• Caroline von Schelling an August Wilhelm von Schlegel

  • Absendeort: Jena · Empfangsort: Berlin · Datum: 20.12.1801 bis 21.12.1801
Editionsstatus: Einmal kollationierter Druckvolltext mit Registerauszeichnung
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    Briefkopfdaten
  • Absender: Caroline von Schelling
  • Empfänger: August Wilhelm von Schlegel
  • Absendeort: Jena
  • Empfangsort: Berlin
  • Datum: 20.12.1801 bis 21.12.1801
  • Anmerkung: Absende- und Empfangsort erschlossen.
    Druck
  • Datengeber: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: 370516575
  • Bibliographische Angabe: Schelling, Caroline von: Briefe aus der Frühromantik. Nach Georg Waitz vermehrt hg. v. Erich Schmidt. Bd. 2. Leipzig 1913, S. 235‒242 u. S. 629‒630 (Kommentar).
  • Incipit: „[1] [Jena] Sontag vor Weinachten [20.‒21. Dez. 18]01.
    Wo soll ich anfangen um Dich genugsam zu schelten? Etwas Besseres wie Schelte sollte [...]“
    Handschrift
  • Datengeber: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: DE-611-36905
  • Signatur: Mscr.Dresd.e.90,XIX,Bd.22,Nr.12
  • Blatt-/Seitenzahl: 16 S. auf Doppelbl. u. 2 S., hs.
  • Format: 18,7 x 11,5 cm
[1] [Jena] Sontag vor Weinachten [20.‒21. Dez. 18]01.
Wo soll ich anfangen um Dich genugsam zu schelten? Etwas Besseres wie Schelte sollte Dir auch diese Gelegenheit eigentlich nicht zu überbringen haben, denn sie wird von Freund Kotzebue angeführt, in dessen Gesellschaft zu reisen der Hr. Geh. Hofr. Loder sich eine besondre Ehre und Vergnügen macht.
Sage mir, Freund, wie ist es eigentlich mit Deinem Schweigen? Vermeinst Du, weil Du mir Laubthaler geschickt, so sey es nun damit gethan? Oder bist Du so sehr zerstreut und beschäftigt zugleich, daß Du ganz ordentlicher weise Deine guten Freunde alhier vernachlässigst? Ich bin heute grausam in meiner Erwartung betrogen, wie kein Brief kam, wir alle ‒ Schelling hat eine Art von Angst, es möchte Dir etwas unangenehmes begegnet seyn, ‒ Julchen verwundert sich fast noch mehr wie ich selber. Es geht wirklich in die [2] 4te Woche seit Deinen lezten ausführlichen Nachrichten, und kann seitdem freylich manches geschehn seyn. Liebster Wilhelm, ich muß wahrhaftig immer wissen, wie es Dir geht, sonst hab ich keine Ruhe ‒ und überdem ist das, was ich von Dir höre, der einzige freundliche Besuch von außen her ‒ Doch genug, um Dir darzuthun, daß Du mich bitterlich betrübt hast.
Meine Gesundheit ist ziemlich gut, aber ‒ Du mußt bald schreiben. Hast Du denn meinen Brief vom Donnerstag vor 8 Tagen nicht so früh erhalten, daß Du mir schon hättest antworten können? In Absicht der Wohnung hätte es die Nothdurft erfordert ‒ wie in Absicht auf mich der gute Wille. Ich soll nehmlich Resolution von mir geben wegen des Asverusschen Hauses ... [3] es ist sehr freundlich, die Aussicht aus den obern Zimmern, besonders hinten hinaus, so hübsch wie möglich, das ganze Thal von Kunitz bis nach Dornburg hin, übrigens kleine Zimmer ... der Preis 60 rh.... Zöge Mlle Schubart aus, die Schellings ehemaliges Logis hat, so könten Bernhardis mit darinn wohnen ... Auf allen Fall nehme ich es nur auf ein Jahr. Niethammers ziehn in das Unsrige, ihres ist verkauft. So viel hiervon. [4] Deine Bücher sind abgeschickt, etwas später, wie ich hoffte, weil die äußerst schlechte Beschaffenheit der Wege die Fuhrleute zurück hielt. Catel, denk ich, soll den Wieland noch mit nehmen und die Schillerschen Sachen. Den Shakesp. hast Du ja dort bey Deinen Freunden, wenn es ihm zu viel werden sollte.
