• Caroline von Schelling to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Jena · Place of Destination: Berlin · Date: 10.12.1801
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
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    Metadata Concerning Header
  • Sender: Caroline von Schelling
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Jena
  • Place of Destination: Berlin
  • Date: 10.12.1801
  • Notations: Absende- und Empfangsort erschlossen.
    Printed Text
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: 370516575
  • Bibliography: Schelling, Caroline von: Briefe aus der Frühromantik. Nach Georg Waitz vermehrt hg. v. Erich Schmidt. Bd. 2. Leipzig 1913, S. 226‒235 u. S. 628 (Kommentar).
  • Incipit: „[Jena] Donnerstag d. 10 Dez. [18]01.
    Wie ich eben dies Blatt zur Hand nehme um Dir zu schreiben, kommt Deine redliche Sendung [...]“
    Manuscript
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: DE-611-36905
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XIX,Bd.22,Nr.11
  • Number of Pages: 16 S. auf Doppelbl. u. 2 S., hs.
  • Format: 18,7 x 11,5 cm
[Jena] Donnerstag d. 10 Dez. [18]01.
Wie ich eben dies Blatt zur Hand nehme um Dir zu schreiben, kommt Deine redliche Sendung an, mein redlicher Freund, die rechtschaffnen 101 Stück Laubthaler nemlich, deren Empfang ich Dir also gleich auf der Stelle dankbarlich bescheinigen will. Nicht halb so sehr haben sie mich zwar ergötzt als Dein lezter Brief, den ich mit der allerlebhaftesten Theilnahme zu mir genommen habe. ‒ Übrigens will ich mit jenen das Mögliche thun, besonders an Rückwärts bezahlen. [Geldsachen.] Um nun mit dem Nothdürftigen anzuheben, denn ich leide erbärmlich an Schwindel, der mich in einer unaufhörlichen Ronde mit meinen Buchstaben herumtreibt, und weiß nicht, wie lange ich es aushalten kann, so sey nur getröstet, daß Du wegen der Bücher nichts schriebst; sie hätten doch nicht eher abgehn können, wie Morgen, wo sie denn auch gewiß abgeschickt werden. [Geschäftliches.]
Nach einem Brief von Goethe an Schelling geht spätestens heute der Ion nach Berlin ab, das wird Dir nicht uninterressant seyn. Er schreibt, „mit unsrer Tragödie soll es hoffentlich recht gut gehn“, und die Vertheilung der Rollen verspricht es, die Jagemann macht den Ion, Vohß den Xuthus, was sicher günstiger ist, als wenn ihn Becker machte; bey diesem würde eine Art von Karakterrolle draus, und es ist recht vortheilhaft, wenn ihr lieber etwas von dem guten Vorurtheil für die ersten Liebhaber anhaftet ‒ dann Mad. Vohß die Kreusa, Graf den Phorbas, aber die Pythia haben sie doch der Teller gegeben, und daran ist gewiß die Zeichnung von Tiek schuld, weil sie so steinalt aussieht, haben sie sie der Malcolmi nicht zugemuthet. Mit dem Apoll waren sie noch in Suspenso ‒ wie, das begreif ich nicht. Hayde hat doch allein die Beine dazu und das Übrige keiner. Es wird vermuthlich noch in diesem Monat gegeben. Ich gehe gar nicht hin, glaube ich, weil ich die Emotion nicht werde bändigen können, darinn bin und bleibe ich kindisch, und Du kannst einige Duzend Trauerspiele machen, ehe ich sie werde mit Ruhe sehn. So ist es gut, daß ich bey Deiner ersten Vorlesung nicht war, ich wäre einem kleinen Nervenfieber nicht entgangen. O Du lieber Schlegel, wie soll ich Dir nur unser hiesiges unsägliches Interresse an Deinem Gelingen sagen! Schelling betrachtet es nicht anders als wie seine eigne Sache. Wir waren am Sonnabend Abend eben dabey im Benvenuto Cellini zu lesen mit recht frischem Gemüth, ich las vor, Dein Brief kam, und da ich einige Blätter gleich übersah, las ich Deine Beschreibung just in dem nehmlichen Tone fort, was sich sehr lustig machte. Die nicht so spashafte Nacherinnerung behielt ich für mich, habe aber Schelling mitgetheilt, wie sich Fichte betragen hat. Er weiß auch vollkommen, daß und warum sich F. so betragen mußte, und daß er einen ganz gemeinen Neid auch recht gemein ausdrückt. Wenn er für sich noch etwas von F. hofft, so führt blos seine anderweitige Bewunderung für ihn sein gutes Herz irre. Er hat sich dabey fest vorgesetzt, F. mag gegen ihn verfahren wie er will, es in öffentlichen Äußerungen nie zu erwiedern. Was mich betrift, so ist mein Haß gegen F. nach diesem lezten Zuge vollendet. Laß Du Dich nur nicht stören. Wenn Du Meister Deines Vortrags wirst, so hast Du alles gewonnen, und es kann doch nicht anders seyn, die Übung muß Dich, da Du sonst so wohl zu reden weißt, auch auf diesem Rednerthron