• Caroline von Schelling to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Jena · Place of Destination: Berlin · Date: 28. Januar [1802]
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
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    Metadata Concerning Header
  • Sender: Caroline von Schelling
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Jena
  • Place of Destination: Berlin
  • Date: 28. Januar [1802]
  • Notations: Datum (Jahr) sowie Absende- und Empfangsort erschlossen.
    Printed Text
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: 370516575
  • Bibliography: Schelling, Caroline von: Briefe aus der Frühromantik. Nach Georg Waitz vermehrt hg. v. Erich Schmidt. Bd. 2. Leipzig 1913, S. 286‒289 u. S. 635 (Kommentar).
  • Incipit: „[Jena] d. 28 Jan. [1802].
    Wiederum keinen Brief? Und in dem an Schelling wird versprochen: nächsten Postag, und eine unterhaltende Neuigkeit obendrein? [...]“
    Manuscript
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: DE-611-36905
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XIX,Bd.22,Nr.21
  • Number of Pages: 8 S. auf Doppelbl., hs.
  • Format: 18,7 x 11,5 cm
[Jena] d. 28 Jan. [1802].
Wiederum keinen Brief? Und in dem an Schelling wird versprochen: nächsten Postag, und eine unterhaltende Neuigkeit obendrein? Ein Glück, daß ich über meine Neugier viel Herrschaft ausübe; was wird es freylich auch eben seyn ‒ die Kuhpocken ein Schauspiel von Fr. Rambach, oder Brennus eine Quartalschrift von Niemand?
Mein Freund, Du erklärst meinen Zorn in Permanenz durch Deine Versäumniß. Ich werde heut den besten Theil davon für mich behalten, weil doch wohl übermorgen etwas von Dir kommen wird ‒ aber im Ernst, ist eine Correspondentin wie ich nicht besseres werth?
Der Brief an Schelling sagt mir nichts von allem, was ich wissen muß und wissen will, steht also nicht zu rechnen.
Ich weiß nicht, warum ich heut schreibe ‒ theils geschieht es wohl um Dich zu ermahnen, daß doch ja Übermorgen der erwartete Brief komme, theils aus Desperation ‒ ich befinde mich so übel, daß ich nichts geringeres zu thun weiß als schreiben, doch hat es weiter nichts zu sagen, es rührt von einer kleinen Übernehmung im röthlichen Chrystall eines Rebhuhnauges her. Mein Styl ist fast so auserlesen, wie der des Don Armado, merk ich.
Mich deucht, ich weiß eigentlich ganz und gar nichts von Dir seit geraumer Zeit, welches ich übrigens nicht für zärtliche Vorwürfe zu nehmen bitte. Ich bin ganz ernsthaft dabey wie eine ernste Freundin.
–––––
Fichte hat freylich geschrieben lang und breit, und ich werde nicht nöthig haben Dir das Detail davon mitzutheilen, da Du es aus seinen Äußerungen hast abnehmen können. Er ist denn doch immer stark der Lehrer drin, der nur Schüler kennt. Aber mittheilen muß ich Dir zum Verständniß der vielleicht nächsten Äußerungen von seiner Seite, daß sein Brief an Schad ein sehr schlechtes Zwischenspiel macht, und daß es unmöglich war für Schelling es in seiner, bereits vorigen Postag abgegangnen Antwort an Fichte zu ignoriren. Denn in diesem Brief hat F. schon alles gebrochen, was er Schelling auch im äußersten Falle gelobt: er hat in seiner Wuth alle Achtung aus den Augen gesetzt. Wir haben das Schreiben selbst gesehn. Schad hat es niemanden geheim gehalten, wie auch wohl nicht die Absicht war, und hat es auf den ersten Wink Schelling selbst gebracht, indem er gänzlich auf dessen Seite zu seyn sich erklärt. Hierin steht, er gedenke Schellings Vorgeben in seiner ganzen Blöße darzuthun, Sch. verstehe die W[issenschafts]L[ehre] nicht besser, wie sie Fr. Nicolai auch verstehe usw.; alles ist in diesem Ton, und in einem noch schlechteren als dieser der lächelnde sich verbergen wollende Grimm darin.
Schelling hat ihm mit Mäßigung geschrieben, dafür steh ich Dir, und hat, um das weitere bis dahin abzuschneiden, seiner Hoffnung erwähnt ihn im Frühjahr persönlich zu begrüßen, ‒ welche er auch hegt, ob er gleich viel später, wie ich zu reisen gedenke, kommen kann. Du wirst im vorkommenden Fall mit diesen Nachrichten verfahren, wie es Deine Klugheit mit sich bringt.
