• August Wilhelm von Schlegel to Ludwig Tieck

  • Place of Dispatch: Bonn · Place of Destination: Unknown · Date: 02.06.1836
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: August Wilhelm von Schlegel
  • Recipient: Ludwig Tieck
  • Place of Dispatch: Bonn
  • Place of Destination: Unknown
  • Date: 02.06.1836
    Printed Text
  • Bibliography: Ludwig Tieck und die Brüder Schlegel. Briefe. Hg. v. Edgar Lohner auf der Grundlage der von Henry Lüdeke besorgten Edition. München 1972, S. 210‒211.
  • Incipit: „[1] Bonn den 2. Juni 1836
    Geliebtester Freund,
    Ich gab an Löbell eine kleine Einlage, um meine Antwort ja nicht zu verzögern. Jetzt [...]“
    Manuscript
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: DE-611-37187
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XX,Bd.7,Nr.66(80)
  • Number of Pages: 3 S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 20,8 x 12,9 cm
    Language
  • German
[1] Bonn den 2. Juni 1836
Geliebtester Freund,
Ich gab an Löbell eine kleine Einlage, um meine Antwort ja nicht zu verzögern. Jetzt versichre ich dich von neuem, daß mir dein Besuch unendlich willkommen seyn, und daß dein und deiner beiden Reisegefährtinnen Empfang mir nicht die mindeste Unbequemlichkeit verursachen wird. Löbell hat die artig eingerichteten Zimmer im obern Stock gesehen. Dein Schlafzimmer kennst du. Der Keller ist ziemlich gut besetzt, die Kalesche ist auch noch da. Es casa vuestra, Señor.
Du sagst, ich halte mich tapfer. Ich bestrebe mich freilich. Diesen Frühling reite ich sogar wieder. Abends bei hellem Kerzenlicht, sauber geputzt und mit meinen Orden-pompons angethan, in der neuesten, noch nicht fuchsig gewordenen Perücke, bringe ich noch eine leidliche Decoration heraus. Schöne Damen sagen mir, ich müsse wohl ein Geheimnis besitzen um mich immerfort zu verjüngen. Aber die Pflege des Leibes nimmt viel Zeit weg. Dazu bedarf ich viel Schlaf und zu ungelegenen Stunden. Dieß artet zu[2]weilen in das Murmelthierische aus. Sey aber nur nicht bange vor meiner Schlafmützigkeit. Wenn ich wach bin, so bin ich es recht, besonders wenn eine geistige Anregung hinzukommt, und an guten Späßen soll es nicht fehlen.
Du hast Recht: ich hätte längst dich in Dresden besuchen sollen, wiewohl sich an diesen Ort traurige Erinnerungen für mich geknüpft haben. Ich war auch oft darauf bedacht, aber zur Ausführung aller Reisepläne gehört Zeit und Geld. Die oben erwähnte körperliche Verfassung ist Ursache, daß ich mit meinen gelehrten Arbeiten gar nicht so vorrücke wie ich wollte und sollte, was mich zuweilen recht muthlos macht. – Was das zweite betrifft, so habe ich leider die Kunst verlernt, wohlfeil zu reisen. Ich brauche einen Bedienten, einen eignen Wagen, Postpferde und gute Gasthöfe. In Paris bin ich durch die Gastfreiheit meiner Freunde geborgen; doch giebt es in einer Hauptstadt immer noch manche Ausgaben. Mein Londoner Triumphzug, ein Aufenthalt von nur sechs Wochen, hat entsetzlich viel gekostet.
[3] Ich brauche dir nicht zu sagen, daß mir der Goethesche Aufwasch und Auskehricht eben so zuwider ist wie dir. Ich lese das Zeug nicht. Der Alte muß nun durch dieses Fegefeuer gehen. Die Zeit wird die Schlacken wegläutern. Es muß zu einer Auswahl kommen: Werke des lebendigen Goethe.
Hier hast du ein Wortspiel auf den Zelterschen Briefwechsel. – Dein Tischlermeister, den ich mit vielem Ergötzen gelesen, hat mich an mein ineditum erinnert, das ich seit undenklichen Zeiten, und zwar aus authentischer Quelle, dem autographen Original, besitze. Du kannst damit nach Belieben schalten.
