon gehörig ausstreichen, welches Du denn auch, nicht sowohl in Gnaden, als vielmehr in Ungnaden gethan hast. Ich kann weiter nichts thun als mir solches mit Anmuth gefallen lassen. Überdieses seh ich die Stärke Deiner Gründe ein, und zweifle auch keineswegs an der Stärke Deiner Mittel überhaupt, denn seit meinem ehemaligen Unglauben haben sich diese, und meine Einsichten zugleich, ins Unendliche vergrößert. Bedenke doch, ich war damals in Sachen der Kunst ja ein ganz unmündig Kind und in der Irre gehendes Lämmlein. Mache, was Du wilst, mein allerholdester Freund, und es wird wohl gemacht seyn. Ich ertheile Dir meine besondre Vergünstigung dazu, und das kann mir ohndas nicht einfallen die Bearbeitung einer griechischen Tragödie fürs Theater für ein verfehltes Unternehmen zu halten, womit Du doch anfangen zu wollen scheinst. Was meine sogenannte spöttische Bemerkung betrift, so schwör ich und betheur es sehr, sie kam mir gar nicht so vor, sondern blos pfiffig, und sie muß sich auf dem Papier anders ausgenommen haben, als wahrscheinlich von meinen Lippen. Was wilst Du nun noch? Aber ich will noch etwas, denn ich bin böse, daß Du mich so gar sehr misverstehst in Absicht Deines Bleibens in Berlin. Wenn ich Dich einlade zu kommen, so ist es wahrhaftig blos ein reines Verlangen nach Deiner Gegenwart, das ich Dir ausdrücke, und nicht gemeynt Dich zu ängstigen. Kannst Du mich denn für so gänzlich verkehrt halten, daß, nachdem Du mir alle äußre Ruhe widergegeben, deren ich noch fähig bin, ich Dich drängen wolle dies und jenes zu thun und Dich an mich zu bannen? Ich bin froh, wenn es Dir irgendwo gefällt, wenn Du irgendwo einen Zweck, der Dir lieb ist, erreichen kannst. Du hast Dir meine Fragen zugezogen, weil Du mir nie gesagt hast, daß Du so spät erst kämest, und ich Dich eigentlich von Woche zu Woche erwartete, indem Du das Kommen selbst nur von Woche zu Woche, und nicht so consequent zu verzögern schienest, wie Du thust. Nun weiß ich es, nun will ich mich auch nicht mehr darum bekümmern. Kommen Sie, wann Sie wollen, Sie werden uns immer zu Hause finden. Bringe nur außer demjenigen, was ich schon bey Dir bestellt habe, den Schleyermacher mit, an dem uns plözlich ein neues Licht und Interesse aufgegangen ist. Schelling wird Dir darüber innerhalb der nächsten sechs Wochen einen Brief schreiben; er sagte zwar, es sollte innerhalb der nächsten 6 Tage geschehn.

d. 10 Jun.
Gewollt hab ich, aber nicht gekonnt am lezten Postag ‒ Mir war nicht wohl schon vorher; nun überfiel es mich so, daß ich die Feder liegen lassen muste, und ich hoffe, Du wirst auch einmal ein wenig betreten nach einen Brief von mir ausgesehn haben.

d. 11 Juni.
