• Friedrich Wilhelm Joseph von Schelling to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Jena · Place of Destination: Unknown · Date: 03.09.1802
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
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    Metadata Concerning Header
  • Sender: Friedrich Wilhelm Joseph von Schelling
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Jena
  • Place of Destination: Unknown
  • Date: 03.09.1802
    Printed Text
  • Bibliography: Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph: Historisch-kritische Ausgabe. Hg. v. Thomas Buchheim, Jochen Hennigfeld, Wilhelm G. Jacobs, Jörg Jantzen u. Siegbert Peetz. Stuttgart 1976ff. Reihe III: Briefe 2,1: Briefwechsel 1800–1802. Hg. v. Thomas Kisser unter Mitwirkung von Walter Schieche und Alois Wieshuber. Stuttgart 2010, S. 460–468.
  • Incipit: „Jena 3ter 7br. 02
    Ihr Schreiben vom 27. v[origen] M[onats] fodert mich zum innigsten Dank auf. Nicht die allgemeine und persönliche Indignation, [...]“
    Manuscript
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: DE-611-36872
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XIX,Bd.20,Nr.22
  • Number of Pages: 20 S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 18,7 x 11,5 cm
Jena 3ter 7br. 02
Ihr Schreiben vom 27. v[origen] M[onats] fodert mich zum innigsten Dank auf. Nicht die allgemeine und persönliche Indignation, die Sie über die an mir begangne Infamie empfinden müssen – sondern die besondre Theilnahme, zu der Sie sich in der Sache erbieten, verpflichtet mich dazu. Ich nehme auch sogleich dieses Anerbieten an, und bitte es mir nun selbst von Ihnen aus, zu der Ausführung des folgenden Plans mitzuwirken, den ich entworfen habe, und der mir als der angemessenste, nach seither fortgesetzten Überlegungen, erschienen ist.
Zuvor lassen Sie mich Ihnen einen Theil dieser Überlegungen mittheilen! – Daß mit Goethe in dieser Sache sehr wenig anzufangen war, haben Sie sehr richtig vorausgesehen. Nicht als ob er nicht die ganze Schändlichkeit und Abscheulichkeit gefühlt, den besten Willen gezeigt hätte, sondern weil er versicherte, in der Sache keinen Erfolg versprechen zu können. Mein Ansinnen war nämlich, einen unmittelbaren Schritt der Regierung durch ihn zu bewirken. Er versicherte mich der Schwierigkeiten die er hierbey zu überwinden haben | und wahrscheinlich nicht überwinden würde – er rieth von Nichts ab, gab aber nur den einzigen, sich von selbst verstehenden Rath, nichts zu unternehmen, wobey man der completten Rache und des zu wünschenden Erfolgs ˹nicht˺ versichert sey.
Das persönliche Gewicht von Goethe konnte, um etwa die jetzigen Redd. der L. Z. zu einer Zurüknahme auf die von Ihnen angegebne, auch von mir gedachte Weise, zu bewegen, bey der gränzenlosen und von Ihnen vielleicht selbst nicht so gewußten Unverschämtheit und Infamie des Schütz, die seitdem immer zugenommen hat, nichts fruchten, vielmehr hätte Goethe sich einzig selbst dadurch ausgesetzt.
An Griesbach, sobald ich von seinem Verhæltniß in dieser Sache gehört hatte, dachte ich auch zuerst: allein ich wollte bey ihm, in der Ungewißheit des Erfolgs, keinen Schritt thun, der mir nachher nur die Hände gebunden hätte: zudem hörte ich nachher – obgleich nur durch die dritte und vierte Hand – daß er selbst schon eine – schlechte Maßregel dagegen in Vorschlag gebracht hatte, | nämlich ˹daß˺ eine gegen das Würzburger Pasquill erschienene andre Schrift angezeigt, und gelobt – also ein noch schlechterer Firniß über diese Sache gezogen werden sollte. Bey solcher Bewandniß der Sache mußte ich mich wohl von jedem Schritt dieser Art zurükhalten.
Einen Proceß vor den hiesigen Gerichten anzufangen, hielt ich und halte ich noch jezt für das Schlechteste was ich thun könnte, theils weil hier alle Waffen der Chikane gegen mich angewendet werden können, theils weil dieß zu langsam ist für eine Schändlichkeit, gegen die man die unmittelbarste und herabwürdigentste Strafe hervorzurufen wünschen muß.

Es blieb nach diesen Umständen nichts übrig als den von Ihnen angegebnen Plan wirklich zur Grundlage zu machen, und ich denke, daß Sie folgendes adäquat finden werden.
1) Sie machen diejenige Erklärung, welche Ihnen Ihre Indignation, Ihre Theilnahme und Kenntniß der Sache eingeben. Nichts kann beruhigender für mich, nichts vortheilhafter für die Sache seyn, als wenn Sie und ich gemeinschaftlich handeln. – Es kommen hierbey vorzüglich zwey Puncte in Betracht
a) wie weit die Erwähnung der Sache selbst |
b) wie weit die Stärke der Ausdrücke in Ansehung Sch[ü]zʼs gehen sollen?
