• Caroline von Schelling to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Jena · Place of Destination: Berlin · Date: 11.01.1802 bis 14.01.1802
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
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    Metadata Concerning Header
  • Sender: Caroline von Schelling
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Jena
  • Place of Destination: Berlin
  • Date: 11.01.1802 bis 14.01.1802
  • Notations: Absende- und Empfangsort erschlossen.
    Printed Text
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: 370516575
  • Bibliography: Schelling, Caroline von: Briefe aus der Frühromantik. Nach Georg Waitz vermehrt hg. v. Erich Schmidt. Bd. 2. Leipzig 1913, S. 262‒273 u. S. 633‒634 (Kommentar).
  • Incipit: „[Jena] Montag d. 11ten[‒14.] Jan. [18]02.
    Es ist ein betrübter Gedanke für mich, daß Du erst Morgen bekommst, was ich vor 8 [...]“
    Manuscript
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: DE-611-36905
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XIX,Bd.22,Nr.16
  • Number of Pages: 16 S. auf Doppelbl. u. 2 S., hs.
  • Format: 18,7 x 11,7 cm
[Jena] Montag d. 11ten[‒14.] Jan. [18]02.
Es ist ein betrübter Gedanke für mich, daß Du erst Morgen bekommst, was ich vor 8 Tagen geschrieben habe. Niemals sind die Posten unordentlicher gegangen wie diesen Winter, alle Welt klagt darüber. Gestern habe ich Deinen lezten vom 5 Jan. erhalten. Mit den vier Briefen, die unterwegs seyn sollten, das ist eine kleine Lüge, mein guter Freund, der gestrige war der dritte, ja eigentlich der zweite, da der vorlezte nicht besser wie eine taube Nuß zu betrachten ist. Doch wir wollen das bey seit legen, und ich bitte Dich nur im Ganzen und Großen, schreib alle 8 Tage, sonst entsteht Unheil, ich impatientire mich und werde krank; übrigens befinde ich mich jetzt ziemlich gesund, und habe nur von der Reise, der Kälte, der Freude und dem Schreiben zu, bey und über den Ion einige heftige Kopfwehanfälle zu überstehn gehabt.
Wenn dort beym Theater Maaßregeln zu ergreifen sind wegen der Bekantwerdung des Verfassers vom Ion und Du hast seit Deinem lezten Brief nicht schon nähere Veranlassung gefunden, so rathe ich Dir ohne weiteres gleich dazu zu thun. Wir haben kaum einmal die Gelegenheit gehabt Dich einzugestehn, besonders ich gar nicht; es war auch Goethens Rath nur standhaft beym Leugnen zu bleiben, allein, wie ich Dir schon sagte, es ist dafür gesorgt, daß niemand zweifelt, und Du kannst überzeugt seyn, daß Kotzebue die Gewißheit schon mit nach Berlin nahm, und absichtlich Dich nicht gegen Unzeline nannte. ‒ Indessen hoffe ich immer, das Übel soll so gros nicht seyn. Annehmen muß ers, das aufschieben kann man ihm wehren, und wenn Kreusa und der Ion gut spielen, so wird er nicht das Herz haben durch sich das Stück fallen zu machen. Du solltest wahrlich nur grade zu ihm gehn und ihm den Dolch auf die Brust setzen. Er liebt diese Theatercoups, er vergösse Thränen und fügte sich. Vielleicht wohne ich dort auch der ersten Vorstellung bey. Aber ich kann mir nicht einbilden, daß sie so anmuthig wie unsre seyn wird. Es kann alles weit prächtiger seyn und mit stärkern Farben aufgetragen, aber schwerlich diese klaren Umrisse, denn wirklich ich möchte die Darstellung mit einem der schönsten Flaxmannschen Blätter vergleichen. Für den Xuthus fürcht ich das meiste; Du wirst Vohß vortreflich darin finden und griechisch; des Direktor seinen denk ich mir im niederländischen Geschmack.
Am Donnerstag hat Schelling einen Bericht, den ich aufgesetzt habe, an Spatzier geschickt; unter meinen Nahmen hätte ich es auf keine Weise thun mögen; von Sch. wird er es denn wohl ohn Bedenken annehmen, obgleich dieser dabey bemerkt hat: da er nicht der Verfasser sey, wünsche er auch nicht als Einsender genannt zu werden. Es hätte doch keine gute Wirkung gemacht, wenn Du selbst den Bericht eingeschickt hättest, da Du unstreitig allernächstens als Urheber des Stücks öffentlich genannt werden wirst, und gewiß würde man auch zuvorgekommen seyn, wenn ich ihn Dir erst hätte zuschicken wollen. Wenn Du nun aber nur damit zufrieden bist! Einige Tage mehr Zeit hätten ihn freylich besser ausgebildet. Mein Kopfweh hinderte mich bis zum Donnerstag selbst. Die Briefform, die ich ihm anfangs gegeben, hat mir Schelling gestrichen, und übrigens mich sehr zum Besten gehabt mit der großen Zärtlichkeit für das Stück und alles dasselbe Betreffende, die durchgehends hervor leuchtete, ich mußte selbst darüber lachen, welch ein weibliches Ansehn er hatte. Wir nahmen unter vielem Scherz noch eine und die andere allzu zarte Spur der zarten Hände heraus. Ich denke Dir den Brouillon beyzulegen. Besonders glaube ich, daß die Beschreibung der Kleidungen nicht genau genug für Dich seyn wird. Du hattest sie in Deinem Aufsatz über die Brüder weit bestimmter angegeben, aber bey dem Mangel aller technischen Ausdrücke wußt ich mir nicht anders zu helfen; auch bringt nach meiner Erfahrung das Detail die Sache nicht besser zur Anschauung, und ist nur in dem Fall nöthig, wo Kleidung nachgeahmt werden soll. Man kann ja auch alles Mangelnde nachholen.
Der Tempel ist nach einer alten Gemme dargestellt worden, allein weil er zu klein war, selbst im Verhältniß des Theaters, fiel er zu sehr in das englische Garten Costum.