Die paar kühleren Tage haben mich wieder aus dem Gleis gebracht. Kilian hat mir übrigens nichts verordnet als ein regelmäßiges dreymaliges Glas Bischoff von frischen Pomeranzen; ich kann nicht anders als dieses als eine mystische geistliche Verordnung ansehn; man kann auf diesem Wege erstlich zum Pabst durch den Bischoff, und durch die Dreyfachheit zum Gotte werden. Ein Bestreben, wohin auch übrigens meine ganze Lebensweise, mein Thun und Nichts thun abzielt. ‒ Luise ist seit einigen Tagen in Weimar bei Ludekus. Mein Zustand hat mich abgehalten gestern hinüber zu fahren, wo Maria Stuart gegeben wurde. Da die Jagemann und Vohs jetzt bittre Feindinnen sind, so müssen sie mit einer ganz treffenden Persönlichkeit, ihre übrige Persönlichkeit dazu gerechnet, diese Rollen spielen. ‒ Goethe ist vorige Woche abgereiset, nachdem er seinen Sohn vorher hat legitimiren lassen, und nur diesen und seinen Geist hat er mitgenommen. Die Weimaraner behaupten, Goethens Finanzen wären in einem sehr schlechten Zustande, und zwar durch die Vulpius, die ihre Unordentlichkeit und ganze Sippschaft mit ihnen nähret. Sie hat am Tage nach G. Abreise ihren Leuten in G. besten Zimmern ein Fest gegeben, dessen Evan Evoe in der ganzen Gegend umher erschollen ist. O das Unkraut, die Weiber! G. ist über Goettingen gegangen und kann auf dem nehmlichen Wege nachher sehr gut Soeder berühren. Ich werde Brabeck einen Wink davon geben lassen. ‒ Noch zeigt sich kein Fr. Tiek. Ist es denn möglich, daß Ludwig den Donquixote noch nicht vollendete, wie es in Buchläden bey der Nachfrage heißt: „Noch nicht fertig“. Warum zieht T. nicht lieber ganz hieher, damit er in einiger Obhut sich befände? In Dresden hat er wieder die herrlichste Gelegenheit zum Müssiggehen.
Mit Friedrich Bohn hatte ich wirklich schon der Länge nach von Unger gesprochen, wie Dein Brief kam. Er sieht alles ein und zweifelt keinen Augenblick an dem unmittelbarsten Einfluß von Vieweg und der Unger. Doch stellt er sichs nicht anders vor, als daß ihr wieder überein kommt, und es kann auch nicht anders nach allen Spuren seyn, Unger muß sich dahin geäußert haben. Daß es mit dem Shakespear nicht ginge, habe Unger bis dahin nie merken lassen, und der erste Beginn eurer Händel bewiese ja auch eben das Gegentheil. Ich konnte gegen Bohn doch nichts thun als ihn in den rechten Gesichtspunkt stellen. Denn ich habe eine dergleichen Epistel, wie ich sie Dir beschrieb, an die Vieweg ergehn lassen, worinn ich zulezt leichthin sage, wenn Vieweg den vielen chemischen Plunder nicht hätte, so sollte er den Shak. nehmen, denn die Unternehmung wär doch so solid wie die Bibel oder Vossens Homer und nicht so theuer wie der lezte. ‒ Da nun Bohn Vieweg spricht bey der Durchreise, so muste ich es sehr vermeiden Bohn den leisesten Antrag zu machen. ‒ Es ist sehr wahrscheinlich, daß Vieweg und die Unger Ungers Advokaten instruiren, nicht er selber, und diese es nun, einmal unternommen, gern aufs Äußerste trieben. Was Cottas Mittleramt betrift, so thut die Entfernung nicht viel dazu. Mit Einem laconischen Briefe könte die Hauptsache gethan werden. Eile ist nicht vonnöthen, da durch die spätere Erscheinung des 8ten Bandes jede Pause vor dem weiteren Publikum gedeckt ist. Aber leider hängt jetzt allzu viel an der Entscheidung des Processes, und wer kann den Richtern trauen! Man muß in alle Wege ganz unerschütterlich bleiben, sonst behielte die Rahtmama Campe doch Recht, daß einen die Feinde bis zu einem beschwerlichen Mismuth herunter quälen könnten, indem alles solches freylich ihr mittelbares Gewebe ist ‒ und dafür schüzen uns die Götter! Mag es den Hunden immer wohlgehn, ich glaube an ein geistlich ewig Theil.
Und zudem wird es auch äußerlich schon wieder anders werden. Wir wollen nur eine Weile still sitzen und es abwarten. Ich lese derweil Platon vom Gerechten. Ein gewisser Wolf hat ihn neu übersetzt. (Ein gewisser ‒ von dem rechten könnte nur ein Narr so sprechen.) Sage mir, wann wird der Schleyermacher-Friedrichsche Plato erscheinen? Ich sehne mich danach.