Ich will hievon zuerst reden, und sagen, was sich von selbst versteht, daß sie natürlicher Weise keine Gränzen haben könne, und Infamie, Schändlichkeit, Ehrlosigkeit die geringsten sind. ˹In˺ Wie weit hierbey die Betrachtung Ihrer hiesigen Professors-Verhältnisse etwas austragen kann, hängt bloß von dem Werth ab, den Sie darauf legen: ich sehe, daß dieser sehr gering ist, zudem versteht es sich – und ich müßte keine Ehre haben, wenn dieß nicht mein Entschluß wäre – daß sobald diese Sache für Sie einen Erfolg haben könnte, der Sie nöthigte, Ihre Entlassung zu nehmen – der nächste Schritt von mir der seyn würde, die meinige gleichfalls zu nehmen. – Sie haben sehr Recht, wenn Sie der Meynung sind, daß ich Schützen u. Cons[orten] diesen Triumph nicht ohne Noth bereiten soll. Diese Betrachtung ist die einzige, die mich von dem ganz einfachen Schritt zurückgehalten hat, die Sache unmittelbar an den Herzog zu bringen, Bestrafung und Satisfaction zu fodern – und im Fall der Verweigerung – | – bey dem bösen Willen, den man gegen uns alle und mich neuerdings ganz besonders hat – meine Dimission öffentlich in einer noch kraft meiner Censurfreyheit gedruckten Erklærung, – verbunden mit der ganzen öffentlichen Infamirung Schützens – zu nehmen. In der That, da seit einiger Zeit fast alles – mehr oder weniger – gegen mich verschworen ist – denn nur in dieser ˹lezten˺ Sache haben sich die hiesigen Menschen auf meine Seite geschlagen – würde ich dem ganzen hiesigen Pöbel ˹durch meinen Abgang˺ nichts anders als Freude bereiten. – Überhaupt, ist es zu vermeiden, daß ich wegen dieser Sache meine Entlassung nehme oder erhalte, so ist dieß das Wünschenswerthere: da es doch nur noch kurze Zeit anstehen kann, daß ich sie ˹ohnehin˺ nehme. – Bey Ihnen ist viel weniger an irgend ein Extrem dieser Art zu denken: Sie sind nicht anwesend, man betrachtet Sie als einen, der so gut wie sich losgesagt hat: es ist also klar, daß Sie von uns beyden am meisten in der Lage sind, in dieser Sache, die keine Rücksichten erlaubt, keine zu nehmen. |
Ich komme zu dem Andern: nämlich wie weit die Sache selbst erwähnt werden könne, und müße?
Ihr Gefühl hat es Ihnen früher gesagt, und sagt es Ihnen auch noch jezt; warum ich Erörterungen über das, was die schmerzlichste Begebenheit meines Lebens ist, nicht wollen kann.
Was mein Theil in der Sache ist, ist klar genug. – Es ist folgender. Ich habe dem Menschen, der die medic[inische] Besorgung Augustens übernommen hatte, gleich in den ersten Tagen einiges Mistrauen bezeugt: es war sehr natürlich, bey dem unglücklichen Ausgang Alles ˹Üble˺ von mir zu erwarten, obgleich er freylich meinerseits ganz sicher seyn konnte. – Ich habe an seinen Verordnungen nichts geändert – es ist alles gereicht worden, was in seinen Vorschriften nach allen möglichen Gründen für das Rechte und Angemeßne gehalten werden konnte, es ist nichts entfernt worden, als was Röschlaub, Marcus und alle gleichdenkenden Ärzte gleichfalls entfernt hätten – eine Arzney worinn Rhabarber | tinctur war, und das arabische Gummi, ein schwächendes Mittel, das er zu dem Opium, aus dem Grunde gemischt hatte, weil es den Leib erweiche, die Eingeweide schlüpfrig mache, und was dieser Ausdrücke mehr sind ‒ ferner die Milch, die er als Getränk verordnet hatte, und die allerdings nur in Einer Beziehung nützlich – und nach der gemeynen Meinung indicirt seyn konnte, einer Beziehung, welche zu denken mir freylich nicht einfallen konnte –.
Was bey diesem Allem bleibt – der Schmerz, den ich wohl äußerlich aber nie innerlich überwinden kann, den ich auch Ihnen nicht verbergen will – ist, daß ich 8 Tage lang in der Verblendung leben – den Zusicherungen jenes Menschen, der noch den Tag oder höchstens zwey Tage vor dem lezten der Verstorbenen uns versichert hatte: sie würde morgen ausfahren können – glauben, und so in der bis zulezt währenden Meynung von der Ungefährlichkeit des Übels – einen andern Arzt herbeyzurufen versäumen konnte. – Dieses | ist der Vorwurf, den ich mir selbst mache ˹und gegen˺ den ich dadurch nichts gegenüber von mir selbst gewinne, daß ich, auch in einer gerichtlichen Untersuchung, wie ich dieß allerdings zu können auf’s festeste überzeugt bin, den Menschen, von dem diese Verläumdung emanirt, zur totalen Condemnation seines Verfahrens wie seines Betragens bringe. Ich habe ihm, durch Schmerz sprachlos, durch Kummer still ja fast ohne Besinnung, die Möglichkeit und den Muth gegeben, mich zu verläumden, ehe Ihre und Marcus Gegenwart es ihm legte, (obgleich ich davon nicht gewiß seyn kann). – Er hat Ihnen meine Recepte gegeben: hiermit hat es diese Bewandniß, daß ich das von ihm verschriebne, mit Gummi Arabicum vermischte, Opium nach meiner damaligen und jetzigen Überzeugung nicht brauchen konnte – niemals aber hat die Verstorbne eine Dosis erhalten, die seine Verordnung, da er anfänglich, wie ich bey meiner Ankunft fand, das Opium | zu ˹einem˺ ganzen Gran gegeben hatte – absolut oder relativ überstieg; es versteht sich, daß man in der Officin keine so kleine Doses von Opium zubereiten lassen kann, als im eintretenden Fall gereicht werden müssen: eines meiner Recepte fällt auf den lezten Tag, und ich erhielt das Verschriebne sogar zu spät, um es noch anzuwenden. Ich schreibe Ihnen diese Umstände, wie sie mir beygehen, damit Sie urtheilen können, wie die Krankengeschichte in dem Urtheil von Ärzten wie Marcus Rösch[laub] u. s. w. erscheinen würde: so hat sie auch Röschlaub immer angesehen; mit Marcus habe ich weniger davon geredet, da ich bald anfieng, den ganzen Schmerz in mich zu begraben.
