• Friedrich Wilhelm Joseph von Schelling to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Jena · Place of Destination: Unknown · Date: 29.11.1802
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
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    Metadata Concerning Header
  • Sender: Friedrich Wilhelm Joseph von Schelling
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Jena
  • Place of Destination: Unknown
  • Date: 29.11.1802
    Printed Text
  • Bibliography: Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph: Historisch-kritische Ausgabe. Hg. v. Thomas Buchheim, Jochen Hennigfeld, Wilhelm G. Jacobs, Jörg Jantzen u. Siegbert Peetz. Stuttgart 1976ff. Reihe III: Briefe 2,1: Briefwechsel 1800–1802. Hg. v. Thomas Kisser unter Mitwirkung von Walter Schieche und Alois Wieshuber. Stuttgart 2010, S. 510–512.
  • Incipit: „Jena 29. Nov. 02.
    Den besten Dank für Übersendung des Dante wie des Hardenbergschen Nachlasses. Den aus jenem übersetzten Gesang erhalten [...]“
    Manuscript
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: DE-611-36872
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XIX,Bd.20,Nr.31
  • Number of Pages: 4 S. auf Doppelbl. u. 2 S., hs. m. U.
  • Format: 23,4 x 18,7 cm
Jena 29. Nov. 02.
Den besten Dank für Übersendung des Dante wie des Hardenbergschen Nachlasses. Den aus jenem übersetzten Gesang erhalten Sie so wie die Einleitung zu meinen Vorlesungen, sobald es möglich ist eine Abschrift davon nehmen zu lassen: die ich habe sind so, daß ich sie auch niemand zum Copiren geben kann. Den ersten Theil von Novalis Schriften hat Caroline; lassen Sie mir ja den Anfang des 2ten gelegentlich zukommen, der mich vielleicht mehr als das Übrige interessirt. Ich kann diese Frivolität gegen die Gegenstände nicht gut ertragen, an allen herumzuriechen, ohne Einen zu durchdringen. Schützeʼs Gedicht glaubte ich mit der Gita-Govinda vergleichen zu müssen. Haben Sie diese gelesen? ‒ Sonderbar, daß ich seit ziemlicher Zeit den Entwurf zu einer Ceres gemacht habe, ohne Zweifel aber in andrem Sinn, als Schützeʼs Proserpina. Ich bitte, dieß niemand mitzutheilen, um so mehr da die Vollendung noch so ferne ist. Diesen Winter kann ich fast an keine Arbeiten außer meinen Vorlesungen denken. Mit diesen bin ich sehr glücklich: ich habe in beyden Stunden zusammen über 200. Zuhörer, so daß es für die eine im Auditorium | an genugsamem Raum gebricht. Außerdem gebe ich noch ein Privatissimum, einem Ungarischen Grafen, der deßhalb hergekommen ist, und ein Mann von seltner Bildung ist. Die Vorlesungen über Ästhetik machen mir, nachdem ich es gewagt, unendliches Vergnügen, u. geben mir eine reiche Ausbeute von Ansichten. Bisher habe ich mich großentheils mit der Mythologie beschæftigt mit der ich den Anfang mache. Noch ein andres Glück ist, daß Lectüre und Studium besonders der alten Dichter nun mit den Berufsgeschäften Eins ist.
Caroline trägt mir wegen der Bücher auf, daß sie als Indemnität für Joh. Müller zurückbehalten, jedoch nur provisorisch occupirt hat, 3. Theile Volksmährchen, Klosterbruder und Phantasieen, 2ter und 3ter Theil Bambocciaden. Gienge ein erster Theil von diesen etwa herrenlos herum, so bittet sie Bernhardi ihn ihr zukommen zu lassen.
Die Literatur Zeitung wurde nur als Packpapier behandelt, daher auch von dieser noch viel zurückgeblieben. Wegen der ausgeschnittnen Blätter war sie nicht zu verkaufen.