–––––
Gries war eben bey mir, und zwar zum erstenmal seit Ion. Weist Du warum? ‒ weil ihn seine Taubheit so sehr zur Verzweiflung darin gebracht hat, daß er nun zum erstenmal eine ernstliche Cur gebraucht und nicht ausgehn durfte. Was er gehört und gesehn hätte, habe ihn so begierig gemacht noch mehr zu hören, und so toll auf seine Nachlässigkeit, daß er sich gleich Himly in die Arme geworfen. Er hatte die Jagemann zu kalt gefunden; ich kann es, wenige Stellen ausgenommen, nicht sagen. Man muß sie eben loben, damit sie ganz warm wird. ‒ Becker hat Gries nicht verhehlt, daß er sich die Rolle des Xuthus gewünscht habe. Es ist aber wirklich sehr einsichtsvoll gewesen sie ihm nicht zu geben. ‒ Mephistopheles hat noch erzählt, daß die Teller im höchsten Grad zufrieden mit sich gewesen ist, wie er sie als Pythia angekleidet (denn er hat dies Amt bey allen übernommen ‒ ich denke, wohl nicht von Grund auß), sie ist nicht vom Spiegel gewichen.
Schelling, der in Goethens Hause schlief, hatte sich mit Geist beym zubettgehn ins Gespräch begeben: ob er auch im Schauspiel gewesen? ‒ nein, er habe nicht gekonnt, und es sey ihm sehr leid, denn er habe doch vielfache Gelegenheit gehabt, das Stück zu perlustriren, indem er es für Berlin abgeschrieben und auch die Rollen ausgeschrieben, und der Hr. Geheimrath haben sich so undenkliche Mühe gegeben, ja, ein Punsch könne Wunder thun, und die hätten der Hr. G. R. nicht gespart, hätten auch einen um den andern bey Seit gezogen und sie gebeten: um Gotteswillen, ins Teufels Nahmen (meine Erfindung) spielt gut! ‒ Ist das nicht prächtig?
Gries hatte Schiller vorher gesprochen, der ihm gesagt, er habe mit Willen nicht das geringste vom Stück gelesen, um den Eindruck ganz frisch und rein zu haben. Er soll sehr zufrieden seyn. Nicht so zufrieden wär er vielleicht noch zufriedner.
–––––
12 Jan.
Da mir Kenner und Postenverständige mit großer Zuversicht versichern, daß in diesen schlechten Zeiten Briefe, die man Donnerstag über Leipzig gehn läßt, eben so früh in Berlin sind, als die am Montag zuvor abgehn, so hab ich mich gestern des Wegschickens enthalten, um Dir das Programm beylegen zu können, das bis diesen Augenblick in keinem besondern Abdruck zu haben war, alles Treibens ungeachtet. Schütz hat sogar bey dieser Gelegenheit Höflichkeit gegen Schelling geübt und ihm sein eignes Exemplar zum Durchlesen zugesandt, bis dahin, wo die besondern Abdrücke, die man anfangs gar nicht veranstaltet hatte, fertig seyn würden. Ja, Hufeland würde sein Exemplar für Tiek hergegeben haben, wenn er es nicht gleich hätte cursiren lassen, so daß es erst am Ende des Monats wieder in seine Hände kam. Kurz, es liegt nicht an mir, wenn ihr es früher, etwa mit der wöchentlich versendeten LZ., zu Gesicht bekommen habt, denn ich machte mir einen großen Spaß daraus es euch zuerst zuzuschicken ‒ ihr würdet doch etwas neugierig darüber hergefallen seyn. Uns hat es über alle Beschreibung ergötzt. Dort wird es polemischer wirken. Niemanden wird es recht seyn, und davon hat der alte Herr ein offenbares Bewustseyn gehabt. Die Naivetät, mit der manches ausgedrückt ist, nimmt sich eben so ergötzlich neben dem Grosartigen aus. Beym lezten Übergang kann er gar nicht bergen, diesmal habe ihm die Unternehmung besonders heis zugesetzt. Die allgemeinen Winke kommen mir gut vor, über die einzelnen Würdigungen läßt sich denn freylich viel hin und her reden. Wahrscheinlich hätte er Tiek wärmer gelobt, wenn ihm dessen Äußerungen über Nahl usw. nicht zu Ohren gekommen wären. ‒ Catel sagte mir schon, er solle sie übel vermerkt haben. Die Wohlzogen besonders mag sie ihm sehr ungünstig vorgetragen haben. Das hat ihm misfallen als Indiskretion des jungen Mannes ‒ sie aber dem Künstler entgelten zu lassen ist allerdings Morgue des alten Herrn. Leide es nur nicht, daß sie sich dort unter einander ungebührlich gegen ihn aufhetzen. Wie redlich er es meyne, und daß „er sich treulich bestrebet Kunst und Natur zu fassen“, leuchtet aus jeder Zeile. Ich behaupte, daß er ganz am Ende das Identitäts System im Sinn gehabt hat, so wenig fällt irgend ein Same bey ihm auf unfruchtbaren Boden. Sehr gefällt es mir, daß er gegen Gareis ordentlich grob geworden ist, ohne ihn doch gänzlich zu verwerfen, indem er sagt, „an dergl. rohen Produkten sey auch die wenige Zeit, die der Künstler darauf wende, verloren“.
Schelling hat ihm Dein Zuhörerverzeichniß mitgenommen. Er hat sich aufrichtig gefreut, und bey Schadow gleich bemerkt ‒ nun, der habe es nöthig!
Dem Komödienzettel seh ichs gleich an, daß das Stück von Kotzebue schlecht ist. Goethe hat eins von ihm gelobt, das auch nächstens gegeben werden wird: Der Wirwarr, nehmlich gelobt so in der Art: „wenn man nicht allzu rigoristische Forderungen macht, so kann man ihm die Beleuchtung vielleicht ein klein wenig loben“. Ich hoffe, Kotzebue wird nächstens den Ion zu sehn bekommen, wenn die Jagemann nur erst wieder singen kann, sie hat einen schrecklichen Husten. Seine liebste Christel saß mir gegenüber bey der ersten Vorstellung. Apropos, sieht nicht der Comödienzettel vom Ion sehr geschmackvoll einfach aus?
Du bist in dieser Stunde vielleicht dabey meine Relation zu lesen. Ich erwarte, daß Du mir recht gut dafür seyn wirst.