Es wird mir schwer, in diesem Briefe alle jene Andenken zu erneuern: urtheilen Sie, wie ganz unmöglich es mir seyn würde, mich vor dem Publikum in diese Erinnerungen einzulassen; richten Sie also hiernach Ihre Erklärungen ein, um so mehr da Ihnen doch kein Urtheil zugetraut würde, | und die Berufung auf Rösch[laub] und Marcus nur die Erwiederung provociren würde, daß diese Ihnen diese Äußerungen bloß zu Ihrer Beruhigung gethan haben.
Dagegen werde ich
2) unmittelbar nach Ihrer Erklærung eine von Marcus und eine von Rösch[laub] folgen lassen, die ich von diesen gewiß zu erhalten hoffe, und deren, vor dem Publikum, abgelegtes Zeugniß dann um so weniger verdächtig gemacht werden kann, da Rösch[laub] am Tage des Todes selbst nach B[ocklet] kam, Marcus nachher von dem Kißinger Arzt die ganze Krankheitsgeschichte erfahren hat. –
Als Parenthese will ich hier die Bitte einschalten: Sollten Sie die in Bocklet erhaltene ˹geschriebne˺ Krankengeschichte für eine kurze Zeit entbehren wollen, so schicken Sie mir solche. Sie erhalten sie, sobald der gleich zu meldende | Gebrauch davon gemacht ist, zurück. – Kilian will sie sehen, und etwas darüber aufsetzen: ich habe ein großes Zutrauen zu seinen Kenntnissen wie zu seinem Charakter und Wahrheitsliebe.
3) Das Dritte in der zu erlassenden Erklärung wäre eine kurze Äußerung von mir, die sich wegen der Sache auf das vorhergehende stüzte, die Anklage des Pasquillantismus wiederholte, und diese Infamie ebenso der Verachtung aller Gutgesinnten übergäbe „wie ich sie bereits zur Ahndung pp. S[eine]r. Herzoglichen Durchlaucht von Weimar übergeben hätte.“ – Denn ich weiß, daß ohne Publicität der Herzog zu keinem Schritt zu bewegen ist. Ich werde Goetheʼn die ganze Erklærung zuvor mittheilen, ihn mündlich unterrichten, daß sie gedruckt werde, also in den Stand setzen auch dem Herzog davon zu sagen. Ich werde dieß selbst in der an den Herzog alsdann allerdings einzureichenden | Schrift erwähnen, nur daß ehe, seinerseits, mir die zu erlassende Erklärung untersagt werden könnte, d. h. gleich den Tag nach Überreichung ˹der Schrift,˺ auch die gedruckte Erklärung erscheinen soll. –
Dieß sind einzelne Umstände, die noch modificirt werden könn[en;] nur in der Hauptsache bin ich gewiß, und bitte Sie daher Ihre Erklärung so einzurichten, daß ohne weitere Rücksprache Gebrauch davon gemacht werden kann, welche Verændrung übrigens auch in einzelnen Umständen nöthig oder rathsam gefunden werden möchte.
Es wird auf jeden Fall nothwendig seyn, nochmals sich mit Goethe zu berathen, der, selbst überfallen von der Sache, gleich zuerst selbst sich nicht besinnen konnte, und nicht gleich Rath wußte, der aber den festen Willen hat, und übrigens auch gewiß mich von keinem entschieden | gefaßten Entschlusse zurükbringen soll.
Haben Sie nun die Freundschaft, mir bald Ihre weitere Berathung über diesen Plan zukommen zu lassen, so wie die Erklärung von Ihnen.
Überlegen Sie noch Ihrerseits: ob es vielleicht rathsam wäre, daß wir gemeinschaftlich auch die Klage bey dem Herzog betrieben?
Die Publikation betreffend, so ist es meine Meynung, sie besonders drucken, übrigens aber meinen beyden Journalen, wovon demnächst 2 Hefte auf Einmal erscheinen, anheften, so wie in der Allg. Zeitung inseriren zu lassen, was ich durch Cotta allerdings erreichen zu können glaube. So werden auch Sie vielleicht Gelegenheit haben, diese Erklärung an Schriften oder Journale von Freunden anschließen zu lassen. Ein Kanal der Publicität ist noch das jezt am allgemeinsten verbreitete Journal de Francfort, in welches | die Erk[lärung] französisch eingerückt werden müßte. – Den Herausg[ebern] der E[rlanger] Zeitung wenigstens zur Mitversendung der ihm zugeschickten Exemp[lare] zu vermögen, sollte ich nicht für unmöglich halten.
Die Wirzburg’sche Schrift Ihnen zu überschicken bin ich in diesem Augenblick außer Stande, sie soll aber wo möglich mit der nächsten Post folgen.
Die Nummer der Lit. Z. ist 225.

Von andern Dingen zu reden, so sey’n Sie überzeugt, daß mir Ihre Erwiederung wegen Ionʼs wahres Vergnügen gemacht hat, so wie es sich von selbst versteht, daß wer neckt, wieder geneckt wird, und ich hoffe, daß Sie mir dennoch einigen Dank wissen sollen, ˹dafür˺ daß ich Ihnen zu so gründlichen und lehrreichen Erläuterungen Veranlassung gegeben. |
Alles was in der witzigen Art von Ihnen gegen Ihre Berliner Gegner ergehen wird, erregt zum voraus meine höchste Freude; in der That haben Sie an Nicolai alle Ursache ein extremes Exempel zu statuiren, da er Sie noch immer mit Lob zu vergeben sucht. Die Dummheit der Rec. des Musenalmanachs wird freylich nirgends mehr ihres gleichen haben, es müßte denn die der kürzlich erschienenen Rec. meiner Zeitschrift und des Krit. J. seyn, in welcher ein nur noch der Quantität nach unerschöpflicherer Fond liegt, wenn jene auch in der Qualität der Pöbelhaftigkeit noch hervorstechender seyn sollte.
