• Caroline von Schelling an August Wilhelm von Schlegel

  • Absendeort: Jena · Empfangsort: Unbekannt · Datum: 21.01.1802
Editionsstatus: Einmal kollationierter Druckvolltext mit Registerauszeichnung
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    Briefkopfdaten
  • Absender: Caroline von Schelling
  • Empfänger: August Wilhelm von Schlegel
  • Absendeort: Jena
  • Empfangsort: Unbekannt
  • Datum: 21.01.1802
  • Anmerkung: Absendeort erschlossen.
    Druck
  • Datengeber: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: 370516575
  • Bibliographische Angabe: Schelling, Caroline von: Briefe aus der Frühromantik. Nach Georg Waitz vermehrt hg. v. Erich Schmidt. Bd. 2. Leipzig 1913, S. 280‒283 u. S. 634‒635 (Kommentar).
  • Incipit: „[Jena] Donnerstag d. 21 Jan. [18]02.
    Lieber Schlegel, Du mußt es nicht vor ungut deuten, daß ich seit Montag meinen Sinn geändert, [...]“
    Handschrift
  • Datengeber: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: DE-611-36905
  • Signatur: Mscr.Dresd.e.90,XIX,Bd.22,Nr.18
  • Blatt-/Seitenzahl: 8 S. auf Doppelbl. u. 2 S., hs.
  • Format: 18,6 x 11,3 cm
[Jena] Donnerstag d. 21 Jan. [18]02.
Lieber Schlegel, Du mußt es nicht vor ungut deuten, daß ich seit Montag meinen Sinn geändert, und auf meinen ersten zurückgekommen bin. Es war unbedacht von mir, daß ich glaubte so lange mit dem Geld warten zu können, da ich wußte, daß ich zusammt Prof. Schelling nichts mehr hatten; ich schmeichelte mir nur, ihm würden Collegiengelder zutröpfeln, deren er noch über 100 rh. ausstehn hat (was ein fataler Umstand bey dem hiesigen Lesen ist); das geschah indeß nicht und so fürchtete ich eben innerhalb dieser nächsten 8‒14 Tage in Noth zu gerathen (denn eher wird Schelling auch von Cotta nichts bekommen). Späterhin hats keine Noth. [Geldsachen.]
–––––
Heute hat Spatzier Schelling den Abdruck des Ion geschickt, mit devotester Dankbezeugung für den interressanten Aufsatz und den Vorzug, den er der Eleganten Zeitung habe geben wollen, und Bitte um mehr. (Nach der Aufführung von Turandot denk ich ihm auch noch mehr zu liefern, Du kannst es ihm ja insinuiren, daß Schelling ihm nur auf Deine Verwendung etwas schickt). Recht artig nimmt sich mein zarter Bericht aus. Ich setze zum voraus, daß Du doch in Berlin die Zeitung gleich siehst, und lege das Blatt nicht bey, obwohl ich es im Vertrauen auf die Gunst des lahmen Postschreibers thun könnte, der für mein leztes mit der LZ. nur 3 Gr. genommen hat.
Daß er darüber gesetzt hat: Ion Schauspiel nach dem Euripides, ist Spatziers Weisheit. Meine Dummheit aber, daß ich der Wiederholung des Stücks nicht erwähnt habe.
Goethe ist da, er hat Schelling zu wissen gethan, er wär tief in Arbeit und wolle ihn erst bey mehr Muße sehn. Also kann ich Dir noch nichts melden. Hätte er aber von Berlin Nachricht von Ion, so würde er es Schelling gewiß geschrieben haben. Die Unzelmann sieht wohl Iffland nicht mehr, aber die Meyer müste doch etwas gehört haben können.
Mad. Veit hat die Bücher geschickt, welche Friedrich laut seinem Zettel, den Du mir in Verwahrung gabst, von Dir hatte. Galathea und den Calderone ausgenommen, die er mit nach Berlin genommen hat.
Der Holzbauer sagte eben aus (bessere Nachrichten hab ich nicht über sie), Mad. Veit reise Montags weg. Du hast unstreitig das fatale Geschäft Charlotten zu schreiben bey Seit gesetzt. Mag alles auch nur seine gewiesenen Wege gehn, und die herrliche Fracht ohne avis Brief anlangen. Wenn sie Charlotte erträglich findet, oder gar gefällt, so kann es blos seyn, weil sie eine schwache Seite benutzt und gränzenlos schmeichelt. Ehrlicher weise ists nicht möglich.