–––––
Was Du von Friedrich schreibst, sollte mich nicht Wunder nehmen ‒ es gehört alles ins Fach der Cervelatwürste und Liqueure ‒ und doch will es mir immer von neuen wie etwas unerwartetes weh thun. Du scheinst nicht genauer und freundschaftlicher mit ihm wie hier, das ist ein schlimmes Zeichen für ihn. Ich hofte, er würde von Dir und Schleyermacher nicht weichen. ‒ Was wird nun bey dieser Epikurizität aus dem Plato? Heilloser Friedrich! Die Nation scheint ihn ganz zu ihren Leuten zu rechnen, und am Ende läßt er sich von ihr unterhalten. Ich hörte von Frommans, er habe sich neue Kleidung machen laßen, wie der Koffer so lang ausblieb ‒ die hat ihm vielleicht Miss Levy bezahlt. Zur Herz geht er doch wohl nicht?
Julchen hat mich gebeten mich zu erkundigen, ob Tiek viel zur Humbold geht. Schreib es mir also, verrathe sie aber nicht. Ich für mein Theil wünsche zu wissen, ob die Humbold bey der Bernhardi gewesen ist; wo nicht, so stände ihr das über alle Maße übel zu nehmen. Was sind das für Albertäten mit der Sander? Ich bin sehr unschuldig wie gewöhnlich und es ist nur mein Nahme gemisbraucht worden. Du hast hier eigenmundig ‒ nicht mit der Feder, dessen ich mich gar nicht entsinne ‒ bey Tisch von dem Handel gesprochen. Luise wird es der Vieweg wieder gesagt haben; das kann ich mir lebhaft vorstellen. Die Vieweg hat die Sander gewarnt, denn sie bildet sich ein, von dieser sehr geliebt, gelobt und hochgeschätzt zu werden, als welche auch sehr schmeichlerische Briefe an sie ergehn läßt. Nun kann ich mich nur wieder gegen die Vieweg beklagen, so geht es immer rund herum. Mich verdrießt sehr, daß Mad. Sander glauben soll, ich gebe mich mit Médisance über sie ab.

Donnerstag [14. Januar].
Der Kopf brennt mir, ich habe die Nacht nicht geschlafen, und Himmel und Erde haben sich mir zu Zahlen gestaltet. Siehe unten ein Mehrers und die Beylagen. Auch ist es grimmig kalt, und kein Fleck im Hause, außer Deine Stube, wo es ordentlich warm würde, daß ein Mensch zu gute kommen könnte. Ich bin überzeugt, daß wir für 30, ja 50 rh. Holz weniger in einer andern Wohnung brauchen. Bey dieser Construktion der Zimmer und Öfen wird es freventlich durch die Esse gejagt. Bilde Dir ja nicht ein, daß uns je das geringste weggekommen; jezt besonders fällt die Möglichkeit ganz weg. Die Öfen sind die Diebe, wir sehn ja mit Augen, was täglich aufgeht, und zittern dabey wie Espen.
Ein um den andern Tag kommt ein junger Herr, und bittet sich Mamsell Julchen zu einer Schlittenfahrt aus, aber der Schnee wird wohl nicht so bald schmelzen wie das Silber. ‒ Heute ist ein brillantes Pickenik bey Frommans, die Noblesse von Jena und Drakendorf. Sie haben mich zur Theilnehmung eingeladen, aber es war mir nicht möglich mich dazu zu überwinden. Ich hätte mich sehr vergessen müssen, um hier einem Tanz mit Vergessenheit zuzusehn. Ich schicke Julchen hin und mein leztes bischen Thee. Paulus scheinen nicht dabey zu seyn. ‒ Schelling hat an dem nehmlichen Tage, wo ihm Schütz das Programm schickte, Paulus sein Journal gebracht, und ist mit verlegner Devotion empfangen worden. Warum es ihm Schelling gebracht, ist aus dem Gespräch zu ersehn; er darf nun den kleinen Stich nicht rügen.
Mein Freund, thu das Deinige, um Fichten dahin zu bewegen, daß er Schellingen denjenigen nennt, der ihm das dumme Zeug hinterbracht hat; oder ihm wenigstens versichert ‒ wenn er das mit Wahrheit kann nehmlich ‒, daß es nicht durch Paulus an ihn gekommen ist. Es liegt Schelling schwer auf der Seele, daß Hegel, dem er über Paulus mitgetheilt hat, was er Dir mittheilte, auch seine Idee, über Fichtes Weggehn noch etwas bekannt zu machen, das ihn und Niethammer von der ewigen Kränkung als solche genannt zu werden, die ihn im Stich gelassen haben, befreyete; daß dieser sein Freund ihn gegen Paulus einigermaßen verrathen habe. Paulus hätte dann leicht die Erklärung, die für Fichte seyn sollte, als eine gegen diesen gewendet. Überhaupt bitte ich Dich, schreibe mir einmal mit einiger Ruhe; es kommt auf ein paar Stunden an, die Du, seit Du wieder in Berlin bist, mir noch nicht geschenkt hast. Deswegen hast Du auch eben auf den Auftrag, den Dir Schelling gab, weder geantwortet, noch darauf geachtet. Deine Vorlesungen nehmen Dir freylich wohl viel Zeit, aber alle? Du wirst doch jetzt mit Fichte ausführlich gesprochen haben. Schelling hat ihm einen so warmen Brief geschrieben, daß ich glauben sollte, F. würde ihm wieder gut. Es war aller Eifer der aufrichtigsten Gesinnung darin ausgedrückt.
Scheint Dir die Einleitung des Journals nicht sehr vortreflich componirt und abgefaßt?
Du findest inliegend einen Zettel mit den griechischen Citaten.
Jacobs in Gotha hat einen Ruf nach Kiel, der so vortheilhaft ist, daß es nahe daran war, ob er sein väterlich Nest verließe. Doch ist er wieder glücklich sitzen geblieben. Der Herzog hat ihn bey der großen Bibliothek mit angestelt und ihm 500 rh. Zulage gegeben, so daß er jetzt 1200 rh. hat. Roose wird auch wohl bleiben, aber Hr. Feuerbach spedirt sich nach Kiel in dem nehmlichen Wagen, der den Juristen Thibaud herbringt. Apropos von Dänen, der Möller ist ein sehr schöner Mensch, und von Steffens hört man nichts.