Was Du hier erhältst, mein artiger Freund, ist ein kleines artiges Nachspiel, was mir Luise noch geschickt hat, und ich in ein paar Abenden frey verdeutscht habe. Ich lege das Original bey, damit Du [5] beurtheilen kannst, ob das Musikalische daran zur Musik des Ganzen gehört, oder füglich weggelassen werden mag; auch nachdem es die Convenienz gebieten wird. Allerliebst muß sich der Handel mit französischen Spiel machen, eure dortigen Schauspieler sind aber wohl etwas zu steife Gesellen für meine beyden Passagiere? Ich denke doch, Du kannsts anbringen. Ins Reine hab ich es nicht durch Julchen schreiben lassen, weil unstreitig der Ion in ihrer Handschrift an das dortige Theater gekommen ist, und Dir das nicht gelegen seyn möchte. Ihr habt ja dort einen Abschreiber. Es fiel mir wohl ein, es auch an Goethe zu schicken, da ich aber noch nicht weiß, ob das Theater in Weimar das mindeste zahlt, so unterließ ich es; Du kannst es ja allenfals von dort thun. Was in den paar Liedern und Duetts wesentliches enthalten ist, habe ich gleich behandelt, so daß nichts vermißt [6] werden wird, außer daß etwa einmal der Frank bey dem Nachbar sich zu schnell expedirt, weil die Dehnung der Musik wegfällt. Diese Musik würde man übrigens in Braunschweig haben können, wo das Stück gegeben wird. Wilst Du mir nun Reparation leisten und die Stücke (durch Loder) wieder schicken, die Du mir so höhnisch mitnahmst, so mache ich sie Dir alle zurecht. Luise sagt, die Diligence machte sich sehr hübsch auf dem Theater, und die wollte ich auch schon hübsch bearbeiten. Damit Du siehst, daß es nicht Incapacität ist, daß ich die Reime nicht übersetzt habe, so leg ich ein Pröbchen der angefangenen Übersetzung selbiger bey.
Aber nun etwas von höhern theatralischen Angelegenheiten. Goethe meldet Schellingen, es ginge mit Ion einen sehr guten Gang, sie hoften ihn schon auf [7] künftigen Sonnabend (als den 2ten Feyertag) zu zwingen, spätestens aber 8 Tage drauf. Nun, da wirst Du doch einige Emotion verspüren! Goethe scheint ungemein zufrieden mit der Anstelligkeit der Schauspieler. Du kannst denken, daß bereits verlautet, es werde ein Stück aufgeführt, aber ein Stück! einige sagen nur schlichtweg: in Hexametern, verständigere aber: in Heptintomachelapetern. ‒ Was Du aber nicht denken wirst: Friedrich muß es nicht ernst mit der Verschweigung Deines Nahmens genommen haben, oder er hat seinen Ernst der Veit nicht mittheilen können ‒ genug, Ritter hat Gries Deine Autorschaft verrathen ‒ also vermuthlich auch Frommans und dergleichen ‒ und gestern kam Carl Schelling, der von nichts wuste, und hatte sie von einem Nahmens Richtsteig [8] bey Meders am öffentlichen Tisch erfahren, der es nach seiner Aussage von Monsieur Ast gehört hatte, alles indessen als ein tiefes Geheimniß. Da nun Ast alle Tage mit Mad. Veit spazieren geht, so hat sie es unstreitig diesem Jünglinge, der ihren Florentin recensirt hat, in vertraulicher Ergießung mitgetheilt. ‒ Ich hätte Dir dies am Ende lieber verschwiegen, wenn Du nicht nun um desto aufmerksamer auf das Schicksal des Ion bey der Direktion in Berlin zu seyn Ursach hättest. Für hier ist es nicht wichtig, aber für dort gewiß, daß Du bekannt bist, zumal da Iffland und Kotzebue jetzt zusammen kommen. Gries sagte mir zwar, in Weimar habe er blos das Factum der Aufführung, aber