In dem Urtheil, welches Sie über meinen ˹polemischen˺ Aufsatz im 1ten Heft der Zeitschrift fällen, haben Sie, obgleich Sie es nicht ganz ausgesprochen, doch ganz mein eignes Urtheil für sich. Theilen Sie mir doch ja, ich bitte, immer auf’s Offenherzigste Ihre | Kritiken mit: ich werde sie immer mit dem größten Dank aufnehmen, auch wenn ich ihnen nicht, wie dießmal, fast unbedingt beypflichten muß. Es dient nicht zur Entschuldigung aber doch zur Erklärung, daß jener Aufsatz in der größten Schnelle verfaßt worden, und daß ich ihn bey der Abreise nach Berlin Hegeln zur Politur überlassen habe, der aber unterließ, etwas daran zu thun. Bey Ritter könnte vielleicht Ein Ausdruck geändert, und die ganze Erwähnung kürzer seyn. Übrigens ist es unmöglich, daß Sie Rittern sowohl von Seiten seiner mit aller Gewalt retardiren-wollenden, als von Seiten seiner klatschhaften Tendenz kennen, wie es denn Er ist, der dem Herzog von Gotha die Bamberg[ischen] Theses, ˹u.˺ Hegels Disput: überantwortet hat, worauf denn alle die Pöbeleyen darüber zuerst im Reichsanzeiger, in Zach’s Journal u.s.w. erfolgt sind, und wie | er überhaupt nicht unterlassen hat, alle möglichen Klatschereyen zu verbreiten, und überall in Gotha, Halle, (wo man mir bey meiner Durchreise gleich damit entgegen kam) auszustreuen.
Ich habe mich – theils zum Ärger der hiesigen Welt, theils wegen meines eignen Bedürfnisses, meine Philosophie nach dieser Seite hin auszubilden, und ihr höhere Formen aus dieser Region zu hohlen – doch noch entschlossen, kommenden Winter Ästhetik zu lesen. Erlauben Sie, daß ich Ihnen einiges von der Idee sage, die ich mir vorgesetzt habe dabey auszuführen. Ich begebe mich zum Voraus gänzlich, eine Theorie der Kunst aufzustellen, welche mehr oder weniger der Philosophie nur untergeordnet, und von Einer Seite nothwendig – vom spekulativen Standpunct aus angesehen – empirisch seyn muß. Wie es wirkliche oder empirische Dinge giebt, giebt es auch eine wirkliche oder empirische Kunst – auf diese bezieht sich die Theorie – aber wie es intellectuelle Dinge, Dinge an sich giebt, giebt | es auch eine Kunst an sich, von der die empirische nur die Erscheinung ist, und diese ist das, wodurch ˹es˺ eine Beziehung der Philosophie auf Kunst giebt. Sie sehen leicht, daß auf diese Weise meine Philosophie der Kunst mehr eine allgemeine, nur in dem höchsten Reflex der Kunst schwebende – Philosophie des Universums, als eine Theorie der Kunst, so fern sie ein Besonderes ist, seyn kann, ebenso daß in derselben von empirischer Kunst auf keine Weise, sondern nur von der Wurzel der Kunst, wie sie im Absoluten ist, die Rede seyn kann, die Kunst also ganz bloß von ihrer mystischen Seite genommen wird.
Ich werde nicht sowohl die Kunst, als das Ein- und Alles in der Form und Gestalt der Kunst ableiten. Es ist ganz einfach zu denken, daß das Universum wie es als organisches Ganzes – ebenso auch als Kunstganzes und Kunstwerk im Absoluten liege. Die Musik, die Rede, die Mahlerey – alle | Künste haben wie die Kunst überhaupt ihr An sich im Absoluten.
Die Form betreffend, so werde ich auch hier dem Schema folgen, welches mich in der allgemeinen spekul[ativen] Philosophie durch die schwersten Verwicklungen der Reflexion durchgeführt hat, und am meisten geeignet scheint, um das Alles in Allem darzustellen. Ich werde auch hier die erste und absolute Einheit in die zwey Brennpuncte der realen Entgegensetzung der bildenden und redenden Kunst (wovon jene dem Realen, diese dem Idealen entspricht) getrennt darstellen, aber in jeder Einheit für sich wieder die ideale Entgegensetzung der antiken und modernen Kunst betrachten, die sich wieder wie Real und Ideal verhält. Auf diese Weise denke ich Alles zusammenzuhalten, so wie die Idee jeder einzelnen Kunst wieder für sich in ihrer Absolutheit zu fassen.
Verzeihen Sie diese – noch rohe – Bruchstücke von Ideen. – Gewiß würde mir Ihr Manuskript vortreffliche Dienste leisten, um mich immer zu orientiren, und | von dem Empirischen der Kunst, worauf Sie nach Ihrem Plan mehr Rücksicht genommen haben, zum Intellectuellen zurükzuleiten – und mir manche Nachforschungen zu ersparen, die mich doch vielleicht nicht zum Ziel führen, und auf jeden Fall an der Ausbildung des Spekulativen verhindern.
Könnten Sie mir Ihr Manuskript in Berlin auf meine Kosten abschreiben ˹lassen˺ und gegen Mitte des folg[enden] Monats hierherschicken oder auch es mir bis dahin überlassen, um hier eine Abschrift davon nehmen zu lassen, so würde ich Ihnen dafür höchst verbunden seyn.