befestigen. Daß Du Fichtens Sinn in der Sache nicht trafst, ist ja sehr begreiflich, und wenn er wirklich klug wäre, und aus seinem Ein und dieselbigen Sinn heraus könnte, so hätte er Dich gar nicht danach richten müssen. Rede nur gut und frey und kümmre Dich um nichts. Ich werde ein unendliches Vergnügen haben, wenn Du darin mit Dir zufrieden seyn darfst, bis dahin, wo ich mit meinem Einlaßzettel komme. Und schrecklich lieb werd ich Dich haben, wenn Dir damit gedient wäre! Es ist mir sehr recht, daß Du Friedrich hast, der Dir mit beßrer Einsicht und beßrer Gesinnung wie Fichte beystehn kann. In der Stunde, wo Du liesest, bin ich immer ganz besonders bey Dir, und wenn nur die blauäugichte Caroline einmal die blauäugigte Athene werden könnte, um unsichtbar neben Dir zu stehn, und Dir göttliche Rede in den Mund zu legen. Da Du schon so allerliebst geputzt und gesalbt bist, braucht ich mich ja damit nicht, wie jene Göttin nicht unterließ, abzugeben.
Schelling wird Dir wohl selbst wegen Deiner Idee, hier im Voraus für künftigen Sommer etwas zu arrangiren, schreiben. Er findet es völlig thunlich und wird sichs ganz besonders angelegen seyn lassen, wozu ihn seine Verbindung mit einigen Tonangebern durch das Disputatorium auch in Stand setzen. Es ist ein empfänglich Volk diese studierende Jugend, schwazt das Kluge wie das Dumme nach, und ist ihnen alles ein bittrer Ernst, möchten sich aber dabey auch gern produziren, was Schelling vielfach erfährt und immer kalt Wasser drein gießt. ‒ Schütz wird wahrscheinlich alles thun um die Lievländer für seine Aesthetik zu gewinnen, aber es wird dann doch schwerlich mehr Bestand haben als der Beyfall seines Sohnes, der mit Insulten und Periats vom Katheder abgetreten ist.
Aber höre meine Noth ‒ wir bekommen das Haus vom Doktor Luther nicht, und es hat wohl 24 Stunden gedauert, ehe ich mich einigermaßen hierüber zugegeben habe. Ich bin bey Hellfeld gewesen; er giebt nicht einmal den Eingang, so daß die Sache völlig unmöglich wird, wir können bey einem einzigen Eingang gar nicht bestehn, und sind durch den Saal noch dazu allem ausgesezt. Auch für Bernhardis scheint es mir nicht thunlich mit den beyden Kindern. Er hat auch überdem, da er lange nichts von uns hörte, als das Gerücht, wir bezögen Asverus Haus, die Wohnung auf ein ¼teljahr durch einen Fremden an einen Fremden versprochen, sie aber übrigens allen verweigert, ZE. dem neuen Juristen Thibaud aus Kiel, weil alle den Saal mithaben wollten. Schmerzlich nahe, und wie Schelling meynt, ungebührlich nahe ist mir dieses Mislingen gegangen. Nur zur Reue über die Aufsagung unsrer etzigen Wohnung wird es mich nicht bringen, diese hat Himly besehn, aber sie hat ihm misfallen und sie steht noch genug zu haben. Niethammers werden sie wahrscheinlich selbst zu nehmen gezwungen seyn, weil sie eher noch Miethsleute zu der ihrigen im Oppermannschen Hause finden. Schreib mir nun ein Wort, ob Du einen besondern Wunsch oder eine besondre Abneigung hast in Absicht folgender Vorschläge: Asverus Haus draußen neben dem Bären, frey liegend mit aller Sonne des Mittags, und einer ganz niedlichen Ausschmückung fähig, Zimmer genug auch für einen Gast, und ein beträchtliches wohlfeiler als unsre jetzige (ich weiß nicht genau, aber mehr wie 50‒60 gewiß nicht), Klipsteins Garten für den Sommer, oder aber das H[G?]ermannische Haus von Niethammers, weiter weiß ich bis jetzt nichts, aber der Mauermeister geht alle Tage ein paar mal rund um die Stadt wie ein brüllender Leu und sieht zu, ob er nichts erspäht. Himly steht in Handel wegen eines großen Hauses in der Johannigasse, das 150 Miethe kosten soll. Die Wohlfeilheit wäre nichts schlimmes an einer Wohnung für uns. Denken Bernhardis noch zu kommen? Und sollten diese auf den Nothfall wohl mit Schellings Wohnung auskommen können, der auf den Sommer abwesend zu seyn glaubt? Sie hätten Schellings Zimmer nebst 2 kleinen Kammern daran, dann die Küche nebst einer Kammer daran, und unten noch Stube und Kammer. Es wäre sehr bequem, sie hätten Schellings Meubeln und Geräthschaften, würden sehr billig zahlen, und kämen nicht aus der Gewohnheit mit allen Gebäuden, wobey sie doch freyer Aussicht genössen. Ich hoffe sehr darauf, daß Bernhardis den Sommer über mit uns sind, ich mag sonst auch nicht hier bleiben. Ich gehe auf die Prälatur Murhard, und Du und Schelling könnt nach Frankreich zusammen reisen. Ich will euch das Geld dazu leihen, wenn ihr mir nur recht viel schreibt und erzählt.
