• Caroline von Schelling to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Jena · Place of Destination: Unknown · Date: 23.11.1801
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
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    Metadata Concerning Header
  • Sender: Caroline von Schelling
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Jena
  • Place of Destination: Unknown
  • Date: 23.11.1801
    Printed Text
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: 370516575
  • Bibliography: Schelling, Caroline von: Briefe aus der Frühromantik. Nach Georg Waitz vermehrt hg. v. Erich Schmidt. Bd. 2. Leipzig 1913, S. 215‒218 u. S. 626‒627 (Kommentar).
  • Incipit: „[1] d. 23 Nov. [18]01. Jena.
    Wir liegen hier noch immer vor Anker, haben Windstille, das Schiff will nicht vor noch rückwärts. [...]“
    Manuscript
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: DE-611-36905
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XIX,Bd.22,Nr.8
  • Number of Pages: 8 S. auf Doppelbl., hs.
  • Format: 18,8 x 11,6 cm
[1] d. 23 Nov. [18]01. Jena.
Wir liegen hier noch immer vor Anker, haben Windstille, das Schiff will nicht vor noch rückwärts. Das ist so zu verstehn, Tiek ist noch da, die Bücher sind noch da, die Calender sind noch nicht da, Geld ist noch nicht da, die Aufträge sind noch lange nicht ausgerichtet, und ich würde heut gar nicht schreiben, wenn mir nicht bange wäre, Du möchtest gar bange werden. Das werde nun ja nicht, mein lieber Wilhelm, auch nicht nach diesem Eingange, denn eigentlich stand ich an zu schreiben, weil ich in wenig Tagen meine Epistel frey mit unsern Reisenden hätte ziehn lassen können. Tiek kommt morgen ganz gewiß hieher, und geht am Donnerstag ganz gewiß hier ab. Der arme liebe Mensch, es ist ihm zu Herzen gegangen mit Schadow, so daß er Kopfweh davon gekriegt hat. Dafür soll es auch Schadow übel ergehn. ‒ Ich habe jetzt Tieks Zeichnungen von der Ausstellung, und besonders die ‒ wettlaufende, mit Muße gesehn. Sie ist unendlich viel schöner, wie sie mir da oben [2] erschien, und war es nicht Verrath, so ist es Ungeschick gewesen, sie so hoch zu hängen. In der Composition ist freylich etwas verfehltes und zerrißnes, aber mehr Gedanke, Gehalt und Zeichnung in Einem Kopf, Arm, Rücken oder Falte als in Nahls Bildern zusammen.
Du mußt meinen ersten Brief sehr spät erhalten haben, aber doch nun gewiß beyde. Nathan ist noch nicht gegeben worden. Mein Befinden ist ganz leidlich. Wenn Du etwas mit der eleganten Zeitung verabredet hast, so vergiß nicht es mir zu melden. Ich bekomme wie gewöhnlich nichts zu sehn, also auch Fichte und Biester nicht. Heute wirst Du etwas zu sehn bekommen, denn Du siehst doch wohl Jeanne dʼArc? Oder tröstest Du die Kleine, die vielleicht nicht ins Schauspiel gehn mag? ich kann mir vorstellen, wie sich die Kleine ärgert, gewiß mehr als sie groß ist, und der redliche Quast wird was redliches schimpfen. ‒ Hast Du die spirituelle [3] Anzeige der Johanne in der ALZ. bemerkt?
Wir haben in der Erlanger L.Z. eine von Lichtenberg bemerkt, die wir Schley[ermacher] zuschreiben, jedoch gehört die nicht zu seinen besten. Lezthin stoß ich mit einemmal drauf, daß Gries wirklich glaubt, Du habest die des Macbeth gemacht, er wollte drauf schwören, Leib und Leben zum Pfande setzen und dergl.; ich habe hinwiederum geschworen und meine Seele zum Pfande gesetzt, daß Du es nicht wärest. Er glaubt mir nun, aber glaubt blos.