Caroline glaubt das Beste wegen Mme. Bernhardi Gesundheit unter den jetzigen Umständen, voraussetzen zu dürfen, und bezeugt ihre Theilnahme. | Es hat sich nun wie ich aus der heutigen Hamburger Zeitung ersehe eine starke Allianz gegen Sie gebildet, und auch der dicke Sander sich aus der Neutralitæt gesetzt. Ich zweifle nicht, daß Sie sich Ihren guten u. tüchtigen Spaß damit machen werden, und sich in Ergözlichkeiten tapfer halten. Der Kampf der eleganten Zeitung und des Freymüthigen wird lustig genug ausfallen; wäre nur der Spazier nicht ein gar zu schlechtes Moyen. Großen Spaß hat uns auch ein Aufsatz von Schadow gemacht, wo er in der Künstlersqualität recht gemüthlich doch nicht absichtslos zu qualificiren sucht.
Mit dem Bericht von der Kunstausstellung ‒ das war allerdings ein guter Spaß, um ihn so mit anzusehen: in Rom konnte jeder der das Waffenhandwerk übte auch den Triumphator insultiren, aber der gemeine Soldat zu seyn, der das Organ der genommnen Satisfaction war, kann doch nicht für wünschenswerth gehalten werden. Sie zerbrechen sich den Kopf über den Verfasser? ‒ Hier war man so ziemlich gewiß darüber. Man glaubte allgemein, es sey Bode, der doch in der Gigantomachie einigen Witz gezeigt hat. Was sagen Sie dazu? ‒ Daß er nichts von Kunst versteht ist kein Beweis, wahrscheinlich haben ihm Künstler (Schadow?) geholfen. Synthetisch ist die Person auf jeden Fall. ‒ |
Goethe scheint auch jener Meinung gewesen zu seyn, da er gesagt haben soll, es habʼ es ein Lausbub gemacht, welches in unsrem südlichen Dialekt ein Subject bedeutet, das kein übles Ingenium hat aber sich durch einen schäbigen Willen unnüz macht.
Wegen des Vorspiels ist es uns ebenso ˹wie Ihnen˺ gegangen nachdem wir es gelesen. Wenn Sie sich ein Bild davon aus der eleganten Zeitung gemacht haben, so war das freylich das Vorspiel, wie es sich in dem Darsteller gespiegelt hatte, nicht sowohl es selbst. Auf jeden Fall bedurfte es des Moments der theatralischen Repræsentation, in der es sich wirklich auf eine unglaubliche Art heraushob.
Ueber das mit dem Mond kann ich Ihnen noch keine andre Nachweisung geben, als die Äußerung von La Place selbst in einem Brief an Zach (zu finden in dessen Journal ohngefähr vom October oder September), u. auch da nur die Frage: „Sollten sie (jene Massen) Producte der Mondsvulcane sein“?, nebst einer Anmerkung von Blumenbach, aus der ich das von dem Nickel als vorzüglichem Bestandtheil weiß. Sie sehen aus dem eben Angeführten, daß der Fall nicht als ein Nachlassen der anziehenden Kraft des Monds zu denken | ist, sondern als Explosion. La Place hat berechnet daß wenn diese Massen nur mit einer 6mal größeren Gewalt, als eine Kanonenkugel ausgeschleudert würden, sie in die Attractionssphäre der Erde kommen müssen. Nun sind schon auf der Erde Vulcane, die so stark (obgleich nicht immer) explodiren, wie viel mehr auf dem Mond, der viel größere Berge hat? ‒ Indeß bin ich für mich von der Vulcanischen Wirkung dabey noch nicht überzeugt.
Marcus hat Anträge nach Berlin, und ist nicht ganz entschlossen dagegen: es ist doch unrecht, daß sich alles Gute nach Norden ziehen soll.
Aus Weimar noch keine Nachricht! Es wird nöthig seyn, daß man sich persönlich erkundigt. Ich bin seit der Zeit nicht da gewesen.
Hier eine Merkwürdigkeit; eine Ankündigung von Ihrem Bruder für Paris. Vielleicht haben Sie selbige doch nicht gesehen. Die Äußerung von Frommann, den Plato zu haben, scheint satyrisch gewesen zu seyn, wenigstens stellt er sich | wieder ganz verzweifelnd an und sagt daß ihn vorigen Sommer nicht weniger als sieben Autoren betrogen haben.