In der Hoffnung, daß Ihnen vielleicht ˹auch˺ einige meiner Ideen schon nüzlich gewesen sind, oder in der Folge, wenn ich sie über diesen Gegenstand mehr ausgebildet, werden können, werde ich ohne Scheu von den Ihrigen dankbaren Gebrauch machen, so weit es mein individuelles Assimilationsvermögen verstattet. Auch erwarte ich, daß Sie mir nicht Ideen, die ich auch durch mich selber haben kann, wie z. B. daß Euripides unendlich tief unter Sophokles und Äschylus stehe – in dieser Berechnung in Anschlag bringen.
Leben Sie recht wohl, und behalten mich in gutem Andenken.
Jena 3ter 7br. 02
Ihr Schreiben vom 27. v[origen] M[onats] fodert mich zum innigsten Dank auf. Nicht die allgemeine und persönliche Indignation, die Sie über die an mir begangne Infamie empfinden müssen – sondern die besondre Theilnahme, zu der Sie sich in der Sache erbieten, verpflichtet mich dazu. Ich nehme auch sogleich dieses Anerbieten an, und bitte es mir nun selbst von Ihnen aus, zu der Ausführung des folgenden Plans mitzuwirken, den ich entworfen habe, und der mir als der angemessenste, nach seither fortgesetzten Überlegungen, erschienen ist.
Zuvor lassen Sie mich Ihnen einen Theil dieser Überlegungen mittheilen! – Daß mit Goethe in dieser Sache sehr wenig anzufangen war, haben Sie sehr richtig vorausgesehen. Nicht als ob er nicht die ganze Schändlichkeit und Abscheulichkeit gefühlt, den besten Willen gezeigt hätte, sondern weil er versicherte, in der Sache keinen Erfolg versprechen zu können. Mein Ansinnen war nämlich, einen unmittelbaren Schritt der Regierung durch ihn zu bewirken. Er versicherte mich der Schwierigkeiten die er hierbey zu überwinden haben | und wahrscheinlich nicht überwinden würde – er rieth von Nichts ab, gab aber nur den einzigen, sich von selbst verstehenden Rath, nichts zu unternehmen, wobey man der completten Rache und des zu wünschenden Erfolgs ˹nicht˺ versichert sey.
Das persönliche Gewicht von Goethe konnte, um etwa die jetzigen Redd. der L. Z. zu einer Zurüknahme auf die von Ihnen angegebne, auch von mir gedachte Weise, zu bewegen, bey der gränzenlosen und von Ihnen vielleicht selbst nicht so gewußten Unverschämtheit und Infamie des Schütz, die seitdem immer zugenommen hat, nichts fruchten, vielmehr hätte Goethe sich einzig selbst dadurch ausgesetzt.
An Griesbach, sobald ich von seinem Verhæltniß in dieser Sache gehört hatte, dachte ich auch zuerst: allein ich wollte bey ihm, in der Ungewißheit des Erfolgs, keinen Schritt thun, der mir nachher nur die Hände gebunden hätte: zudem hörte ich nachher – obgleich nur durch die dritte und vierte Hand – daß er selbst schon eine – schlechte Maßregel dagegen in Vorschlag gebracht hatte, | nämlich ˹daß˺ eine gegen das Würzburger Pasquill erschienene andre Schrift angezeigt, und gelobt – also ein noch schlechterer Firniß über diese Sache gezogen werden sollte. Bey solcher Bewandniß der Sache mußte ich mich wohl von jedem Schritt dieser Art zurükhalten.
Einen Proceß vor den hiesigen Gerichten anzufangen, hielt ich und halte ich noch jezt für das Schlechteste was ich thun könnte, theils weil hier alle Waffen der Chikane gegen mich angewendet werden können, theils weil dieß zu langsam ist für eine Schändlichkeit, gegen die man die unmittelbarste und herabwürdigentste Strafe hervorzurufen wünschen muß.

Es blieb nach diesen Umständen nichts übrig als den von Ihnen angegebnen Plan wirklich zur Grundlage zu machen, und ich denke, daß Sie folgendes adäquat finden werden.
1) Sie machen diejenige Erklärung, welche Ihnen Ihre Indignation, Ihre Theilnahme und Kenntniß der Sache eingeben. Nichts kann beruhigender für mich, nichts vortheilhafter für die Sache seyn, als wenn Sie und ich gemeinschaftlich handeln. – Es kommen hierbey vorzüglich zwey Puncte in Betracht
a) wie weit die Erwähnung der Sache selbst |
b) wie weit die Stärke der Ausdrücke in Ansehung Sch[ü]zʼs gehen sollen?