Lieber Wilhelm, das Bild an Marcus habe ich schon abgeschickt. Betrübe Dich nicht darum. Du solst das erste haben mit der Glorie. Tiek macht für Schelling gern einmal eine Copie des Öhlgemähldes; er hat es schon versprochen mit Wasserfarbe zu versuchen. Und dieses Bild an Marcus seh ich als ein Denkmal an, das von ihr in jener Gegend ist, wo sie zulezt sich des Lebens gefreut hat, ich konnte nicht dulden, daß es nicht freundlich seyn sollte. Unter Glas und Rahmen nahm es sich auch lieblich aus, wiewohl ich keine der Copien neben dem Hauptgemählde mehr sehn mag, denn in diesem liegt ihre ganze Wahrheit und Unschuld, und es giebt ihre schöne Erscheinung von Einheit wieder, obschon in dem kindlichsten Ausdruck. Das Unvollendete des Gemähldes selbst ist ihm günstig. Es ist ihr Schatten mit den zartesten Farben des Lebens. Catel wird mir nun zu diesem Bilde eine Einfassung besorgen, wie ich sie wünsche, er läßt sie in Weimar verfertigen, wahrscheinlich ganz in Stuckarbeit. Er wird mir den Kostenanschlag erst mittheilen, die ich gern noch anwenden wollte, da dieß das Denkmal ist, was unsre Augen beständig sehn werden, und was Dir einst auch als ein Andenken von mir bleiben soll.
Wenn Friedrich den verwilderten Roman Theil 2 bey sich haben sollte, so mußt Du Dir ihn doch ansehn, denn es sind Romanzen darin, die ordentlich so aussehn, als wenn sie nicht eben gemacht worden wären, sondern sich vor langer Zeit selbst gemacht hätten. Gedichte so gut wie die besten aus dieser Schule, Einfälle, Wortspiele, derbe gute Szenen, und ein prächtiger kleiner Dichter Haber, kurz sehr viel Kluges, nur das Ganze ists nicht, versteht sich, und der ersten Anlage nach ist der Hr. Clemens Brentano nur ein etwas poetischerer Jean Paul, also hat er auch mehr Witz und sitzt ein wenig fester auf, auf der sinnlichen Welt. Was jener an Vergleichen leistet, thut dieser in Wortspielen, aber wahrhaftig nicht übel, gar nicht übel, es hat mich sehr unterhalten. Und wie gesagt, die Romanzen sind gut, die muß man ihm sehr honoriren. ‒ Gries ist auf eine impertinente Weise sogar durch den Tasso bezeichnet, der gar nicht nöthig dazu gewesen wäre, und artig ist es, wie er ihm eben so nothdürftig gelassen hat, was er hat oder wenigstens hatte. Eine schlechte Sitte find ich es freylich mit diesen Portraiten in den Romanen, die Friedrich mit unter dieses Volk gebracht hat durch Lucinde, und wodurch sich die erzielte Objektivität vornen über stürzt, und ich weiß nicht, ob wieder auf die Füße, oder wirklich nur auf den Kopf zu stehen kommt. ‒ Den Vermehrischen Allmanach hab ich noch nicht gesehn, aber Folgendes schreibt Goethe an Schelling davon, indem er ihm dankt für die Überschickung des Eurigen: „Der V. Al. nimmt sich nun freylich nicht zum Besten daneben aus; die Feuerluft aus Fr. Schlegels Laboratorium hat den Ballon doch nicht flott machen und den übrigen Ballast mit in die Höhe heben können“. Dieses Wort haben wir ungemein treffend gefunden: die Feuerluft aus dem Laboratorium, und doch gar nicht desobligeant. Der alte Herr hatte diesen Brief eigenhändig geschrieben, und also viel freyer, und es war noch anderes, aber ich sags nit. Friedrich soll ja recht vieles in den Allmanach gegeben haben! Nun, ich hoffe, Vermehren hat ihm seine Seele theuer abgekauft. ‒ Wegen Hülsen das freut mich. Er hat eine breite Basis von Empfindsamkeit, allein auch tüchtigen Gehalt. Wenn ich hingegen von neuen Jüngern und Bundesgenossen höre, von jungen Offizieren, die in der Garnison dichten, da wird mir bange, denn es giebt schon gar zu viel dieser Jünger, welche einem weh und übel machen. Laßt eure Toleranz ja nicht zu sehr wuchern, Toleranz ist ein üppig Kraut.