nichts vom Verfasser gehört ‒ indeß wird es Kotzebue hier leicht in Erfahrung gebracht haben. [9] Wir sind etwas wüthend auf diese Indiskretion, und es scheint mir, Du könnest wohl Friedrich gradezu drauf anreden. Du mußt ihm auch nichts wieder vertraun, was zu verschweigen wirklich noth thut, oder Dir wenigstens ausdrücklich von ihm versprechen lassen, der Veit nichts zu sagen. Es herrscht in jener Kreise ein endloses Wiedersagen, und gewiß wird ein gut Theil weniger geklatscht werden, wenn sowohl die Veit als Friedrich weg sind, denn er ist nicht frey von dieser Schwachheit. ‒ Ritter scheint sich auch kein Gewissen hierüber zu machen ‒ wie er denn in mehr Dingen höchst unverschämt ist. ‒ Er hatte Gries folgendes komische Ding mitgetheilt, das ich Dir zu Deinem Amusement, wenn Du es nicht von Friedrich selbst weißt, ebenfals mittheilen will. Friedrich hatte in das Exemplar des verrückten Romans des Brentano [10] ein Distichon geschrieben, was ungefähr so lautet:

Hundert Prügel vorn A‒ die wären Dir redlich zu gönnen,
Fr. Schl. bezeugts, andre Vortrefliche auch.

Und hierunter haben mehr gute Freunde ihren Nahmen setzen müssen, Ritter unter andern. Dieser hat das Exemplar gern haben wollen, um es Brentano in die Hände zu spielen, der hier ist, allein es heißt, Friedrich habe es beygeschlossen, die Veit verleugnet es natürlich. Wiedererfahren wird es Brentano dennoch, was auch recht heilsam ist. Er ist gekommen, wie er spricht, um sich Fr. Schlegel zu zeigen, gleichsam dem Hohepriester, ob er noch Aussaz an sich hat, und wie er beschaffen ist. Nun war Friedrich weg, und er treibt sich hier mit seiner gränzenlosen Impertinenz herum, (schimpft item auf Goethe,) daß man täglich neue alberne Streiche davon hört, was uns in der Ferne [11] belustigt, da der Narr uns nicht zu nahe kommt. In dieser Ferne hat mir denn sein Roman gleichfals ein augenblickliches Vergnügen gemacht. Allein es giebt andre Dinge ‒ wie sie kein Auge gehört hat, kein Ohr gesehen ‒ ja der Mensch ist nur ein alberner Hanswurst, wenn er zu sagen unternähme, was für Dinge! Ich habe ein äußerst rares Gesicht gehabt: und will hierunter den Vermehrerischen Allmanach verstanden wissen. Selbigen Tag hatten wir einen ähnlichen Besuch, es kam ein junger Niedersachse mit einem jungen Afrikaner, der erste trug den lezten auf den Rücken. Ein paar muntre feine Bursche, besonders war der Afrikaner von der grösten Behendigkeit. Sie suchten den großen Naturphilosophen Schelling bey mir auf ‒ des Glaubens, daß sich die Philosophie so wenig wie die Natur der ‒ Affen entschlagen könne. Nein, die Philosophie [12] nicht, die Poesie nicht, besonders die Liebe und Religion nicht! Wie wird Dir zu Sinne bey diesem vermaledeyten Klingklang? Da könt ichs euch sämtlich nicht verdenken, wenn ihr euch transferirt dünktet wie Zettel hinter dem Busch, und griffet nach den Köpfen, ob ihr nicht etwa auch rauhe Ohren zu fassen kriegtet. ‒ Wie gefällt Dir die Mad. Eber, die das Ewige in sich fühlt? Es hat uns alles unendlichen Spaß gemacht.
So auch die Anzeige Deines Almanachs in der Salzburger Zeitung, die noch nie so eigentlich mit eisernen Kanonen zugefahren ist.
Schreib mir doch, ob jemand von dort aus eine Anzeige dieser Almanache in der Erlanger Zeitung etwa intendirt? Du hast mir überhaupt viel zu schreiben.
