• Hans Christian Genelli to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Berlin · Place of Destination: Unknown · Date: 15.09.1801
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
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    Metadata Concerning Header
  • Sender: Hans Christian Genelli
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Berlin
  • Place of Destination: Unknown
  • Date: 15.09.1801
    Printed Text
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: 343347008
  • Bibliography: Briefe von und an August Wilhelm Schlegel. Gesammelt und erläutert durch Josef Körner. Bd. 1. Zürich u.a. 1930, S. 132‒136.
  • Incipit: „[1] Berlin den 15ten 7br [18]01
    Bury, der es gar kein Hehl hat wie sehr ungern er schreibt und jede Gelegenheit ergreift [...]“
    Manuscript
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: DE-1a-33708
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XIX,Bd.9,Nr.10
  • Number of Pages: 8S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 18,7 x 11,6 cm
[1] Berlin den 15ten 7br [18]01
Bury, der es gar kein Hehl hat wie sehr ungern er schreibt und jede Gelegenheit ergreift sich diese Last vom Halse zu schaffen, hat mir den Auftrag gegeben Ihnen den Empfang Ihres freundschaftlichen Schreibens vom 7ten h.[uius] zu melden und Ihnen seinen, oder richtiger unser aller, Dank abzustatten für die treue Umständlichkeit, welche Sie sich dabei nicht haben verdrießen lassen um unsre Neugierde unter die Arme zu greifen.
In der That konnte uns für den gegenwärtigen Moment kein größeres Fest geboten werden, als das was Sie uns durch dieses bunte Assortiment von Achillen gegeben haben, von welchen jeder sich freilich immer auf eine andre Manier ausländisch anstellt ohne daß es Einem von ihnen gelingen will antik zu werden. Alle haben sie mit ihren possierlichen Gebehrdungen uns ungemein ergötzt, bis auf den hochgepriesenen Rubens herunter, der den Kranz erlaufen wird, und der, unter uns gesagt, doch ein gemeiner Demokrat ist. Eine oder zwei Masken, so allein, scheinen ihm zu vornehm und er respektirt die Götter nur, wie die Leichen, in so fern sie Gildenweis auftreten. Eine ernstlichere Freude aber machte es [2] uns in all diesen lustigen Schilderungen deutlich zu sehn daß Sie selbst nicht verkennen wie unendlich weit unsres Hummels Arbeit über alle diese kümmerliche Brut abstehet. Aber in Weimar muß nach aller Wahrscheinlichkeit eben jener Rubens den Preis davon tragen. Zwar will Bury diese Vermuthung als ein Stück jener diabolischen Unerbittlichkeit angesehen wissen, die Sie an mir zu exageriren belieben; jedoch, gleich als befürchtete er es mögte doch am Ende nicht anders herauskommen, erklärt er Ihnen hiermit, daß wenn dieser Rubens wirklich den Kranz davon trägt und nicht unser Hummel, der alte Meister dann seinen Kredit als Kunst-Beurtheiler bei ihm ganz verspielt habe.
Am spaßhaftesten kam uns doch Nr. 3 der tapfere Lieutenant vor, der die Götter wie Gassenbuben unter sich gebracht hat, und sie nun kek weg aufgabeln will und nicht gleich darüber des Teufels wird. Aber grade dies ist das schönste dabei, daß eben das wieder nur eine komische Täuschung ist. Denn zuletzt merkt man doch daß der Maler immer noch gewißenhaft genug die poetische Gerechtigkeit übet und seinen Held wirklich unter jener drolligen Leichencascade auf der Stelle des Teufels werden lässt. Und dann die Entdeckung, wo beim besten Spaß die Deidamia hinaus gegangen ist ihre Nothdurft zu verrichten. Gestehen Sie, dieser Bursche hat es recht gefasst wie grade die Zweisinnigkeit des Moments das einzige ist was diese [3] Aufgabe des Malens werth macht. Dafür ist aber auch wohl dieser Schweizer der einzige, den Goethe nicht ins Theatralische hinein zu verführen vermogt hat. Dieser tadelt an Hummels Skizze daß die Haupt-Gruppe zu theatralisch sei. Dies ist freilich wahr; aber ist er nicht selbst Schuld daran ? Indem er in seiner Aufgabe ausdrücklich auf einen einzigen Moment hindeutet, wo alle Motive sich vereinigen, wovon, soviel mir einleuchten will, nur aus dem Standpunkt der Dramatik die Rede sein kann, hat er ja förmlich alle seine Maler auf die Bretter gefodert. In der Malerei kann aus diesem Sujet überhaupt nichts Rechtes werden, so lange man nicht den modern sentimentalen Umstand der verheimlichten Liebes-intrigue sich aus dem Sinne treibt, der ganz falsch ist und in der antiken Mythe gar nicht Statt haben kann.