Ich soll Dir von Schelling berichten, daß er mit Hegel ein kritischphilosophisches Journal giebt bey Cotta; Du sollsts Fichte noch nicht sagen, er will ihm gern das erste Stück unverhofft zuschicken und zerzauset alleweile den Reinhold, wegen welcher edlen Beschäftigung, und einigen andern, er seit 8 Tagen erst Abends um 9 Uhr zu uns kommt. Du kanst also denken, wie einsiedlerisch wir leben, worin sich sogar Julchen sehr gut findet, [4] die denn auf den Bällen von Zeit und Zeit in die Welt hereinkuckt. Das erste Stück jenes Journals kommt bald, wird bey Fromman gedruckt usw.; es ist erst eben zu Stand gekommen; Schelling hatte mir gar nicht gesagt, daß er an Cotta geschrieben, wie schon die Antwort und Annahme da war. S. freut sich, daß Fichte seine ganze Kraft daran setzt, er hoft auf Vereinigung, noch mehr aber freut er sich, wenn Dir Deine Anschläge gelingen, und er würde etwas toll werden, wenn Dir irgend etwas, besonders mit den Vorlesungen, in den Weg träte.
Du wirst durch Tiek und Friedrich noch an Annehmlichkeit des Aufenthalts gewinnen. Laß Dich nur nicht zu sehr zerstreun. Was Du mir von Friedrich und der Veit erzählst, ist mir freylich auch völlig neu. Wie haben denn die Schwierigkeiten von Dresden überwunden werden können? Ja, wie machen sie das alles möglich? ‒ Wegen [5] Charlotten kann ich nichts sagen, ich weis gar nichts mehr von ihr. Wenigstens sollte ich denken, sie würde ihre gewöhnliche Zurückhaltung nicht so gänzlich gegen die Veit ablegen, um sie ohne Rückhalt aufzunehmen, und sie würde sich nicht so ganz verwandelt haben, um Friedrich zu billigen, der ganz noch der nehmliche ist in Lebensweise und Sitte, nur mit mehr innerlicher Sicherheit. Wilst Du ihr schreiben, so schieb es nicht auf, denn es wird Dir mit jedem Tag schwerer werden. Du kannst allerdings vieles hierin selbst nicht dulden, ohne alle Rücksicht auf mich. Mir ist es eins, was Charlotte von mir denkt; nachdem man einmal so weit gegangen ist, tritt sie für mich in die Reihe derer, an die ich weiter nicht denke. Friedrich erinnert sich vielleicht noch, wie er mich gebeten, ihn bey Charlotten zu vertreten, ihr günstigere Gesichtspunkte für ihn zu geben, und wie freundlich ich es that ‒ oder nein, er entsinnt sichs nicht, [6] die Rachsucht hat ihn für alles gestählt. ‒ Das Zusammenseyn mit Tieks ist auch etwas unnatürlich, da sie doch wissen, wie sie von einander denken, wenigstens ist es mit der Veit gespannt. Gestern betheuerte Schelling wieder und aus dem Innersten, daß er Friedrichs Freundschaft suchen würde, und an keine Feindschaft mehr denken, wenn die Veit nicht mehr wär. Was hilft es alles? Mir ist selbst oft, als könnt ich nicht ruhig sterben ohne mich mit ihm zu verstehn. Wenn sie nur jemand todschlagen wollte, ehe ich stürbe. [...]
–––––
[7] [...]
[Geldsachen.] Schellings Collegieneinnahme ist noch nicht beysammen, Zuhörer sind genug da, er hat über 100 Unterschriften. Vorige Woche hat er auch das Disputatorium eröffnet und organisirt. Ein junger Schlosser hat sich so wacker herum[8]gekämpft, daß die Sache zwey Stunden statt einer gedauert hat. [...]
[...] [Büchersendung.] Geschehn soll übrigens alles, was Du befiehlst, auch die geringste und lausigste Kleinigkeit.
