• Friederike Helene Unger to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Berlin · Place of Destination: Coppet · Date: 12.11.1808
Edition Status: Newly transcribed and labelled; double collated
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    Metadata Concerning Header
  • Sender: Friederike Helene Unger
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Berlin
  • Place of Destination: Coppet
  • Date: 12.11.1808
  • Notations: Empfangsort erschlossen.
    Manuscript
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: APP2712-Bd-9
  • Classification Number: Mscr.Dresd.App.2712,B,IV,e,15
  • Number of Pages: 2 S., hs. m. U.
  • Format: 24,3 x 20,7 cm
  • Incipit: „[1] Berlin d. 12. Nov. 1808.
    Mein sehr verehrter Freund!
    Ihr langes ununterbrochnes Stillschweigen setzt mich um so mehr in Verlegenheit, da [...]“
  • Editors: Bamberg, Claudia · Varwig, Olivia
[1] Berlin d. 12. Nov. 1808.
Mein sehr verehrter Freund!
Ihr langes ununterbrochnes Stillschweigen setzt mich um so mehr in Verlegenheit, da Sie so dringend meine Antwort zu haben wünschten, die ich Ihnen dann auch so gleich mit umgehender Post in noch großer KrankheitsSchwäche gab. und sie, Ihrer Anweisung zu folge, nach Hannover, an Ihren Hhn: Bruder addressirt[e] jezt sind nicht Wochen, – Monate – Quartale verstrichen ohne daß ich etwas andr[es] von Sie hörte, als was die öffentlichen Blätter sagen. die enthalten aber nichts was mir irgend eine Auskunft über unser litterair Verhältniß gäbe; und ob ich mir Hofnung machen darf, in diesem Winter noch, einen Theil von Shakespear zu drucken? gewiß mein werther Freund, ich dränge, ich drücke, ich plage Sie nicht; so werden Sie mir den eine leise Anfrage nicht übel nehmen. Ich habe das Unglük, daß fast alle meine beste Sachen unvollendet da liegen. Shakespear; Fr: Schlegel, über Griechen & Röm: Poesie; Tiek HumboldWoltmanns Staatengeschichte. Nur die Plerrer und Schmadderer sind zu meinem Greuel unerschöpflich, und rastloß fleißig; und ich kann nicht genug wieder fortschaffen, was sie mir ins Hauß spediren. Freilich; die Nachtigal singt nur kurze Zeit und wenig: und der Sperlings Pöbel schreit immerdar. Ich rechne Woltmann allerdings nicht unter die ersteren: allein sein Werk hat ein Publikum gefunden und würde nicht liegen, wäre es vollendet; indeß wird seine Schriftstelley nicht als Kunst, sondern Künstelei aufgenommen. Aber die Nachtigallen die Nachtigallen! – ich denke, sie sind zu fett, und nicht frei genug um uns durch ihre Töne zu ergötzen.
Gewiß mein Theurer Freund, Sie sind es sich und dem Deutschen Namen schuldig, den Shakespear nicht so lange rufen zu lassen, bis andre sich dran machen; ich wehre mit beiden Händen, aber die Kerls stehen schon immer sprungfertig, und wollen zufahren: Troz Ihrer Erklärung, welche Sie, es sind nun bald vier Jahr gaben; großer Gott! schon vier Jahre, stehe ich auf dem Kampfplaz, und ringe, und stemme mich gegen Stürme die mich arme einsame Pflanze, zu zerreissen drohen! Nun, ich bitte Sie, stellen Sie Ihren Shakespear, den festen Gegenhalter, als Sturmwand an; [2] und wenn es leider wahr ist, daß izt die Kunst nach Brodt gehen muß, so ist sie doch keine gemeine Bettlerin, der die Ehre gleichgültig geworden wäre: lassen Sie es mich ja noch erleben, dies schöne Werk Ihres unerreichten Genies, ganz in meinem Verlage, aufgestellt zu haben. Ich erwarte recht bald Ihre Antwort, und – Maspt: –
Ich begreife daß Sie Ihre Vorlesungen einer andern Handlung werden zugewendet haben; die alte Freundschaft war nicht mehr kräftig genug, die Hindernisse die meiner Seits entstanden, zu überwinden wenn anders dies was Erfolg einer eisernen Zeit im ausgesogenen Lande ist, so genannt zu werden verdienen. Aber – ich gestehe, es hat mir sehr wehe getan, meine Hand zurük ziehen zu müssen, und ängstlich spähe ich jede Buchhändler Anzeige durch, aus Furcht Sie darin aufgeführt zu finden; den – ich gestehe, daß ich nicht ganz sicher für Neid bin, der sich in mir regen könnte. –
Mein Vetter Werner ist in Ihrer Nähe? ich verarge es dem liebenswürdigen Schwärmer nicht, daß er sich der Sonne nähert; wie gern, wie gern entwurzelte ich mich aus dem Rübenlande, worin ich welken muß, um mich der schönern Sonne zu nähern. Doch eine Reise dahin, ehe ich zu meinen Vätern gesammelt werde, könnten bessere Zeiten möglich werden lassen.