Schelling bittet Dich sehr, den guten Gedanken mit der Persifflirung des überflüssigen Taschenbuchaufsatzes (das wir noch nicht gesehn haben) nicht fallen zu lassen. Es würde ihm ein sehr werthes Geschenk seyn, was er Dir auch gern vergelten wolle. Er trägt auch großes Belieben zu dem Distichon, das er exellent findet ‒ das komt aber wohl in den Brennus.
Goethe hat nichts von Berlin vernommen, er hat sich im Gegentheil stark erkundigt, ob Du noch nichts wüstest. Und was die Sage vom Herzog und Schiller betrift, dem wird hiemit völlig widersprochen.
Die Veit ist noch hier, ich glaube, sie kann nicht weg. Rose erzählte uns, da hätten sie jetzt ihre große Noth bey der Mad. Veit, die Leute, die noch zu fordern hätten, liefen ihr das Haus ein, und ihre Aufwärterin klagte, sie würde allenthalben angerufen, weil sie die Sachen geholt hätte, wollten sie nun auch das Geld von ihr haben. Auch aus Weimar kommen Rechnungen, denn sie werden hier ins Haus gebracht. Es ist doch eine heillose Wirthschaft.
–––––
Wir verlieren höchst wahrscheinlich den braven gelehrten und langweiligen Ilgen. Er steht schon seit einiger Zeit in Unterhandlung mit dem sächsischen Hofe, der ihn zum Direktor auf Schulpforte verlangt unter vortheilhaften Bedingungen, er besteht nur noch auf völliger Schreibefreyheit, und man glaubt, sie wird ihm zugestanden werden.
Als Nachfolger in der Professur der Orientalik wird Augusti schon genannt.
Es hat verlautet, die Veit ginge erst nach Berlin. Daran ist doch wohl nichts?
Vermehren hat die hohe Vaterwürde überkommen ‒ ein Sohn ist ihm gebohren. Er soll sich ganz unklug anstellen, und die vielen Sonnette mag ich nicht zählen, die er an Aa und pipi und die Windeln und Wickeln des neugebohrnen machen wird. So eben ist dagegen im Vorderhaus der kleine hübsche Junge gestorben, welcher der einzig übrigbleibende des Nahmens Eckart war.
Ich kann nun nicht mehr.
Habt ihr auch so schönen Sonnenschein?
Adieu, mein Lieber, obwohl ich Dich hassen werde, bis Du mir ordentlich schreibst.
Sehr hat uns Fichtes vornehme Ankündigung und die Zeitentschädigung divertirt.
[Jena] d. 28 Jan. [1802].
Wiederum keinen Brief? Und in dem an Schelling wird versprochen: nächsten Postag, und eine unterhaltende Neuigkeit obendrein? Ein Glück, daß ich über meine Neugier viel Herrschaft ausübe; was wird es freylich auch eben seyn ‒ die Kuhpocken ein Schauspiel von Fr. Rambach, oder Brennus eine Quartalschrift von Niemand?
Mein Freund, Du erklärst meinen Zorn in Permanenz durch Deine Versäumniß. Ich werde heut den besten Theil davon für mich behalten, weil doch wohl übermorgen etwas von Dir kommen wird ‒ aber im Ernst, ist eine Correspondentin wie ich nicht besseres werth?
Der Brief an Schelling sagt mir nichts von allem, was ich wissen muß und wissen will, steht also nicht zu rechnen.
Ich weiß nicht, warum ich heut schreibe ‒ theils geschieht es wohl um Dich zu ermahnen, daß doch ja Übermorgen der erwartete Brief komme, theils aus Desperation ‒ ich befinde mich so übel, daß ich nichts geringeres zu thun weiß als schreiben, doch hat es weiter nichts zu sagen, es rührt von einer kleinen Übernehmung im röthlichen Chrystall eines Rebhuhnauges her. Mein Styl ist fast so auserlesen, wie der des Don Armado, merk ich.
Mich deucht, ich weiß eigentlich ganz und gar nichts von Dir seit geraumer Zeit, welches ich übrigens nicht für zärtliche Vorwürfe zu nehmen bitte. Ich bin ganz ernsthaft dabey wie eine ernste Freundin.