Die Allmanache sind beym Buchbinder.
–––––
Ich habe das Bild von Leipzig erhalten, und will diesen lieblichen Schatten nicht wieder von mir lassen. Lebe wohl, mein guter Freund. Vergiß mich nicht; grüße die Bernhardi. Schreibe mir alles, was Dir begegnet.
Du wirst fragen, was ich thue. Ich thue nichts, mein Lieber, und habe fast schon einen halben kleinen Petrarch übersetzt.
[1] d. 23 Nov. [18]01. Jena.
Wir liegen hier noch immer vor Anker, haben Windstille, das Schiff will nicht vor noch rückwärts. Das ist so zu verstehn, Tiek ist noch da, die Bücher sind noch da, die Calender sind noch nicht da, Geld ist noch nicht da, die Aufträge sind noch lange nicht ausgerichtet, und ich würde heut gar nicht schreiben, wenn mir nicht bange wäre, Du möchtest gar bange werden. Das werde nun ja nicht, mein lieber Wilhelm, auch nicht nach diesem Eingange, denn eigentlich stand ich an zu schreiben, weil ich in wenig Tagen meine Epistel frey mit unsern Reisenden hätte ziehn lassen können. Tiek kommt morgen ganz gewiß hieher, und geht am Donnerstag ganz gewiß hier ab. Der arme liebe Mensch, es ist ihm zu Herzen gegangen mit Schadow, so daß er Kopfweh davon gekriegt hat. Dafür soll es auch Schadow übel ergehn. ‒ Ich habe jetzt Tieks Zeichnungen von der Ausstellung, und besonders die ‒ wettlaufende, mit Muße gesehn. Sie ist unendlich viel schöner, wie sie mir da oben [2] erschien, und war es nicht Verrath, so ist es Ungeschick gewesen, sie so hoch zu hängen. In der Composition ist freylich etwas verfehltes und zerrißnes, aber mehr Gedanke, Gehalt und Zeichnung in Einem Kopf, Arm, Rücken oder Falte als in Nahls Bildern zusammen.
Du mußt meinen ersten Brief sehr spät erhalten haben, aber doch nun gewiß beyde. Nathan ist noch nicht gegeben worden. Mein Befinden ist ganz leidlich. Wenn Du etwas mit der eleganten Zeitung verabredet hast, so vergiß nicht es mir zu melden. Ich bekomme wie gewöhnlich nichts zu sehn, also auch Fichte und Biester nicht. Heute wirst Du etwas zu sehn bekommen, denn Du siehst doch wohl Jeanne dʼArc? Oder tröstest Du die Kleine, die vielleicht nicht ins Schauspiel gehn mag? ich kann mir vorstellen, wie sich die Kleine ärgert, gewiß mehr als sie groß ist, und der redliche Quast wird was redliches schimpfen. ‒ Hast Du die spirituelle [3] Anzeige der Johanne in der ALZ. bemerkt?
Wir haben in der Erlanger L.Z. eine von Lichtenberg bemerkt, die wir Schley[ermacher] zuschreiben, jedoch gehört die nicht zu seinen besten. Lezthin stoß ich mit einemmal drauf, daß Gries wirklich glaubt, Du habest die des Macbeth gemacht, er wollte drauf schwören, Leib und Leben zum Pfande setzen und dergl.; ich habe hinwiederum geschworen und meine Seele zum Pfande gesetzt, daß Du es nicht wärest. Er glaubt mir nun, aber glaubt blos.