Gleich anfangs konnten wir uns des Lachens nicht erwehren, wo Sie uns nicht ohne ein wenig Verwunderung merken lassen, daß gleich beim ersten Anblick die modern sentimentale Deidamia die Aufmerksamkeit gewonnen hatte vor dem antiken Heroen: weil es die Bestätigung einer gleich vorgefassten Vermuthung ist. Goethe hat einmal dieses Sujet – vielleicht eben weil es zur modernen Sentimentalität verführt – als Haupt-Aufgabe gesetzt; und von der anderen hat er sich gewiß nicht viele Auflösungen versprochen. Jetzt ist es nicht mehr zu erwarten daß er die Würde jener Heroischen Energie und Kühnheit für die Darstellung hinterher anerkenne und beide Aufgaben zu gleichem Range [4] erhebe. Der Deidamia wird sicher der Haupt-Preis zuerkannt werden, und diesen wird Nahl davon tragen, den zweiten wird – – Rubens-Hoffmann erhalten. Dennoch wird es uns – wo nicht Freude, so doch Spaß – machen, und Sie können sich nicht vorstellen wie begierig wir alle der neuen Propyläen harren.
Aber, lieber Schlegel, nur rühmen Sie uns nicht die Grazie Eures fetten Nahls an. Wir kennen sie alle diese kalte und platte Luderhaftigkeit, die nur der abgenutzten Gewöhnlichkeit für Grazie, und überhaupt für etwas gelten kann. Dagegen, im Kampfe, räumen Sie uns nur gutwillich den gewaltigen – Abstand ein der zwischen dem hohen Ernst, dem poetischen und antiken Sinn, und der besonnenen Genügsamkeit des Künstlers in der Arbeit unsres Hummel, und dem burlesken Wirwar all der anderen Pantalone ist. Gestehen Sie daß hier die Götter würdig erscheinen in der Fülle ihres Elements, daß die Kühnheit des Helden groß und unzweideutig dargestellt ist, und wie durch lebendige Theilnahme alles zum Ganzen wird, das allmälige Aufstehn der ganzen Natur uns verkündet daß der Held zuletzt doch wird weichen müßen. Gestehen Sie daß dem Künstler, der nicht ein Küchenstück von Erschlagenen zu liefern im Sinne hatte, die Eine Leiche eine hinreichende Andeutung war.
[5] Bury ist sehr erfreut über Ihren Besuch bei der Herzogin und er erkennt dankbar die Freundschaftlichkeit mit der Sie ihr von ihm sprachen. Er wünscht daß Sie, so oft Sie in W.[eimar] sind, sie nicht vernachlässigen mögen, und bittet ihn ihr immer bestens in Erinnerung zu bringen. Sie können wissen daß er ihr mit einer Art von Kindlichen Liebe zugethan ist; und Liebe, sei sie welcher Art sie wolle, soll man immer religiös respektiren. Der arme Böttiger! muß jetzt auch da einen seiner Erbfeinde eingeführt sehn, und was noch ärger ist, sich gar noch von ihm freundlich begegnen lassen. Sein Anstand mußte sehr lustig sein: ungefähr so wie Meyers schwächliche Krittelfertigkeit. – Den Aufsatz von Schadow werden Sie jetzt wohl schon durch Bern[h]ardi erhalten haben. Wenn es Sie nicht zu beschwerlich fällt, so haben Sie doch die Güte uns zu berichten, wozu derselbe doch den alten Herrn bewegen mögte. Doch wir haben ja bald das Vergnügen Sie selbst wieder hier zu sehn, wo wir das umständlicher und besser mündlich erfahren. Ihre Bestellungen an Hirt wird Bury ausrichten. Sie erwähnen aber noch der Umriße nach der Me Meyer, die heute oder morgen erst wieder zurückkommt, und an welche Bury seitdem in der That gar nicht mehr gedacht hat. Ist es wirklich im Ernst daß Sie noch dieses [6] englischen Vignettenprojekts von platter Affektation gedenken, oder spotten Sie nur?
