• August Wilhelm von Schlegel to Gottlieb Ernst August Mehmel

  • Place of Dispatch: Berlin · Place of Destination: Erlangen · Date: 01.06.1801
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
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    Metadata Concerning Header
  • Sender: August Wilhelm von Schlegel
  • Recipient: Gottlieb Ernst August Mehmel
  • Place of Dispatch: Berlin
  • Place of Destination: Erlangen
  • Date: 01.06.1801
  • Notations: Empfangsort erschlossen.
    Printed Text
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: 343347008
  • Bibliography: Briefe von und an August Wilhelm Schlegel. Gesammelt und erläutert durch Josef Körner. Bd. 1. Zürich u.a. 1930, S. 124‒126.
  • Incipit: „[1] Berlin d. 1 ten Jun [180]1
    Mit neuer Beschämung schreibe ich Ihnen, werthester Herr Professor, da ich immer noch nicht im [...]“
    Manuscript
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: DE-611-37130
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XX,Bd.4,Nr.38
  • Number of Pages: 4 S. auf Doppelbl. u. 1 S., hs. m. U.
  • Format: 18,9 x 11,8 cm
[1] Berlin d. 1 ten Jun [180]1
Mit neuer Beschämung schreibe ich Ihnen, werthester Herr Professor, da ich immer noch nicht im Stande bin, mein Versprechen, einige Beurtheilungen in Ihre gelehrte Zeitung zu liefern, zu halten. Zum Theil sind Reisen und die Zerstreuungen eines fremden Aufenthalts daran Schuld; dann ist es mir auch mit den gewählten Büchern unglücklich gegangen. Von Vossens Idyllen, die ich vorschlug, weil ich über das Wesen und die Geschichte der Idylle etwas neues und eingreifendes sagen zu können glaubte, fand ich eine Beurtheilung in der Erlanger Zeitung abgedruckt, als ich eben die meinige aufsetzen wollte. Die von Hubers Erzählungen habe ich wirklich aufgeschrieben; allein Hr. Huber hat über eine Anzeige derselben von Merkel in den Briefen an ein Frauenzimmer einen freundschaftlichen Brief an diesen geschrieben, welchen Merkel auch abdrucken lassen; dadurch hat Hr. Huber nun meines Bedünkens genugsam erklärt, in welche Classe er gerechnet seyn will, und es ist mir nicht mehr anständig, von seinen Schreibereyen fernerhin [2] die mindeste Notiz zu nehmen. – Über die Wahl andrer Gegenstände für meine Kritik bin ich wirklich verlegen, da ich sie unmöglich an unbedeutende und mittelmäßige Produkte verschwenden kann, und die meisten merkwürdigen und wahrhaft bereichernden Erscheinungen in meinem Fache von genauen Freunden von mir herrühren. Nun ist uns zwar das gegenseitige Loben so oft vorgeworfen worden, daß ich völlig gleichgültig bin, wenn man die albernen Anklagen gegen unsre Faction, Clique u. s. w. wiederhohlt: allein man macht ja auch Ihnen ein Verbrechen daraus, daß Sie es bey sich dulden. Wenn Sie sich daran nicht stoßen, so biete ich Ihnen eine ausführliche Beurtheilung der Genoveva von Tieck an, die gewiß strenge nach meinen Begriffen von dramatischer Kunst abgefaßt seyn soll, und zu der ich erbötig bin, mich sogleich zu nennen. Schreiben Sie mir Ihren Entschluß darüber, so will ich im Fall der Annahme alsdann sogleich an die Arbeit gehen.
Von Schiller ist verschiednes im Druck erschienen, aber außer daß ich auch mit ihm in per[3]sönlichen Verhältnissen stehe, habe ich besondre Gründe über seine Arbeiten jetzt kein öffentliches Urtheil zu äußern.
Für die Ihrer Zeitung eingerückte Beurtheilung des Athenäums kann ich Ihnen nur vorläufig danken, da ich nur Gutes davon gehört, sie aber noch nicht selbst gelesen habe, indem ich bey meinem temporären Aufenthalt hier keine Einrichtung zum regelmäßigen Lesen der gelehrten Zeitungen habe treffen können. Daß Sie wegen ihrer öffentlich geäußerten liberalen Grundsätze und der consequenten Ausübung derselben würden angefeindet werden, ließ sich voraussehn; es darf Sie in der That wenig kümmern, Sie sind dabey in guter Gesellschaft, gegen mich und meine Freunde haben diese letzten Verzuckungen des unterjochten bösen Prinzips in unsrer Literatur schon seit einigen Jahren ihre ganze Heftigkeit gerichtet, ohne uns doch eigentlich etwas andres als Vorschub zu thun.