Lieber Freund, Du wirst mich unendlich verbinden, wenn Du mir meldest, wie sich Tiek mit den dortigen Künstlern macht und wie Bury urtheilt, der im Voraus soll etwas den Kopf geschüttelt haben, wie Catel sagte. Die Büste werden sie denn doch respektiren müssen. Ich denke mir, ihr habt sie im Saale mit aufgestellt. Und wie geht es mit dem persönlichen Ansehn des Künstlers? Liebenswürdig genug ‒ wenn nur auch imposant! ‒ nicht wahr? Es ist eine leichte, aber wie ich glaube ehrliche Natur, nichts von den Nücken und Tücken des andern, mehr sichtbare Eitelkeit, alles unschädlich, weniger Reflexion Gottlob, und fast ein dichteres Talent.
Da schickt mir Schelling einen Brief für Dich. Folgende beyden Punkte, die große Freude über Deine mit Schleiermacher unternommene Übersetzung eines Sophokles, und die Bitte an diesen, daß er Jacobi übernehmen soll, unterschreibe ich sehr nachdrücklich. Du mußt Schleiermacher dahin bestimmen. ‒ Schelling ist in der That wegen der Reise in der Klemme. Es ist zu wünschen, daß er im Sommer sich auswärts einmal erfrischen könne, und da geht ihm freylich Zeit und Geld mit der Reise nach Berlin auf. Seine Kollegia endet er schon mit dem Ende des Februar, und dann hätte er also noch 2 Monat bis Ostern für Berlin, allein wird er dort arbeiten können, wenn er sichs gleich vorstellt? Nun sehe ich also fast nichts anders, als daß ich allein komme. Ist Dirs so recht? Sage mir alles, was Du darüber meynst. ‒ Rose kam lezthin ganz zierlich zu fragen, wie sich der Hr. Professor in Berlin befände, und erfreute sich höchlich Deines Wohlseyns. Ihre Schwester hat nun Hochzeit gehabt. Schelling hat nicht übel Lust ein Gedicht zu machen im Geschmack des Picander von einem Nadler, der seine Nadel einfädelt. ‒ Rose hat sich denn wohl wirklich mit einer etwas studirteren Liebschaft bethan, einem Herrn Moser, der aber um Michaelis abgegangen ist und versprochen hat wieder zu kommen. Das ist mir nun eben recht, so lange sie auf den Meßias wartet, hat sie Gott vor Augen und hütet sich, daß sie in keine Anfechtung fället. Julchen grüßt Dich angelegentlich, ich gebe ihr eben Schuld, daß besonders die 101 Laubthaler ihr Herz sehr für Dich erweicht haben, sie rühmt Dich als ein gar vortrefliches und braves Gemüth.
Ich für mein Theil, Du weißt es, mein Herz, ich frage nach Thaten [Thalern?] nicht, ob ich sie schon anerkennen thue.
Steffens ist noch immer nicht hier, und niemand weiß etwas, außer daß er in Freyberg fest sitzt, aber der andre Däne, Möller, ist da von Paris. Auch ein heißes Blut, Schelling will ihn mir in diesen Tagen bringen. Es sind einige Spuren da, daß ihn der Sonnenstral der Kunst, der in Paris so plözlich und senkrecht auf ihn fiel, ein wenig verbrannt hat. Er wuste bis dahin nur von der Natur. Unterwegs hat er eine große Krankheit ausgestanden, und ist hier auf die Sprünge gerathen, kein Fleisch zu essen und dergl. wie die Braminen und Geister zu sehn, das hat ihn sehr abgemattet.