Nachdem ich bis jetzt der Wortführer für Bury gewesen, sey es mir erlaubt noch ein Paar Worte in meinem eigenen Namen hinzu zu fügen. Lieber Schlegel, ich verlasse mich ganz ehrlich darauf Ihren Unterricht im Griechischen zu genießen. Bis jetzt habe ich freilich noch nicht daran denken können, eben weil ich mich für dieß Jahr erst so frei als möglich von Geschäften machen wollte. Allein jetzt gehe ich auf vier Wochen auf das Land, wo ich mich so viel möglich vorbereiten will: d. h. ich werde eine Grammatik mitnehmen und mich fleißig in derselben umsehn. Lassen Sie sich nur nicht abschrecken: ich versichre Ihnen ich bin kein schlechter Schüler.
Sie fodern mich auf dem Goethe ein Exemplar meiner drei Briefe über den Vitruv zu übersenden von welchen ich bis jetzt noch gar nichts weiß. Mit jedem Tage erwarte ich durch Hummels Bruder, der jetzt in Braunschweig lebt, eine Nachricht ob ich noch zu gerichtlichem Verfahren werde schreiten müßen oder nicht. Das erste Produkt eines Menschen, der nichts weniger als Author ist, kann in den meisten Hinsichten nicht anders als schülerhaft werden. Die einzige, in [7] welcher es noch mir selbst, und vielleicht einem oder dem anderen Architekten wichtig bleiben kann, kann dem alten Meister so wenig als Ihnen interessiren.
Und auch in dieser Hinsicht enthalten sie Manches, was ich jetzt wohl wieder zurück haben mögte, der ridicülen Irrthümer zu geschweigen, zu welchen mich die Oberflächlichkeit der Reisebeschreiber, und noch mehr das Unglück nichts selbst gesehen zu haben, verleitet hat. Mir wird es also immer eine nüchterne Arroganz scheinen, wenn ich dem alten Herrn mein Geschreibsel aufdringen sollte, was für ihn keinen Werth hat. Aber da Sie es doch gut heißen, so schlage ich Ihnen vor Ihnen zwei Exemplare zu geben, von welchen Sie denn eines in Ihrem eigenen Namen ihm mittheilen mögen. Sind Sie damit zufrieden? Einmal wenn ich es selbst thun oder in meinem Namen thun lassen sollte, würde ich trotz der Entfernung zwischen Weimar und hier über und über roth werden und in Verwirrung gerathen wie ein Mädchen das ihre Jungfrauschaft verlieren soll. Ich kann mich einmal nicht helfen und diese burleske Schwachheit müßen Sie mir wohl zu gute halten.
Leben Sie wohl. Und hegen Sie keinen Zweifel [8] daß es mit Ihren Vorlesungen hier recht gut zu Stande kommen wird. Ich wenigstens habe keinen hierüber. Jüngst war Ihr Freund Merkel bei Bury und fand ein Paar von Ihren Ankündigungen. Fand er sie nicht da, so fand er sie ja wohl sonst wo. Er meinte Sie fiengen doch endlich an sich ein wenig unter seinen Züchtigungen zu besseren: ich weiß nicht ob darin, daß Sie Ihre Vorlesungen nach Berlin verlegen, oder darin daß Sie sich an die Damen addressiren. Doch fand er Ihren Styl immer noch nach alter Weise etwas sehr pretiös und anmaßlich. Es ist etwas drolliges um diese moderne philosophische Demuth die so gar nichts von der Christlichen an sich hat. Nachdem er ausgesabbert hatte, sagte Bury ihm: jetzt haben Sie es einmal gesehen, jetzt schimpfen Sie darüber weit und breit herum so viel Ihnen gelüstet. Je braver Sie schimpfen, je mehr Zuhörer bekommt der Schlegel. Was sagen Sie zu der ehrlichen Herzhaftigkeit unsres Bury? Der Schuft ist capabel und siehet die Richtigkeit davon ein, und schimpft jetzt gar nicht: Ihnen zum Schabernak.