Da man Ihnen auch aus der eingerückten Recension der Ehrenpforte, in der N.[euen] D.[eutschen] Bibl.[iothek], ein Verbrechen machen will, so ist Ihnen vielleicht beyliegende Erklärung nicht unwillkommen, [4] die ich in der That nicht Hrn. Nicolai zu Ehren, sondern der Sache und Ihrentwegen geschrieben habe. Ich ersuche Sie, derselben in Ihrem Intelligenz-Blatte baldigst Platz zu geben und werde sie auch anderswo abdrucken lassen.
Wegen der Recension der Therapie von Hufeland statte ich Ihnen meinen Glückwunsch ab: sie ist ein Meisterstück, wie unsre sämtlichen kritischen Blätter deren gewiß wenige aufzuweisen haben. Ich glaubte, Hrn. Eschenmaier mit Sicherheit darin zu erkennen, und wenn meine Vermuthung gegründet ist, so bitte ich Sie, ihm gelegentlich meine Verehrung und Bewunderung zu bezeugen.
Fichteʼs Schrift über Nicolai habe ich Auftrag ertheilt, Ihnen von Jena aus zu schicken, wo ich als Herausgeber sie habe drucken lassen, da ihr das hiesige Oberconsistorium seltsamer Weise die Censur geweigert hatte. Haben Sie selbige noch nicht erhalten, so liegt es nur daran, daß mein Bruder kein Exemplar mehr gehabt; ich bitte Sie, es mir zu melden, und werde sie Ihnen dann sogleich von hier aus zusenden. Ich glaube, Fichte würde eine baldige Anzeige derselben in Ihrer Zeitung gern sehen. Ich habe deswegen bey [5] Schelling angefragt; sollte sich dieser nicht dazu entschließen, so würde sie Schleiermacher sehr gut abfassen können, der mir schon gesagt hat, daß er diese Arbeit gern übernehmen wolle.
Die so eben erschienenen Charakteristiken und Kritiken von meinem Bruder und mir haben Sie vielleicht schon erhalten: wenigstens habe ich in Jena Auftrag ertheilt sie Ihnen zu schicken, da ich hier keine Exemplare habe.
Auf den Herbst wird ein neuer Musenalmanach, von Tieck und mir herausgegeben, erscheinen, der mich die letzte Zeit her zum Theil beschäftigt hat, und dem ich im Voraus Ihren Beyfall wünsche.
Ich bin mit aufrichtiger Hochachtung
Ihr ergebenster
A. W. Schlegel

Meine Adresse:
bey der Jungfernbrücke Nr 10 bey Hrn. Subrector Bernhardi.
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[1] Berlin d. 1 ten Jun [180]1
Mit neuer Beschämung schreibe ich Ihnen, werthester Herr Professor, da ich immer noch nicht im Stande bin, mein Versprechen, einige Beurtheilungen in Ihre gelehrte Zeitung zu liefern, zu halten. Zum Theil sind Reisen und die Zerstreuungen eines fremden Aufenthalts daran Schuld; dann ist es mir auch mit den gewählten Büchern unglücklich gegangen. Von Vossens Idyllen, die ich vorschlug, weil ich über das Wesen und die Geschichte der Idylle etwas neues und eingreifendes sagen zu können glaubte, fand ich eine Beurtheilung in der Erlanger Zeitung abgedruckt, als ich eben die meinige aufsetzen wollte. Die von Hubers Erzählungen habe ich wirklich aufgeschrieben; allein Hr. Huber hat über eine Anzeige derselben von Merkel in den Briefen an ein Frauenzimmer einen freundschaftlichen Brief an diesen geschrieben, welchen Merkel auch abdrucken lassen; dadurch hat Hr. Huber nun meines Bedünkens genugsam erklärt, in welche Classe er gerechnet seyn will, und es ist mir nicht mehr anständig, von seinen Schreibereyen fernerhin [2] die mindeste Notiz zu nehmen. – Über die Wahl andrer Gegenstände für meine Kritik bin ich wirklich verlegen, da ich sie unmöglich an unbedeutende und mittelmäßige Produkte verschwenden kann, und die meisten merkwürdigen und wahrhaft bereichernden Erscheinungen in meinem Fache von genauen Freunden von mir herrühren. Nun ist uns zwar das gegenseitige Loben so oft vorgeworfen worden, daß ich völlig gleichgültig bin, wenn man die albernen Anklagen gegen unsre Faction, Clique u. s. w. wiederhohlt: allein man macht ja auch Ihnen ein Verbrechen daraus, daß Sie es bey sich dulden. Wenn Sie sich daran nicht stoßen, so biete ich Ihnen eine ausführliche Beurtheilung der Genoveva von Tieck an, die gewiß strenge nach meinen Begriffen von dramatischer Kunst abgefaßt seyn soll, und zu der ich erbötig bin, mich sogleich zu nennen. Schreiben Sie mir Ihren Entschluß darüber, so will ich im Fall der Annahme alsdann sogleich an die Arbeit gehen.