Ich höre weder von Ihrem Rechtsstreit noch Ihren Büchern, doch erhielt ich dieser Tage einen Brief von Hhn: v: Hardenberg nebst Einlage an einen Justizmann, die ich denke Ihre Sache betrift. Die Bücher bin ich bereit so lange bei mir aufzuwahren bis sie abgeschikt werden. Ich habe dem D: Neubert deshalb Aufträge gegeben: wenn sie abgehen, sende ich Ihnen meine Pauline & mehrere meiner Arbeiten zu: auch ein Päckchen für eine Mad: Clementine de Morand née de Casto mit der ich in freundschaftlichem Verhältniß stehe.
Der Brief ist sehr lang und viel zu lang, für eine Freundin, die Ihnen so ganz entfremdet zu sein scheint. Ich meiner Seits, bin immer noch eingedenk der schönen Tage die Sie uns schenkten des vielen Schönen und Guten was ich genoß: als Sie in der Rosen Zeit bei uns lebten; ja wohl in der Rosenzeit! jezt weth der Sturm in Thränen wieder! Leben Sie wohl; mein Herz wird beklemmt; die Wehmuth nimmt überhand. Leben Sie wohl. Nun und immer Ihre
treu ergebne Unger.
Würden Sie Ihrer Freundin sagen, wie hoch & inig ich sie verehre?
[1] beantw. d. 28. Nov.
[1] Berlin d. 12. Nov. 1808.
Mein sehr verehrter Freund!
Ihr langes ununterbrochnes Stillschweigen setzt mich um so mehr in Verlegenheit, da Sie so dringend meine Antwort zu haben wünschten, die ich Ihnen dann auch so gleich mit umgehender Post in noch großer KrankheitsSchwäche gab. und sie, Ihrer Anweisung zu folge, nach Hannover, an Ihren Hhn: Bruder addressirt[e] jezt sind nicht Wochen, – Monate – Quartale verstrichen ohne daß ich etwas andr[es] von Sie hörte, als was die öffentlichen Blätter sagen. die enthalten aber nichts was mir irgend eine Auskunft über unser litterair Verhältniß gäbe; und ob ich mir Hofnung machen darf, in diesem Winter noch, einen Theil von Shakespear zu drucken? gewiß mein werther Freund, ich dränge, ich drücke, ich plage Sie nicht; so werden Sie mir den eine leise Anfrage nicht übel nehmen. Ich habe das Unglük, daß fast alle meine beste Sachen unvollendet da liegen. Shakespear; Fr: Schlegel, über Griechen & Röm: Poesie; Tiek HumboldWoltmanns Staatengeschichte. Nur die Plerrer und Schmadderer sind zu meinem Greuel unerschöpflich, und rastloß fleißig; und ich kann nicht genug wieder fortschaffen, was sie mir ins Hauß spediren. Freilich; die Nachtigal singt nur kurze Zeit und wenig: und der Sperlings Pöbel schreit immerdar. Ich rechne Woltmann allerdings nicht unter die ersteren: allein sein Werk hat ein Publikum gefunden und würde nicht liegen, wäre es vollendet; indeß wird seine Schriftstelley nicht als Kunst, sondern Künstelei aufgenommen. Aber die Nachtigallen die Nachtigallen! – ich denke, sie sind zu fett, und nicht frei genug um uns durch ihre Töne zu ergötzen.