Adieu.
Ihr
Genelli
[1] Berlin den 15ten 7br [18]01
Bury, der es gar kein Hehl hat wie sehr ungern er schreibt und jede Gelegenheit ergreift sich diese Last vom Halse zu schaffen, hat mir den Auftrag gegeben Ihnen den Empfang Ihres freundschaftlichen Schreibens vom 7ten h.[uius] zu melden und Ihnen seinen, oder richtiger unser aller, Dank abzustatten für die treue Umständlichkeit, welche Sie sich dabei nicht haben verdrießen lassen um unsre Neugierde unter die Arme zu greifen.
In der That konnte uns für den gegenwärtigen Moment kein größeres Fest geboten werden, als das was Sie uns durch dieses bunte Assortiment von Achillen gegeben haben, von welchen jeder sich freilich immer auf eine andre Manier ausländisch anstellt ohne daß es Einem von ihnen gelingen will antik zu werden. Alle haben sie mit ihren possierlichen Gebehrdungen uns ungemein ergötzt, bis auf den hochgepriesenen Rubens herunter, der den Kranz erlaufen wird, und der, unter uns gesagt, doch ein gemeiner Demokrat ist. Eine oder zwei Masken, so allein, scheinen ihm zu vornehm und er respektirt die Götter nur, wie die Leichen, in so fern sie Gildenweis auftreten. Eine ernstlichere Freude aber machte es [2] uns in all diesen lustigen Schilderungen deutlich zu sehn daß Sie selbst nicht verkennen wie unendlich weit unsres Hummels Arbeit über alle diese kümmerliche Brut abstehet. Aber in Weimar muß nach aller Wahrscheinlichkeit eben jener Rubens den Preis davon tragen. Zwar will Bury diese Vermuthung als ein Stück jener diabolischen Unerbittlichkeit angesehen wissen, die Sie an mir zu exageriren belieben; jedoch, gleich als befürchtete er es mögte doch am Ende nicht anders herauskommen, erklärt er Ihnen hiermit, daß wenn dieser Rubens wirklich den Kranz davon trägt und nicht unser Hummel, der alte Meister dann seinen Kredit als Kunst-Beurtheiler bei ihm ganz verspielt habe.
Am spaßhaftesten kam uns doch Nr. 3 der tapfere Lieutenant vor, der die Götter wie Gassenbuben unter sich gebracht hat, und sie nun kek weg aufgabeln will und nicht gleich darüber des Teufels wird. Aber grade dies ist das schönste dabei, daß eben das wieder nur eine komische Täuschung ist. Denn zuletzt merkt man doch daß der Maler immer noch gewißenhaft genug die poetische Gerechtigkeit übet und seinen Held wirklich unter jener drolligen Leichencascade auf der Stelle des Teufels werden lässt. Und dann die Entdeckung, wo beim besten Spaß die Deidamia hinaus gegangen ist ihre Nothdurft zu verrichten. Gestehen Sie, dieser Bursche hat es recht gefasst wie grade die Zweisinnigkeit des Moments das einzige ist was diese [3] Aufgabe des Malens werth macht. Dafür ist aber auch wohl dieser Schweizer der einzige, den Goethe nicht ins Theatralische hinein zu verführen vermogt hat. Dieser tadelt an Hummels Skizze daß die Haupt-Gruppe zu theatralisch sei. Dies ist freilich wahr; aber ist er nicht selbst Schuld daran ? Indem er in seiner Aufgabe ausdrücklich auf einen einzigen Moment hindeutet, wo alle Motive sich vereinigen, wovon, soviel mir einleuchten will, nur aus dem Standpunkt der Dramatik die Rede sein kann, hat er ja förmlich alle seine Maler auf die Bretter gefodert. In der Malerei kann aus diesem Sujet überhaupt nichts Rechtes werden, so lange man nicht den modern sentimentalen Umstand der verheimlichten Liebes-intrigue sich aus dem Sinne treibt, der ganz falsch ist und in der antiken Mythe gar nicht Statt haben kann.