Meine Schwester hat große Bekümmernisse. Sie fürchten nehmlich nächstens einmal nach Helmstädt aus Gnaden versetzt zu werden, denn der Herzog hat Roosen dieselben Vortheile, die er in Kiel haben würde, für Helmstädt angeboten, für Braunschweig nichts, aber ganz und gar nichts, denn sie bilden sich fest [ein], Roose würde wegen seiner Frau nicht aus der Gegend gehn können, wo sie ihre Eltern hat, denen sie anhängt wie allem, das ihr angehört. Er thuts aber doch, und es ist schon so gut wie ausgemacht. Nun ist noch der Platz des Anatomen in Helmstädt unbesetzt, so daß Wiedemannen das Schwerd über dem Haupt hängt. Die Alternative ist einen schlechten chicaneusen Menschen im ObersanitätsCollegium zum Gefährten zu bekommen, der Himlys Stelle ersetzt, und Roosen zu verlieren.
Freund, es herrscht eine schlechte Witterung. Wind, Regen, Schnee, Eis, Glätte, Nässe und obendrein feuchte Luft. O wie anders muß es werden, eh ich reisen kann. Ich ängstige mich so sehr vor der Reise, als ich mich auf das Ziel derselben freue. Die Lüneburger Heide liegt mir im Sinn.
Ein schöner Pelz, ein Duzend Häubchen und Mützen sind in Arbeit, die Luise fabrizirt. Du siehst, wie ernst es mir ist.
Lebe wohl, lieber guter Freund, Gott behüte Dich. Ich hoffe, Du hast Dich von dem Schreck zu Anfang dieses erholt. Schelling läßt Dich sehr grüßen. Leb recht wohl.
Ich vergaß eines fulminanten Manifestes zu erwähnen von Cotta gegen Nicolai, daß jener Schelling für den Umschlag des 2ten Heftes zugeschickt hat. Es ist gegen die Äußerungen [von] Nicolai in seiner Gegenrede über Fichtens Schrift gerichtet. Vermuthlich steht es schon sonst wo abgedruckt. Weißt Du davon?
Ich dächte, Nicolai müßte nun bald todt gesteinigt seyn.
Gestern haben Hr. und Mad. Niethammer Thee bey mir getrunken, auch Möller, der mich oft besucht, und, wie schon gesagt, ein wunderschöner Mensch ist.

[In den Rechnungsbeilagen.]
Der Ion hat mich wirklich über 7 rh. gekostet, weil ich gezwungen war über Nacht zu bleiben und Schelling den Wagen für dießmal nicht bezahlen lassen wollte, da er sein Pferd neben an reiten ließ, um später zurückkehren zu können. Von den 6 Logen Billets gab ich 2 zurück, und schenkte Carl eins, der sich mit dem Verkaufen Deiner Bücher so redlich abmüht.
[Jena] Donnerstag d. 21 Jan. [18]02.
Lieber Schlegel, Du mußt es nicht vor ungut deuten, daß ich seit Montag meinen Sinn geändert, und auf meinen ersten zurückgekommen bin. Es war unbedacht von mir, daß ich glaubte so lange mit dem Geld warten zu können, da ich wußte, daß ich zusammt Prof. Schelling nichts mehr hatten; ich schmeichelte mir nur, ihm würden Collegiengelder zutröpfeln, deren er noch über 100 rh. ausstehn hat (was ein fataler Umstand bey dem hiesigen Lesen ist); das geschah indeß nicht und so fürchtete ich eben innerhalb dieser nächsten 8‒14 Tage in Noth zu gerathen (denn eher wird Schelling auch von Cotta nichts bekommen). Späterhin hats keine Noth. [Geldsachen.]
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Heute hat Spatzier Schelling den Abdruck des Ion geschickt, mit devotester Dankbezeugung für den interressanten Aufsatz und den Vorzug, den er der Eleganten Zeitung habe geben wollen, und Bitte um mehr. (Nach der Aufführung von Turandot denk ich ihm auch noch mehr zu liefern, Du kannst es ihm ja insinuiren, daß Schelling ihm nur auf Deine Verwendung etwas schickt). Recht artig nimmt sich mein zarter Bericht aus. Ich setze zum voraus, daß Du doch in Berlin die Zeitung gleich siehst, und lege das Blatt nicht bey, obwohl ich es im Vertrauen auf die Gunst des lahmen Postschreibers thun könnte, der für mein leztes mit der LZ. nur 3 Gr. genommen hat.