Hast Du Dir schon etwas vom Euripides ausgewählt? Die Phädra müste der Meyer sehr glücken können. Ihr thätet wohl, diese Frau noch zu einer lebendigen Plastik und redelosen Mimik auszubilden. Wer könnte es ihr wehren oeffentlich solche Vorstellungen zu geben? Und diese Natur erreichte mit eurer Hülfe noch ihre eigentliche Bestimmung, ehe denn sie zu Grund ginge.
Lieber Freund, ich habe Dir auch eine kleine Dilettantin zuzuführen. Ich bin Cécilen auf die Spur gekommen, daß sie innerlich ziemlich geschäftig ist, und schicke Dir hier einige Sachen, von denen sie noch nicht weiß, daß ich sie habe. Sie hat vermuthlich ganze Vorräthe. Es ist hier allerdings väterliches Talent, das sich, mit mehr Seele vereinigt, vielleicht würde rühmen können besser zu seyn als unsre Väter. Aber ich wäre dafür es noch in der Stille gewähren zu lassen. Man muß strenge mit der hofnungsvollen Jugend verfahren und den facilen Aufmunterungen das Gegengewicht halten. Meyer hat über sie geäußert, daß er ihr rathen würde sich dem Kupferstechen zu widmen ‒ er hat die Idee mit Tischbein besonders gemisbilligt, der gar kein Künstler sey usw. Du kennst das, allein ich will doch ordentlich mit ihm über sie sprechen, wenn wir vielleicht Luise von Weimar abholen. Julchen nimmt sich recht gut; ich wünschte nur, ihr zuweilen eine kleine Zerstreuung verschaffen zu können, an die hier jetzt fast gar nicht zu denken ist. Mädchen von ihrem Alter giebt es gar nicht. Demohngeachtet scheint sie sehr gern hier zu seyn und es blickt oft eine recht hübsche Theilnehmung an unsern weisen Gesprächen bey ihr durch, besonders wenn Schelling auf Spaziergängen in Offenbarungen geräth, ZB. ‒ daß ich des gestrigen erwähne ‒ erklärt, warum die Natur den Vögeln, die in metallischen Farben brennen, die Stimme und den andern die Schönheit versagt hat. Sie verspricht sich auch nicht wenig davon, wenn Du kommen und ihr die Cour machen wirst.
Auf die Anfrage beyliegendes Zettelchens hab ich beygeschriebne Antwort erhalten. Bald drauf schickte Friedrich noch einen Korb voll Bücher, worauf ich bemerkte: mit den Volksmährchen verhielte es sich so, daß Du die Erstattung in natura wünschtest und ich ihn nur habe errinren wollen. Dieses in natura ist sehr buchstäblich genommen worden, denn er hat Philipps Exemplar geschickt, Du kanst denken, in welchem Zustand. Indessen besser das als keines. Die Bücher sollen sie wenigstens alle hergeben, da ich so vieler andren Dinge Nachfrage unterdrücken muß, um mich in keinen niedrigen Streit zu verwickeln. Bücher sind ewig, die kann man wiederfordern, aber Bettücher nicht.
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Gestern begegneten wir auf einem kurzem Spaziergange, den ich mit Schelling und Julchen unternahm, Hufeland und Schütz zusammen. Das hättest Du sehn sollen, wie sich die Literatur an die Seite schob. Ich habe Hufeland noch nicht gesprochen. Sie war doch etwas beklommen bey mir; es ist möglich, daß sie mich aus Beklommenheit nicht eigends einlud sie nun auch zu besuchen, was ich abwarten wollte. Indeß wenn ich im Stande bin, geh ich doch wohl noch hin, ehe sie mit der Niethammer nach Liebenstein reiset, denn die überflüssigen Spannungen hab ich nicht Willens fortzuspinnen.

d. 12 Jun.