Die Vieweg hat auch folgende Opinion von sich gegeben. Sie hat Luisen ausgefragt, wo ich logiren werde und wo Du logirest. Luise hat ihr gesagt, was sie wuste, daß Grattenauers ein Zimmer angeboten usw. „Also nicht zusammen? Da würden die Berliner viel zu sagen wissen“.
Ich berichte es Dir, mein Schatz, damit Du auch wohl überlegest. Mir ist bisher noch nicht eingefallen, was die Berliner sagen werden, das ist Deine Sache. [Finanzielles.]
Verlautet es nicht, wann Friedrich nach Dresden geht? Mad. ist hier in der tiefsten Obscurität. ‒ Ich habe Dir doch geschrieben, daß Tiek Manusscript vom Kaiser Octavian geschickt hat. Das wird die ganze Herrlichkeit seyn.
Noch ist Goethe nicht hier.

[Nachschrift.]
Ich bekomme das Programm so eben erst und bin genöthigt es noch am Ofen zu trocknen.

[Besonderes Blatt, wohl zugehörig.]
Höre, Freund, und merke auf, obgleich von Geldsachen die Rede seyn wird, welches Dir höchst fatal ist, wie mir wohl bewußt, weswegen ich sie auch am liebsten auf 40 Meilen in die Weite von Dir abthue.
Du weißt, daß ich das Kapital von 1000 rh. in Hannover gekündigt habe. Es wird Anfang Februars ausgezahlt. Nun kam mir diese Summe unermeßlich vor, obgleich Philipp davon bezahlt werden sollte ‒ ich dachte 7 Meilen Stiefel Schritte damit zu thun und noch der Mutter (die wegen des Proceß mit Arnemann, der die Zinsen seit Jahr und Tag nicht zahlt und der ärgste Filou ist, in Verlegenheit kommt, und eine kleine Summe in reserve liegen zu haben wünscht) auszuhelfen, ja ich versprach Schellingen etwas zu leihen bis Ostern wenigstens, damit er nicht zu schnell arbeiten sollte und es desto besser werden würde. Lauter Rechnungen ins Blaue hinein! Meine tausend rh. sind nicht die unendliche Welt mehr, sondern eine übersehliche kleine Erdkugel. Sie reichen kaum, wie beyliegende Übersichten besagen, für das Bedürfniß des Augenblicks hin, und das hat mich allerdings heiß und angst gemacht, bis ich mich mit Hülfe der Anschauung des Ewigen wieder gefaßt habe.
Das große Deficit liegt, dünkt mich, mehr im Mangel von Einnahmen, die seit Jahr und Tag zufällig geschmälert worden, als selbst in der zerstreut und getrennt geführten Wirtschaft. Denn wenn mein Freund überlegen will, daß ich ihm seit dem Sommer 1800 nichts gekostet ‒ indem ich seit dieser Zeit völlig 1500 rh. aus meinem Vermögen hergegeben, nehmlich jetzt die 1000 rh. und über 200 rh. nebst Zinsen, die ich von Göttingen mit nach Braunschweig brachte ‒ so kann er nicht sagen, daß die Umstände seine Finanzen beeinträchtigt haben, Du hast die Rechnung über fast alles Geld, was Du mir seitdem gegeben, das zur Reise nach und von Bamberg verwandte etwa ungerechnet, aber mitgerechnet alles dieses, und alles das, was in beygehenden Papieren auf meine persönliche Rechnung fällt, wird es doch herauskommen, daß Du mehr von mir bekommen als für mich und auf Veranlassung meiner verwendet hast.
Diese Bemerkung nur, mein herrlicher Schlegel (nehmlich mein herrischer), damit ich mich wie billig vor jedem Vorwurf sauviere ‒ denn außerdem, ah mon dieu, wenn ich nur recht viel hätte, um Dir recht viel zu geben! Es ist weiter nichts, als daß Du nicht erbst, was wir zusammen verzehren. ‒ Ich habe auch für die Zukunft die Zuversicht, daß Du immer mehr gewinnen wirst, daß Flut eintreten wird nach der Ebbe, und daß uns dieses Zusetzen des Capitals ‒ welches Du von Deiner Seite auch hast thun müssen ‒ nicht in Noth bringen wird. In meiner jezigen Lage, von aller Sorge für andre verwaiset, habe ich eigentlich nur die Einbuße der jährlichen Zinsen zu rechnen.
Wirklich habe ich mir gleich nichts anders gedacht als höchstens 200 rh. von diesen 1000 davon zu bringen, nur hoft ich mit den andern weiter zu reichen, ZB. etwas Linnen zu kaufen und Wäsche ins Haus, woran es zu fehlen beginnt, auch noch 6 silberne Löffel, und zierlichere Tischmesser und Gabel[n] für Gäste ‒ mir aber ein für allemal statt aller Behelfe einen Pelz ‒ item wollte ich mich frank und frey nach Berlin liefern ohne Dir ein Wort davon zu sagen.
Was ist nun zu thun? Mein erster Ausweg bey der Entdeckung war, ich wollte die Reise nach Berlin unterlassen, wie mir auch Deine Mutter dringlich gerathen, denn allerdings brauche ich hier (ob mein Hausstand gleich über die Gebühr groß ist, für eine einzelne Frau, aber ich hatte, ohne Deinen Plan für den Winter zu wissen, die Köchin gemiethet) weniger wie in Berlin. Allein das wirst Du nicht wünschen, und die Wahrheit zu sagen, ich wünsche es auch nicht, da meine Gesundheit mir nicht bestimmt im Wege ist. Ich will gern kommen, und Dich dort sehn, und Dir wo möglich noch ein wenig Ehre machen, indem ich mich nicht unaufgelegt zum liebenswürdig seyn fühle.
Schreibe mir daher gleich, wie ichs am besten einrichten kann. Ich habe mich hier schon nach Reisegesellschaft umgesehn, aber noch nichts gehört. Gries ginge mit, wenn ihn der Tasso nicht hielte. Schelling wird durchaus um die Zeit nicht können, es fehlt ihm selbst an Geld dazu.