Der Kammerherr Einsiedel ist hier gewesen; vermuthlich ist er mit von [13] beykommender Reisegesellschaft, es war seine Absicht, dann siehst Du ihn.
Es heißt, Goethe schreibe einen Roman. Schiller bearbeitet ein Stück von Gozzi. Seine Hand wird schwer drauf liegen.
Ich lege Dir einen Brief von Marcus bey, weil ich nicht Zeit habe zu melden, was darinn steht ‒ und habe an Martinengo geschrieben.
Auch von Deiner Mutter habe ich einen Brief erhalten, ihr auch schon wieder geantwortet. Sie befindet sich wohl, und sorgt nur wie gewöhnlich.
–––––
Schelling bittet Dich inständig, ob Du ihm nicht willst beykommende griechische Stellen in das gehörige Metrum übersetzen. Er will Dir gern dafür thun, was er weiß und kann.
–––––
[14] Schick mir doch durch Loder allerhand, ZE. den Comödien Zettel vom 1 Jan., Iflands Flugblatt über die Eröffnung des Hauses usw. Sollten sie dem Kotzebue nicht eine Ehre anthun wollen, bey der Gelegenheit? Hast Du sein Buch gelesen? Es ist drollicht, wie prophetisch Du, ohne die mindeste Notizen über seine Begegnisse, in der Ehrenpforte gewesen bist. Übrigens ist Kotzebue auch hier ein Jammerprinz. Das Ding ist miserabel geschrieben, und hätte sich doch leicht, ein wenig objektiv dargestellt, gut ausnehmen können.
Leb wohl, wohl, ich muß schließen. Schweige nicht wieder so lange. Vergiß mich nicht. Grüße die Bernhardi und den Tiek.
–––––
[15] Der Mensch bedenkts und Gott lenkts. Ich schreibe da gestern, daß mir der Kopf glüht, mache mein Packet zurecht, und schicke es Loder, der bey mir gewesen war, um mir zu sagen, daß er Abends um 10 reisen würde, freue mich, daß es bald in Deinen Händen seyn wird, und da kommt die Nachricht, er sey plözlich krank geworden, und reise nicht. So eben habe er einen reitenden Boten nach Weimar geschickt, wenn Rose nur ein wenig früher gekommen wäre, so hätte es der Hr. von Kotzebue mitnehmen sollen. Das hätte ich nun freylich nicht gelitten, aber nun kann ich mich nicht enthalten Dir das Ganze gleich mit der Post zu senden, da ich selbst über Catels Abreise im Dunkeln bin, denn ob ich schon durch die Botenfrau vermittelst eines Zettels anfragen ließ, hat sie mir doch keine Antwort zurückgebracht. Fast muß ich glauben, er ist schon weg.
[16] Noch ein Nachtrag zu Gestern. Diesen Morgen ist Fromman bey Schelling und erzählt ihm frank und frey von Deinem Ion. Man weiß es nun auch in Weimar. Fromman war vorigen Mittwoch drüben und mit Kotzebue in Einer Loge. Kirmes kommt zu ihnen und spricht von dem neuen Stück, weiß aber noch nichts vom Verfasser als die Neugier, und Kotzebue trägt die (vielleicht Böttcherische) Hypothese vor: es sey von Wilhelm Humboldt, der Kirmes beystimmt, weil sich Goethe so viel Mühe damit gäbe, daß er sich sehr dafür interressiren müsse. Am Sonnabend ist Fromman wieder mit den nehmlichen Personnagen zusammen, da wissen sies auf einmal, und ist auch schon von einem langen Monolog die Rede. ‒ Ich bin nun in der That um so sehnsuchtsvoller [17] nach Deinen nächsten Briefen, ob Du in Berlin auch schon die Wirkungen dieser unverzeihlichen Unart erfahren hast, denn es ist gar keine Frage, woher der Verrath kommt.
Lieber Freund, wenn Du es mit dem Theater fortfährst ernstlich zu meynen, wie ich mehr wie jemals hoffe und wünsche, so mußt Du Dich doch vielleicht wieder in einen persönlichen Rapport mit Iffland setzen, denn da darf er nur die kleinen Canaillerien, die er nie unterläßt, ausüben, aber Deine Stücke muß er alle annehmen. Ob er dieses angenommen hat, wirst Du wohl schon wissen können durch Unzeline.