Von Schiller ist verschiednes im Druck erschienen, aber außer daß ich auch mit ihm in per[3]sönlichen Verhältnissen stehe, habe ich besondre Gründe über seine Arbeiten jetzt kein öffentliches Urtheil zu äußern.
Für die Ihrer Zeitung eingerückte Beurtheilung des Athenäums kann ich Ihnen nur vorläufig danken, da ich nur Gutes davon gehört, sie aber noch nicht selbst gelesen habe, indem ich bey meinem temporären Aufenthalt hier keine Einrichtung zum regelmäßigen Lesen der gelehrten Zeitungen habe treffen können. Daß Sie wegen ihrer öffentlich geäußerten liberalen Grundsätze und der consequenten Ausübung derselben würden angefeindet werden, ließ sich voraussehn; es darf Sie in der That wenig kümmern, Sie sind dabey in guter Gesellschaft, gegen mich und meine Freunde haben diese letzten Verzuckungen des unterjochten bösen Prinzips in unsrer Literatur schon seit einigen Jahren ihre ganze Heftigkeit gerichtet, ohne uns doch eigentlich etwas andres als Vorschub zu thun.
Da man Ihnen auch aus der eingerückten Recension der Ehrenpforte, in der N.[euen] D.[eutschen] Bibl.[iothek], ein Verbrechen machen will, so ist Ihnen vielleicht beyliegende Erklärung nicht unwillkommen, [4] die ich in der That nicht Hrn. Nicolai zu Ehren, sondern der Sache und Ihrentwegen geschrieben habe. Ich ersuche Sie, derselben in Ihrem Intelligenz-Blatte baldigst Platz zu geben und werde sie auch anderswo abdrucken lassen.
Wegen der Recension der Therapie von Hufeland statte ich Ihnen meinen Glückwunsch ab: sie ist ein Meisterstück, wie unsre sämtlichen kritischen Blätter deren gewiß wenige aufzuweisen haben. Ich glaubte, Hrn. Eschenmaier mit Sicherheit darin zu erkennen, und wenn meine Vermuthung gegründet ist, so bitte ich Sie, ihm gelegentlich meine Verehrung und Bewunderung zu bezeugen.
Fichteʼs Schrift über Nicolai habe ich Auftrag ertheilt, Ihnen von Jena aus zu schicken, wo ich als Herausgeber sie habe drucken lassen, da ihr das hiesige Oberconsistorium seltsamer Weise die Censur geweigert hatte. Haben Sie selbige noch nicht erhalten, so liegt es nur daran, daß mein Bruder kein Exemplar mehr gehabt; ich bitte Sie, es mir zu melden, und werde sie Ihnen dann sogleich von hier aus zusenden. Ich glaube, Fichte würde eine baldige Anzeige derselben in Ihrer Zeitung gern sehen. Ich habe deswegen bey [5] Schelling angefragt; sollte sich dieser nicht dazu entschließen, so würde sie Schleiermacher sehr gut abfassen können, der mir schon gesagt hat, daß er diese Arbeit gern übernehmen wolle.
Die so eben erschienenen Charakteristiken und Kritiken von meinem Bruder und mir haben Sie vielleicht schon erhalten: wenigstens habe ich in Jena Auftrag ertheilt sie Ihnen zu schicken, da ich hier keine Exemplare habe.
Auf den Herbst wird ein neuer Musenalmanach, von Tieck und mir herausgegeben, erscheinen, der mich die letzte Zeit her zum Theil beschäftigt hat, und dem ich im Voraus Ihren Beyfall wünsche.
Ich bin mit aufrichtiger Hochachtung
Ihr ergebenster
A. W. Schlegel

Meine Adresse:
bey der Jungfernbrücke Nr 10 bey Hrn. Subrector Bernhardi.
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