• August Wilhelm von Schlegel to Sophie Bernhardi

  • Place of Dispatch: Neapel · Place of Destination: München · Date: 27.02.1805
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
  • XML
    Metadata Concerning Header
  • Sender: August Wilhelm von Schlegel
  • Recipient: Sophie Bernhardi
  • Place of Dispatch: Neapel
  • Place of Destination: München
  • Date: 27.02.1805
    Printed Text
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: 335976727
  • Bibliography: Krisenjahre der Frühromantik. Briefe aus dem Schlegelkreis. Hg. v. Josef Körner. Bd. 1. Der Texte erste Hälfte. 1791‒1808. Bern u.a. ²1969, S. 187‒189.
  • Incipit: „Neapel d. 27 Febr 1805
    Wie glücklich bin ich, meine theuerste Freundin, endlich wieder einen Brief von Ihrer Hand zu haben. Diese [...]“
Neapel d. 27 Febr 1805
Wie glücklich bin ich, meine theuerste Freundin, endlich wieder einen Brief von Ihrer Hand zu haben. Diese Verspätung der Nachrichten, diese Verwirrung im Briefwechsel ist das Ungemach der Reise. Sie vermuthen mich in Ihrem Briefe noch in Coppet, und ich erhalte ihn erst hier, in der weitesten Entfernung, unten in Italien. Ich habe Ihnen von Mailand aus weitläuftig geschrieben, früher war es nicht möglich, weil bis dahin auf unsrer Reise über Lyon und Turin alles den Umweg über Paris gemacht haben und doch nicht früher zu Ihnen gelangt seyn würde. Hoffentlich sind diese Blätter noch in Ihre Hände gekommen und haben Sie überzeugt, wie sehr Ihr Glück und Ihre Zufriedenheit mit meinem Antheil daran mir am Herzen liegt. In Rom wo wir uns bis jetzt nur 12 Tage aufgehalten, erhielt ich einen Brief von Ihrem Bruder mit der Nachricht von Ihrer Abreise nach München, aber ohne Ihre Addresse also ohne die Möglichkeit Ihnen zu schreiben. Auch diese Zeilen sende ich nur aufs Gerathewohl, da Sie vermuthlich schon abgereist sind, wenn sie nach München gelangen. Die Hauptsache ist die Aussicht uns wieder zu treffen, glücklicher Weise ist in Ansehung derselben unser Reiseplan nicht geändert, in etwa 10 Tagen sind wir wieder in Rom und bleiben dort bis Mitte Aprils nach den Osterfesttagen. Sollten Sie wieder alles Verhoffen dann noch nicht dort angekommen seyn so müßten Sie mir zulieb den kleinen Umweg über Venedig machen, wo wir in den ersten Tagen des Maies ankommen werden. Endlich könnten wir uns auch in Verona treffen, welches ganz auf Ihrem Wege liegt, wir berühren es auf der Rückreise von Venedig nach Mailand, und müssen nach meiner Rechnung etwas nach der Mitte des Maies daselbst eintreffen. Es ist mir, wie Sie leicht denken können, von einer unendlichen Wichtigkeit, daß wir uns nicht verfehlen, so vieles läßt sich nur mündlich abreden und alle Briefe bleiben unvollkommen. Ich hoffe Sie fühlen das gleiche Bedürfniß, und werden also Ihre Reise womöglich so bestimmt haben, daß ich dieses so ersehnten ja ich darf sagen unentbehrlichen Wiedersehns nicht verlustig werde. – Wenn nur Tiecks Arbeiten nicht zu langen Aufenthalt verursachen. Doch die für Fr.[au] v. St.[aël] übernommene wird er nun erst in Rom anfangen, und es ist auch deswegen nöthig, daß wir uns sprechen.
Der erste und wesentliche Schritt in Ansehung Ihrer Lage mit B.[ernhardi] ist geschehn, wie mich dünkt, nämlich der, sich noch weiter als W.[eimar] von ihm zu entfernen. Daß Sie so lebhaft die überstandnen Leiden hintennach fühlen ist nur allzu natürlich, doch scheint es mir nach allem bisherigen klar, daß er sich auf alle Weise fügen wird, wie er muß und Ihnen nicht lange mehr wird beschwerlich fallen können. Die Heucheley mit dem Verlangen nach den Kindern wird er ebenfalls bald einstellen, da es ihm doch nur darum zu thun ein sinnliches und träges Leben zu führen. Meine hauptsächliche Sorge ist die Herstellung Ihrer Gesundheit. Ich hoffe unendlich viel von der gänzlichen Entfernung von allen bisherigen Verdrießlichkeiten, und von der Veränderung des Klimas. Freylich wäre es sehr wichtig gewesen, diesen harten Winter, der in Italien verhältnißmäßig so gelinde war nicht mehr in Deutschland zuzubringen, und wie werde ich dem Himmel danken wenn ich Sie erst glücklich über die Alpen weiß! –
Ihre Reisegefährten werden hoffentlich über die vortheilhafteste Art in Italien zu reisen alle möglichen Erkundigungen eingezogen haben. Dieses ist sehr nöthig da man in diesem Lande es ganz besonders versteht die Fremden zu übervortheilen. Mit Postpferden geht es schneller; wenn Sie einen eignen Wagen haben, so wählen Sie vielleicht diese Art: es erspart einige Nachtlager, die kostbar sind, und über die man gleich beym Eintritt in die Wirthshäuser seinen Handel schließen muß. Fr[au] von Humboldt lobt sehr die Art mit Vetturin zu reisen, wo alles mit einbedungen wird, man muß sich aber auch da sehr vorsehn. Hoffentlich hat sich einer Ihrer Reisegefährten vorläufig auf das Italiänische gelegt, es würde ein großes Ungemach seyn einen Dollmetscher zu entbehren.