Es wäre sehr hübsch gewesen, wenn das Geheimniß treulich gehalten worden wäre. Lebe nochmals wohl und gedenke Deiner
getreuen Freunde.

[18] Ich habe kein Glück mit Schauspielsehn diesen Winter gehabt bis dato, wo man die Brüder giebt, und wir es erst um drey Uhr erfahren.
Im Nathan soll Vohß Spiel das hervorstechende seyn. Außerdem mag es niemand zweymal sehn.

PS. Gries, welches Haber ist, hat sich nun gänzlich auf die taube Seite gelegt.
[1] [Jena] Sontag vor Weinachten [20.‒21. Dez. 18]01.
Wo soll ich anfangen um Dich genugsam zu schelten? Etwas Besseres wie Schelte sollte Dir auch diese Gelegenheit eigentlich nicht zu überbringen haben, denn sie wird von Freund Kotzebue angeführt, in dessen Gesellschaft zu reisen der Hr. Geh. Hofr. Loder sich eine besondre Ehre und Vergnügen macht.
Sage mir, Freund, wie ist es eigentlich mit Deinem Schweigen? Vermeinst Du, weil Du mir Laubthaler geschickt, so sey es nun damit gethan? Oder bist Du so sehr zerstreut und beschäftigt zugleich, daß Du ganz ordentlicher weise Deine guten Freunde alhier vernachlässigst? Ich bin heute grausam in meiner Erwartung betrogen, wie kein Brief kam, wir alle ‒ Schelling hat eine Art von Angst, es möchte Dir etwas unangenehmes begegnet seyn, ‒ Julchen verwundert sich fast noch mehr wie ich selber. Es geht wirklich in die [2] 4te Woche seit Deinen lezten ausführlichen Nachrichten, und kann seitdem freylich manches geschehn seyn. Liebster Wilhelm, ich muß wahrhaftig immer wissen, wie es Dir geht, sonst hab ich keine Ruhe ‒ und überdem ist das, was ich von Dir höre, der einzige freundliche Besuch von außen her ‒ Doch genug, um Dir darzuthun, daß Du mich bitterlich betrübt hast.
Meine Gesundheit ist ziemlich gut, aber ‒ Du mußt bald schreiben. Hast Du denn meinen Brief vom Donnerstag vor 8 Tagen nicht so früh erhalten, daß Du mir schon hättest antworten können? In Absicht der Wohnung hätte es die Nothdurft erfordert ‒ wie in Absicht auf mich der gute Wille. Ich soll nehmlich Resolution von mir geben wegen des Asverusschen Hauses ... [3] es ist sehr freundlich, die Aussicht aus den obern Zimmern, besonders hinten hinaus, so hübsch wie möglich, das ganze Thal von Kunitz bis nach Dornburg hin, übrigens kleine Zimmer ... der Preis 60 rh.... Zöge Mlle Schubart aus, die Schellings ehemaliges Logis hat, so könten Bernhardis mit darinn wohnen ... Auf allen Fall nehme ich es nur auf ein Jahr. Niethammers ziehn in das Unsrige, ihres ist verkauft. So viel hiervon. [4] Deine Bücher sind abgeschickt, etwas später, wie ich hoffte, weil die äußerst schlechte Beschaffenheit der Wege die Fuhrleute zurück hielt. Catel, denk ich, soll den Wieland noch mit nehmen und die Schillerschen Sachen. Den Shakesp. hast Du ja dort bey Deinen Freunden, wenn es ihm zu viel werden sollte.