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Fichte hat freylich geschrieben lang und breit, und ich werde nicht nöthig haben Dir das Detail davon mitzutheilen, da Du es aus seinen Äußerungen hast abnehmen können. Er ist denn doch immer stark der Lehrer drin, der nur Schüler kennt. Aber mittheilen muß ich Dir zum Verständniß der vielleicht nächsten Äußerungen von seiner Seite, daß sein Brief an Schad ein sehr schlechtes Zwischenspiel macht, und daß es unmöglich war für Schelling es in seiner, bereits vorigen Postag abgegangnen Antwort an Fichte zu ignoriren. Denn in diesem Brief hat F. schon alles gebrochen, was er Schelling auch im äußersten Falle gelobt: er hat in seiner Wuth alle Achtung aus den Augen gesetzt. Wir haben das Schreiben selbst gesehn. Schad hat es niemanden geheim gehalten, wie auch wohl nicht die Absicht war, und hat es auf den ersten Wink Schelling selbst gebracht, indem er gänzlich auf dessen Seite zu seyn sich erklärt. Hierin steht, er gedenke Schellings Vorgeben in seiner ganzen Blöße darzuthun, Sch. verstehe die W[issenschafts]L[ehre] nicht besser, wie sie Fr. Nicolai auch verstehe usw.; alles ist in diesem Ton, und in einem noch schlechteren als dieser der lächelnde sich verbergen wollende Grimm darin.
Schelling hat ihm mit Mäßigung geschrieben, dafür steh ich Dir, und hat, um das weitere bis dahin abzuschneiden, seiner Hoffnung erwähnt ihn im Frühjahr persönlich zu begrüßen, ‒ welche er auch hegt, ob er gleich viel später, wie ich zu reisen gedenke, kommen kann. Du wirst im vorkommenden Fall mit diesen Nachrichten verfahren, wie es Deine Klugheit mit sich bringt.
Schelling bittet Dich sehr, den guten Gedanken mit der Persifflirung des überflüssigen Taschenbuchaufsatzes (das wir noch nicht gesehn haben) nicht fallen zu lassen. Es würde ihm ein sehr werthes Geschenk seyn, was er Dir auch gern vergelten wolle. Er trägt auch großes Belieben zu dem Distichon, das er exellent findet ‒ das komt aber wohl in den Brennus.
Goethe hat nichts von Berlin vernommen, er hat sich im Gegentheil stark erkundigt, ob Du noch nichts wüstest. Und was die Sage vom Herzog und Schiller betrift, dem wird hiemit völlig widersprochen.
Die Veit ist noch hier, ich glaube, sie kann nicht weg. Rose erzählte uns, da hätten sie jetzt ihre große Noth bey der Mad. Veit, die Leute, die noch zu fordern hätten, liefen ihr das Haus ein, und ihre Aufwärterin klagte, sie würde allenthalben angerufen, weil sie die Sachen geholt hätte, wollten sie nun auch das Geld von ihr haben. Auch aus Weimar kommen Rechnungen, denn sie werden hier ins Haus gebracht. Es ist doch eine heillose Wirthschaft.
–––––
Wir verlieren höchst wahrscheinlich den braven gelehrten und langweiligen Ilgen. Er steht schon seit einiger Zeit in Unterhandlung mit dem sächsischen Hofe, der ihn zum Direktor auf Schulpforte verlangt unter vortheilhaften Bedingungen, er besteht nur noch auf völliger Schreibefreyheit, und man glaubt, sie wird ihm zugestanden werden.
Als Nachfolger in der Professur der Orientalik wird Augusti schon genannt.
Es hat verlautet, die Veit ginge erst nach Berlin. Daran ist doch wohl nichts?
Vermehren hat die hohe Vaterwürde überkommen ‒ ein Sohn ist ihm gebohren. Er soll sich ganz unklug anstellen, und die vielen Sonnette mag ich nicht zählen, die er an Aa und pipi und die Windeln und Wickeln des neugebohrnen machen wird. So eben ist dagegen im Vorderhaus der kleine hübsche Junge gestorben, welcher der einzig übrigbleibende des Nahmens Eckart war.
Ich kann nun nicht mehr.
Habt ihr auch so schönen Sonnenschein?
Adieu, mein Lieber, obwohl ich Dich hassen werde, bis Du mir ordentlich schreibst.
Sehr hat uns Fichtes vornehme Ankündigung und die Zeitentschädigung divertirt.
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