Gewiß mein Theurer Freund, Sie sind es sich und dem Deutschen Namen schuldig, den Shakespear nicht so lange rufen zu lassen, bis andre sich dran machen; ich wehre mit beiden Händen, aber die Kerls stehen schon immer sprungfertig, und wollen zufahren: Troz Ihrer Erklärung, welche Sie, es sind nun bald vier Jahr gaben; großer Gott! schon vier Jahre, stehe ich auf dem Kampfplaz, und ringe, und stemme mich gegen Stürme die mich arme einsame Pflanze, zu zerreissen drohen! Nun, ich bitte Sie, stellen Sie Ihren Shakespear, den festen Gegenhalter, als Sturmwand an; [2] und wenn es leider wahr ist, daß izt die Kunst nach Brodt gehen muß, so ist sie doch keine gemeine Bettlerin, der die Ehre gleichgültig geworden wäre: lassen Sie es mich ja noch erleben, dies schöne Werk Ihres unerreichten Genies, ganz in meinem Verlage, aufgestellt zu haben. Ich erwarte recht bald Ihre Antwort, und – Maspt: –
Ich begreife daß Sie Ihre Vorlesungen einer andern Handlung werden zugewendet haben; die alte Freundschaft war nicht mehr kräftig genug, die Hindernisse die meiner Seits entstanden, zu überwinden wenn anders dies was Erfolg einer eisernen Zeit im ausgesogenen Lande ist, so genannt zu werden verdienen. Aber – ich gestehe, es hat mir sehr wehe getan, meine Hand zurük ziehen zu müssen, und ängstlich spähe ich jede Buchhändler Anzeige durch, aus Furcht Sie darin aufgeführt zu finden; den – ich gestehe, daß ich nicht ganz sicher für Neid bin, der sich in mir regen könnte. –
Mein Vetter Werner ist in Ihrer Nähe? ich verarge es dem liebenswürdigen Schwärmer nicht, daß er sich der Sonne nähert; wie gern, wie gern entwurzelte ich mich aus dem Rübenlande, worin ich welken muß, um mich der schönern Sonne zu nähern. Doch eine Reise dahin, ehe ich zu meinen Vätern gesammelt werde, könnten bessere Zeiten möglich werden lassen.
Ich höre weder von Ihrem Rechtsstreit noch Ihren Büchern, doch erhielt ich dieser Tage einen Brief von Hhn: v: Hardenberg nebst Einlage an einen Justizmann, die ich denke Ihre Sache betrift. Die Bücher bin ich bereit so lange bei mir aufzuwahren bis sie abgeschikt werden. Ich habe dem D: Neubert deshalb Aufträge gegeben: wenn sie abgehen, sende ich Ihnen meine Pauline & mehrere meiner Arbeiten zu: auch ein Päckchen für eine Mad: Clementine de Morand née de Casto mit der ich in freundschaftlichem Verhältniß stehe.
Der Brief ist sehr lang und viel zu lang, für eine Freundin, die Ihnen so ganz entfremdet zu sein scheint. Ich meiner Seits, bin immer noch eingedenk der schönen Tage die Sie uns schenkten des vielen Schönen und Guten was ich genoß: als Sie in der Rosen Zeit bei uns lebten; ja wohl in der Rosenzeit! jezt weth der Sturm in Thränen wieder! Leben Sie wohl; mein Herz wird beklemmt; die Wehmuth nimmt überhand. Leben Sie wohl. Nun und immer Ihre
treu ergebne Unger.
Würden Sie Ihrer Freundin sagen, wie hoch & inig ich sie verehre?
[1] beantw. d. 28. Nov.
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