Daß er darüber gesetzt hat: Ion Schauspiel nach dem Euripides, ist Spatziers Weisheit. Meine Dummheit aber, daß ich der Wiederholung des Stücks nicht erwähnt habe.
Goethe ist da, er hat Schelling zu wissen gethan, er wär tief in Arbeit und wolle ihn erst bey mehr Muße sehn. Also kann ich Dir noch nichts melden. Hätte er aber von Berlin Nachricht von Ion, so würde er es Schelling gewiß geschrieben haben. Die Unzelmann sieht wohl Iffland nicht mehr, aber die Meyer müste doch etwas gehört haben können.
Mad. Veit hat die Bücher geschickt, welche Friedrich laut seinem Zettel, den Du mir in Verwahrung gabst, von Dir hatte. Galathea und den Calderone ausgenommen, die er mit nach Berlin genommen hat.
Der Holzbauer sagte eben aus (bessere Nachrichten hab ich nicht über sie), Mad. Veit reise Montags weg. Du hast unstreitig das fatale Geschäft Charlotten zu schreiben bey Seit gesetzt. Mag alles auch nur seine gewiesenen Wege gehn, und die herrliche Fracht ohne avis Brief anlangen. Wenn sie Charlotte erträglich findet, oder gar gefällt, so kann es blos seyn, weil sie eine schwache Seite benutzt und gränzenlos schmeichelt. Ehrlicher weise ists nicht möglich.
Meine Schwester hat große Bekümmernisse. Sie fürchten nehmlich nächstens einmal nach Helmstädt aus Gnaden versetzt zu werden, denn der Herzog hat Roosen dieselben Vortheile, die er in Kiel haben würde, für Helmstädt angeboten, für Braunschweig nichts, aber ganz und gar nichts, denn sie bilden sich fest [ein], Roose würde wegen seiner Frau nicht aus der Gegend gehn können, wo sie ihre Eltern hat, denen sie anhängt wie allem, das ihr angehört. Er thuts aber doch, und es ist schon so gut wie ausgemacht. Nun ist noch der Platz des Anatomen in Helmstädt unbesetzt, so daß Wiedemannen das Schwerd über dem Haupt hängt. Die Alternative ist einen schlechten chicaneusen Menschen im ObersanitätsCollegium zum Gefährten zu bekommen, der Himlys Stelle ersetzt, und Roosen zu verlieren.
Freund, es herrscht eine schlechte Witterung. Wind, Regen, Schnee, Eis, Glätte, Nässe und obendrein feuchte Luft. O wie anders muß es werden, eh ich reisen kann. Ich ängstige mich so sehr vor der Reise, als ich mich auf das Ziel derselben freue. Die Lüneburger Heide liegt mir im Sinn.
Ein schöner Pelz, ein Duzend Häubchen und Mützen sind in Arbeit, die Luise fabrizirt. Du siehst, wie ernst es mir ist.
Lebe wohl, lieber guter Freund, Gott behüte Dich. Ich hoffe, Du hast Dich von dem Schreck zu Anfang dieses erholt. Schelling läßt Dich sehr grüßen. Leb recht wohl.
Ich vergaß eines fulminanten Manifestes zu erwähnen von Cotta gegen Nicolai, daß jener Schelling für den Umschlag des 2ten Heftes zugeschickt hat. Es ist gegen die Äußerungen [von] Nicolai in seiner Gegenrede über Fichtens Schrift gerichtet. Vermuthlich steht es schon sonst wo abgedruckt. Weißt Du davon?
Ich dächte, Nicolai müßte nun bald todt gesteinigt seyn.
Gestern haben Hr. und Mad. Niethammer Thee bey mir getrunken, auch Möller, der mich oft besucht, und, wie schon gesagt, ein wunderschöner Mensch ist.

[In den Rechnungsbeilagen.]
Der Ion hat mich wirklich über 7 rh. gekostet, weil ich gezwungen war über Nacht zu bleiben und Schelling den Wagen für dießmal nicht bezahlen lassen wollte, da er sein Pferd neben an reiten ließ, um später zurückkehren zu können. Von den 6 Logen Billets gab ich 2 zurück, und schenkte Carl eins, der sich mit dem Verkaufen Deiner Bücher so redlich abmüht.
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