... Ehe alle die Geldangelegenheiten in Ordnung sind, kann ich so nicht von hier und bin also erst gegen das Ende des Februar in Bereitschaft, höchstens in der Mitte. Das hängt dann weiter von Dir ab, ob ich auch noch später kommen soll. ‒ Wir haben es so von beyden Seiten angekündigt, daß ich auch deswegen kommen muß. ‒ Oder willst Du mich etwa nicht, guter, lieber, anmuthiger Freund?
Sieh die Rechnungen nur ja genau durch, nicht so flüchtig, als wenn Du Dir die Finger damit verbrenntest. Dann wirst Du auch sehen, daß ich mich einer schrecklichen Deutlichkeit dabey befleißigt habe.
[Jena] Montag d. 11ten[‒14.] Jan. [18]02.
Es ist ein betrübter Gedanke für mich, daß Du erst Morgen bekommst, was ich vor 8 Tagen geschrieben habe. Niemals sind die Posten unordentlicher gegangen wie diesen Winter, alle Welt klagt darüber. Gestern habe ich Deinen lezten vom 5 Jan. erhalten. Mit den vier Briefen, die unterwegs seyn sollten, das ist eine kleine Lüge, mein guter Freund, der gestrige war der dritte, ja eigentlich der zweite, da der vorlezte nicht besser wie eine taube Nuß zu betrachten ist. Doch wir wollen das bey seit legen, und ich bitte Dich nur im Ganzen und Großen, schreib alle 8 Tage, sonst entsteht Unheil, ich impatientire mich und werde krank; übrigens befinde ich mich jetzt ziemlich gesund, und habe nur von der Reise, der Kälte, der Freude und dem Schreiben zu, bey und über den Ion einige heftige Kopfwehanfälle zu überstehn gehabt.
Wenn dort beym Theater Maaßregeln zu ergreifen sind wegen der Bekantwerdung des Verfassers vom Ion und Du hast seit Deinem lezten Brief nicht schon nähere Veranlassung gefunden, so rathe ich Dir ohne weiteres gleich dazu zu thun. Wir haben kaum einmal die Gelegenheit gehabt Dich einzugestehn, besonders ich gar nicht; es war auch Goethens Rath nur standhaft beym Leugnen zu bleiben, allein, wie ich Dir schon sagte, es ist dafür gesorgt, daß niemand zweifelt, und Du kannst überzeugt seyn, daß Kotzebue die Gewißheit schon mit nach Berlin nahm, und absichtlich Dich nicht gegen Unzeline nannte. ‒ Indessen hoffe ich immer, das Übel soll so gros nicht seyn. Annehmen muß ers, das aufschieben kann man ihm wehren, und wenn Kreusa und der Ion gut spielen, so wird er nicht das Herz haben durch sich das Stück fallen zu machen. Du solltest wahrlich nur grade zu ihm gehn und ihm den Dolch auf die Brust setzen. Er liebt diese Theatercoups, er vergösse Thränen und fügte sich. Vielleicht wohne ich dort auch der ersten Vorstellung bey. Aber ich kann mir nicht einbilden, daß sie so anmuthig wie unsre seyn wird. Es kann alles weit prächtiger seyn und mit stärkern Farben aufgetragen, aber schwerlich diese klaren Umrisse, denn wirklich ich möchte die Darstellung mit einem der schönsten Flaxmannschen Blätter vergleichen. Für den Xuthus fürcht ich das meiste; Du wirst Vohß vortreflich darin finden und griechisch; des Direktor seinen denk ich mir im niederländischen Geschmack.
Am Donnerstag hat Schelling einen Bericht, den ich aufgesetzt habe, an Spatzier geschickt; unter meinen Nahmen hätte ich es auf keine Weise thun mögen; von Sch. wird er es denn wohl ohn Bedenken annehmen, obgleich dieser dabey bemerkt hat: da er nicht der Verfasser sey, wünsche er auch nicht als Einsender genannt zu werden. Es hätte doch keine gute Wirkung gemacht, wenn Du selbst den Bericht eingeschickt hättest, da Du unstreitig allernächstens als Urheber des Stücks öffentlich genannt werden wirst, und gewiß würde man auch zuvorgekommen seyn, wenn ich ihn Dir erst hätte zuschicken wollen. Wenn Du nun aber nur damit zufrieden bist! Einige Tage mehr Zeit hätten ihn freylich besser ausgebildet. Mein Kopfweh hinderte mich bis zum Donnerstag selbst. Die Briefform, die ich ihm anfangs gegeben, hat mir Schelling gestrichen, und übrigens mich sehr zum Besten gehabt mit der großen Zärtlichkeit für das Stück und alles dasselbe Betreffende, die durchgehends hervor leuchtete, ich mußte selbst darüber lachen, welch ein weibliches Ansehn er hatte. Wir nahmen unter vielem Scherz noch eine und die andere allzu zarte Spur der zarten Hände heraus. Ich denke Dir den Brouillon beyzulegen. Besonders glaube ich, daß die Beschreibung der Kleidungen nicht genau genug für Dich seyn wird. Du hattest sie in Deinem Aufsatz über die Brüder weit bestimmter angegeben, aber bey dem Mangel aller technischen Ausdrücke wußt ich mir nicht anders zu helfen; auch bringt nach meiner Erfahrung das Detail die Sache nicht besser zur Anschauung, und ist nur in dem Fall nöthig, wo Kleidung nachgeahmt werden soll. Man kann ja auch alles Mangelnde nachholen.
Der Tempel ist nach einer alten Gemme dargestellt worden, allein weil er zu klein war, selbst im Verhältniß des Theaters, fiel er zu sehr in das englische Garten Costum.
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Gries war eben bey mir, und zwar zum erstenmal seit Ion. Weist Du warum? ‒ weil ihn seine Taubheit so sehr zur Verzweiflung darin gebracht hat, daß er nun zum erstenmal eine ernstliche Cur gebraucht und nicht ausgehn durfte. Was er gehört und gesehn hätte, habe ihn so begierig gemacht noch mehr zu hören, und so toll auf seine Nachlässigkeit, daß er sich gleich Himly in die Arme geworfen. Er hatte die Jagemann zu kalt gefunden; ich kann es, wenige Stellen ausgenommen, nicht sagen. Man muß sie eben loben, damit sie ganz warm wird. ‒ Becker hat Gries nicht verhehlt, daß er sich die Rolle des Xuthus gewünscht habe. Es ist aber wirklich sehr einsichtsvoll gewesen sie ihm nicht zu geben. ‒ Mephistopheles hat noch erzählt, daß die Teller im höchsten Grad zufrieden mit sich gewesen ist, wie er sie als Pythia angekleidet (denn er hat dies Amt bey allen übernommen ‒ ich denke, wohl nicht von Grund auß), sie ist nicht vom Spiegel gewichen.