Leben Sie recht wohl, und lassen Sie bald wieder von sich hören.
Sch.
N. S. Die Hauptsache vergesse ich.
Ich wollte Sie bitten, flehen und beschwören, wenn das spanische Stück fertig ist, es uns doch nicht vorzuenthalten. Wenn ich es nur von einem Posttag zum andern behalten darf bin ich schon vergnügt.

Was die Lit. Z. oder Schütz gethan hat, haben Sie ja wohl gesehen, u. ich brauche darüber nichts hinzuzusetzen.
Jena 29. Nov. 02.
Den besten Dank für Übersendung des Dante wie des Hardenbergschen Nachlasses. Den aus jenem übersetzten Gesang erhalten Sie so wie die Einleitung zu meinen Vorlesungen, sobald es möglich ist eine Abschrift davon nehmen zu lassen: die ich habe sind so, daß ich sie auch niemand zum Copiren geben kann. Den ersten Theil von Novalis Schriften hat Caroline; lassen Sie mir ja den Anfang des 2ten gelegentlich zukommen, der mich vielleicht mehr als das Übrige interessirt. Ich kann diese Frivolität gegen die Gegenstände nicht gut ertragen, an allen herumzuriechen, ohne Einen zu durchdringen. Schützeʼs Gedicht glaubte ich mit der Gita-Govinda vergleichen zu müssen. Haben Sie diese gelesen? ‒ Sonderbar, daß ich seit ziemlicher Zeit den Entwurf zu einer Ceres gemacht habe, ohne Zweifel aber in andrem Sinn, als Schützeʼs Proserpina. Ich bitte, dieß niemand mitzutheilen, um so mehr da die Vollendung noch so ferne ist. Diesen Winter kann ich fast an keine Arbeiten außer meinen Vorlesungen denken. Mit diesen bin ich sehr glücklich: ich habe in beyden Stunden zusammen über 200. Zuhörer, so daß es für die eine im Auditorium | an genugsamem Raum gebricht. Außerdem gebe ich noch ein Privatissimum, einem Ungarischen Grafen, der deßhalb hergekommen ist, und ein Mann von seltner Bildung ist. Die Vorlesungen über Ästhetik machen mir, nachdem ich es gewagt, unendliches Vergnügen, u. geben mir eine reiche Ausbeute von Ansichten. Bisher habe ich mich großentheils mit der Mythologie beschæftigt mit der ich den Anfang mache. Noch ein andres Glück ist, daß Lectüre und Studium besonders der alten Dichter nun mit den Berufsgeschäften Eins ist.
Caroline trägt mir wegen der Bücher auf, daß sie als Indemnität für Joh. Müller zurückbehalten, jedoch nur provisorisch occupirt hat, 3. Theile Volksmährchen, Klosterbruder und Phantasieen, 2ter und 3ter Theil Bambocciaden. Gienge ein erster Theil von diesen etwa herrenlos herum, so bittet sie Bernhardi ihn ihr zukommen zu lassen.
Die Literatur Zeitung wurde nur als Packpapier behandelt, daher auch von dieser noch viel zurückgeblieben. Wegen der ausgeschnittnen Blätter war sie nicht zu verkaufen.
Caroline glaubt das Beste wegen Mme. Bernhardi Gesundheit unter den jetzigen Umständen, voraussetzen zu dürfen, und bezeugt ihre Theilnahme. | Es hat sich nun wie ich aus der heutigen Hamburger Zeitung ersehe eine starke Allianz gegen Sie gebildet, und auch der dicke Sander sich aus der Neutralitæt gesetzt. Ich zweifle nicht, daß Sie sich Ihren guten u. tüchtigen Spaß damit machen werden, und sich in Ergözlichkeiten tapfer halten. Der Kampf der eleganten Zeitung und des Freymüthigen wird lustig genug ausfallen; wäre nur der Spazier nicht ein gar zu schlechtes Moyen. Großen Spaß hat uns auch ein Aufsatz von Schadow gemacht, wo er in der Künstlersqualität recht gemüthlich doch nicht absichtslos zu qualificiren sucht.
