• August Wilhelm von Schlegel to Sophie Bernhardi

  • Place of Dispatch: Jena · Place of Destination: Berlin · Date: 03.10.1801
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
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    Metadata Concerning Header
  • Sender: August Wilhelm von Schlegel
  • Recipient: Sophie Bernhardi
  • Place of Dispatch: Jena
  • Place of Destination: Berlin
  • Date: 03.10.1801
  • Notations: Empfangsort erschlossen.
    Printed Text
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: 343347008
  • Bibliography: Briefe von und an August Wilhelm Schlegel. Gesammelt und erläutert durch Josef Körner. Bd. 1. Zürich u.a. 1930, S. 140‒143.
  • Incipit: „[1] Jena d. 3 Oct. 1801
    Erst gestern Mittag kam ich von Weimar zurück, wo ich mit Schelling und meinen Hausgenossinnen, Mad. [...]“
    Manuscript
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: DE-611-37187
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XX,Bd.7,Nr.66(92)
  • Number of Pages: 4 S. auf Doppelbl. u. 1 S., hs. m. U.
  • Format: 18,7 x 11,6 cm
[1] Jena d. 3 Oct. 1801
Erst gestern Mittag kam ich von Weimar zurück, wo ich mit Schelling und meinen Hausgenossinnen, Mad. Unzelmann zu Ehren, eilf Tage zugebracht, und dem edlen Müßiggange so ganz gewidmet habe, daß ich nicht einmal einen Brief an einen Freund zu Stande gebracht, weil ich unter beständigen Störungen und niemals allein war. Das Theater, die Ausstellung und die Gesellschaft haben unsre Zeit getheilt, ich habe Goetheʼn recht viel gesehen, theils im Schauspiele, theils des Vormittags, wo Ihr Bruder, der unser täglicher Gesellschafter war, ihn modellirte. Die Theatervorfälle, und was sonst zu erzählen wäre, will ich auf das mündliche versparen, und mich bloß auf das beschränken, was Ihren Bruder betrifft, den ich wie den meinigen liebe. Er hatte sich zwar vorgenommen Ihnen selbst zu schreiben, ich weiß aber nicht, ob er es schon ins Werk gerichtet haben wird. Goetheʼs Büste war schon sehr weit vorgerückt und gerieth vortrefflich: es ist eine Arbeit, die ihm in ganz Deutschland Ehre bringen muß. Die Unzelmann, die sie noch am letzten Tage sah, und so etwas ohne alle artistische Gesichtspunkte betrachtet, war über die sprechende Ähnlichkeit ganz entzückt. [2] Zugleich gewährt ihm diese Arbeit den Vortheil in ein ungenirteres Verhältniß mit Goethe zu kommen, welches bey seiner Zurückhaltung anfangs schwer hält. Fr.[iedrich] T.[ieck] ist auch sehr offenherzig gegen ihn und macht ihm seine Preiszeichnungen gehörig herunter, welches G.[oethe] mit gutem Humor aufnimmt.
Von der Ausstellung schicke ich ein Verzeichniß mit, welches Sie wohl die Güte haben gelegentlich Buri zu geben. Die 3 Porträte von Buri sind die Zeichnungen von Goethe, von mir und Mad. Vohs. Unter den Skizzen Ihren Bruders ist eine herrliche, Neoptolemus, der den Priamus umbringt, aus Versehen im Verzeichniß übergangen. Dann sind noch ein paar Köpfe von ihm aus Raphaels Transfiguration hinzugekommen, die Goethe erst später von ihm mitgetheilt erhielt. – Auch ein paar Preis-Bilder kamen noch während der Ausstellung hinzu. – Ich darf Ihnen nicht erst sagen, daß Buriʼs und Tiecks Sachen für mich das erste und einzige daselbst waren. An Genelli denke ich darüber für seinen unterhaltenden Brief einen umständlicheren Bericht zu senden: jetzt ist er wohl auf dem Lande. Theilen Sie also nur obige kurze Nachrichten an Buri bey seinem nächsten Besuche mit.
[3] In einigen müßigen Stunden hatte er Catell in schwarzer Kreide, bloß mit dem Wischer aufgetragen, gezeichnet, welches außerordentlich ähnlich geworden. Er wird nun wohl noch ein paar Tage hier daran wenden, Schelling auf eben diese Art zu zeichnen.
Wegen drey großer Basreliefs im Schlosse sind ihm Eröffnungen geschehen – er hat aber darüber nicht mit Goethe sondern mit Genz zu verhandeln. Er wollte nach unsrer Abreise von Weimar Skizzen davon entwerfen. Wenn man einigermaßen gute Bedingungen zugesteht, so können diese Basreliefs, die vielleicht eine Arbeit von 9 Monaten sind, das Mittel für ihn werden nach Italien zu gehn. Sie werden ihn wohl nöthigen, einen Theil des Winters in W.[eimar] zuzubringen. Sein Bruder ladet ihn dringend ein, nach Dr.[esden] zu kommen – er ist aber entschlossen, es für jetzt nicht zu thun, und wird wohl mit mir oder noch früher nach B.[erlin] kommen.