Schelling, der in Goethens Hause schlief, hatte sich mit Geist beym zubettgehn ins Gespräch begeben: ob er auch im Schauspiel gewesen? ‒ nein, er habe nicht gekonnt, und es sey ihm sehr leid, denn er habe doch vielfache Gelegenheit gehabt, das Stück zu perlustriren, indem er es für Berlin abgeschrieben und auch die Rollen ausgeschrieben, und der Hr. Geheimrath haben sich so undenkliche Mühe gegeben, ja, ein Punsch könne Wunder thun, und die hätten der Hr. G. R. nicht gespart, hätten auch einen um den andern bey Seit gezogen und sie gebeten: um Gotteswillen, ins Teufels Nahmen (meine Erfindung) spielt gut! ‒ Ist das nicht prächtig?
Gries hatte Schiller vorher gesprochen, der ihm gesagt, er habe mit Willen nicht das geringste vom Stück gelesen, um den Eindruck ganz frisch und rein zu haben. Er soll sehr zufrieden seyn. Nicht so zufrieden wär er vielleicht noch zufriedner.
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12 Jan.
Da mir Kenner und Postenverständige mit großer Zuversicht versichern, daß in diesen schlechten Zeiten Briefe, die man Donnerstag über Leipzig gehn läßt, eben so früh in Berlin sind, als die am Montag zuvor abgehn, so hab ich mich gestern des Wegschickens enthalten, um Dir das Programm beylegen zu können, das bis diesen Augenblick in keinem besondern Abdruck zu haben war, alles Treibens ungeachtet. Schütz hat sogar bey dieser Gelegenheit Höflichkeit gegen Schelling geübt und ihm sein eignes Exemplar zum Durchlesen zugesandt, bis dahin, wo die besondern Abdrücke, die man anfangs gar nicht veranstaltet hatte, fertig seyn würden. Ja, Hufeland würde sein Exemplar für Tiek hergegeben haben, wenn er es nicht gleich hätte cursiren lassen, so daß es erst am Ende des Monats wieder in seine Hände kam. Kurz, es liegt nicht an mir, wenn ihr es früher, etwa mit der wöchentlich versendeten LZ., zu Gesicht bekommen habt, denn ich machte mir einen großen Spaß daraus es euch zuerst zuzuschicken ‒ ihr würdet doch etwas neugierig darüber hergefallen seyn. Uns hat es über alle Beschreibung ergötzt. Dort wird es polemischer wirken. Niemanden wird es recht seyn, und davon hat der alte Herr ein offenbares Bewustseyn gehabt. Die Naivetät, mit der manches ausgedrückt ist, nimmt sich eben so ergötzlich neben dem Grosartigen aus. Beym lezten Übergang kann er gar nicht bergen, diesmal habe ihm die Unternehmung besonders heis zugesetzt. Die allgemeinen Winke kommen mir gut vor, über die einzelnen Würdigungen läßt sich denn freylich viel hin und her reden. Wahrscheinlich hätte er Tiek wärmer gelobt, wenn ihm dessen Äußerungen über Nahl usw. nicht zu Ohren gekommen wären. ‒ Catel sagte mir schon, er solle sie übel vermerkt haben. Die Wohlzogen besonders mag sie ihm sehr ungünstig vorgetragen haben. Das hat ihm misfallen als Indiskretion des jungen Mannes ‒ sie aber dem Künstler entgelten zu lassen ist allerdings Morgue des alten Herrn. Leide es nur nicht, daß sie sich dort unter einander ungebührlich gegen ihn aufhetzen. Wie redlich er es meyne, und daß „er sich treulich bestrebet Kunst und Natur zu fassen“, leuchtet aus jeder Zeile. Ich behaupte, daß er ganz am Ende das Identitäts System im Sinn gehabt hat, so wenig fällt irgend ein Same bey ihm auf unfruchtbaren Boden. Sehr gefällt es mir, daß er gegen Gareis ordentlich grob geworden ist, ohne ihn doch gänzlich zu verwerfen, indem er sagt, „an dergl. rohen Produkten sey auch die wenige Zeit, die der Künstler darauf wende, verloren“.
Schelling hat ihm Dein Zuhörerverzeichniß mitgenommen. Er hat sich aufrichtig gefreut, und bey Schadow gleich bemerkt ‒ nun, der habe es nöthig!
Dem Komödienzettel seh ichs gleich an, daß das Stück von Kotzebue schlecht ist. Goethe hat eins von ihm gelobt, das auch nächstens gegeben werden wird: Der Wirwarr, nehmlich gelobt so in der Art: „wenn man nicht allzu rigoristische Forderungen macht, so kann man ihm die Beleuchtung vielleicht ein klein wenig loben“. Ich hoffe, Kotzebue wird nächstens den Ion zu sehn bekommen, wenn die Jagemann nur erst wieder singen kann, sie hat einen schrecklichen Husten. Seine liebste Christel saß mir gegenüber bey der ersten Vorstellung. Apropos, sieht nicht der Comödienzettel vom Ion sehr geschmackvoll einfach aus?
Du bist in dieser Stunde vielleicht dabey meine Relation zu lesen. Ich erwarte, daß Du mir recht gut dafür seyn wirst.
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Was Du von Friedrich schreibst, sollte mich nicht Wunder nehmen ‒ es gehört alles ins Fach der Cervelatwürste und Liqueure ‒ und doch will es mir immer von neuen wie etwas unerwartetes weh thun. Du scheinst nicht genauer und freundschaftlicher mit ihm wie hier, das ist ein schlimmes Zeichen für ihn. Ich hofte, er würde von Dir und Schleyermacher nicht weichen. ‒ Was wird nun bey dieser Epikurizität aus dem Plato? Heilloser Friedrich! Die Nation scheint ihn ganz zu ihren Leuten zu rechnen, und am Ende läßt er sich von ihr unterhalten. Ich hörte von Frommans, er habe sich neue Kleidung machen laßen, wie der Koffer so lang ausblieb ‒ die hat ihm vielleicht Miss Levy bezahlt. Zur Herz geht er doch wohl nicht?