Ich will hievon zuerst reden, und sagen, was sich von selbst versteht, daß sie natürlicher Weise keine Gränzen haben könne, und Infamie, Schändlichkeit, Ehrlosigkeit die geringsten sind. ˹In˺ Wie weit hierbey die Betrachtung Ihrer hiesigen Professors-Verhältnisse etwas austragen kann, hängt bloß von dem Werth ab, den Sie darauf legen: ich sehe, daß dieser sehr gering ist, zudem versteht es sich – und ich müßte keine Ehre haben, wenn dieß nicht mein Entschluß wäre – daß sobald diese Sache für Sie einen Erfolg haben könnte, der Sie nöthigte, Ihre Entlassung zu nehmen – der nächste Schritt von mir der seyn würde, die meinige gleichfalls zu nehmen. – Sie haben sehr Recht, wenn Sie der Meynung sind, daß ich Schützen u. Cons[orten] diesen Triumph nicht ohne Noth bereiten soll. Diese Betrachtung ist die einzige, die mich von dem ganz einfachen Schritt zurückgehalten hat, die Sache unmittelbar an den Herzog zu bringen, Bestrafung und Satisfaction zu fodern – und im Fall der Verweigerung – | – bey dem bösen Willen, den man gegen uns alle und mich neuerdings ganz besonders hat – meine Dimission öffentlich in einer noch kraft meiner Censurfreyheit gedruckten Erklærung, – verbunden mit der ganzen öffentlichen Infamirung Schützens – zu nehmen. In der That, da seit einiger Zeit fast alles – mehr oder weniger – gegen mich verschworen ist – denn nur in dieser ˹lezten˺ Sache haben sich die hiesigen Menschen auf meine Seite geschlagen – würde ich dem ganzen hiesigen Pöbel ˹durch meinen Abgang˺ nichts anders als Freude bereiten. – Überhaupt, ist es zu vermeiden, daß ich wegen dieser Sache meine Entlassung nehme oder erhalte, so ist dieß das Wünschenswerthere: da es doch nur noch kurze Zeit anstehen kann, daß ich sie ˹ohnehin˺ nehme. – Bey Ihnen ist viel weniger an irgend ein Extrem dieser Art zu denken: Sie sind nicht anwesend, man betrachtet Sie als einen, der so gut wie sich losgesagt hat: es ist also klar, daß Sie von uns beyden am meisten in der Lage sind, in dieser Sache, die keine Rücksichten erlaubt, keine zu nehmen. |
Ich komme zu dem Andern: nämlich wie weit die Sache selbst erwähnt werden könne, und müße?
Ihr Gefühl hat es Ihnen früher gesagt, und sagt es Ihnen auch noch jezt; warum ich Erörterungen über das, was die schmerzlichste Begebenheit meines Lebens ist, nicht wollen kann.
Was mein Theil in der Sache ist, ist klar genug. – Es ist folgender. Ich habe dem Menschen, der die medic[inische] Besorgung Augustens übernommen hatte, gleich in den ersten Tagen einiges Mistrauen bezeugt: es war sehr natürlich, bey dem unglücklichen Ausgang Alles ˹Üble˺ von mir zu erwarten, obgleich er freylich meinerseits ganz sicher seyn konnte. – Ich habe an seinen Verordnungen nichts geändert – es ist alles gereicht worden, was in seinen Vorschriften nach allen möglichen Gründen für das Rechte und Angemeßne gehalten werden konnte, es ist nichts entfernt worden, als was Röschlaub, Marcus und alle gleichdenkenden Ärzte gleichfalls entfernt hätten – eine Arzney worinn Rhabarber | tinctur war, und das arabische Gummi, ein schwächendes Mittel, das er zu dem Opium, aus dem Grunde gemischt hatte, weil es den Leib erweiche, die Eingeweide schlüpfrig mache, und was dieser Ausdrücke mehr sind ‒ ferner die Milch, die er als Getränk verordnet hatte, und die allerdings nur in Einer Beziehung nützlich – und nach der gemeynen Meinung indicirt seyn konnte, einer Beziehung, welche zu denken mir freylich nicht einfallen konnte –.
Was bey diesem Allem bleibt – der Schmerz, den ich wohl äußerlich aber nie innerlich überwinden kann, den ich auch Ihnen nicht verbergen will – ist, daß ich 8 Tage lang in der Verblendung leben – den Zusicherungen jenes Menschen, der noch den Tag oder höchstens zwey Tage vor dem lezten der Verstorbenen uns versichert hatte: sie würde morgen ausfahren können – glauben, und so in der bis zulezt währenden Meynung von der Ungefährlichkeit des Übels – einen andern Arzt herbeyzurufen versäumen konnte. – Dieses | ist der Vorwurf, den ich mir selbst mache ˹und gegen˺ den ich dadurch nichts gegenüber von mir selbst gewinne, daß ich, auch in einer gerichtlichen Untersuchung, wie ich dieß allerdings zu können auf’s festeste überzeugt bin, den Menschen, von dem diese Verläumdung emanirt, zur totalen Condemnation seines Verfahrens wie seines Betragens bringe. Ich habe ihm, durch Schmerz sprachlos, durch Kummer still ja fast ohne Besinnung, die Möglichkeit und den Muth gegeben, mich zu verläumden, ehe Ihre und Marcus Gegenwart es ihm legte, (obgleich ich davon nicht gewiß seyn kann). – Er hat Ihnen meine Recepte gegeben: hiermit hat es diese Bewandniß, daß ich das von ihm verschriebne, mit Gummi Arabicum vermischte, Opium nach meiner damaligen und jetzigen Überzeugung nicht brauchen konnte – niemals aber hat die Verstorbne eine Dosis erhalten, die seine Verordnung, da er anfänglich, wie ich bey meiner Ankunft fand, das Opium | zu ˹einem˺ ganzen Gran gegeben hatte – absolut oder relativ überstieg; es versteht sich, daß man in der Officin keine so kleine Doses von Opium zubereiten lassen kann, als im eintretenden Fall gereicht werden müssen: eines meiner Recepte fällt auf den lezten Tag, und ich erhielt das Verschriebne sogar zu spät, um es noch anzuwenden. Ich schreibe Ihnen diese Umstände, wie sie mir beygehen, damit Sie urtheilen können, wie die Krankengeschichte in dem Urtheil von Ärzten wie Marcus Rösch[laub] u. s. w. erscheinen würde: so hat sie auch Röschlaub immer angesehen; mit Marcus habe ich weniger davon geredet, da ich bald anfieng, den ganzen Schmerz in mich zu begraben.
Es wird mir schwer, in diesem Briefe alle jene Andenken zu erneuern: urtheilen Sie, wie ganz unmöglich es mir seyn würde, mich vor dem Publikum in diese Erinnerungen einzulassen; richten Sie also hiernach Ihre Erklärungen ein, um so mehr da Ihnen doch kein Urtheil zugetraut würde, | und die Berufung auf Rösch[laub] und Marcus nur die Erwiederung provociren würde, daß diese Ihnen diese Äußerungen bloß zu Ihrer Beruhigung gethan haben.