Ich befinde mich besser, wie es den Anschein hatte ‒ das Wetter tobt vergebens um mich her ‒ ich werde mich gewiß diesen Abend noch ein wenig wälzen vor Lachen, denn da bekomme ich eben den Vermehrischen Allmanach ‒ und Stanzen und Sonnette von der lakirten Frau Vermehren zu lesen, das ist ein guter Spaß ‒ wenn Friedrich nur das Eine Lied von den kleinen Liedern hingegeben hätte, so wäre es charmant von ihm gewesen ‒ aber die Distichen auf Göthes Werkefi donc!
Lieber, stimme nicht in die Lästereyen Göthes ein, die sie da unter sich zur miserabeln Mode gemacht haben. Adieu, mein Bester.
[Jena] Donnerstag d. 10 Dez. [18]01.
Wie ich eben dies Blatt zur Hand nehme um Dir zu schreiben, kommt Deine redliche Sendung an, mein redlicher Freund, die rechtschaffnen 101 Stück Laubthaler nemlich, deren Empfang ich Dir also gleich auf der Stelle dankbarlich bescheinigen will. Nicht halb so sehr haben sie mich zwar ergötzt als Dein lezter Brief, den ich mit der allerlebhaftesten Theilnahme zu mir genommen habe. ‒ Übrigens will ich mit jenen das Mögliche thun, besonders an Rückwärts bezahlen. [Geldsachen.] Um nun mit dem Nothdürftigen anzuheben, denn ich leide erbärmlich an Schwindel, der mich in einer unaufhörlichen Ronde mit meinen Buchstaben herumtreibt, und weiß nicht, wie lange ich es aushalten kann, so sey nur getröstet, daß Du wegen der Bücher nichts schriebst; sie hätten doch nicht eher abgehn können, wie Morgen, wo sie denn auch gewiß abgeschickt werden. [Geschäftliches.]
Nach einem Brief von Goethe an Schelling geht spätestens heute der Ion nach Berlin ab, das wird Dir nicht uninterressant seyn. Er schreibt, „mit unsrer Tragödie soll es hoffentlich recht gut gehn“, und die Vertheilung der Rollen verspricht es, die Jagemann macht den Ion, Vohß den Xuthus, was sicher günstiger ist, als wenn ihn Becker machte; bey diesem würde eine Art von Karakterrolle draus, und es ist recht vortheilhaft, wenn ihr lieber etwas von dem guten Vorurtheil für die ersten Liebhaber anhaftet ‒ dann Mad. Vohß die Kreusa, Graf den Phorbas, aber die Pythia haben sie doch der Teller gegeben, und daran ist gewiß die Zeichnung von Tiek schuld, weil sie so steinalt aussieht, haben sie sie der Malcolmi nicht zugemuthet. Mit dem Apoll waren sie noch in Suspenso ‒ wie, das begreif ich nicht. Hayde hat doch allein die Beine dazu und das Übrige keiner. Es wird vermuthlich noch in diesem Monat gegeben. Ich gehe gar nicht hin, glaube ich, weil ich die Emotion nicht werde bändigen können, darinn bin und bleibe ich kindisch, und Du kannst einige Duzend Trauerspiele machen, ehe ich sie werde mit Ruhe sehn. So ist es gut, daß ich bey Deiner ersten Vorlesung nicht war, ich wäre einem kleinen Nervenfieber nicht entgangen. O Du lieber Schlegel, wie soll ich Dir nur unser hiesiges unsägliches Interresse an Deinem Gelingen sagen! Schelling betrachtet es nicht anders als wie seine eigne Sache. Wir waren am Sonnabend Abend eben dabey im Benvenuto Cellini zu lesen mit recht frischem Gemüth, ich las vor, Dein Brief kam, und da ich einige Blätter gleich übersah, las ich Deine Beschreibung just in dem nehmlichen Tone fort, was sich sehr lustig machte. Die nicht so spashafte Nacherinnerung behielt ich für mich, habe aber Schelling mitgetheilt, wie sich Fichte betragen hat. Er weiß auch vollkommen, daß und warum sich F. so betragen mußte, und daß er einen ganz gemeinen Neid auch recht gemein ausdrückt. Wenn er für sich noch etwas von F. hofft, so führt blos seine anderweitige Bewunderung für ihn sein gutes Herz irre. Er hat sich dabey fest vorgesetzt, F. mag gegen ihn verfahren wie er will, es in öffentlichen Äußerungen nie zu erwiedern. Was mich betrift, so ist mein Haß gegen F. nach diesem lezten Zuge vollendet. Laß Du Dich nur nicht stören. Wenn Du Meister Deines Vortrags wirst, so hast Du alles gewonnen, und es kann doch nicht anders seyn, die Übung muß Dich, da Du sonst so wohl zu reden weißt, auch auf diesem Rednerthron befestigen. Daß Du Fichtens Sinn in der Sache nicht trafst, ist ja sehr begreiflich, und wenn er wirklich klug wäre, und aus seinem Ein und dieselbigen Sinn heraus könnte, so hätte er Dich gar nicht danach richten müssen. Rede nur gut und frey und kümmre Dich um nichts. Ich werde ein unendliches Vergnügen haben, wenn Du darin mit Dir zufrieden seyn darfst, bis dahin, wo ich mit meinem Einlaßzettel komme. Und schrecklich lieb werd ich Dich haben, wenn Dir damit gedient wäre! Es ist mir sehr recht, daß Du Friedrich hast, der Dir mit beßrer Einsicht und beßrer Gesinnung wie Fichte beystehn kann. In der Stunde, wo Du liesest, bin ich immer ganz besonders bey Dir, und wenn nur die blauäugichte Caroline einmal die blauäugigte Athene werden könnte, um unsichtbar neben Dir zu stehn, und Dir göttliche Rede in den Mund zu legen. Da Du schon so allerliebst geputzt und gesalbt bist, braucht ich mich ja damit nicht, wie jene Göttin nicht unterließ, abzugeben.