Julchen hat mich gebeten mich zu erkundigen, ob Tiek viel zur Humbold geht. Schreib es mir also, verrathe sie aber nicht. Ich für mein Theil wünsche zu wissen, ob die Humbold bey der Bernhardi gewesen ist; wo nicht, so stände ihr das über alle Maße übel zu nehmen. Was sind das für Albertäten mit der Sander? Ich bin sehr unschuldig wie gewöhnlich und es ist nur mein Nahme gemisbraucht worden. Du hast hier eigenmundig ‒ nicht mit der Feder, dessen ich mich gar nicht entsinne ‒ bey Tisch von dem Handel gesprochen. Luise wird es der Vieweg wieder gesagt haben; das kann ich mir lebhaft vorstellen. Die Vieweg hat die Sander gewarnt, denn sie bildet sich ein, von dieser sehr geliebt, gelobt und hochgeschätzt zu werden, als welche auch sehr schmeichlerische Briefe an sie ergehn läßt. Nun kann ich mich nur wieder gegen die Vieweg beklagen, so geht es immer rund herum. Mich verdrießt sehr, daß Mad. Sander glauben soll, ich gebe mich mit Médisance über sie ab.

Donnerstag [14. Januar].
Der Kopf brennt mir, ich habe die Nacht nicht geschlafen, und Himmel und Erde haben sich mir zu Zahlen gestaltet. Siehe unten ein Mehrers und die Beylagen. Auch ist es grimmig kalt, und kein Fleck im Hause, außer Deine Stube, wo es ordentlich warm würde, daß ein Mensch zu gute kommen könnte. Ich bin überzeugt, daß wir für 30, ja 50 rh. Holz weniger in einer andern Wohnung brauchen. Bey dieser Construktion der Zimmer und Öfen wird es freventlich durch die Esse gejagt. Bilde Dir ja nicht ein, daß uns je das geringste weggekommen; jezt besonders fällt die Möglichkeit ganz weg. Die Öfen sind die Diebe, wir sehn ja mit Augen, was täglich aufgeht, und zittern dabey wie Espen.
Ein um den andern Tag kommt ein junger Herr, und bittet sich Mamsell Julchen zu einer Schlittenfahrt aus, aber der Schnee wird wohl nicht so bald schmelzen wie das Silber. ‒ Heute ist ein brillantes Pickenik bey Frommans, die Noblesse von Jena und Drakendorf. Sie haben mich zur Theilnehmung eingeladen, aber es war mir nicht möglich mich dazu zu überwinden. Ich hätte mich sehr vergessen müssen, um hier einem Tanz mit Vergessenheit zuzusehn. Ich schicke Julchen hin und mein leztes bischen Thee. Paulus scheinen nicht dabey zu seyn. ‒ Schelling hat an dem nehmlichen Tage, wo ihm Schütz das Programm schickte, Paulus sein Journal gebracht, und ist mit verlegner Devotion empfangen worden. Warum es ihm Schelling gebracht, ist aus dem Gespräch zu ersehn; er darf nun den kleinen Stich nicht rügen.
Mein Freund, thu das Deinige, um Fichten dahin zu bewegen, daß er Schellingen denjenigen nennt, der ihm das dumme Zeug hinterbracht hat; oder ihm wenigstens versichert ‒ wenn er das mit Wahrheit kann nehmlich ‒, daß es nicht durch Paulus an ihn gekommen ist. Es liegt Schelling schwer auf der Seele, daß Hegel, dem er über Paulus mitgetheilt hat, was er Dir mittheilte, auch seine Idee, über Fichtes Weggehn noch etwas bekannt zu machen, das ihn und Niethammer von der ewigen Kränkung als solche genannt zu werden, die ihn im Stich gelassen haben, befreyete; daß dieser sein Freund ihn gegen Paulus einigermaßen verrathen habe. Paulus hätte dann leicht die Erklärung, die für Fichte seyn sollte, als eine gegen diesen gewendet. Überhaupt bitte ich Dich, schreibe mir einmal mit einiger Ruhe; es kommt auf ein paar Stunden an, die Du, seit Du wieder in Berlin bist, mir noch nicht geschenkt hast. Deswegen hast Du auch eben auf den Auftrag, den Dir Schelling gab, weder geantwortet, noch darauf geachtet. Deine Vorlesungen nehmen Dir freylich wohl viel Zeit, aber alle? Du wirst doch jetzt mit Fichte ausführlich gesprochen haben. Schelling hat ihm einen so warmen Brief geschrieben, daß ich glauben sollte, F. würde ihm wieder gut. Es war aller Eifer der aufrichtigsten Gesinnung darin ausgedrückt.
Scheint Dir die Einleitung des Journals nicht sehr vortreflich componirt und abgefaßt?
Du findest inliegend einen Zettel mit den griechischen Citaten.
Jacobs in Gotha hat einen Ruf nach Kiel, der so vortheilhaft ist, daß es nahe daran war, ob er sein väterlich Nest verließe. Doch ist er wieder glücklich sitzen geblieben. Der Herzog hat ihn bey der großen Bibliothek mit angestelt und ihm 500 rh. Zulage gegeben, so daß er jetzt 1200 rh. hat. Roose wird auch wohl bleiben, aber Hr. Feuerbach spedirt sich nach Kiel in dem nehmlichen Wagen, der den Juristen Thibaud herbringt. Apropos von Dänen, der Möller ist ein sehr schöner Mensch, und von Steffens hört man nichts.
Die Vieweg hat auch folgende Opinion von sich gegeben. Sie hat Luisen ausgefragt, wo ich logiren werde und wo Du logirest. Luise hat ihr gesagt, was sie wuste, daß Grattenauers ein Zimmer angeboten usw. „Also nicht zusammen? Da würden die Berliner viel zu sagen wissen“.
Ich berichte es Dir, mein Schatz, damit Du auch wohl überlegest. Mir ist bisher noch nicht eingefallen, was die Berliner sagen werden, das ist Deine Sache. [Finanzielles.]