Was Du hier erhältst, mein artiger Freund, ist ein kleines artiges Nachspiel, was mir Luise noch geschickt hat, und ich in ein paar Abenden frey verdeutscht habe. Ich lege das Original bey, damit Du [5] beurtheilen kannst, ob das Musikalische daran zur Musik des Ganzen gehört, oder füglich weggelassen werden mag; auch nachdem es die Convenienz gebieten wird. Allerliebst muß sich der Handel mit französischen Spiel machen, eure dortigen Schauspieler sind aber wohl etwas zu steife Gesellen für meine beyden Passagiere? Ich denke doch, Du kannsts anbringen. Ins Reine hab ich es nicht durch Julchen schreiben lassen, weil unstreitig der Ion in ihrer Handschrift an das dortige Theater gekommen ist, und Dir das nicht gelegen seyn möchte. Ihr habt ja dort einen Abschreiber. Es fiel mir wohl ein, es auch an Goethe zu schicken, da ich aber noch nicht weiß, ob das Theater in Weimar das mindeste zahlt, so unterließ ich es; Du kannst es ja allenfals von dort thun. Was in den paar Liedern und Duetts wesentliches enthalten ist, habe ich gleich behandelt, so daß nichts vermißt [6] werden wird, außer daß etwa einmal der Frank bey dem Nachbar sich zu schnell expedirt, weil die Dehnung der Musik wegfällt. Diese Musik würde man übrigens in Braunschweig haben können, wo das Stück gegeben wird. Wilst Du mir nun Reparation leisten und die Stücke (durch Loder) wieder schicken, die Du mir so höhnisch mitnahmst, so mache ich sie Dir alle zurecht. Luise sagt, die Diligence machte sich sehr hübsch auf dem Theater, und die wollte ich auch schon hübsch bearbeiten. Damit Du siehst, daß es nicht Incapacität ist, daß ich die Reime nicht übersetzt habe, so leg ich ein Pröbchen der angefangenen Übersetzung selbiger bey.
Aber nun etwas von höhern theatralischen Angelegenheiten. Goethe meldet Schellingen, es ginge mit Ion einen sehr guten Gang, sie hoften ihn schon auf [7] künftigen Sonnabend (als den 2ten Feyertag) zu zwingen, spätestens aber 8 Tage drauf. Nun, da wirst Du doch einige Emotion verspüren! Goethe scheint ungemein zufrieden mit der Anstelligkeit der Schauspieler. Du kannst denken, daß bereits verlautet, es werde ein Stück aufgeführt, aber ein Stück! einige sagen nur schlichtweg: in Hexametern, verständigere aber: in Heptintomachelapetern. ‒ Was Du aber nicht denken wirst: Friedrich muß es nicht ernst mit der Verschweigung Deines Nahmens genommen haben, oder er hat seinen Ernst der Veit nicht mittheilen können ‒ genug, Ritter hat Gries Deine Autorschaft verrathen ‒ also vermuthlich auch Frommans und dergleichen ‒ und gestern kam Carl Schelling, der von nichts wuste, und hatte sie von einem Nahmens Richtsteig [8] bey Meders am öffentlichen Tisch erfahren, der es nach seiner Aussage von Monsieur Ast gehört hatte, alles indessen als ein tiefes Geheimniß. Da nun Ast alle Tage mit Mad. Veit spazieren geht, so hat sie es unstreitig diesem Jünglinge, der ihren Florentin recensirt hat, in vertraulicher Ergießung mitgetheilt. ‒ Ich hätte Dir dies am Ende lieber verschwiegen, wenn Du nicht nun um desto aufmerksamer auf das Schicksal des Ion bey der Direktion in Berlin zu seyn Ursach hättest. Für hier ist es nicht wichtig, aber für dort gewiß, daß Du bekannt bist, zumal da Iffland und Kotzebue jetzt zusammen kommen. Gries sagte mir zwar, in Weimar habe er blos das Factum der Aufführung, aber nichts vom Verfasser gehört ‒ indeß wird es Kotzebue hier leicht in Erfahrung gebracht haben. [9] Wir sind etwas wüthend auf diese Indiskretion, und es scheint mir, Du könnest wohl Friedrich gradezu drauf anreden. Du mußt ihm auch nichts wieder vertraun, was zu verschweigen wirklich noth thut, oder Dir wenigstens ausdrücklich von ihm versprechen lassen, der Veit nichts zu sagen. Es herrscht in jener Kreise ein endloses Wiedersagen, und gewiß wird ein gut Theil weniger geklatscht werden, wenn sowohl die Veit als Friedrich weg sind, denn er ist nicht frey von dieser Schwachheit. ‒ Ritter scheint sich auch kein Gewissen hierüber zu machen ‒ wie er denn in mehr Dingen höchst unverschämt ist. ‒ Er hatte Gries folgendes komische Ding mitgetheilt, das ich Dir zu Deinem Amusement, wenn Du es nicht von Friedrich selbst weißt, ebenfals mittheilen will. Friedrich hatte in das Exemplar des verrückten Romans des Brentano [10] ein Distichon geschrieben, was ungefähr so lautet:

Hundert Prügel vorn A‒ die wären Dir redlich zu gönnen,
Fr. Schl. bezeugts, andre Vortrefliche auch.