Sie sehen er fördert sich bestens auf seiner Laufbahn, und es wird ihm gewiß außerordentlich gelingen. Den Titel des Fleißigen werde ich ins künftige schwerlich so par excellence führen. [4] Ihrem letzten Briefe zufolge habe ich Goetheʼn immer noch ein nachzusendendes Intriguen-Stück erwarten lassen. Lassen Sie mich nicht damit zu Schanden werden.
Hätten Sie mir doch nur Ihr Gedicht zugeschickt. L. Tieck macht den Kunstrichter, und schreibt, er hielte es für zu wenig gelungen, und schickt es gar nicht mit. Ich bin deßhalb nicht weniger begierig darnach, und bitte Sie recht sehr, es mir zu senden. Zum Almanach ist es freylich zu spät: er ist fertig wie Sie sehen, ich schicke Ihnen hier das erste vollständige Exemplar, was ich beysammen habe, bitte Sie aber, es für jetzt noch nicht außer dem Kreise der Freunde mitzutheilen.
Ihr älterer Bruder hat mir übrigens recht freundschaftlich geschrieben, und den Prolog und ersten Akt einer literarisch-satirischen Komödie geschickt, die er diesen Sommer geschrieben, gegen deren Erscheinung nun aber leider Hindernisse eintreten.
Nach Ihrem letzten Briefe sollte ich fast die Hoffnung aufgeben, Zuhörer zu meinen Vorlesungen zu bekommen. Indessen wird dieß meinen Entschluß, nach Berlin zu kommen, nicht verändern. Wo möglich muß man es durchzusetzen suchen. [5] Ich bleibe nun einmal nicht weg, man mag mich haben wollen oder nicht. Das Nöthige darüber habe ich an Schütze geschrieben, dem ich es zu geben, und dieß Geschäft ferner mit ihm zu besprechen bitte.
Von Schleiermacher habe ich einen Brief erhalten, kann ihm aber mit dieser Post noch nicht antworten, und bitte ihn unterdessen bestens zu grüßen.
Caroline empfiehlt sich bestens, schwerlich wird sie gleich mit nach Berlin kommen, vielleicht aber in der letzten Hälfte des Winters.
Die herzlichsten Grüße an Bernhardi, mit dem ich manche Stunde zu verphilosophiren und zu verkritisiren hoffe. Geben Sie doch ja bald günstigere Nachrichten von Ihrer Gesundheit – haben Sie nur erst rechten Glauben, so wird es gewiß besser. Leben Sie recht wohl, meine theure Freundin.
Ihr
A. W. Schlegel

Schelling und ich, wir seufzen nicht selten, nach den versprochnen spirituellen Reizmitteln – in diesen Herbsttagen wären sie ein großer Trost.
Ist noch nichts wieder in der Sache mit Unger geschehen?
[6]
[1] Jena d. 3 Oct. 1801
Erst gestern Mittag kam ich von Weimar zurück, wo ich mit Schelling und meinen Hausgenossinnen, Mad. Unzelmann zu Ehren, eilf Tage zugebracht, und dem edlen Müßiggange so ganz gewidmet habe, daß ich nicht einmal einen Brief an einen Freund zu Stande gebracht, weil ich unter beständigen Störungen und niemals allein war. Das Theater, die Ausstellung und die Gesellschaft haben unsre Zeit getheilt, ich habe Goetheʼn recht viel gesehen, theils im Schauspiele, theils des Vormittags, wo Ihr Bruder, der unser täglicher Gesellschafter war, ihn modellirte. Die Theatervorfälle, und was sonst zu erzählen wäre, will ich auf das mündliche versparen, und mich bloß auf das beschränken, was Ihren Bruder betrifft, den ich wie den meinigen liebe. Er hatte sich zwar vorgenommen Ihnen selbst zu schreiben, ich weiß aber nicht, ob er es schon ins Werk gerichtet haben wird. Goetheʼs Büste war schon sehr weit vorgerückt und gerieth vortrefflich: es ist eine Arbeit, die ihm in ganz Deutschland Ehre bringen muß. Die Unzelmann, die sie noch am letzten Tage sah, und so etwas ohne alle artistische Gesichtspunkte betrachtet, war über die sprechende Ähnlichkeit ganz entzückt. [2] Zugleich gewährt ihm diese Arbeit den Vortheil in ein ungenirteres Verhältniß mit Goethe zu kommen, welches bey seiner Zurückhaltung anfangs schwer hält. Fr.[iedrich] T.[ieck] ist auch sehr offenherzig gegen ihn und macht ihm seine Preiszeichnungen gehörig herunter, welches G.[oethe] mit gutem Humor aufnimmt.