Ich habe obbemeldeten Vorsaz gestern gleich noch ausgeführt, da sie Morgen reiset, und ließ es sagen, worauf sie mich denn bestens empfieng, aber ihr Gemahl erschien nicht, als nicht zu Hause seyend. Gries sagt aus, daß Bothe, der sich in Erfurt aufhält, jetzt alle belletristischen Recensionen der ALZ. bestreitet; wenn er es nicht als Facktum von Hufeland gehört hätte, so würde ich daran zweifeln, weil in der Gigantomachie Briareus doch ebenfals paradirt und Bothes Übersetzungen aus dem Griechischen kürzlich billigermaßen getadelt wurden. Das Einschicken Deiner Erklärung, die mir indeß doch mehr eine locale Maasregel für Berlin als eine algemeine zu seyn scheint, hat Schelling besorgt und wenigstens nicht die Antwort erhalten, daß sie sie nicht einrücken wollten.
Da Schelling sicher heut wieder nicht zum Schreiben komt, so will ich nur sagen, daß er erst jetzt die Reden über die Religion, die er damals nur flüchtig angesehn hat, ließt, daß sie ihn vielleicht mehr wie Einen von euch festfassen (doch ist er noch nicht an der lezten) und er sie als etwas durch und durch Gebildetes und Vollendetes betrachtet bis zum Entzücken daran, aber ich will ihm weiter nichts vorweg nehmen, da er selbst schreiben will. Siehe doch zu, ob Du noch eines Velin Exemplares für ihn habhaft werden kannst, er will sie sich kaufen. Könnte denn der Schleiermacher nicht wirklich ein bischen mit Dir herkommen? Lade ihn auch von Meinetwegen ein ‒ wenn er nicht hieher komt, so wird aus unsrer Bekantschaft nichts, denn schwerlich wird das Brandenburger Thor mein Antliz schauen. Das Heft mit der Identität gedenk ich Dir eben nicht zu schicken, denn obgleich eine griechische Tragödie mit der Identität sehr identisch ist, so will ich Dich doch an die Tragödie als eine einzelne Totalität verwiesen haben. Besitzt denn Schleiermacher diese Hefte nicht? Wie kann ich auch wissen, wann Dir Friedrich die Charakteristiken schickt! Kurz, daraus wird nichts. Wegen des Fränkischen Lustgärtleins will ich Sorge tragen, es wäre schon geschehn, wenn ich nicht auf eine Antwort von Marcus gewartet hätte, die aber nicht kommt. Sollte sie die Paulus aufgefangen haben? Apropos, wohin reiset denn Friedrich? Etwa auch nach dem Frankenlande, mit dem Schneider? (Das ist unsre Chiffre für Paulus. Frommans heißen die Semmeley, weil die Kinder aussehn wie Semmeln, denen man Nase und Augen und Mund aufgemahlt hat, und alles dort wie mit Semmeln gestopft.) Hiebey wäre ich fast neugierig zu wissen, wie Friedrich es möglich macht zu reisen, aus eigner Machtsvollkommenheit einmal nicht. Denn vor ein paar Tagen ist noch Gabler zu Schelling gekommen zusammt einer Correspondenz, die er mit Friedrich führt, von der sich Schelling indessen die Lektüre verbat. Er will das Geld wiederhaben, das er Friedrich vorgeschossen, weil aus dem Buch nichts wird vor der Hand; 50 rh. hat ihm Friedrich wirklich schon wieder gegeben, wegen des übrigen, noch an 100 rh., wolte ihn Gabler verklagen und Schadloshaltung, nemlich Interressen, haben. Schelling hat ihm das denn wiederrathen um der Philosophie ein Ärgerniß zu ersparen. Das Schlimme ist, daß Friedrich dem Gabler just im voraus hat abgelockt, was er Schelling längst hintennach schuldig ist. ‒ In dieser Weise erschien auch Hr. Zapf und wollte mich wegen Weines anzapfen, den Du nicht getrunken hast; ich schickte ihn mit der vorgefundnen Note zu Friedrich und er ist denn auch nicht wiedergekommen. 10 rh. für Holz von 1800 habe ich bezahlen müssen. 4 Louisdʼor für Succow waren nach unsrer hiesigen Meinung hinreichend, so wie 12 für Hufeland. Es ist mir lieb, daß Philipp Dir noch das Geld assignirt hat. Ich habe noch nichts wieder von dorther vernommen.
Hast Du den Fischer von Hirschfeld nicht in Berlin gesehn. Brinkmann werdet Ihr nun bald wieder besitzen.