Gleich anfangs konnten wir uns des Lachens nicht erwehren, wo Sie uns nicht ohne ein wenig Verwunderung merken lassen, daß gleich beim ersten Anblick die modern sentimentale Deidamia die Aufmerksamkeit gewonnen hatte vor dem antiken Heroen: weil es die Bestätigung einer gleich vorgefassten Vermuthung ist. Goethe hat einmal dieses Sujet – vielleicht eben weil es zur modernen Sentimentalität verführt – als Haupt-Aufgabe gesetzt; und von der anderen hat er sich gewiß nicht viele Auflösungen versprochen. Jetzt ist es nicht mehr zu erwarten daß er die Würde jener Heroischen Energie und Kühnheit für die Darstellung hinterher anerkenne und beide Aufgaben zu gleichem Range [4] erhebe. Der Deidamia wird sicher der Haupt-Preis zuerkannt werden, und diesen wird Nahl davon tragen, den zweiten wird – – Rubens-Hoffmann erhalten. Dennoch wird es uns – wo nicht Freude, so doch Spaß – machen, und Sie können sich nicht vorstellen wie begierig wir alle der neuen Propyläen harren.
Aber, lieber Schlegel, nur rühmen Sie uns nicht die Grazie Eures fetten Nahls an. Wir kennen sie alle diese kalte und platte Luderhaftigkeit, die nur der abgenutzten Gewöhnlichkeit für Grazie, und überhaupt für etwas gelten kann. Dagegen, im Kampfe, räumen Sie uns nur gutwillich den gewaltigen – Abstand ein der zwischen dem hohen Ernst, dem poetischen und antiken Sinn, und der besonnenen Genügsamkeit des Künstlers in der Arbeit unsres Hummel, und dem burlesken Wirwar all der anderen Pantalone ist. Gestehen Sie daß hier die Götter würdig erscheinen in der Fülle ihres Elements, daß die Kühnheit des Helden groß und unzweideutig dargestellt ist, und wie durch lebendige Theilnahme alles zum Ganzen wird, das allmälige Aufstehn der ganzen Natur uns verkündet daß der Held zuletzt doch wird weichen müßen. Gestehen Sie daß dem Künstler, der nicht ein Küchenstück von Erschlagenen zu liefern im Sinne hatte, die Eine Leiche eine hinreichende Andeutung war.
[5] Bury ist sehr erfreut über Ihren Besuch bei der Herzogin und er erkennt dankbar die Freundschaftlichkeit mit der Sie ihr von ihm sprachen. Er wünscht daß Sie, so oft Sie in W.[eimar] sind, sie nicht vernachlässigen mögen, und bittet ihn ihr immer bestens in Erinnerung zu bringen. Sie können wissen daß er ihr mit einer Art von Kindlichen Liebe zugethan ist; und Liebe, sei sie welcher Art sie wolle, soll man immer religiös respektiren. Der arme Böttiger! muß jetzt auch da einen seiner Erbfeinde eingeführt sehn, und was noch ärger ist, sich gar noch von ihm freundlich begegnen lassen. Sein Anstand mußte sehr lustig sein: ungefähr so wie Meyers schwächliche Krittelfertigkeit. – Den Aufsatz von Schadow werden Sie jetzt wohl schon durch Bern[h]ardi erhalten haben. Wenn es Sie nicht zu beschwerlich fällt, so haben Sie doch die Güte uns zu berichten, wozu derselbe doch den alten Herrn bewegen mögte. Doch wir haben ja bald das Vergnügen Sie selbst wieder hier zu sehn, wo wir das umständlicher und besser mündlich erfahren. Ihre Bestellungen an Hirt wird Bury ausrichten. Sie erwähnen aber noch der Umriße nach der Me Meyer, die heute oder morgen erst wieder zurückkommt, und an welche Bury seitdem in der That gar nicht mehr gedacht hat. Ist es wirklich im Ernst daß Sie noch dieses [6] englischen Vignettenprojekts von platter Affektation gedenken, oder spotten Sie nur?