Von der Ausstellung schicke ich ein Verzeichniß mit, welches Sie wohl die Güte haben gelegentlich Buri zu geben. Die 3 Porträte von Buri sind die Zeichnungen von Goethe, von mir und Mad. Vohs. Unter den Skizzen Ihren Bruders ist eine herrliche, Neoptolemus, der den Priamus umbringt, aus Versehen im Verzeichniß übergangen. Dann sind noch ein paar Köpfe von ihm aus Raphaels Transfiguration hinzugekommen, die Goethe erst später von ihm mitgetheilt erhielt. – Auch ein paar Preis-Bilder kamen noch während der Ausstellung hinzu. – Ich darf Ihnen nicht erst sagen, daß Buriʼs und Tiecks Sachen für mich das erste und einzige daselbst waren. An Genelli denke ich darüber für seinen unterhaltenden Brief einen umständlicheren Bericht zu senden: jetzt ist er wohl auf dem Lande. Theilen Sie also nur obige kurze Nachrichten an Buri bey seinem nächsten Besuche mit.
[3] In einigen müßigen Stunden hatte er Catell in schwarzer Kreide, bloß mit dem Wischer aufgetragen, gezeichnet, welches außerordentlich ähnlich geworden. Er wird nun wohl noch ein paar Tage hier daran wenden, Schelling auf eben diese Art zu zeichnen.
Wegen drey großer Basreliefs im Schlosse sind ihm Eröffnungen geschehen – er hat aber darüber nicht mit Goethe sondern mit Genz zu verhandeln. Er wollte nach unsrer Abreise von Weimar Skizzen davon entwerfen. Wenn man einigermaßen gute Bedingungen zugesteht, so können diese Basreliefs, die vielleicht eine Arbeit von 9 Monaten sind, das Mittel für ihn werden nach Italien zu gehn. Sie werden ihn wohl nöthigen, einen Theil des Winters in W.[eimar] zuzubringen. Sein Bruder ladet ihn dringend ein, nach Dr.[esden] zu kommen – er ist aber entschlossen, es für jetzt nicht zu thun, und wird wohl mit mir oder noch früher nach B.[erlin] kommen.
Sie sehen er fördert sich bestens auf seiner Laufbahn, und es wird ihm gewiß außerordentlich gelingen. Den Titel des Fleißigen werde ich ins künftige schwerlich so par excellence führen. [4] Ihrem letzten Briefe zufolge habe ich Goetheʼn immer noch ein nachzusendendes Intriguen-Stück erwarten lassen. Lassen Sie mich nicht damit zu Schanden werden.
Hätten Sie mir doch nur Ihr Gedicht zugeschickt. L. Tieck macht den Kunstrichter, und schreibt, er hielte es für zu wenig gelungen, und schickt es gar nicht mit. Ich bin deßhalb nicht weniger begierig darnach, und bitte Sie recht sehr, es mir zu senden. Zum Almanach ist es freylich zu spät: er ist fertig wie Sie sehen, ich schicke Ihnen hier das erste vollständige Exemplar, was ich beysammen habe, bitte Sie aber, es für jetzt noch nicht außer dem Kreise der Freunde mitzutheilen.
Ihr älterer Bruder hat mir übrigens recht freundschaftlich geschrieben, und den Prolog und ersten Akt einer literarisch-satirischen Komödie geschickt, die er diesen Sommer geschrieben, gegen deren Erscheinung nun aber leider Hindernisse eintreten.
Nach Ihrem letzten Briefe sollte ich fast die Hoffnung aufgeben, Zuhörer zu meinen Vorlesungen zu bekommen. Indessen wird dieß meinen Entschluß, nach Berlin zu kommen, nicht verändern. Wo möglich muß man es durchzusetzen suchen. [5] Ich bleibe nun einmal nicht weg, man mag mich haben wollen oder nicht. Das Nöthige darüber habe ich an Schütze geschrieben, dem ich es zu geben, und dieß Geschäft ferner mit ihm zu besprechen bitte.
Von Schleiermacher habe ich einen Brief erhalten, kann ihm aber mit dieser Post noch nicht antworten, und bitte ihn unterdessen bestens zu grüßen.
Caroline empfiehlt sich bestens, schwerlich wird sie gleich mit nach Berlin kommen, vielleicht aber in der letzten Hälfte des Winters.
Die herzlichsten Grüße an Bernhardi, mit dem ich manche Stunde zu verphilosophiren und zu verkritisiren hoffe. Geben Sie doch ja bald günstigere Nachrichten von Ihrer Gesundheit – haben Sie nur erst rechten Glauben, so wird es gewiß besser. Leben Sie recht wohl, meine theure Freundin.
Ihr
A. W. Schlegel

Schelling und ich, wir seufzen nicht selten, nach den versprochnen spirituellen Reizmitteln – in diesen Herbsttagen wären sie ein großer Trost.
Ist noch nichts wieder in der Sache mit Unger geschehen?
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