Verlautet es nicht, wann Friedrich nach Dresden geht? Mad. ist hier in der tiefsten Obscurität. ‒ Ich habe Dir doch geschrieben, daß Tiek Manusscript vom Kaiser Octavian geschickt hat. Das wird die ganze Herrlichkeit seyn.
Noch ist Goethe nicht hier.

[Nachschrift.]
Ich bekomme das Programm so eben erst und bin genöthigt es noch am Ofen zu trocknen.

[Besonderes Blatt, wohl zugehörig.]
Höre, Freund, und merke auf, obgleich von Geldsachen die Rede seyn wird, welches Dir höchst fatal ist, wie mir wohl bewußt, weswegen ich sie auch am liebsten auf 40 Meilen in die Weite von Dir abthue.
Du weißt, daß ich das Kapital von 1000 rh. in Hannover gekündigt habe. Es wird Anfang Februars ausgezahlt. Nun kam mir diese Summe unermeßlich vor, obgleich Philipp davon bezahlt werden sollte ‒ ich dachte 7 Meilen Stiefel Schritte damit zu thun und noch der Mutter (die wegen des Proceß mit Arnemann, der die Zinsen seit Jahr und Tag nicht zahlt und der ärgste Filou ist, in Verlegenheit kommt, und eine kleine Summe in reserve liegen zu haben wünscht) auszuhelfen, ja ich versprach Schellingen etwas zu leihen bis Ostern wenigstens, damit er nicht zu schnell arbeiten sollte und es desto besser werden würde. Lauter Rechnungen ins Blaue hinein! Meine tausend rh. sind nicht die unendliche Welt mehr, sondern eine übersehliche kleine Erdkugel. Sie reichen kaum, wie beyliegende Übersichten besagen, für das Bedürfniß des Augenblicks hin, und das hat mich allerdings heiß und angst gemacht, bis ich mich mit Hülfe der Anschauung des Ewigen wieder gefaßt habe.
Das große Deficit liegt, dünkt mich, mehr im Mangel von Einnahmen, die seit Jahr und Tag zufällig geschmälert worden, als selbst in der zerstreut und getrennt geführten Wirtschaft. Denn wenn mein Freund überlegen will, daß ich ihm seit dem Sommer 1800 nichts gekostet ‒ indem ich seit dieser Zeit völlig 1500 rh. aus meinem Vermögen hergegeben, nehmlich jetzt die 1000 rh. und über 200 rh. nebst Zinsen, die ich von Göttingen mit nach Braunschweig brachte ‒ so kann er nicht sagen, daß die Umstände seine Finanzen beeinträchtigt haben, Du hast die Rechnung über fast alles Geld, was Du mir seitdem gegeben, das zur Reise nach und von Bamberg verwandte etwa ungerechnet, aber mitgerechnet alles dieses, und alles das, was in beygehenden Papieren auf meine persönliche Rechnung fällt, wird es doch herauskommen, daß Du mehr von mir bekommen als für mich und auf Veranlassung meiner verwendet hast.
Diese Bemerkung nur, mein herrlicher Schlegel (nehmlich mein herrischer), damit ich mich wie billig vor jedem Vorwurf sauviere ‒ denn außerdem, ah mon dieu, wenn ich nur recht viel hätte, um Dir recht viel zu geben! Es ist weiter nichts, als daß Du nicht erbst, was wir zusammen verzehren. ‒ Ich habe auch für die Zukunft die Zuversicht, daß Du immer mehr gewinnen wirst, daß Flut eintreten wird nach der Ebbe, und daß uns dieses Zusetzen des Capitals ‒ welches Du von Deiner Seite auch hast thun müssen ‒ nicht in Noth bringen wird. In meiner jezigen Lage, von aller Sorge für andre verwaiset, habe ich eigentlich nur die Einbuße der jährlichen Zinsen zu rechnen.
Wirklich habe ich mir gleich nichts anders gedacht als höchstens 200 rh. von diesen 1000 davon zu bringen, nur hoft ich mit den andern weiter zu reichen, ZB. etwas Linnen zu kaufen und Wäsche ins Haus, woran es zu fehlen beginnt, auch noch 6 silberne Löffel, und zierlichere Tischmesser und Gabel[n] für Gäste ‒ mir aber ein für allemal statt aller Behelfe einen Pelz ‒ item wollte ich mich frank und frey nach Berlin liefern ohne Dir ein Wort davon zu sagen.
Was ist nun zu thun? Mein erster Ausweg bey der Entdeckung war, ich wollte die Reise nach Berlin unterlassen, wie mir auch Deine Mutter dringlich gerathen, denn allerdings brauche ich hier (ob mein Hausstand gleich über die Gebühr groß ist, für eine einzelne Frau, aber ich hatte, ohne Deinen Plan für den Winter zu wissen, die Köchin gemiethet) weniger wie in Berlin. Allein das wirst Du nicht wünschen, und die Wahrheit zu sagen, ich wünsche es auch nicht, da meine Gesundheit mir nicht bestimmt im Wege ist. Ich will gern kommen, und Dich dort sehn, und Dir wo möglich noch ein wenig Ehre machen, indem ich mich nicht unaufgelegt zum liebenswürdig seyn fühle.
Schreibe mir daher gleich, wie ichs am besten einrichten kann. Ich habe mich hier schon nach Reisegesellschaft umgesehn, aber noch nichts gehört. Gries ginge mit, wenn ihn der Tasso nicht hielte. Schelling wird durchaus um die Zeit nicht können, es fehlt ihm selbst an Geld dazu.
... Ehe alle die Geldangelegenheiten in Ordnung sind, kann ich so nicht von hier und bin also erst gegen das Ende des Februar in Bereitschaft, höchstens in der Mitte. Das hängt dann weiter von Dir ab, ob ich auch noch später kommen soll. ‒ Wir haben es so von beyden Seiten angekündigt, daß ich auch deswegen kommen muß. ‒ Oder willst Du mich etwa nicht, guter, lieber, anmuthiger Freund?
Sieh die Rechnungen nur ja genau durch, nicht so flüchtig, als wenn Du Dir die Finger damit verbrenntest. Dann wirst Du auch sehen, daß ich mich einer schrecklichen Deutlichkeit dabey befleißigt habe.
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