Melde mir doch die Adresse meiner Nichte Augusta Buttlar. Ich habe allzu lange versäumt ihr zu schreiben. Wenn du sie siehst, so grüße sie und entschuldige mich.
Gieb mir auch Nachricht von deinem Neffen und Knorring. Von deinem Bruder hatte ich letzthin einen Brief, der aber darüber nichts enthält.
Nun merke wohl: bis Anfang Septembers triffst du mich sicher hier. Lebe unterdessen recht wohl, geliebter Freund. Herzliche Grüße an die Deinigen.
Dein treuer
A W v Schl
[4]
[1] Bonn den 2. Juni 1836
Geliebtester Freund,
Ich gab an Löbell eine kleine Einlage, um meine Antwort ja nicht zu verzögern. Jetzt versichre ich dich von neuem, daß mir dein Besuch unendlich willkommen seyn, und daß dein und deiner beiden Reisegefährtinnen Empfang mir nicht die mindeste Unbequemlichkeit verursachen wird. Löbell hat die artig eingerichteten Zimmer im obern Stock gesehen. Dein Schlafzimmer kennst du. Der Keller ist ziemlich gut besetzt, die Kalesche ist auch noch da. Es casa vuestra, Señor.
Du sagst, ich halte mich tapfer. Ich bestrebe mich freilich. Diesen Frühling reite ich sogar wieder. Abends bei hellem Kerzenlicht, sauber geputzt und mit meinen Orden-pompons angethan, in der neuesten, noch nicht fuchsig gewordenen Perücke, bringe ich noch eine leidliche Decoration heraus. Schöne Damen sagen mir, ich müsse wohl ein Geheimnis besitzen um mich immerfort zu verjüngen. Aber die Pflege des Leibes nimmt viel Zeit weg. Dazu bedarf ich viel Schlaf und zu ungelegenen Stunden. Dieß artet zu[2]weilen in das Murmelthierische aus. Sey aber nur nicht bange vor meiner Schlafmützigkeit. Wenn ich wach bin, so bin ich es recht, besonders wenn eine geistige Anregung hinzukommt, und an guten Späßen soll es nicht fehlen.
Du hast Recht: ich hätte längst dich in Dresden besuchen sollen, wiewohl sich an diesen Ort traurige Erinnerungen für mich geknüpft haben. Ich war auch oft darauf bedacht, aber zur Ausführung aller Reisepläne gehört Zeit und Geld. Die oben erwähnte körperliche Verfassung ist Ursache, daß ich mit meinen gelehrten Arbeiten gar nicht so vorrücke wie ich wollte und sollte, was mich zuweilen recht muthlos macht. – Was das zweite betrifft, so habe ich leider die Kunst verlernt, wohlfeil zu reisen. Ich brauche einen Bedienten, einen eignen Wagen, Postpferde und gute Gasthöfe. In Paris bin ich durch die Gastfreiheit meiner Freunde geborgen; doch giebt es in einer Hauptstadt immer noch manche Ausgaben. Mein Londoner Triumphzug, ein Aufenthalt von nur sechs Wochen, hat entsetzlich viel gekostet.
[3] Ich brauche dir nicht zu sagen, daß mir der Goethesche Aufwasch und Auskehricht eben so zuwider ist wie dir. Ich lese das Zeug nicht. Der Alte muß nun durch dieses Fegefeuer gehen. Die Zeit wird die Schlacken wegläutern. Es muß zu einer Auswahl kommen: Werke des lebendigen Goethe.
Hier hast du ein Wortspiel auf den Zelterschen Briefwechsel. – Dein Tischlermeister, den ich mit vielem Ergötzen gelesen, hat mich an mein ineditum erinnert, das ich seit undenklichen Zeiten, und zwar aus authentischer Quelle, dem autographen Original, besitze. Du kannst damit nach Belieben schalten.
Melde mir doch die Adresse meiner Nichte Augusta Buttlar. Ich habe allzu lange versäumt ihr zu schreiben. Wenn du sie siehst, so grüße sie und entschuldige mich.
Gieb mir auch Nachricht von deinem Neffen und Knorring. Von deinem Bruder hatte ich letzthin einen Brief, der aber darüber nichts enthält.
Nun merke wohl: bis Anfang Septembers triffst du mich sicher hier. Lebe unterdessen recht wohl, geliebter Freund. Herzliche Grüße an die Deinigen.
Dein treuer
A W v Schl
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