Und hierunter haben mehr gute Freunde ihren Nahmen setzen müssen, Ritter unter andern. Dieser hat das Exemplar gern haben wollen, um es Brentano in die Hände zu spielen, der hier ist, allein es heißt, Friedrich habe es beygeschlossen, die Veit verleugnet es natürlich. Wiedererfahren wird es Brentano dennoch, was auch recht heilsam ist. Er ist gekommen, wie er spricht, um sich Fr. Schlegel zu zeigen, gleichsam dem Hohepriester, ob er noch Aussaz an sich hat, und wie er beschaffen ist. Nun war Friedrich weg, und er treibt sich hier mit seiner gränzenlosen Impertinenz herum, (schimpft item auf Goethe,) daß man täglich neue alberne Streiche davon hört, was uns in der Ferne [11] belustigt, da der Narr uns nicht zu nahe kommt. In dieser Ferne hat mir denn sein Roman gleichfals ein augenblickliches Vergnügen gemacht. Allein es giebt andre Dinge ‒ wie sie kein Auge gehört hat, kein Ohr gesehen ‒ ja der Mensch ist nur ein alberner Hanswurst, wenn er zu sagen unternähme, was für Dinge! Ich habe ein äußerst rares Gesicht gehabt: und will hierunter den Vermehrerischen Allmanach verstanden wissen. Selbigen Tag hatten wir einen ähnlichen Besuch, es kam ein junger Niedersachse mit einem jungen Afrikaner, der erste trug den lezten auf den Rücken. Ein paar muntre feine Bursche, besonders war der Afrikaner von der grösten Behendigkeit. Sie suchten den großen Naturphilosophen Schelling bey mir auf ‒ des Glaubens, daß sich die Philosophie so wenig wie die Natur der ‒ Affen entschlagen könne. Nein, die Philosophie [12] nicht, die Poesie nicht, besonders die Liebe und Religion nicht! Wie wird Dir zu Sinne bey diesem vermaledeyten Klingklang? Da könt ichs euch sämtlich nicht verdenken, wenn ihr euch transferirt dünktet wie Zettel hinter dem Busch, und griffet nach den Köpfen, ob ihr nicht etwa auch rauhe Ohren zu fassen kriegtet. ‒ Wie gefällt Dir die Mad. Eber, die das Ewige in sich fühlt? Es hat uns alles unendlichen Spaß gemacht.
So auch die Anzeige Deines Almanachs in der Salzburger Zeitung, die noch nie so eigentlich mit eisernen Kanonen zugefahren ist.
Schreib mir doch, ob jemand von dort aus eine Anzeige dieser Almanache in der Erlanger Zeitung etwa intendirt? Du hast mir überhaupt viel zu schreiben.
Der Kammerherr Einsiedel ist hier gewesen; vermuthlich ist er mit von [13] beykommender Reisegesellschaft, es war seine Absicht, dann siehst Du ihn.
Es heißt, Goethe schreibe einen Roman. Schiller bearbeitet ein Stück von Gozzi. Seine Hand wird schwer drauf liegen.
Ich lege Dir einen Brief von Marcus bey, weil ich nicht Zeit habe zu melden, was darinn steht ‒ und habe an Martinengo geschrieben.
Auch von Deiner Mutter habe ich einen Brief erhalten, ihr auch schon wieder geantwortet. Sie befindet sich wohl, und sorgt nur wie gewöhnlich.