Mit dem Bericht von der Kunstausstellung ‒ das war allerdings ein guter Spaß, um ihn so mit anzusehen: in Rom konnte jeder der das Waffenhandwerk übte auch den Triumphator insultiren, aber der gemeine Soldat zu seyn, der das Organ der genommnen Satisfaction war, kann doch nicht für wünschenswerth gehalten werden. Sie zerbrechen sich den Kopf über den Verfasser? ‒ Hier war man so ziemlich gewiß darüber. Man glaubte allgemein, es sey Bode, der doch in der Gigantomachie einigen Witz gezeigt hat. Was sagen Sie dazu? ‒ Daß er nichts von Kunst versteht ist kein Beweis, wahrscheinlich haben ihm Künstler (Schadow?) geholfen. Synthetisch ist die Person auf jeden Fall. ‒ |
Goethe scheint auch jener Meinung gewesen zu seyn, da er gesagt haben soll, es habʼ es ein Lausbub gemacht, welches in unsrem südlichen Dialekt ein Subject bedeutet, das kein übles Ingenium hat aber sich durch einen schäbigen Willen unnüz macht.
Wegen des Vorspiels ist es uns ebenso ˹wie Ihnen˺ gegangen nachdem wir es gelesen. Wenn Sie sich ein Bild davon aus der eleganten Zeitung gemacht haben, so war das freylich das Vorspiel, wie es sich in dem Darsteller gespiegelt hatte, nicht sowohl es selbst. Auf jeden Fall bedurfte es des Moments der theatralischen Repræsentation, in der es sich wirklich auf eine unglaubliche Art heraushob.
Ueber das mit dem Mond kann ich Ihnen noch keine andre Nachweisung geben, als die Äußerung von La Place selbst in einem Brief an Zach (zu finden in dessen Journal ohngefähr vom October oder September), u. auch da nur die Frage: „Sollten sie (jene Massen) Producte der Mondsvulcane sein“?, nebst einer Anmerkung von Blumenbach, aus der ich das von dem Nickel als vorzüglichem Bestandtheil weiß. Sie sehen aus dem eben Angeführten, daß der Fall nicht als ein Nachlassen der anziehenden Kraft des Monds zu denken | ist, sondern als Explosion. La Place hat berechnet daß wenn diese Massen nur mit einer 6mal größeren Gewalt, als eine Kanonenkugel ausgeschleudert würden, sie in die Attractionssphäre der Erde kommen müssen. Nun sind schon auf der Erde Vulcane, die so stark (obgleich nicht immer) explodiren, wie viel mehr auf dem Mond, der viel größere Berge hat? ‒ Indeß bin ich für mich von der Vulcanischen Wirkung dabey noch nicht überzeugt.
Marcus hat Anträge nach Berlin, und ist nicht ganz entschlossen dagegen: es ist doch unrecht, daß sich alles Gute nach Norden ziehen soll.
Aus Weimar noch keine Nachricht! Es wird nöthig seyn, daß man sich persönlich erkundigt. Ich bin seit der Zeit nicht da gewesen.
Hier eine Merkwürdigkeit; eine Ankündigung von Ihrem Bruder für Paris. Vielleicht haben Sie selbige doch nicht gesehen. Die Äußerung von Frommann, den Plato zu haben, scheint satyrisch gewesen zu seyn, wenigstens stellt er sich | wieder ganz verzweifelnd an und sagt daß ihn vorigen Sommer nicht weniger als sieben Autoren betrogen haben.
Leben Sie recht wohl, und lassen Sie bald wieder von sich hören.
Sch.
N. S. Die Hauptsache vergesse ich.
Ich wollte Sie bitten, flehen und beschwören, wenn das spanische Stück fertig ist, es uns doch nicht vorzuenthalten. Wenn ich es nur von einem Posttag zum andern behalten darf bin ich schon vergnügt.

Was die Lit. Z. oder Schütz gethan hat, haben Sie ja wohl gesehen, u. ich brauche darüber nichts hinzuzusetzen.
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