In Rom soll es Ihnen, denke ich, recht gefallen, es ist ein herrlicher Ort für ein stilles, einsames und allem Großen und Schönen gewidmetes Leben. Und in welcher Umgebung werden die geliebten Kinder da aufwachsen, bey deren Pflege und Erziehung ich immer der nächste nach Ihnen zu seyn hoffe, und dieß für das theuerste Geschäft für mein ganzes noch übriges Leben ansehe. Ob mich auch Wilhelm wohl noch wiederkennt? Felix gewiß nicht, es ist noch nicht von ihm zu verlangen, aber ich schmeichle mir seine Zuneigung bald zu gewinnen. Ich bin vor Freude außer mir, wen[n] ich mir es lebhaft denke, daß ich Sie und Ihre Kinder und den wackern Bruder, die ganze innigst geliebte Familie bald wiedersehen soll. Mit traurigem Muthe würde ich Italien verlassen wen[n] mir diese Hoffnung fehl schlüge. Keine Abwesenheit, keine Entfernung und kein neues Verhältniß kann meine Anhänglichkeit schwächen, und ich hoffe davon so lange ich athme und lebe eben so thätige Beweise zu geben wie bisher. – Tausend Grüße an den Bildhauer, dem ich über Weimar schreibe ob es ihn vielleicht so eher erreicht und die herzlichste Versicherung brüderlicher Freundschaft an den Dichter, dem ich den besten Dank dafür weiß daß er Sie nach München begleitet und Ihnen dort Gesellschaft geleistet hat. Erneuern Sie ebenfalls bey Kn.[orring] mein Andenken und den Ausdruck der freundschaftlichen Gesinnungen. Wir wollen alle recht treu zusammenhalten. Verzeihn Sie diese flüchtigen Zeilen. Vorgestern erhielt ich Ihren Brief, gestern waren wir auf dem Vesuv, heute in Pompeii, ich bin sehr ermüdet und der Abgang der Post drängt mich. – Leben Sie wohl theure Freundin, der Himmel nehme Sie in seinen Schutz. Ewig der Ihrige.
Neapel d. 27 Febr 1805
Wie glücklich bin ich, meine theuerste Freundin, endlich wieder einen Brief von Ihrer Hand zu haben. Diese Verspätung der Nachrichten, diese Verwirrung im Briefwechsel ist das Ungemach der Reise. Sie vermuthen mich in Ihrem Briefe noch in Coppet, und ich erhalte ihn erst hier, in der weitesten Entfernung, unten in Italien. Ich habe Ihnen von Mailand aus weitläuftig geschrieben, früher war es nicht möglich, weil bis dahin auf unsrer Reise über Lyon und Turin alles den Umweg über Paris gemacht haben und doch nicht früher zu Ihnen gelangt seyn würde. Hoffentlich sind diese Blätter noch in Ihre Hände gekommen und haben Sie überzeugt, wie sehr Ihr Glück und Ihre Zufriedenheit mit meinem Antheil daran mir am Herzen liegt. In Rom wo wir uns bis jetzt nur 12 Tage aufgehalten, erhielt ich einen Brief von Ihrem Bruder mit der Nachricht von Ihrer Abreise nach München, aber ohne Ihre Addresse also ohne die Möglichkeit Ihnen zu schreiben. Auch diese Zeilen sende ich nur aufs Gerathewohl, da Sie vermuthlich schon abgereist sind, wenn sie nach München gelangen. Die Hauptsache ist die Aussicht uns wieder zu treffen, glücklicher Weise ist in Ansehung derselben unser Reiseplan nicht geändert, in etwa 10 Tagen sind wir wieder in Rom und bleiben dort bis Mitte Aprils nach den Osterfesttagen. Sollten Sie wieder alles Verhoffen dann noch nicht dort angekommen seyn so müßten Sie mir zulieb den kleinen Umweg über Venedig machen, wo wir in den ersten Tagen des Maies ankommen werden. Endlich könnten wir uns auch in Verona treffen, welches ganz auf Ihrem Wege liegt, wir berühren es auf der Rückreise von Venedig nach Mailand, und müssen nach meiner Rechnung etwas nach der Mitte des Maies daselbst eintreffen. Es ist mir, wie Sie leicht denken können, von einer unendlichen Wichtigkeit, daß wir uns nicht verfehlen, so vieles läßt sich nur mündlich abreden und alle Briefe bleiben unvollkommen. Ich hoffe Sie fühlen das gleiche Bedürfniß, und werden also Ihre Reise womöglich so bestimmt haben, daß ich dieses so ersehnten ja ich darf sagen unentbehrlichen Wiedersehns nicht verlustig werde. – Wenn nur Tiecks Arbeiten nicht zu langen Aufenthalt verursachen. Doch die für Fr.[au] v. St.[aël] übernommene wird er nun erst in Rom anfangen, und es ist auch deswegen nöthig, daß wir uns sprechen.