–––––
Schelling bittet Dich inständig, ob Du ihm nicht willst beykommende griechische Stellen in das gehörige Metrum übersetzen. Er will Dir gern dafür thun, was er weiß und kann.
–––––
[14] Schick mir doch durch Loder allerhand, ZE. den Comödien Zettel vom 1 Jan., Iflands Flugblatt über die Eröffnung des Hauses usw. Sollten sie dem Kotzebue nicht eine Ehre anthun wollen, bey der Gelegenheit? Hast Du sein Buch gelesen? Es ist drollicht, wie prophetisch Du, ohne die mindeste Notizen über seine Begegnisse, in der Ehrenpforte gewesen bist. Übrigens ist Kotzebue auch hier ein Jammerprinz. Das Ding ist miserabel geschrieben, und hätte sich doch leicht, ein wenig objektiv dargestellt, gut ausnehmen können.
Leb wohl, wohl, ich muß schließen. Schweige nicht wieder so lange. Vergiß mich nicht. Grüße die Bernhardi und den Tiek.
–––––
[15] Der Mensch bedenkts und Gott lenkts. Ich schreibe da gestern, daß mir der Kopf glüht, mache mein Packet zurecht, und schicke es Loder, der bey mir gewesen war, um mir zu sagen, daß er Abends um 10 reisen würde, freue mich, daß es bald in Deinen Händen seyn wird, und da kommt die Nachricht, er sey plözlich krank geworden, und reise nicht. So eben habe er einen reitenden Boten nach Weimar geschickt, wenn Rose nur ein wenig früher gekommen wäre, so hätte es der Hr. von Kotzebue mitnehmen sollen. Das hätte ich nun freylich nicht gelitten, aber nun kann ich mich nicht enthalten Dir das Ganze gleich mit der Post zu senden, da ich selbst über Catels Abreise im Dunkeln bin, denn ob ich schon durch die Botenfrau vermittelst eines Zettels anfragen ließ, hat sie mir doch keine Antwort zurückgebracht. Fast muß ich glauben, er ist schon weg.
[16] Noch ein Nachtrag zu Gestern. Diesen Morgen ist Fromman bey Schelling und erzählt ihm frank und frey von Deinem Ion. Man weiß es nun auch in Weimar. Fromman war vorigen Mittwoch drüben und mit Kotzebue in Einer Loge. Kirmes kommt zu ihnen und spricht von dem neuen Stück, weiß aber noch nichts vom Verfasser als die Neugier, und Kotzebue trägt die (vielleicht Böttcherische) Hypothese vor: es sey von Wilhelm Humboldt, der Kirmes beystimmt, weil sich Goethe so viel Mühe damit gäbe, daß er sich sehr dafür interressiren müsse. Am Sonnabend ist Fromman wieder mit den nehmlichen Personnagen zusammen, da wissen sies auf einmal, und ist auch schon von einem langen Monolog die Rede. ‒ Ich bin nun in der That um so sehnsuchtsvoller [17] nach Deinen nächsten Briefen, ob Du in Berlin auch schon die Wirkungen dieser unverzeihlichen Unart erfahren hast, denn es ist gar keine Frage, woher der Verrath kommt.
Lieber Freund, wenn Du es mit dem Theater fortfährst ernstlich zu meynen, wie ich mehr wie jemals hoffe und wünsche, so mußt Du Dich doch vielleicht wieder in einen persönlichen Rapport mit Iffland setzen, denn da darf er nur die kleinen Canaillerien, die er nie unterläßt, ausüben, aber Deine Stücke muß er alle annehmen. Ob er dieses angenommen hat, wirst Du wohl schon wissen können durch Unzeline.
Es wäre sehr hübsch gewesen, wenn das Geheimniß treulich gehalten worden wäre. Lebe nochmals wohl und gedenke Deiner
getreuen Freunde.

[18] Ich habe kein Glück mit Schauspielsehn diesen Winter gehabt bis dato, wo man die Brüder giebt, und wir es erst um drey Uhr erfahren.
Im Nathan soll Vohß Spiel das hervorstechende seyn. Außerdem mag es niemand zweymal sehn.

PS. Gries, welches Haber ist, hat sich nun gänzlich auf die taube Seite gelegt.
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