Dagegen werde ich
2) unmittelbar nach Ihrer Erklærung eine von Marcus und eine von Rösch[laub] folgen lassen, die ich von diesen gewiß zu erhalten hoffe, und deren, vor dem Publikum, abgelegtes Zeugniß dann um so weniger verdächtig gemacht werden kann, da Rösch[laub] am Tage des Todes selbst nach B[ocklet] kam, Marcus nachher von dem Kißinger Arzt die ganze Krankheitsgeschichte erfahren hat. –
Als Parenthese will ich hier die Bitte einschalten: Sollten Sie die in Bocklet erhaltene ˹geschriebne˺ Krankengeschichte für eine kurze Zeit entbehren wollen, so schicken Sie mir solche. Sie erhalten sie, sobald der gleich zu meldende | Gebrauch davon gemacht ist, zurück. – Kilian will sie sehen, und etwas darüber aufsetzen: ich habe ein großes Zutrauen zu seinen Kenntnissen wie zu seinem Charakter und Wahrheitsliebe.
3) Das Dritte in der zu erlassenden Erklärung wäre eine kurze Äußerung von mir, die sich wegen der Sache auf das vorhergehende stüzte, die Anklage des Pasquillantismus wiederholte, und diese Infamie ebenso der Verachtung aller Gutgesinnten übergäbe „wie ich sie bereits zur Ahndung pp. S[eine]r. Herzoglichen Durchlaucht von Weimar übergeben hätte.“ – Denn ich weiß, daß ohne Publicität der Herzog zu keinem Schritt zu bewegen ist. Ich werde Goetheʼn die ganze Erklærung zuvor mittheilen, ihn mündlich unterrichten, daß sie gedruckt werde, also in den Stand setzen auch dem Herzog davon zu sagen. Ich werde dieß selbst in der an den Herzog alsdann allerdings einzureichenden | Schrift erwähnen, nur daß ehe, seinerseits, mir die zu erlassende Erklärung untersagt werden könnte, d. h. gleich den Tag nach Überreichung ˹der Schrift,˺ auch die gedruckte Erklärung erscheinen soll. –
Dieß sind einzelne Umstände, die noch modificirt werden könn[en;] nur in der Hauptsache bin ich gewiß, und bitte Sie daher Ihre Erklärung so einzurichten, daß ohne weitere Rücksprache Gebrauch davon gemacht werden kann, welche Verændrung übrigens auch in einzelnen Umständen nöthig oder rathsam gefunden werden möchte.
Es wird auf jeden Fall nothwendig seyn, nochmals sich mit Goethe zu berathen, der, selbst überfallen von der Sache, gleich zuerst selbst sich nicht besinnen konnte, und nicht gleich Rath wußte, der aber den festen Willen hat, und übrigens auch gewiß mich von keinem entschieden | gefaßten Entschlusse zurükbringen soll.
Haben Sie nun die Freundschaft, mir bald Ihre weitere Berathung über diesen Plan zukommen zu lassen, so wie die Erklärung von Ihnen.
Überlegen Sie noch Ihrerseits: ob es vielleicht rathsam wäre, daß wir gemeinschaftlich auch die Klage bey dem Herzog betrieben?
Die Publikation betreffend, so ist es meine Meynung, sie besonders drucken, übrigens aber meinen beyden Journalen, wovon demnächst 2 Hefte auf Einmal erscheinen, anheften, so wie in der Allg. Zeitung inseriren zu lassen, was ich durch Cotta allerdings erreichen zu können glaube. So werden auch Sie vielleicht Gelegenheit haben, diese Erklärung an Schriften oder Journale von Freunden anschließen zu lassen. Ein Kanal der Publicität ist noch das jezt am allgemeinsten verbreitete Journal de Francfort, in welches | die Erk[lärung] französisch eingerückt werden müßte. – Den Herausg[ebern] der E[rlanger] Zeitung wenigstens zur Mitversendung der ihm zugeschickten Exemp[lare] zu vermögen, sollte ich nicht für unmöglich halten.
Die Wirzburg’sche Schrift Ihnen zu überschicken bin ich in diesem Augenblick außer Stande, sie soll aber wo möglich mit der nächsten Post folgen.
Die Nummer der Lit. Z. ist 225.

Von andern Dingen zu reden, so sey’n Sie überzeugt, daß mir Ihre Erwiederung wegen Ionʼs wahres Vergnügen gemacht hat, so wie es sich von selbst versteht, daß wer neckt, wieder geneckt wird, und ich hoffe, daß Sie mir dennoch einigen Dank wissen sollen, ˹dafür˺ daß ich Ihnen zu so gründlichen und lehrreichen Erläuterungen Veranlassung gegeben. |
Alles was in der witzigen Art von Ihnen gegen Ihre Berliner Gegner ergehen wird, erregt zum voraus meine höchste Freude; in der That haben Sie an Nicolai alle Ursache ein extremes Exempel zu statuiren, da er Sie noch immer mit Lob zu vergeben sucht. Die Dummheit der Rec. des Musenalmanachs wird freylich nirgends mehr ihres gleichen haben, es müßte denn die der kürzlich erschienenen Rec. meiner Zeitschrift und des Krit. J. seyn, in welcher ein nur noch der Quantität nach unerschöpflicherer Fond liegt, wenn jene auch in der Qualität der Pöbelhaftigkeit noch hervorstechender seyn sollte.