Schelling wird Dir wohl selbst wegen Deiner Idee, hier im Voraus für künftigen Sommer etwas zu arrangiren, schreiben. Er findet es völlig thunlich und wird sichs ganz besonders angelegen seyn lassen, wozu ihn seine Verbindung mit einigen Tonangebern durch das Disputatorium auch in Stand setzen. Es ist ein empfänglich Volk diese studierende Jugend, schwazt das Kluge wie das Dumme nach, und ist ihnen alles ein bittrer Ernst, möchten sich aber dabey auch gern produziren, was Schelling vielfach erfährt und immer kalt Wasser drein gießt. ‒ Schütz wird wahrscheinlich alles thun um die Lievländer für seine Aesthetik zu gewinnen, aber es wird dann doch schwerlich mehr Bestand haben als der Beyfall seines Sohnes, der mit Insulten und Periats vom Katheder abgetreten ist.
Aber höre meine Noth ‒ wir bekommen das Haus vom Doktor Luther nicht, und es hat wohl 24 Stunden gedauert, ehe ich mich einigermaßen hierüber zugegeben habe. Ich bin bey Hellfeld gewesen; er giebt nicht einmal den Eingang, so daß die Sache völlig unmöglich wird, wir können bey einem einzigen Eingang gar nicht bestehn, und sind durch den Saal noch dazu allem ausgesezt. Auch für Bernhardis scheint es mir nicht thunlich mit den beyden Kindern. Er hat auch überdem, da er lange nichts von uns hörte, als das Gerücht, wir bezögen Asverus Haus, die Wohnung auf ein ¼teljahr durch einen Fremden an einen Fremden versprochen, sie aber übrigens allen verweigert, ZE. dem neuen Juristen Thibaud aus Kiel, weil alle den Saal mithaben wollten. Schmerzlich nahe, und wie Schelling meynt, ungebührlich nahe ist mir dieses Mislingen gegangen. Nur zur Reue über die Aufsagung unsrer etzigen Wohnung wird es mich nicht bringen, diese hat Himly besehn, aber sie hat ihm misfallen und sie steht noch genug zu haben. Niethammers werden sie wahrscheinlich selbst zu nehmen gezwungen seyn, weil sie eher noch Miethsleute zu der ihrigen im Oppermannschen Hause finden. Schreib mir nun ein Wort, ob Du einen besondern Wunsch oder eine besondre Abneigung hast in Absicht folgender Vorschläge: Asverus Haus draußen neben dem Bären, frey liegend mit aller Sonne des Mittags, und einer ganz niedlichen Ausschmückung fähig, Zimmer genug auch für einen Gast, und ein beträchtliches wohlfeiler als unsre jetzige (ich weiß nicht genau, aber mehr wie 50‒60 gewiß nicht), Klipsteins Garten für den Sommer, oder aber das H[G?]ermannische Haus von Niethammers, weiter weiß ich bis jetzt nichts, aber der Mauermeister geht alle Tage ein paar mal rund um die Stadt wie ein brüllender Leu und sieht zu, ob er nichts erspäht. Himly steht in Handel wegen eines großen Hauses in der Johannigasse, das 150 Miethe kosten soll. Die Wohlfeilheit wäre nichts schlimmes an einer Wohnung für uns. Denken Bernhardis noch zu kommen? Und sollten diese auf den Nothfall wohl mit Schellings Wohnung auskommen können, der auf den Sommer abwesend zu seyn glaubt? Sie hätten Schellings Zimmer nebst 2 kleinen Kammern daran, dann die Küche nebst einer Kammer daran, und unten noch Stube und Kammer. Es wäre sehr bequem, sie hätten Schellings Meubeln und Geräthschaften, würden sehr billig zahlen, und kämen nicht aus der Gewohnheit mit allen Gebäuden, wobey sie doch freyer Aussicht genössen. Ich hoffe sehr darauf, daß Bernhardis den Sommer über mit uns sind, ich mag sonst auch nicht hier bleiben. Ich gehe auf die Prälatur Murhard, und Du und Schelling könnt nach Frankreich zusammen reisen. Ich will euch das Geld dazu leihen, wenn ihr mir nur recht viel schreibt und erzählt.