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Lieber Schlegel, ich sitze an Deinem Schreibtisch, weil unten rein gemacht wird, es ist aber so kühl, daß mir die Hand steif ist. So war es vor dem Jahr auch. Es ist heute Fronleichnamstag.
Wie viel an der Witterung eines Jahres hängt ‒ bis alles gleichgültig geworden ist.
Fast möchte ich Dir den Brief schicken, der von der Reise dieses Tages erzählt, denn da liegt ja das offne Paket mit meinen und ihren Briefen vor mir. Gestalte es zum Gedicht in Deiner Seele, wie wir auf dem Blumenbestreueten Wege in den Tod gingen. Gedenke des Hügels am Mayn mit den drey Bildern von weißen Stein und den Unterschriften, die höchste Liebe, der höchste Schmerz, das höchste Mitleid ‒ Gedenke der schwerdtdurchbohrten Mutter, dieses ist das Fest vom Tode ihres einzigen Lieblings. Aber auch sie bleibt nicht auf Erden, und ist schon nicht mehr auf Erden, auch sie nimmt der Himmel auf.
Wenn Du einmal gesammelt bist, dann öffne den Brief, den ich wirklich will beylegen, und dichte einmal wieder und trachte nach dem Kinde und für die Mutter.
Wir thun das Mögliche um uns aufrecht zu erhalten, und Schelling ist gut, er stärkt meine Seele in diesem Kampf und stellt mich auf den höchsten Punkt des Seyns, selbst körperlich bis in die Gruft gebeugt.
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Ich will noch von fremden Dingen mit Dir sprechen um mir einen Übergang zur Ruhe zu bahnen, von einem Eindruck, den ich kürzlich empfangen habe. Unter den zurück erhaltnen Büchern befand sich Vossens Äneis, und zum erstenmal hab ich denn eine Idee von diesem Werk bekommen, über die ich ganz erstaunen mußte. Niemals habe ich es mir so schlecht denken können. Erstlich dünkt es mich ganz und gar nicht episch ‒ es ist nirgends ein heitres Verweilen, sondern eine solche Rastlosigkeit und Leidenschaftlichkeit, daß mir moderner wie modern dabey zu Sinne wird. Und das ist dem Homer nachgebildet? Nun so erkennen wir ihn doch jetzt viel besser. Ich finde Kotzebue darin ‒ ausgenommen den Respekt vor Arbeit und Kunst, der aus dem Machwerk und der Künstlichkeit hervorleuchtet ‒ Was ist das für ein Gewimmel von unnützen Thun und Treiben und von wahren nordischen Gespenstererscheinungen. Die Beziehung auf Roma ist das beste darin, aber wie unepisch. ‒ Wieder ist mir ein Licht aufgegangen, wie bey alle dem der Virgil den Dante veranlaßt hat. Im Klopstock ist die Nachbildung sehr stark. Es freute mich, mich eines Winkes von Goethe zu entsinnen, wo er bey Gelegenheit des Laokoon die Stelle im Dichter so tief herabwürdigt und alle Vergleichung mit jenem Kunstwerk verbittet.
Wunderbar, wie an diesen schlechten Virgilius sich wieder das Höchste der wiedererstehenden Kunst knüpfte und aus dem Unreinen Dante hervorging mit seiner Dramatik und Plastik. Aber ganz rein ist doch keine Gattung wieder zum Vorschein gekommen, besonders die epische nicht, höchstens die lyrische (im Petrarca) als die schwächste. Nimm es nicht übel, daß ich Dir bekannte Dinge hererzähle, mir sind sie neu und selbst gefunden.
Man muß Gott preisen, daß es solche unermüdliche Leute wie Voß in der Welt giebt, die eigends dazu organisirt sind den Homeros und auch den Virgilius zu übersetzen.
Immer jammerts mich, daß Friedrich statt allem fast, was er seitdem gethan, nicht die Geschichte der griechischen und römischen Poesie vollendet hat. Das ist doch seine rechte Bestimmung und ich habe jetzt wieder das Fragment mit Freuden gelesen.
Leb wohl, ich muß schließen, denn mein Kopf ist so schwer, daß er sich hinzulegen sehnet.
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