Ich soll Dir von Schelling berichten, daß er mit Hegel ein kritischphilosophisches Journal giebt bey Cotta; Du sollsts Fichte noch nicht sagen, er will ihm gern das erste Stück unverhofft zuschicken und zerzauset alleweile den Reinhold, wegen welcher edlen Beschäftigung, und einigen andern, er seit 8 Tagen erst Abends um 9 Uhr zu uns kommt. Du kanst also denken, wie einsiedlerisch wir leben, worin sich sogar Julchen sehr gut findet, [4] die denn auf den Bällen von Zeit und Zeit in die Welt hereinkuckt. Das erste Stück jenes Journals kommt bald, wird bey Fromman gedruckt usw.; es ist erst eben zu Stand gekommen; Schelling hatte mir gar nicht gesagt, daß er an Cotta geschrieben, wie schon die Antwort und Annahme da war. S. freut sich, daß Fichte seine ganze Kraft daran setzt, er hoft auf Vereinigung, noch mehr aber freut er sich, wenn Dir Deine Anschläge gelingen, und er würde etwas toll werden, wenn Dir irgend etwas, besonders mit den Vorlesungen, in den Weg träte.
Du wirst durch Tiek und Friedrich noch an Annehmlichkeit des Aufenthalts gewinnen. Laß Dich nur nicht zu sehr zerstreun. Was Du mir von Friedrich und der Veit erzählst, ist mir freylich auch völlig neu. Wie haben denn die Schwierigkeiten von Dresden überwunden werden können? Ja, wie machen sie das alles möglich? ‒ Wegen [5] Charlotten kann ich nichts sagen, ich weis gar nichts mehr von ihr. Wenigstens sollte ich denken, sie würde ihre gewöhnliche Zurückhaltung nicht so gänzlich gegen die Veit ablegen, um sie ohne Rückhalt aufzunehmen, und sie würde sich nicht so ganz verwandelt haben, um Friedrich zu billigen, der ganz noch der nehmliche ist in Lebensweise und Sitte, nur mit mehr innerlicher Sicherheit. Wilst Du ihr schreiben, so schieb es nicht auf, denn es wird Dir mit jedem Tag schwerer werden. Du kannst allerdings vieles hierin selbst nicht dulden, ohne alle Rücksicht auf mich. Mir ist es eins, was Charlotte von mir denkt; nachdem man einmal so weit gegangen ist, tritt sie für mich in die Reihe derer, an die ich weiter nicht denke. Friedrich erinnert sich vielleicht noch, wie er mich gebeten, ihn bey Charlotten zu vertreten, ihr günstigere Gesichtspunkte für ihn zu geben, und wie freundlich ich es that ‒ oder nein, er entsinnt sichs nicht, [6] die Rachsucht hat ihn für alles gestählt. ‒ Das Zusammenseyn mit Tieks ist auch etwas unnatürlich, da sie doch wissen, wie sie von einander denken, wenigstens ist es mit der Veit gespannt. Gestern betheuerte Schelling wieder und aus dem Innersten, daß er Friedrichs Freundschaft suchen würde, und an keine Feindschaft mehr denken, wenn die Veit nicht mehr wär. Was hilft es alles? Mir ist selbst oft, als könnt ich nicht ruhig sterben ohne mich mit ihm zu verstehn. Wenn sie nur jemand todschlagen wollte, ehe ich stürbe. [...]
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[7] [...]
[Geldsachen.] Schellings Collegieneinnahme ist noch nicht beysammen, Zuhörer sind genug da, er hat über 100 Unterschriften. Vorige Woche hat er auch das Disputatorium eröffnet und organisirt. Ein junger Schlosser hat sich so wacker herum[8]gekämpft, daß die Sache zwey Stunden statt einer gedauert hat. [...]
[...] [Büchersendung.] Geschehn soll übrigens alles, was Du befiehlst, auch die geringste und lausigste Kleinigkeit.
Die Allmanache sind beym Buchbinder.
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Ich habe das Bild von Leipzig erhalten, und will diesen lieblichen Schatten nicht wieder von mir lassen. Lebe wohl, mein guter Freund. Vergiß mich nicht; grüße die Bernhardi. Schreibe mir alles, was Dir begegnet.
Du wirst fragen, was ich thue. Ich thue nichts, mein Lieber, und habe fast schon einen halben kleinen Petrarch übersetzt.
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