Lieber Wilhelm, das Bild an Marcus habe ich schon abgeschickt. Betrübe Dich nicht darum. Du solst das erste haben mit der Glorie. Tiek macht für Schelling gern einmal eine Copie des Öhlgemähldes; er hat es schon versprochen mit Wasserfarbe zu versuchen. Und dieses Bild an Marcus seh ich als ein Denkmal an, das von ihr in jener Gegend ist, wo sie zulezt sich des Lebens gefreut hat, ich konnte nicht dulden, daß es nicht freundlich seyn sollte. Unter Glas und Rahmen nahm es sich auch lieblich aus, wiewohl ich keine der Copien neben dem Hauptgemählde mehr sehn mag, denn in diesem liegt ihre ganze Wahrheit und Unschuld, und es giebt ihre schöne Erscheinung von Einheit wieder, obschon in dem kindlichsten Ausdruck. Das Unvollendete des Gemähldes selbst ist ihm günstig. Es ist ihr Schatten mit den zartesten Farben des Lebens. Catel wird mir nun zu diesem Bilde eine Einfassung besorgen, wie ich sie wünsche, er läßt sie in Weimar verfertigen, wahrscheinlich ganz in Stuckarbeit. Er wird mir den Kostenanschlag erst mittheilen, die ich gern noch anwenden wollte, da dieß das Denkmal ist, was unsre Augen beständig sehn werden, und was Dir einst auch als ein Andenken von mir bleiben soll.
Wenn Friedrich den verwilderten Roman Theil 2 bey sich haben sollte, so mußt Du Dir ihn doch ansehn, denn es sind Romanzen darin, die ordentlich so aussehn, als wenn sie nicht eben gemacht worden wären, sondern sich vor langer Zeit selbst gemacht hätten. Gedichte so gut wie die besten aus dieser Schule, Einfälle, Wortspiele, derbe gute Szenen, und ein prächtiger kleiner Dichter Haber, kurz sehr viel Kluges, nur das Ganze ists nicht, versteht sich, und der ersten Anlage nach ist der Hr. Clemens Brentano nur ein etwas poetischerer Jean Paul, also hat er auch mehr Witz und sitzt ein wenig fester auf, auf der sinnlichen Welt. Was jener an Vergleichen leistet, thut dieser in Wortspielen, aber wahrhaftig nicht übel, gar nicht übel, es hat mich sehr unterhalten. Und wie gesagt, die Romanzen sind gut, die muß man ihm sehr honoriren. ‒ Gries ist auf eine impertinente Weise sogar durch den Tasso bezeichnet, der gar nicht nöthig dazu gewesen wäre, und artig ist es, wie er ihm eben so nothdürftig gelassen hat, was er hat oder wenigstens hatte. Eine schlechte Sitte find ich es freylich mit diesen Portraiten in den Romanen, die Friedrich mit unter dieses Volk gebracht hat durch Lucinde, und wodurch sich die erzielte Objektivität vornen über stürzt, und ich weiß nicht, ob wieder auf die Füße, oder wirklich nur auf den Kopf zu stehen kommt. ‒ Den Vermehrischen Allmanach hab ich noch nicht gesehn, aber Folgendes schreibt Goethe an Schelling davon, indem er ihm dankt für die Überschickung des Eurigen: „Der V. Al. nimmt sich nun freylich nicht zum Besten daneben aus; die Feuerluft aus Fr. Schlegels Laboratorium hat den Ballon doch nicht flott machen und den übrigen Ballast mit in die Höhe heben können“. Dieses Wort haben wir ungemein treffend gefunden: die Feuerluft aus dem Laboratorium, und doch gar nicht desobligeant. Der alte Herr hatte diesen Brief eigenhändig geschrieben, und also viel freyer, und es war noch anderes, aber ich sags nit. Friedrich soll ja recht vieles in den Allmanach gegeben haben! Nun, ich hoffe, Vermehren hat ihm seine Seele theuer abgekauft. ‒ Wegen Hülsen das freut mich. Er hat eine breite Basis von Empfindsamkeit, allein auch tüchtigen Gehalt. Wenn ich hingegen von neuen Jüngern und Bundesgenossen höre, von jungen Offizieren, die in der Garnison dichten, da wird mir bange, denn es giebt schon gar zu viel dieser Jünger, welche einem weh und übel machen. Laßt eure Toleranz ja nicht zu sehr wuchern, Toleranz ist ein üppig Kraut.