In dem Urtheil, welches Sie über meinen ˹polemischen˺ Aufsatz im 1ten Heft der Zeitschrift fällen, haben Sie, obgleich Sie es nicht ganz ausgesprochen, doch ganz mein eignes Urtheil für sich. Theilen Sie mir doch ja, ich bitte, immer auf’s Offenherzigste Ihre | Kritiken mit: ich werde sie immer mit dem größten Dank aufnehmen, auch wenn ich ihnen nicht, wie dießmal, fast unbedingt beypflichten muß. Es dient nicht zur Entschuldigung aber doch zur Erklärung, daß jener Aufsatz in der größten Schnelle verfaßt worden, und daß ich ihn bey der Abreise nach Berlin Hegeln zur Politur überlassen habe, der aber unterließ, etwas daran zu thun. Bey Ritter könnte vielleicht Ein Ausdruck geändert, und die ganze Erwähnung kürzer seyn. Übrigens ist es unmöglich, daß Sie Rittern sowohl von Seiten seiner mit aller Gewalt retardiren-wollenden, als von Seiten seiner klatschhaften Tendenz kennen, wie es denn Er ist, der dem Herzog von Gotha die Bamberg[ischen] Theses, ˹u.˺ Hegels Disput: überantwortet hat, worauf denn alle die Pöbeleyen darüber zuerst im Reichsanzeiger, in Zach’s Journal u.s.w. erfolgt sind, und wie | er überhaupt nicht unterlassen hat, alle möglichen Klatschereyen zu verbreiten, und überall in Gotha, Halle, (wo man mir bey meiner Durchreise gleich damit entgegen kam) auszustreuen.
Ich habe mich – theils zum Ärger der hiesigen Welt, theils wegen meines eignen Bedürfnisses, meine Philosophie nach dieser Seite hin auszubilden, und ihr höhere Formen aus dieser Region zu hohlen – doch noch entschlossen, kommenden Winter Ästhetik zu lesen. Erlauben Sie, daß ich Ihnen einiges von der Idee sage, die ich mir vorgesetzt habe dabey auszuführen. Ich begebe mich zum Voraus gänzlich, eine Theorie der Kunst aufzustellen, welche mehr oder weniger der Philosophie nur untergeordnet, und von Einer Seite nothwendig – vom spekulativen Standpunct aus angesehen – empirisch seyn muß. Wie es wirkliche oder empirische Dinge giebt, giebt es auch eine wirkliche oder empirische Kunst – auf diese bezieht sich die Theorie – aber wie es intellectuelle Dinge, Dinge an sich giebt, giebt | es auch eine Kunst an sich, von der die empirische nur die Erscheinung ist, und diese ist das, wodurch ˹es˺ eine Beziehung der Philosophie auf Kunst giebt. Sie sehen leicht, daß auf diese Weise meine Philosophie der Kunst mehr eine allgemeine, nur in dem höchsten Reflex der Kunst schwebende – Philosophie des Universums, als eine Theorie der Kunst, so fern sie ein Besonderes ist, seyn kann, ebenso daß in derselben von empirischer Kunst auf keine Weise, sondern nur von der Wurzel der Kunst, wie sie im Absoluten ist, die Rede seyn kann, die Kunst also ganz bloß von ihrer mystischen Seite genommen wird.
Ich werde nicht sowohl die Kunst, als das Ein- und Alles in der Form und Gestalt der Kunst ableiten. Es ist ganz einfach zu denken, daß das Universum wie es als organisches Ganzes – ebenso auch als Kunstganzes und Kunstwerk im Absoluten liege. Die Musik, die Rede, die Mahlerey – alle | Künste haben wie die Kunst überhaupt ihr An sich im Absoluten.
Die Form betreffend, so werde ich auch hier dem Schema folgen, welches mich in der allgemeinen spekul[ativen] Philosophie durch die schwersten Verwicklungen der Reflexion durchgeführt hat, und am meisten geeignet scheint, um das Alles in Allem darzustellen. Ich werde auch hier die erste und absolute Einheit in die zwey Brennpuncte der realen Entgegensetzung der bildenden und redenden Kunst (wovon jene dem Realen, diese dem Idealen entspricht) getrennt darstellen, aber in jeder Einheit für sich wieder die ideale Entgegensetzung der antiken und modernen Kunst betrachten, die sich wieder wie Real und Ideal verhält. Auf diese Weise denke ich Alles zusammenzuhalten, so wie die Idee jeder einzelnen Kunst wieder für sich in ihrer Absolutheit zu fassen.
Verzeihen Sie diese – noch rohe – Bruchstücke von Ideen. – Gewiß würde mir Ihr Manuskript vortreffliche Dienste leisten, um mich immer zu orientiren, und | von dem Empirischen der Kunst, worauf Sie nach Ihrem Plan mehr Rücksicht genommen haben, zum Intellectuellen zurükzuleiten – und mir manche Nachforschungen zu ersparen, die mich doch vielleicht nicht zum Ziel führen, und auf jeden Fall an der Ausbildung des Spekulativen verhindern.
Könnten Sie mir Ihr Manuskript in Berlin auf meine Kosten abschreiben ˹lassen˺ und gegen Mitte des folg[enden] Monats hierherschicken oder auch es mir bis dahin überlassen, um hier eine Abschrift davon nehmen zu lassen, so würde ich Ihnen dafür höchst verbunden seyn.
In der Hoffnung, daß Ihnen vielleicht ˹auch˺ einige meiner Ideen schon nüzlich gewesen sind, oder in der Folge, wenn ich sie über diesen Gegenstand mehr ausgebildet, werden können, werde ich ohne Scheu von den Ihrigen dankbaren Gebrauch machen, so weit es mein individuelles Assimilationsvermögen verstattet. Auch erwarte ich, daß Sie mir nicht Ideen, die ich auch durch mich selber haben kann, wie z. B. daß Euripides unendlich tief unter Sophokles und Äschylus stehe – in dieser Berechnung in Anschlag bringen.
Leben Sie recht wohl, und behalten mich in gutem Andenken.
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