Nachdem ich bis jetzt der Wortführer für Bury gewesen, sey es mir erlaubt noch ein Paar Worte in meinem eigenen Namen hinzu zu fügen. Lieber Schlegel, ich verlasse mich ganz ehrlich darauf Ihren Unterricht im Griechischen zu genießen. Bis jetzt habe ich freilich noch nicht daran denken können, eben weil ich mich für dieß Jahr erst so frei als möglich von Geschäften machen wollte. Allein jetzt gehe ich auf vier Wochen auf das Land, wo ich mich so viel möglich vorbereiten will: d. h. ich werde eine Grammatik mitnehmen und mich fleißig in derselben umsehn. Lassen Sie sich nur nicht abschrecken: ich versichre Ihnen ich bin kein schlechter Schüler.
Sie fodern mich auf dem Goethe ein Exemplar meiner drei Briefe über den Vitruv zu übersenden von welchen ich bis jetzt noch gar nichts weiß. Mit jedem Tage erwarte ich durch Hummels Bruder, der jetzt in Braunschweig lebt, eine Nachricht ob ich noch zu gerichtlichem Verfahren werde schreiten müßen oder nicht. Das erste Produkt eines Menschen, der nichts weniger als Author ist, kann in den meisten Hinsichten nicht anders als schülerhaft werden. Die einzige, in [7] welcher es noch mir selbst, und vielleicht einem oder dem anderen Architekten wichtig bleiben kann, kann dem alten Meister so wenig als Ihnen interessiren.
Und auch in dieser Hinsicht enthalten sie Manches, was ich jetzt wohl wieder zurück haben mögte, der ridicülen Irrthümer zu geschweigen, zu welchen mich die Oberflächlichkeit der Reisebeschreiber, und noch mehr das Unglück nichts selbst gesehen zu haben, verleitet hat. Mir wird es also immer eine nüchterne Arroganz scheinen, wenn ich dem alten Herrn mein Geschreibsel aufdringen sollte, was für ihn keinen Werth hat. Aber da Sie es doch gut heißen, so schlage ich Ihnen vor Ihnen zwei Exemplare zu geben, von welchen Sie denn eines in Ihrem eigenen Namen ihm mittheilen mögen. Sind Sie damit zufrieden? Einmal wenn ich es selbst thun oder in meinem Namen thun lassen sollte, würde ich trotz der Entfernung zwischen Weimar und hier über und über roth werden und in Verwirrung gerathen wie ein Mädchen das ihre Jungfrauschaft verlieren soll. Ich kann mich einmal nicht helfen und diese burleske Schwachheit müßen Sie mir wohl zu gute halten.
Leben Sie wohl. Und hegen Sie keinen Zweifel [8] daß es mit Ihren Vorlesungen hier recht gut zu Stande kommen wird. Ich wenigstens habe keinen hierüber. Jüngst war Ihr Freund Merkel bei Bury und fand ein Paar von Ihren Ankündigungen. Fand er sie nicht da, so fand er sie ja wohl sonst wo. Er meinte Sie fiengen doch endlich an sich ein wenig unter seinen Züchtigungen zu besseren: ich weiß nicht ob darin, daß Sie Ihre Vorlesungen nach Berlin verlegen, oder darin daß Sie sich an die Damen addressiren. Doch fand er Ihren Styl immer noch nach alter Weise etwas sehr pretiös und anmaßlich. Es ist etwas drolliges um diese moderne philosophische Demuth die so gar nichts von der Christlichen an sich hat. Nachdem er ausgesabbert hatte, sagte Bury ihm: jetzt haben Sie es einmal gesehen, jetzt schimpfen Sie darüber weit und breit herum so viel Ihnen gelüstet. Je braver Sie schimpfen, je mehr Zuhörer bekommt der Schlegel. Was sagen Sie zu der ehrlichen Herzhaftigkeit unsres Bury? Der Schuft ist capabel und siehet die Richtigkeit davon ein, und schimpft jetzt gar nicht: Ihnen zum Schabernak.
Adieu.
Ihr
Genelli
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