Lieber Freund, Du wirst mich unendlich verbinden, wenn Du mir meldest, wie sich Tiek mit den dortigen Künstlern macht und wie Bury urtheilt, der im Voraus soll etwas den Kopf geschüttelt haben, wie Catel sagte. Die Büste werden sie denn doch respektiren müssen. Ich denke mir, ihr habt sie im Saale mit aufgestellt. Und wie geht es mit dem persönlichen Ansehn des Künstlers? Liebenswürdig genug ‒ wenn nur auch imposant! ‒ nicht wahr? Es ist eine leichte, aber wie ich glaube ehrliche Natur, nichts von den Nücken und Tücken des andern, mehr sichtbare Eitelkeit, alles unschädlich, weniger Reflexion Gottlob, und fast ein dichteres Talent.
Da schickt mir Schelling einen Brief für Dich. Folgende beyden Punkte, die große Freude über Deine mit Schleiermacher unternommene Übersetzung eines Sophokles, und die Bitte an diesen, daß er Jacobi übernehmen soll, unterschreibe ich sehr nachdrücklich. Du mußt Schleiermacher dahin bestimmen. ‒ Schelling ist in der That wegen der Reise in der Klemme. Es ist zu wünschen, daß er im Sommer sich auswärts einmal erfrischen könne, und da geht ihm freylich Zeit und Geld mit der Reise nach Berlin auf. Seine Kollegia endet er schon mit dem Ende des Februar, und dann hätte er also noch 2 Monat bis Ostern für Berlin, allein wird er dort arbeiten können, wenn er sichs gleich vorstellt? Nun sehe ich also fast nichts anders, als daß ich allein komme. Ist Dirs so recht? Sage mir alles, was Du darüber meynst. ‒ Rose kam lezthin ganz zierlich zu fragen, wie sich der Hr. Professor in Berlin befände, und erfreute sich höchlich Deines Wohlseyns. Ihre Schwester hat nun Hochzeit gehabt. Schelling hat nicht übel Lust ein Gedicht zu machen im Geschmack des Picander von einem Nadler, der seine Nadel einfädelt. ‒ Rose hat sich denn wohl wirklich mit einer etwas studirteren Liebschaft bethan, einem Herrn Moser, der aber um Michaelis abgegangen ist und versprochen hat wieder zu kommen. Das ist mir nun eben recht, so lange sie auf den Meßias wartet, hat sie Gott vor Augen und hütet sich, daß sie in keine Anfechtung fället. Julchen grüßt Dich angelegentlich, ich gebe ihr eben Schuld, daß besonders die 101 Laubthaler ihr Herz sehr für Dich erweicht haben, sie rühmt Dich als ein gar vortrefliches und braves Gemüth.
Ich für mein Theil, Du weißt es, mein Herz, ich frage nach Thaten [Thalern?] nicht, ob ich sie schon anerkennen thue.
Steffens ist noch immer nicht hier, und niemand weiß etwas, außer daß er in Freyberg fest sitzt, aber der andre Däne, Möller, ist da von Paris. Auch ein heißes Blut, Schelling will ihn mir in diesen Tagen bringen. Es sind einige Spuren da, daß ihn der Sonnenstral der Kunst, der in Paris so plözlich und senkrecht auf ihn fiel, ein wenig verbrannt hat. Er wuste bis dahin nur von der Natur. Unterwegs hat er eine große Krankheit ausgestanden, und ist hier auf die Sprünge gerathen, kein Fleisch zu essen und dergl. wie die Braminen und Geister zu sehn, das hat ihn sehr abgemattet.
Ich befinde mich besser, wie es den Anschein hatte ‒ das Wetter tobt vergebens um mich her ‒ ich werde mich gewiß diesen Abend noch ein wenig wälzen vor Lachen, denn da bekomme ich eben den Vermehrischen Allmanach ‒ und Stanzen und Sonnette von der lakirten Frau Vermehren zu lesen, das ist ein guter Spaß ‒ wenn Friedrich nur das Eine Lied von den kleinen Liedern hingegeben hätte, so wäre es charmant von ihm gewesen ‒ aber die Distichen auf Göthes Werkefi donc!
Lieber, stimme nicht in die Lästereyen Göthes ein, die sie da unter sich zur miserabeln Mode gemacht haben. Adieu, mein Bester.
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