Der erste und wesentliche Schritt in Ansehung Ihrer Lage mit B.[ernhardi] ist geschehn, wie mich dünkt, nämlich der, sich noch weiter als W.[eimar] von ihm zu entfernen. Daß Sie so lebhaft die überstandnen Leiden hintennach fühlen ist nur allzu natürlich, doch scheint es mir nach allem bisherigen klar, daß er sich auf alle Weise fügen wird, wie er muß und Ihnen nicht lange mehr wird beschwerlich fallen können. Die Heucheley mit dem Verlangen nach den Kindern wird er ebenfalls bald einstellen, da es ihm doch nur darum zu thun ein sinnliches und träges Leben zu führen. Meine hauptsächliche Sorge ist die Herstellung Ihrer Gesundheit. Ich hoffe unendlich viel von der gänzlichen Entfernung von allen bisherigen Verdrießlichkeiten, und von der Veränderung des Klimas. Freylich wäre es sehr wichtig gewesen, diesen harten Winter, der in Italien verhältnißmäßig so gelinde war nicht mehr in Deutschland zuzubringen, und wie werde ich dem Himmel danken wenn ich Sie erst glücklich über die Alpen weiß! –
Ihre Reisegefährten werden hoffentlich über die vortheilhafteste Art in Italien zu reisen alle möglichen Erkundigungen eingezogen haben. Dieses ist sehr nöthig da man in diesem Lande es ganz besonders versteht die Fremden zu übervortheilen. Mit Postpferden geht es schneller; wenn Sie einen eignen Wagen haben, so wählen Sie vielleicht diese Art: es erspart einige Nachtlager, die kostbar sind, und über die man gleich beym Eintritt in die Wirthshäuser seinen Handel schließen muß. Fr[au] von Humboldt lobt sehr die Art mit Vetturin zu reisen, wo alles mit einbedungen wird, man muß sich aber auch da sehr vorsehn. Hoffentlich hat sich einer Ihrer Reisegefährten vorläufig auf das Italiänische gelegt, es würde ein großes Ungemach seyn einen Dollmetscher zu entbehren.
In Rom soll es Ihnen, denke ich, recht gefallen, es ist ein herrlicher Ort für ein stilles, einsames und allem Großen und Schönen gewidmetes Leben. Und in welcher Umgebung werden die geliebten Kinder da aufwachsen, bey deren Pflege und Erziehung ich immer der nächste nach Ihnen zu seyn hoffe, und dieß für das theuerste Geschäft für mein ganzes noch übriges Leben ansehe. Ob mich auch Wilhelm wohl noch wiederkennt? Felix gewiß nicht, es ist noch nicht von ihm zu verlangen, aber ich schmeichle mir seine Zuneigung bald zu gewinnen. Ich bin vor Freude außer mir, wen[n] ich mir es lebhaft denke, daß ich Sie und Ihre Kinder und den wackern Bruder, die ganze innigst geliebte Familie bald wiedersehen soll. Mit traurigem Muthe würde ich Italien verlassen wen[n] mir diese Hoffnung fehl schlüge. Keine Abwesenheit, keine Entfernung und kein neues Verhältniß kann meine Anhänglichkeit schwächen, und ich hoffe davon so lange ich athme und lebe eben so thätige Beweise zu geben wie bisher. – Tausend Grüße an den Bildhauer, dem ich über Weimar schreibe ob es ihn vielleicht so eher erreicht und die herzlichste Versicherung brüderlicher Freundschaft an den Dichter, dem ich den besten Dank dafür weiß daß er Sie nach München begleitet und Ihnen dort Gesellschaft geleistet hat. Erneuern Sie ebenfalls bey Kn.[orring] mein Andenken und den Ausdruck der freundschaftlichen Gesinnungen. Wir wollen alle recht treu zusammenhalten. Verzeihn Sie diese flüchtigen Zeilen. Vorgestern erhielt ich Ihren Brief, gestern waren wir auf dem Vesuv, heute in Pompeii, ich bin sehr ermüdet und der Abgang der Post drängt mich. – Leben Sie wohl theure Freundin, der Himmel nehme Sie in seinen Schutz. Ewig der Ihrige.
×
×